Wie gut sind die Deutschen im Mülltrennen?
Die Deutschen bekennen sich zum Trennen ihres Mülls und halten sich für außerordentlich gut in dieser Disziplin. Nur 3,8 Prozent der Bevölkerung geben an, überhaupt keinen Abfall zu trennen. Das zumindest zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Civey-Umfrage für das Recyclingunternehmen Alba. Doch leider liegt diese Selbsteinschätzung fernab der Realität. Wühlt man in einer durchschnittlichen Restmülltonne, so findet man vor allem eines: wenig Restmüll. Organischer Abfall landet laut dem Umweltbundesamt besonders oft in der schwarzen Tonne, rund 40 Prozent des Restmülls könnten in die Biotonne wandern. Weitere 25 Prozent des Restmülls sind Papier, Kunststoffe, Elektronikschrott und Glas – Material, das hervorragend getrennt und recycelt werden könnte.
Bringt es denn überhaupt etwas, dass ich mühselig den Joghurtbecher in seine Einzelteile zerlege?
Da hilft ein Blick auf das Förderband in der Sortieranlage in Berlin-Mahlsdorf. Dort eilen Salami-Verpackungen, Zitronensaftdosen und Zigarettenschachteln vorbei. Alles, was die Einwohner der Hauptstadt in ihre Wertstofftonne kippen, wird hier mithilfe von Sieben, Wind und Infrarot-Scannern sortiert. "Vor allem noch gefüllte Verpackungen, wie Joghurtbecher, die mitsamt Inhalt in die Wertstofftonne geworfen werden, bereiten uns Probleme", sagt Sandra Völker von Alba. Rutscht der Sortiermaschine ein Joghurtbecher mitsamt Inhalt und Aluminiumdeckel durch, verunreinigt der den bereits sortierten Kunststoff. Die Recyclinghöfe kommen zwar mit einer Fehlerquote von fünf Prozent zurecht. Aber jeder Becher, der nicht zerlegt wird, erhöht das Risiko, dass die Grenze überschritten wird und die gesamte Masse nicht mehr wiederverwendet werden kann.
Das ganze Sortieren ist ja auch kompliziert. Was, wenn ich zum Beispiel dreckige Gläser ins Altglas werfe?
Gläser muss man nicht unbedingt ausspülen, denn die Scherben werden vom Recyclingunternehmen heiß gewaschen und wieder eingeschmolzen. Auch wenn zufällig ein Deckel mit im Container landet, ist das nicht weiter schlimm, denn das Metall wird mit einem Magneten aus dem Scherbenhaufen gezogen. Wichtiger ist da schon, die richtige Farbe zu treffen. Zwar macht eine grüne Flasche nicht gleich die ganze Weißglas-Charge kaputt, die Fehlertoleranz liegt allerdings bei lediglich 0,2 Prozent. Außerdem gehört nur sogenanntes Verpackungsglas in den Altglas-Container. Die zerbrochene Teekanne oder der Spiegel müssen tatsächlich in den Restmüll.
Wo läuft es denn schon richtig gut mit dem Recyceln?
Manches läuft fast schon perfekt. Glas kann unendlich oft eingeschmolzen und wiederverwendet werden – 85 Prozent wurden deshalb unter dem Strich zuletzt recycelt. Ähnlich gut sieht es beim Papier aus: Im Jahr 2022 lag der Anteil von Altpapier in der deutschen Papierproduktion bei 79 Prozent. Das ist vor allem ein finanzieller Vorteil für die herstellenden Unternehmen. Im August kostete eine Tonne Altpapier rund 160 Euro. Im Gegensatz dazu müssen die Hersteller derzeit rund 1.000 Euro für eine Tonne frischen Zellstoff ausgeben.
Immerhin. Wo ist der größte Raum für Verbesserung?
Der kommunale Flickenteppich bestimmt auch das Geschehen bei der deutschen Abfalltrennung. Das gilt vor allem für Plastik. Die Münchner müssen ihren Verpackungsmüll zu sogenannten Wertstoffinseln schleppen, im Kreis Steinburg in Schleswig-Holstein werden nur gelbe Säcke gesammelt. In Berlin hingegen gibt es Wertstofftonnen, dort dürfen auch kaputte Eimer, Kochtöpfe oder Kinderspielzeug entsorgt werden. Mehr zu recyceln ist gut, aber wegen der aufwendigeren Sortierung teuer. Bei Verpackungen werden diese Kosten vorab vom Hersteller getragen, indem er Lizenzen kauft. Wer andere Wertstoffe in den Kreislauf bringt, muss jedoch nichts zahlen. In Berlin kommen deshalb die Steuerzahler für deren Recycling auf. Die Mülltrennungsexpertin Katharina Istel vom Naturschutzbund (Nabu) fordert nun einheitliche Wertstofftonnen in ganz Deutschland. Das Potenzial von Recycling sei noch lange nicht ausgeschöpft.
Warum wird immer noch so viel Biomüll verbrannt?
Es ist nicht so, dass der komplette Inhalt einer Biotonne in die Müllverbrennungsanlage gebracht wird. Trotzdem landen Apfelschalen und Kaffeesatz häufig im Feuer, obwohl sie zu wertvollem Biogas oder Kompost verarbeitet werden könnten. Der Grund: Sie enden im Restmüll, weil viele Kommunen immer noch keine Biotonne eingeführt haben – obwohl diese seit 2015 Pflicht ist. Eine Analyse des Nabu im vergangenen Jahr zeigte, dass nur 284 von 400 Landkreisen und kreisfreien Städten eine Biotonne haben. Bei den übrigen Kommunen ist sie freiwillig, oder die Bürger müssen ihren Bioabfall zu einem zentralen Ort bringen. Für viele ist da der Weg zur schwarzen Tonne deutlich attraktiver. Und auch für Kommunen ist es oft attraktiv, wenn die Bürger ihren Bioabfall einfach zum Restmüll werfen: Wenn die Kommune eine eigene Müllverbrennungsanlage hat, muss diese ja auch stetig gefüllt werden. Dann ist der ungetrennte Biomüll eine Art Garantie gegen Stillstand.