Der berühmteste Sessel Italiens steht gleich neben einem Fenster im zehnten Stock der Agostino-Gemelli-Klinik im Nordwesten von Rom. Papst Franziskus sitzt in diesem Sessel, trotz seiner schweren Krankheit lag er in den vergangenen Tagen nicht nur im Bett, sondern empfing Besucher und tätigte Anrufe. Dennoch kämpft er um sein Überleben. In den nun fast zwei Wochen seines Klinikaufenthaltes wechseln sich beunruhigende und beruhigende Nachrichten über seinen Zustand ständig ab. Als die ZEIT den Leiter des Ärzteteams, Sergio Alfieri, in der Gemelli-Klinik fragte: "Was fürchten Sie am meisten?", lautete die Antwort des Professors schlicht: "Eine Sepsis."

Seit der schwer erkältete Papst am 14. Februar mit Atemnot in die Klinik eingeliefert wurde, schwebt er in Lebensgefahr. Zunächst war eine Lungenentzündung diagnostiziert worden, später dann plötzlich auch eine Niereninsuffizienz. Die Furcht der Ärzte: Sollten die Krankheitserreger, die seine Lungen befallen haben, eine Blutvergiftung auslösen, könnte dies ein multiples Versagen der Organe zur Folge haben – und den Tod des Heiligen Vaters.

Alles hängt jetzt davon ab, ob es den Ärzten gelingt, das zu verhindern. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass Journalisten überhaupt mit den behandelnden Ärzten eines Papstes sprechen dürfen. Eine epochale Neuerung. Früher berichteten die Leibärzte der Päpste und ihre diskret hinzugezogenen Kollegen nur an den Vatikan. Hochrangige Kurienbeamte und der Pressesaal entschieden, wer was erfahren durfte. Der im Jahr 2017 verstorbene Arzt Renato Buzzonetti arbeitete 30 Jahre lang an der Seite von drei Päpsten. Seine Telefonnummer wurde wie ein Geheimnis gehütet, und nur äußert selten ließ er sich zu einem vertraulichen Tipp über den wahren Gesundheitszustand der Päpste überreden. Er hätte niemals öffentlich so viel preisgegeben wie die behandelnden Ärzte von Franziskus am vergangenen Samstag, 22. Februar, in der Gemelli-Klinik.

An diesem Tag schienen die Ärzte den Kampf verloren zu haben. Das medizinische Bulletin für die Presse klang so dramatisch, dass aus der Kurie die Reaktion kam: "Jetzt hilft nur noch beten." Die italienische Tageszeitung La Repubblica erklärte ihren Lesern, dass "die dunkelste Stunde" angebrochen sei. Selbst der Krankenhauskaplan der Gemelli-Klinik Don Nunzio Currao sprach davon, dass jetzt "Hoffnung entgegen aller Hoffnung" nottue. Was war passiert? Der Papst hatte eine "asthmatische Atemkrise" erlitten, so hieß es offiziell, er musste beatmet werden, außerdem hatte eine Blutuntersuchung einen Mangel an Thrombozyten ergeben, die für die Blutgerinnung wichtig sind. Am Sonntagmorgen begannen in zahlreichen Kirchen Roms Andachten, weil der Vatikan mitgeteilt hatte, dass eine "leichte Funktionsstörung der Nieren des Papstes" festgestellt worden sei. Italiens Medien meldeten: Es drohe ein Nierenversagen des Papstes und damit sein Tod.

Abgeschirmt von all der Aufregung, kämpft der Papst gegen die Krankheit. Ausgerechnet er, der trotz Atemnot nicht in die Klinik wollte. Der sich gleich zu Beginn seines Pontifikates geweigert hatte, in die Isolation des apostolischen Palastes einzuziehen, und stattdessen das bescheidene vatikanische Gästehaus Santa Marta bevorzugte, um, wie er sagte, "in einer Gemeinschaft zu leben". Während nun die Nachrichten über ihn immer dramatischer klangen, versammelten sich am Sonntag getreue Katholiken vor der Klinik, bei der weißen Statue von Papst Johannes Paul II., um für die Genesung des Argentiniers zu beten. Eine Gruppe aus Lateinamerika sang ein Ave Maria, sprach dann im Chor das Vaterunser.

Die Lateinamerikaner gehören zu jenen Pilgern, die im heiligen Jahr 2025 zu Zehntausenden nach Rom kommen wollen, auch um den beliebten Franziskus zu sehen. Nun können sie ihn hinter den Fenstern der Klinik kaum erahnen, statt ihn auf dem Petersplatz zu bejubeln. Für Roms Tourismusbranche ist der Krankenhausaufenthalt des Papstes ein Schock. Ende Februar sollte der Ansturm der insgesamt 50 Millionen erwarteten Pilger so richtig beginnen. Doch derzeit klagen so manche Besitzer von Hotels und Restaurants am Tiber mitleidlos: Der Zustand von Franziskus sei sehr schlecht fürs Geschäft. Einige Hoteliers berichten, dass ihre mit hohen Aufpreisen für das heilige Jahr angebotenen Zimmer storniert werden, seit das Gerücht umgeht, der Tod des Papstes stehe unmittelbar bevor. Es beruhigt sie nicht, dass für eine mögliche Beerdigung und das anschließende Konklave Tausende Journalisten erwartet werden.

Doch noch ist es nicht so weit. Seit Montag mehrten sich die Hoffnungszeichen, dass Franziskus die akute Krise übersteht. Am Dienstag schätzen die Ärzte seinen Gesundheitszustand sogar als "stabil" ein. Die Therapien gingen zwar weiter, aber die Funktionsstörungen der Nieren gäben "keinen Grund zur Besorgnis". Eine der Vorsichtsmaßnahmen war zuvor schon gelockert worden, die Isolation des Papstes wurde aufgehoben. Am Montag empfing er wieder Besucher. Doch nicht allein dies war eine Überraschung, sondern vor allem, wer kam.

Franziskus bei seiner vorerst letzten Messe am 9. Februar © Alessandra Benedetti/​Getty Images

Seit Tagen kursierte in Rom das Gerücht, dass der kranke Papst einen Rücktritt erwäge. Tatsächlich hatte Franziskus in der Vergangenheit erklärt, dass es ein von ihm unterzeichnetes Rücktrittsgesuch gebe für den Fall, dass er sein Amt nicht mehr ausüben könne. Eine so wichtige Entscheidung müsste Franziskus wohl mit seinem Vertrauten Kardinal Victor Manuel Fernandez besprechen, dem Chef des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Die Vatikanisten warteten also bang auf den Besuch von Fernandez als Anzeichen für ein Ende des Pontifikates. Doch statt Fernandez kamen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der Substitut Edgar Peňa Parra, um im Krankenzimmer des Papstes mit ihm über bevorstehende Selig- und Heiligsprechungen zu beraten.

Beide Kirchenmänner sind wichtig, um die Amtsgeschäfte aufrechtzuerhalten, aber nicht, um ein Pontifikat zu beenden. Vor allem der Besuch des Substituten Edgar Peňa Parra hat nur dann Sinn, wenn ein Papst wissen will, wie tagesaktuelle Probleme gelöst werden müssen. Mit einem Rücktritt hätte Peňa Parra nichts zu tun. Oder?

Am Dienstagabend sorgte eine Ankündigung des Vatikansprechers für neue Aufregung: Der Papst wolle "an einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt" ein Konsistorium, also eine Versammlung der Kardinäle einberufen, "um neue Selig- und Heiligsprechungen zu beraten". Das provozierte heftigste Spekulationen. Denn Papst Benedikt XVI. hatte vor fast genau zwölf Jahren, am 11. Februar 2013, ein ebensolches Konsistorium einberufen – nutzte dann aber die Anwesenheit der Kardinäle, um seinen Rücktritt zu erklären.