Geschwister sind die längsten Begleiter durch das Leben eines Menschen. Niemand kennt einen besser. Aber trotzdem kommt es oft zu schweren Zerwürfnissen. Und während die Verbindungen zu Eltern und Partnern oft Gegenstand von Therapien sind, werden Geschwisterverhältnisse selten besonders gepflegt. Warum eigentlich nicht? Das fragen wir den Paartherapeuten Wolfgang Schmidbauer in unserer Serie "Familienrat".
ZEIT ONLINE: Warum werden Probleme zwischen erwachsenen Geschwistern so selten thematisiert?
Wolfgang Schmidbauer: Ich glaube, dass der Einfluss der Geschwister sehr
unterschätzt wird. Und die Geschichte der Beziehungen zwischen erwachsenen
Geschwistern ist auch gar nicht so einfach. Einerseits ist man sich ja durch
die große Nähe in der Kindheit sehr vertraut, und andererseits gibt es schon in
der Kindheit diese Dynamik, dass sich Geschwister unterschiedliche ökologische
Nischen suchen und sich deswegen auseinanderentwickeln. Dann entsteht, wenn sie
sich später treffen, eine ganz merkwürdige Mischung. Einerseits sind sie sich
sehr nahe und andererseits wiederum sehr fremd, eben weil sie einen anderen Weg
gegangen sind.