[0001] [0002] [0003] ŞENGÖR 2011 [0004] [[1]/0005] [[2]/0006] [[3]/0007] |:poss:| _ Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. geschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [[4]/0008] [5/0009] Die Übersicht des Inhaltes siehe pag: 155. _ 1. und 2. Vorlesung (6. und 13. Dezember 1827) 1ste Abtheilung Anstatt der Definition des Wortes Naturgeschichte will ich es versuchen, ein Bild der Natur selbst zu entwerfen. Ich kann dazu kei- ne passendere Einleitung geben, als eine Uebersicht der Zustände im allgemeinen, in welchen die Materie uns im Weltraume er- scheint. Wir nehmen sie wahr in zweierlei Gestalt: erstens, zu Weltkörpern geballt, und zweitens, als Dunstmasse dazwischen ver- breitet. 1ste Abtheilung Ich fange mit denjenigen Körpern an, welche in der Lichtbildung be- griffen erscheinen. Durch Herschelsche und Frauenhofersche Telescope be- merkt man nehmlich Nebelsterne, welche einen mehr oder minder hellen Kern mit einer Lichthülle umgeben zeigen: in dieser Lichthülle nimmt man ein Ab- u Zunehmen der Lichtstärke wahr, eine Ebbe und Fluth. Sie mögen zu den primitiven Formationen, zu den Uran- fängen des Agregatzustandes gehören. Diese geheimnißvollen Erschei- nungen am Himmel sind zum Theil Sterne von 7t u 8t Größe, die im Mittelpunkte eines milchfarbenen Lichtes von 3– 5– 6′, also von ungeheurer Ausdehnung stehen, welches so schwach und unauflösbar ist, daß man es nicht für das verworrene Licht unzähliger Sterne halten kann, weil dañ der Centralkörper von unglaublicher Größe sein [6/0010] müßte. Es scheinen dieß also Sonnen zu sein, die nicht von Sternen, nicht von einzelnen Weltkörpern, sondern von einem leuchtenden Fluidum, von einem Lichtstoffe umgeben sind, der sich noch nicht zu sphäri- schen Weltkörpern gebildet hat oder aus dem vielleicht der Central- stern durch eine anfangende Verdichtung entstanden ist. Andere dieser Lichtmassen am Himmel, denen die Astronomen den Na- men der Nebelflecke gegeben haben, lösen sich vor den stärksten Telescopen in einzelne helle Punkte auf, die aber wahrscheinlich nur näher zusam̃enhängende Systeme von Sonnen, Milchstrassen, sind, die wenigstens um hundert ihrer Durchmesser von uns entfernt sind. Herschel hat diese entfernten Milchstrassen am ganzen Him̃el aufge- sucht, und es sind deren bereits über 3000 entdeckt worden. Die aufgeklärtesten Philosophen vermutheten schon, daß das nieverlöschende unbewegliche Licht der Milchstrasse von unzähligen Sternen entstehen müsse, die wegen der großen Entfernung so nahe scheinen, daß ihr Licht zusammenfließt u wir sie nicht unterscheiden können. Die Neuern zwei- felten nicht an der Richtigkeit dieser Erklärung, obgleich sie selbst durch die stärksten Fernröhre nicht mehr einzelne Sterne entdeckten, als an andern Stellen des Himmels. – Die Fernröhre, welcher sich die Astronomen im 17t Jahrhundert bedienten, waren von einer unbequemen, ü- bertriebenen Länge. Auf Befehl Ludwig XIV. wurde von Campani in Bologna ein Fernrohr von 250′ Brennweite verfertigt, durch wel- ches der große Cassini die zwei nächsten Trabanten des Saturns entdeckte. Auzout in Frankreich brachte sogar ein Objectiv von 600′ Breñweite zu Stande, das aber aus Mangel einer schicklichen Vorrichtung nicht gebraucht werden konnte. Herschel gelang es endlich, durch die Vergrößerung u Lichtstärke seines [7/0011] 20 füssigen Telescops den Schim̃er der Milchstrasse vollkommen in kleine Sterne aufzulösen, die sich einzeln von einander unterscheiden lassen: auch bemerk- te er in der That, daß jede Stelle in der Milchstrasse umso sternreicher ist, je glänzender sie dem blossen Auge erscheint. – Um sich einigermassen einen Begriff von der unzähligen Menge der Sterne zu machen, die den Schim̃er der Milchstrasse hervorbringen, bediente sich Herschel des genau bestim̃ten Fel- des seines Telescops als Maaß. Er fand im Durchschnitt, daß ein Raum der Milchstrasse von 2° Br. u 15° L. nicht weniger, als 50000 Sterne enthielt, die noch groß genug waren, um deutlich gezählt zu werden und wenig- stens 100000, die wegen ihres schwachen Lichts nicht gezählt werden konnten. Da nun die Milchstrasse im Durchschnitt eine Breite von wenigstens 12° Br. hat und sich über den ganzen Him̃el von 360° erstreckt, so würden wenigstens 20 Millionen Sterne in der Milchstrasse enthalten sein. – Wären wir aber auch im Stande, die Menge der Sterne in der Milchstrasse ei- nigermaßen genau zu bestim̃en, so würde uns dieß bei weitem nicht ei- nen hinlänglichen Begriff von der Unermeßlichkeit auch nur des Theils des Universums geben, den unser Auge erreichen kann. Wir wis- sen nicht, wie viele Sternhaufen, der Milchstrasse gleich, über den Him̃el verbreitet liegen. Es ist offenbar, daß, weñ die Milchstrasse tausendmal weiter von uns entfernt wäre, die einzelnen Sterne, welche man jetzt noch in ihr entdecken kann, in eben dem Verhältniß an Licht- stärke verlieren würden und näher zusam̃enrücken würden: das Ganze endlich zu einer kleinen matten Wolke einschrumpfen wür- de, in der sich kein einzelner Stern mehr entdecken liesse. Wenn unser Auge von der Milchstrasse nur um einen Durchmesser derselben entfernt wäre, so würde sie uns nur noch unter einem Winkel von 60° erscheinen, nicht viel größer, als das Gestirn des großen Bären, in [8/0012] einer Entfernung von 10 Durchmessern würde sie nur unter einem Winkel von 2° 25′ ungefähr so groß, wie das Siebengestirn, und auf 100 Durchmesser unter einem Winkel von 17°, kleiner, als der berühmte Fleck in der An- dromeda erscheinen. Sie würde in dieser Entfernung dem blossen Auge unsichtbar sein und durch Fernröhre, als Wölkchen von schwachem Licht, ähn- lich den kleinen Lichtmassen dastehn, denen die Astronomen den Namen Nebelflecke gegeben haben. Die unsere Begriffe fast übersteigende, kaum aussprechbare Entfernung die- ser unendlich weit entlegenen Weltkörper sind wir dennoch zu berech- nen im Stande, seitdem wir gelernt haben, die Geschwindigkeit des Lichtes zu berechnen. Nicht unser Erdkörper aber bietet uns den Maßstab dazu dar, am Himmel selbst muß die Messung vorgenom̃en werden. Olof Roemer, ein Däne, fand in der Verfinsterung der Jupiterstraban- ten das Mittel, dieses wichtige Problem zu lösen. Er hatte in den Jahren 1670 bis 1675 mit dem ältern Cassini auf der Pariser Sternwarte viele Verfinsterungen der ♃ Monde beobachtet, und gefunden, daß der erste Mond nicht immer zu der berechneten Zeit aus dem Schatten trat, und daß der Austritt desselben sich immer mehr ver- späte, je weiter sich die Erde vom Jupiter entferne, wogegen der Eintritt früher erfolgte, jemehr sie sich demselben näherte, so daß der größte Unterschied über 14 Minuten betrug. Roemer schloß, daß diese Ungleichheit von dem Abstande der ♁ und des ♃ abhänge und eine Folge der verschiedenen Zeit sei, welche das Licht brauche, um bei ungleicher Entfernung die Erde zu erreichen. – Genauere Be- stimmungen haben später gezeigt, daß das Licht in einer Sekunde 40000 Meilen zurücklegt; es gelangt daher von der Sonne bis zu uns in 8 Minuten, 13 Secunden. Dagegen braucht es vom Sirius 14 (Cosmos) Jahre, und 8′ 17″ 78″ [9/0013] vom nächsten Nebelfleck mindestens 24000 Jahr. Dieß giebt eine Entfernung von 33000 Billionen Meilen. Es folgt hieraus, daß das WeltGebäude ein Alter von mehr als 25000 Jahre hat, weil das Licht, was wir heute sehen, schon vor so langer Zeit von dort ausgeflossen ist. Schwindel erregend! – gleich der Betrachtung, daß die zerstörendsten Revolu- tionen jene leuchtenden Gestirne vernichtet haben können, welche mit ruhiger Klarheit unsere Nächte erhellen, und daß vielleicht Menschen- alter vergehen, ehe nur die Kunde davon zu uns gelangt. Eine sehr merkwürdige Erscheinung am Himmel sind die veränderlichen Sterne, deren Licht entweder in beständigen Perioden zu und abnim̃t, oder die, nachdem sie einmal erschienen sind, auf immer verschwin- den. Manche Sterne sind am Himmel verloren gegangen, manche sieht man, wo man sonst keine bemerkte. Durch die Erscheinung ei- nes neuen Sterns ward Hipparch 125 v. Chr. zur Verfertigung eines Verzeichnisses der Fixsterne bewogen; einer ähnlichen Erscheinung verdanken wir das von Tycho gemachte Verzeichniß der Sterne. Der von Tycho beobachtete Stern erschien 1572 plötzlich mit einem Glanz, der den des Jupiter u Sirius übertraf, so daß derselbe so gar am Tage sichtbar war. Einen Monat nachher nahm sein Glanz stufenwei- se ab, bis zum März 1574, wo er ganz verschwand. 1604 beobachte- te Kepler einen sehr glänzenden Stern, der nach einem Jahre verschwand. Neuere Astronomen haben eine Menge Sterne beobachtet, die in bestän- digen Perioden eine Ab u Zunahme des Lichts leiden, u sogar ganz verschwin- den. Diese Perioden sind von Tagen bis zu Jahren sehr verschieden. [10/0014] Den Grund dieser Erscheinung hat man wahrscheinlich theils in physischen Ver- änderungen, die auf diesen Weltkörpern vor sich gehen, theils in ihrer Um- drehung um ihre Axe zu suchen. Dieß letztere ist besonders bei solchen Ster- nen zu vermuthen, deren Licht periodisch ist. Wenn nehmlich ein Theil der Oberfläche dunkler, als der andere, oder so beschaffen ist, daß er weniger Licht verbreitet, so wird uns der Stern mehr oder weniger glänzen, nach- dem er uns, während seiner Rotationsperiode seine helle oder dunkle Seite zukehrt. Andere Sterne, die plötzlich aufscheinen, und dañ wieder ver- schwinden, erlitten vielleicht eine große Revolution, es entwickelten sich vielleicht bisher ruhende Kräfte und machten seinem veralteten Da- sein ein Ende, um ihn schöner aus der Asche wieder hervorgehen zu lassen. Doppelsterne neñt man zwei oder mehrere Sterne, die so nahe bei eiander stehen, daß sie dem blossen Auge und selbst durch kleine Fernröhre wie ein einzelner Stern erscheinen, durch stärkere Ver- größerungen aber auseinander gerückt werden. – Bessel hat ge- zeigt, daß einige derselben sich um einen gemeinsamen Schwer- punkt drehen, sich also wohl noch nicht selbstständig haben constituiren können. Man findet 3 bis 4 zusam̃en; ja im σ des Orion laufen 16 Sterne um einen Schwerpunkt. Man hat bis jetzt nahe 700 /675/ dieser Doppelsterne entdeckt. Merkwürdig u auffallend ist die Verschiedenheit der Farbe, welche an denselben bemerkbar ist. – Sie erscheinen abwechselnd weiß, blau, roth, doch so daß der mittlere Stern stets ein weisses, der circulirende Weltkörper da- gegen ein buntfarbiges Licht ausstrahlt. Man hat die Vermuthung [11/0015] aufgestellt, daß, da besonders verlöschendes Licht farbig erscheint, diese Körper verlöschende, in der Abnahme des Lichtprozesses begriffen sein mögten. Auf keinen Fall kann man ihnen planetarisches Licht zuschrei- ben, sie müssen selbstleuchtend sein, da reflectirtes Licht in so uner- meßlicher Ferne nicht sichtbar sein würde. Auffallend ist die Schnelligkeit, mit welcher sich diese mehrfachen Soñen bewegen. Bessel hat im Schwan einen Doppelstern entdeckt, dessen Fort- rücken schon nach 6 Monaten sichtbar war. Auch ist zu erwähnen, daß die Bewegung mancher Doppelsterne von Osten nach Westen geht, im Gegensatze zu unserem System, wo alle Bewegung von Westen nach Osten fortrückt. Eine merkwürdige Erscheinung am südlichen Himmel sind die sogenañ- ten Magellanischen Wolken, deren lichtgebende Dünste jeden Abend in der Nähe des Südpols sichtbar werden. Diesen entgegengesetzt sind jene räthselhaften, von Sternen entblößten schwarzen Stellen, unpoe- tisch Kohlensäcke coal bags genañt, die ich ebenfalls in der südlichen Hemisphäre mehrmals beobachtet habe. Die eine dieser Stellen er- scheint in der Spitze des südlichen Kreuzes, an der Eiche Carl II, nahe am Südpol. Auffallend ist, daß die durch meteorologische Instrumente bemerkbare Veränderung der Atmosphäre auf das Sichtbarwerden dieser Flecken keinen Einfluß zu haben scheint. In jenen Nächten, weñ die übrigen Gestirne im schönsten Glanze leuchteten, waren die dunkeln Stellen oft nicht sichtbar, und erschienen dagegen, weñ gleich das Hygrometer anzeigte, daß die Luft stark mit Dünsten angefüllt sei. Man hat diese Erscheinung aus dem Contrast herleiten wollen, [12/0016] den eine minder mit Sternen besäete Stelle am Himmelsraume, gegen den besonders hellfunkelnden Glanz der südlichen Gestirne her- vorbrächte. – Ich kann dieser Meinung nicht sein, welche auch die beiden Forster nicht theilten, die Cook’s zweite Erdumsegelung beglei- tend, dieser Erscheinung eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben. – Im Scorpion befindet sich ein Raum von 3°, auf dem selbst durch Herschelsche Telescope kein einziger Stern bemerkbar ist; und den- noch bleibt diese Stelle dem Auge unsichtbar und erscheint vollkom̃en, wie jeder andere Raum des Himmels. Eine dritte ausgezeichnete Erscheinung des Himmels bietet das so- genannte Thierkreislicht /Zodiacallicht/, das schon im südlichen Europa nach Untergang der Sonne sichtbar ist, dar, besonders im Anfange des Frühlings spitz pyramidenförmig sich erhebend, seinen leuchtenden Schim̃er verbreitend. – Mit mehr Wahrscheinlichkeit ist dieses im̃er noch räthsel- hafte Phänomen einer Anhäufung leuchtender Körper zuzuschreiben, als, wie gewöhnlich, anzunehmen, daß es von den feinsten und ausge- dehntesten Theilen der Sonnenatmosphäre herrühre. Zum erstenmal habe ich dieses schöne Schauspiel in Valencia in Spanien beobachtet; später hat es sich mir dargeboten am Oronoco, unweit Carracas und auf den höchsten Ebenen der Cordilleren, wo, durch die dünne Luftschicht durchblickend, dieß Licht oft leuchtender erschien, als selbst der Glanz der Milchstrasse. Welchen Platz nun unser Planetensystem in der es umgebenden linsenförmigen Sternschicht einnehme, ist nur im allgemeinen zu [13/0017] bestimmen; nach der neusten Ansicht steht es dem Adler am nächsten. Obgleich die Fixsterne ihren Namen von dem angenommenen Fest- stehen derselben bekommen haben, so lehren doch neuere Beobachtungen, daß auch sie, wiewohl äusserst langsam ihren Ort am Himmel ver- ändern, wodurch die große Entdeckung von dem Fortrücken unseres Sonnensystems gemacht ward, das nach Herschel sich gegen das λ des Hercules bewegt. Unser System besteht aus einem Centralkörper, um welchen sich 22 Haupt- u 18 Neben-Planeten bewegen. Der Centralkörper ist von so ungeheurer Größe, daß unser Mond fast zweimal darin seinen Umlauf um unsere Erde vollenden könnte. – Zunächst wer- den wir alle Planeten darin in zwei Classen theilen, dh in solche, welche sich entweder innerhalb oder ausserhalb der Bahnen der neu entdeckten Planeten Ceres, Pallas, Juno u Vesta bewegen, und daher innere und äussere genannt werden. Diese 4 Planeten, welche wegen ihrer Kleinheit mit Verachtung von Herschel Aste- roiden genañt worden, (so wie man Halbmetalle der Alcalien Metalloide neñt,) sind alle zusam̃en nicht so groß, als unser Mond; ja die Vesta, als die kleinste, hat eine Oberfläche von 10000 □ Meilen, also weniger, als der preussische Staat. Die 4 innern Planeten Mercur, Venus, Erde, Mars haben eine größere Dichtig- keit als die äusseren; nehmlich Mercur = Platina, Venus = Gold, Erde = Magneteisenstein, u sie sind deshalb, weil sich ihre Masse mehr concentrirte, mondarm, und haben alle zusam̃en nur einen Mond. 22 Haupt u 21 Neben (1850) [14/0018] Die 3 äusseren sind weit weniger dicht: Jupiter = Bernstein, Saturn = Naphta, Uranus = Wasser, und ihrer schnellern Bewegung halber sehr abge- plattet, besonders bei ♃ auffallend bemerkbar. Diese schneller rotiren- den Weltkörper sind auch sehr reich an Satelliten, dagegen unsere Erde nur von einem Monde begleitet wird. Der Saturn bietet ausserdem noch die sonderbare Erscheinung eines Ringes dar, wahrschein- lich jedoch nichts anderes, als ein System von Satelliten, eine Menge knotenförmig verwachsener Trabanten. Die Fläche dieses Ringes ist auf beiden Seiten mit ungeheuren Bergen von der fast unglaublichen Höhe von 200–300 Meilen bedeckt, die selbst über den Rand des Ringes hervortreten. Diese hervortretenden Berge sind fast 6 mal so hoch, als die halbe Dicke des Gewölbes, von der sie getragen werden, und viel größer, als der ganze Planet Vesta. – Durch den 1781 von Herschel entdeckten Planeten Uranus wurde der Horizont des PlanetenGebiets unserer Sonne um das Doppelte erweitert. Die- ser Planet ist nehmlich noch einmal so weit, als Saturn; 400 Millionen Meilen von der Sonne entfernt. Er vollendet seine lange Reise um die Sonne erst in 84 Jahren und 6 Trabanten umkreisen ihn. (Neptun, mit 2 Trab., in 164 Jahr 225 Tagen) Die Entdeckung der 4 kleinen Planeten, durch welche die früher un- terbrochene harmonische Progression in den Abständen der Planeten- bahnen sich vollständiger zu bestätigen scheint, verdanken wir den Teutschen. Piazzi, ein geb. Teutscher, entdeckte am 1 Jan. 1801 zu Palermo glücklich einen zwischen ♂ u ♃ früher vermutheten Haupt- planeten, dem er den Namen Ceres beilegte. Kaum 1½ Jahr [15/0019] nachher hatte Olbers in Bremen das Glück einen zweiten planetari- schen Weltkörper zwischen Mars und Jupiter aufzufinden, den er Pallas nannte. Am 1 Septbr 1804 entdeckte Professor Harding zu Li- lienthal einen dritten neuen Planeten ungefähr in demselben mittlern Abstande von der Sonne, als Ceres u Pallas. Man hat ihn Juno genannt. Endlich hat Olbers am 29 Maerz 1807 abermals ei- nen vierten Planeten zwischen Mars u Jupiter entdeckt, der den Namen Vesta erhielt. (Seitdem, bis 1850, noch 11 Planeten entdeckt) Ausser den nunmehr bekañten Haupt u Neben Planeten gibt es im weiten Reiche unserer Sonne noch eine ungleich größere Anzahl an- derer Weltkörper, welche mehrentheils in langen eliptischen Bahnen sich um die Sonne wälzen. Dieß sind die Cometen. Ueber diese hat sich neuerlich die Meinung der Astronomen sehr geändert. Jener Ge- danke, daß sie ein Planetensystem mit dem andern verbinden, ist ganz verschwunden; man nim̃t jetzt an, daß keine ihrer Bahnen über den Uranus, ja nicht einmal über den Saturn hinausgehen. Man hat bis jetzt von solchen Cometen, welche zwischen der Sonne u der Erde durchgehen, 400 beobachtet; rechnen wir aber alle dazu, welche ausserhalb der Erde ihre Bahnen ziehen, so kañ ihre Zahl leicht auf einige 100000 gesteigert werden, welche alle zu unserm Planeten- system gehören. Die wichtigste Entdeckung in dieser Hinsicht machte in der neusten Zeit unser Astronom Enke. Er berechnete die Bahn eines Cometen, der in 3½ Jahr seinen Umlauf um die Soñe vollenden mußte. Bei seinem letzten Erscheinen hatte er sein Wiedererscheinen genau vorhergesagt und man entdeckte ihn zuerst in Paramatta [16/0020] auf Neuholland. Nur fand man, daß er sich ein wenig verspätet hatte, u dieß führte auf die bewegungshemmende Eigenschaft des Aethers. Die- ser Comet ist nun schon 5 mal beobachtet. – Der Hauptmann Biéla in Böhmen entdeckte später einen zweiten Cometen, der in 6½ Jahren sei- nen Weg um die Sonne zurücklegt. – Der berühmte Halley hatte die Wiederkunft eines Cometen auf das Jahr 1757 vorhergesagt. Der Land- mann Palitsch bei Dresden sahe diesen Cometen am 25 Decbr 1758 wirklich zuerst wieder. Es hatte sein letzter Umlauf 500 Tage länger gedauert, als der von 1607 bis 1682, welche Perturbation die Astro- nomen der Anziehungskraft des ♃ u ♄ zuschreiben. Von allen Cometen, welche beobachtet und deren Bahnen berechnet worden, ist keiner unserer Erde so nahe gekom̃en, als der von Bié- la entdeckte, und allerdings könnte uns dieser gefährlich werden, da man berechnet hat, daß einer seiner Knoten innerhalb der Erdbahn liegt. Die große Leichtigkeit dieser Weltkörper kann uns jedoch von aller Besorgniß befreien, denn man hat nachgewie- sen, daß einer derselben, der von 1770, durch das Trabantensystem des Jupiter gegangen ist, ohne dasselbe im mindesten in Unordnung zu bringen. Ihre Dichtigkeit beträgt 1/5000 von der der Erde. Sie sind also noch weit dünner, als die düñste Luft, welche wir unter der Luft- pumpe hervorbringen können. Zu den merkwürdigsten, bisher noch keineswegs genügend erklärten Er- scheinungen gehören die Aerolithen, jene größern u kleinern Stein- massen, welche aus den Himmelsräumen zu uns herabkom̃en. Chladni hat das Verdienst, auf dieses schon den Alten unter dem Na- men von Steinregen bekannte Phänomen von neuem aufmerksam [17/0021] gemacht und neue Erfahrungen darüber gesammelt zu haben. Die verschie- densten Hypothesen sind aufgestellt worden, um den Ursprung dieser Massen zu erklären, die in den meisten Fällen aus terrestrischen Stoffen, Eisen, Nikel u. s. w. gebildet scheinen, und in denen Gustav Rose sogar das Vorkom̃en crystallinischer Theile nachgewiesen hat. Einige haben sie für vulkanische Aus- würfe der Erde erklären wollen, andere sie für Producte von Monde- ruptionen gehalten, welche wahrscheinlichere Meinung in der auf dem Monde 5mal geringern Schwere, und der großen Freiheit seiner Atmo- sphäre, die der Bewegung keinen merklichen Widerstand entgegensetzen kann, einen Stützpunkt findet. – Die Annahme, daß die Bestandtheile dieser Massen sich aufgelöst im Luftkreis vorfinden sollten und durch irgend eine elektrische Explosion, /die Feuerkugeln, welche die Erscheinung gewöhn- lich begleiten,/ im Moment des Herabfallens vereinigt würden, hat we- nig Haltbarkeit, da mindestens ein Raum von 4 bis 5 Meilen Luft er- forderlich wäre, um ähnliche Massen aufgelöst zu enthalten. Einige glauben Ueberbleibsel der ehemaligen chaotischen Masse darin zu erkennen und wir möchten sie geradezu für planetarische Weltkörper erklären, die gleich den übrigen im Weltall kreisen, bis sie der Attractions- sphäre eines oder des andern sich nähernd auf fremden Bahnen ihren Untergang finden. Die Kleinheit derselben darf dieser Annahme nicht entgegenstehen: der kleinste Hauptplanet ist im Verhältniß zum Sirius viel kleiner, als der größte Aerolith zur Vesta. Bei allen Messungen im Weltraume ist es weit interessanter, die Grö- ßen und Zahlen in ihrer relativen Ausdehnung zu kennen, als in ihrer [18/0022] absoluten: gerade wie bei Berghöhen. Die Schneekoppe ist halb so hoch, wie der höchste Gipfel der Pyrenäen, der Pic von Teneriffa halb so hoch als die Spitze des Himalaja; der Brocken ⅙ des Chimborasso. So wird auch eine vergleichende Berechnung von der Größe des Weltalls an ihrem Platze sein. Man setze den Durchmesser unseres Sonnensystems mit den äussersten Cometenbahnen gleich 1 Linie, so wird die größere Axe unserer linsenförmigen Sternschicht gleich 260 Fuß sein und von uns bis zum fernsten Nebelfleck gleich 4⅓ geographischen Meilen. Die Sehweite des bewaffneten Auges ist also 4⅓ Meilen, die des unbewaffneten in gleichem Verhältniß 3 Fuß. Man hat Infusionsthiere beobachtet, deren Durchmesser 1/1000 einer Linie be- trägt, diese verhalten sich zu einem Wallfisch von 60 bis 70 Fuß, wie der Durchmesser unsers Sonnensystems zu der Entfernung desselben zu den weitesten Nebelflecken. Bei allen diesen Berechnungen ist natürlich eine Ungewißheit vor- handen, welche nur dadurch verringert wird, daß man sie in ganz bestim̃te Gränzen einschliessen kann. So weiß man mit Bestim̃t- heit, daß Sirius 10000 mal weiter, als Uranus von uns entfernt ist, weil seine Paralaxe nicht ⅓ Secunde beträgt. Bei der Entfer- nung des Mondes von 51000 Meilen ist man nur um 14 bis 15 Mei- len ungewiß, welches so viel heißt, als weñ man bei der Höhe des Brockens von 3200′ um 1 bis 2′ ungewiß wäre. Wenn wir nunmehr zu den tellurischen Verhältnissen über- gehen, so müssen wir zuerst zwei flüssige Hüllen um den Erdkörper bemerken, die des Meeres u der Luft, wodurch man schon auf die II. Geognosie [19/0023] Kugelgestalt der Erde schliessen könnte. Schon Aristoteles /de coelo/ stellt die Behauptung auf, daß die Erde rund sei, weil man bei Mondfin- sternissen den Erdschatten rund in die Mondscheibe eintreten sieht. Die Erde hat aber keine vollkom̃ene Kugelgestalt, sondern bil- det vielmehr ein Sphäroid mit starker Abplattung an den Polen. Diese Abplattung ist bedeutender, als man früher glaubte: Man nahm sie sonst zu 1/305 bis 1/310 an; jetzt weiß man, daß sie zwischen 1/289 u 1/290 liegt. Ebenso hielt man früher die Figur des Erdsphäroids für unre- gelmässig, u glaubte die südliche Hemisphäre abgeplatteter, als die nördliche. Nach Freycinets u Duperre’s sehr genauer Messung ist erweislich, daß dieß nicht der Fall, und die Regelmässigkeit daher um so viel größer. Die specifische Dichtigkeit der Erde ist sehr beträchtlich, sie ist 4 bis 5 mal grö- ßer, als die des Wassers. Die Attraction der Erde, nach deren Einwir- kung auf die Pendelschwingungen man, besonders auf Bergen, die Schwe- re der Erde berechnet hat, gab verschiedene Resultate. In Schottland 4 bis 7 mal schwerer als Wasser, am Mont Cenis 4, nach Cavendish’s Erdwãge 5,4. Das Mittel aus diesen verschiedenen Angaben würde 4,5 bis 5,0 ergeben. Von Cavendish, der berühmte Versuche über die Zersetzung des Wassers gemacht hat, sagt man, er habe das Wasser zersetzt u die Erde gewogen. – Wir müssen aber annehmen, daß im Iñern der Erde größere Dichtigkeit herscht, als wir in den dichtesten Gebirgsarten antreffen. /Die magnetische Spannung der Erde äussert sich horizontal u perpen- dicular, oft auch oscillirend und wird durch die iñere u äussere [20/0024] Wärme vermehrt. Die Versuche von Morighini in Rom haben bewie- sen, daß man kleine unmagnetische eiserne Nadeln durch die Ein- wirkung der Sonnenstrahlen magnetisiren kann und diese Versuche, die bei der Einwirkung der italienischen Sonne nicht im̃er gelan- gen, sind von Miss Sommerville in London mit vielem Glück wie- derholt nach Wollastons unverwerflichem Zeugniß. Wir müssen dem- nach unsere Erde in einer fortdauernden electromagnetischen Spañung annehmen u es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Spañung durch die Sonnenwärme erhalten wird, wie das aus Seebeck’s schö- ner Entdeckung vom Thermomagnetismus, der durch ähnliche Erwär- mung hervorgerufen wird, und aus anderweiten Beobachtungen der Miss Sommerville über die Eigenschaften der Sonnenstrahlen hervorgeht./ 3. Vorlesung (20. Dezember 1827) Gleichsam die Skizze eines großen Bildes im Umrisse gebend, das nachmals in seinen einzelnen Theilen weiter ausgeführt werden wird, will ich im allgemeinen die Abschnitte bezeichnen, die wir durchzugehen haben: Astronomie Geognosie – Betrachtung des festen Erdkörpers Climatologie – Betrachtung der flüssigen Hüllen Meer Luft Geographie der Pflanzen Geographie der Thiere Betrachtungen über die Menschenracen. – [21/0025] Bei der Vergleichung unseres Erdkörpers mit den übrigen Planeten unsers Sonnensystems finden wir, daß dieselben sich nicht in allen Verhältnissen ähnlich sind. Die Körper auf unserer Erde sind geeignet, einen dreifachen Zustand anzunehmen, indem sie entweder starr, tropfbar flüssig oder ela- stisch flüssig erscheinen. Derselbe Fall kann nun zb auf dem Monde nicht statt finden, dem wir nach der Art seiner Bedeckung entweder gar kei- ne, oder eine von der unsrigen sehr verschiedene Athmosphäre zusprechen müssen. Wenn der Luftdruck auf der Erde am Ufer des Meeres einen Barometerstand von 28" hervorbringt, so würde derselbe auf dem Monde nur etwa ⅓ Linie betragen. Ebenso müssen wir annehmen, daß auf dem Monde sich keine Flüssigkeit befindet, wenigstens keine Meere. Denn da wir durch unsere Fernröhre im Stande sind, auf dem Monde etwa eine Größe wie Berlin genau zu beobachten, so fin- den wir, daß auf demselben nirgend zwei Höhen sich gleich sind. Die Ebenen auf dem Monde können daher keine Flüssigkeit enthalten, die nach hydrostatischen Gesetzen ein Bestreben haben sich en niveau zu setzen. Der Mond ist also höchst wahrscheinlich starr, wie die Aero- lithen ohne Luft u ohne Wasser. – Anders verhält es sich mit den übrigen Planeten, unter denen ♃ u ♄ durch eine sichtbare parallele Zone ihre dichtere Athmosphäre verrathen. – Die Cometen scheinen dagegen ganz luftförmige Gebilde, da selbst durch ihren Kern kleine Sterne erblickt werden können. Was wir von der innern Beschaffenheit des planetarischen Körpers, den wir bewohnen, wissen, beruht auf sehr unsicher hypothetischen Ver- muthungen. Denn wie gewagt sind die Schlüsse, die wir von den wenigen [22/0026] Fussen der uns bekannten Rinde auf den Durchmesser der Erdmasse 1720 Meilen zu 23000′ machen müssen! Man glaubte früher, annehmen zu dürfen, daß Licht u Organismus in der engsten Verbindung stehen, daß Licht zur Hervorbringung eines je- den organischen Lebens erforderlich sei. Lavoisier erklärte daher durch die Behauptung, daß Feuer die organischen Stoffe hervorrufe, auf eine geistreiche Weise die alten scythischen Mythen und die Fabel vom Prometheus. – So unläugbar nun aber der Einfluß des Sonnenlichts auf die ganze Organisation ist, so hat man sich doch in der neusten Zeit überzeugt, daß auch ohne Licht ein organisches Dasein statt finden kañ: ein Gegenstand, mit dem ich mich seit meiner frühesten Jugend beschäf- tigt habe. – In den tiefsten Bergwerken, selbst in solchen, welche ohne Zimmerung fortgeführt werden, finden wir unterirdische Pflanzen vegetirend u grüne Keime, selbst phosphorescirend, in LuftArten, /Koh- len- und WasserstoffGas/ die der Vegetation nicht günstig sind. Beim Sprengen unterirdischer uneröffneter Höhlen, in die nie ein Lichtstrahl gedrungen war, hat man die Stalaktiten mit Usneen, einem flechtenartigen Gebilde überzogen gefunden. – Auch in der Tiefe des Meeres, wo fast ebenso vollkommen, als die Bergwerken, jeder Licht- strahl ausgeschlossen ist, existiren grünende Vegetabilien. Jenseit der canarischen Inseln holte ich aus der Tiefe des atlantischen Meeres 240′ tief, mit dem Senkblei einen vollkom̃en grünen Fucus hervor, dessen Blätter Aehnlichkeit mit dem Weinlaube haben. Diese FucusArten, welche in einer Tiefe von 6 bis 800′ üppig vegetiren, dienen zur Bezeich- nung der Richtung der Meere. Von ihrem Standort losgerissen, schwimmen sie von einer Breite zur andern und bilden zusam̃engetrieben an der [23/0027] Oberfläche des Meeres grüne Inseln. – Nach Bougier’s Berechnungen über die Verminderung des Lichts beim Durchgang durch flüssige Körper dringt nach ihrem ursprünglichen Standort kein Lichtstrahl, der nicht 2 bis 3000 mal schwächer wäre, als ein Strahl des Mondlichtes. – Unsere geringe Keñtniß von der Erde gründet sich allein auf die Beobach- tungen, welche in die Rinde derselben eingetriebene Bergwerke uns ge- stattet haben. Natürlich kañ hier nicht die Rede sein von denjenigen Berg- werken, welche auf Hochebnen, wie zb. auf den mexicanischen Gebirgen 8– 9– 10000 und 12000′ über der Meeresfläche eingeschlagen sind, sondern nur von solchen, die gleich sind mit dem Spiegel des Meeres. Bisher hatte man die alten Gruben zu Ansin bei Valenciennes in Belgien /850′/ für die tiefsten gehalten. Herr von Dechen u H v. Oynhausen, so eben von einer geogno- stischen Reise rückkehrend, die eine reiche technische u wissenschaftliche Aus- beute gewährt, haben durch barometrische Messungen die Gruben von Val St. Lambert bei Lüttich 1400′ tief gefunden. In England an den Küsten von Cornwall u Cumberland gibt es Gruben, in denen unter dem Meere selbst gearbeitet wird, um so merkwürdiger, als der ganze Zwischenraum bis zum Meere nur etwa 13 Fuß beträgt. Bei Whitehaven gehen Gallerien von 5000′ Länge unter dem Meere fort, ohne daß Gefahr damit verknüpft wäre. Ich selbst bin in diesen subma- rinen Gängen gewesen und habe sie zu meinem Erstaunen keineswegs feucht, sondern vielmehr staubig gefunden, da der Grund des Meeres durch den Druck des Salzwassers vollkom̃en dicht cementirt ist. Selbst eine oberflächliche Betrachtung der Rinde unseres Erdkörpers zeigt unverkennbar deutlich die mannigfaltigsten Spuren großer Umwälzungen u zerstörender Catastrophen, welche auf demselben [24/0028] Statt gefunden haben. Unter den Versteinerungen, welche uns in den verschiedenartigsten fossilen Organismen die Reste untergegangener Schöpfungen offenbaren, finden sich jedoch niemals fossile Menschenknochen. Man hat dieß früher zum Theil daher erklären wollen, daß menschliche Gebeine einer schnellern Verderbniß ausgesetzt wären, dieß hat sich jedoch bei näherer Untersuchung keineswegs bewährt. In Egypten bemerkt man keinen Unterschied unter menschlichen Mumien und denen von Vierfüssern, wovon wir uns auch durch die interressan- te Sam̃lung des H Passal’aqua überzeugen können. Cuvier hat bei Nachgrabungen, welche vor einigen Jahren in der alten Kirche St. Genièvre Statt fanden, Knochen von Menschen gesammelt, welche un- ter Chlodwig begraben worden sind, und hat ihre Formen noch gut erhalten gefunden. Alles, was man unter den fossilen organischen Resten für Menschen- skelette gehalten hat, rührt entweder von einem andern Thiere her, oder gehört einer neuern Zeit an. Scheuchzers homo diluvii testis ist von Cuvier für einen Salamander erklärt worden, zur Gattung Proteus gehörend, so wie die neuerlich bei Marseille aufgefundenen angeblichen Menschenknochen für Abdrücke von Meerröhren. Bei Köstritz sollten sich Menschenknochen in alten Gebirgsarten vorge- funden haben; nach der sehr genauen Untersuchung des um die Petre- factenkunde so verdienten H v. Schlottheim in Gotha ist diese Behauptung aber mehr als zweifelhaft. Alle wahrhaften Menschen- knochen sind entweder durch Erdfälle verschüttete, oder in alten Burggebäuden zurückgebliebene oder in einer Incrustation ein- gehüllte Cadaver. Dieß gilt auch von den auf Guadeloupe ent- deckten versteinerten Menschengerippen, von denen eins von dem [25/0029] Admiral Cochrane nach England gebracht worden ist. Es ist dieß ein ziemlich wohlerhaltenes Skelett, doch ohne Kopf und rechten Arm, ohne Zweifel von einem Menschen. Dergleichen Gerippe kom̃en auf Guadeloupe häufig vor und werden von den Einwohnern Galibi, /wahrscheinlich eine Corruption von Caribi/ genannt. Bemerkens- werth ist der Umstand, daß diese Skelette alle in der Richtung von Ost nach West liegen, was auf die Vermuthung führt, daß vielleicht ein alter Karaibischer Kirchhof zum Grunde liegen kañ. Das Gestein, worin sie liegen, ist ein Kalksteinconglomerat, mit vielen vom Meere ausgeworfenen Lytophyten und Madreporen durch einen kalkigen Cement verbunden. Aehnliche Gebilde sind dem ganzen Archipel der Antillen gemein und den Negern auf Cuba unter dem Namen Maconne-bon-dieu bekannt. Man findet darin oft in 24′ Tiefe Trümmer von Gefässen, sogar Mörser, Keulen, Aexte und andere Arbeiten von Menschenhand. Bei den ungewissen Vermuthungen, welche selbst die uns bekañte äussere dünne Erdschicht unseres Planeten noch stets veranlaßt, sollten wir uns der Untersuchung über ihren Kern vielmehr ganz enthalten. Aber wie schon Montaigne sagt: wir haben ein schwaches Gesicht u viel Neugier und es ist uns unmöglich, nicht in diese uns verschlossene Tiefe dringen zu wollen. Die nach dem Innern der Erde zunehmende Temperatur, deren Annahme nicht mehr zu den Hypothesen gehört, veranlaßt uns zu interressanten Schlüssen über den Zustand des Erdkerns. – Man hat Zweifel erhoben gegen die Beobachtung der in den Bergwerken [26/0030] beider Welttheile mit zunehmender Tiefe sich constant vermehrenden Wärme. Man hat sie herleiten wollen von niedersinkenden, sich ver- dichtenden und also Wärme entbindenden Luftschichten, man hat sie der Menschennnähe, der Wirkung des bergmännischen Geleuchtes zuschrei- ben wollen. Aber abgesehen davon, daß die geringe Erwärmung, welche Gegenwart der Menschen u der Grubenlichter, die sich genau berechnen läßt, hervorbringen, nicht im Verhältniß steht mit dem Grade der zunehmenden Wärme, so haben neuerlich die Versuche des geistreichen Physikers Arago alle Zweifel auf das vollkom̃en- ste widerlegt. Tief erbohrte Quellwasser, sogenannte artesische Brunnen, sind wärmer befunden worden, je größer die Tiefe ist, aus der die Wasser aufsteigen. In Artois hat man die aus ei- ner Tiefe von 2–300′ /unter/ dem Wasserspiegel hervorquellenden Gewässer 4–5° wärmer gefunden. – Hier ist jeder Verdacht einer äussern Einwirkung entfernt; die Wasser bringen die Wärme mit sich, welche sie durch lange Berührung mit den Steinmassen in verschiedenen Tiefen erhalten haben. La Place hat berechnet, daß mit der Tiefe von 30 metres /etwa 100′/ die Wärme um 1° R. zunim̃t und demgemäß in einer Tiefe von 30 bis 40 Meilen selbst Gußeisen schmelzbar sein würde. Die neuern Ansichten der Physiker u Geognosten u zwar der beobachtenden, nicht leer hypothesirenden Geognosten scheinen somit den alten Mythos von Pyrophlegeton u Hephaestus allverbreiteter Werkstätte ins Leben zurückgerufen zu haben. [27/0031] Welche Zweifel man auch trotz der gerechten Verehrung, die dem großen La Place gebührt, gegen die numerische Gewißheit seiner Berechnung erheben kann, so steht eine so merkwürdige u fast allgemein bewährte Thatsache doch unstreitig mit dem in Verbindung, was die vulkanischen Erscheinungen uns lehren. Es scheint mir nehmlich wahrscheinlich, daß dieselben aus einer sehr einfachen Ursache, aus einer steten oder vorübergehenden Verbin- dung zwischen dem Innern und Äussern unseres Planeten entstehen; diese Beobachtungen lehren zugleich, wie, unabhängig von der Schiefe der Ekliptik im frühesten gleichsam jugendlichsten Zustande der Erde, Tropentemperatur u Tropenvegetation unter jeglicher Zone entstehen, u so lange fortdauern konnten, bis durch Wärmestrahlung aus der erhärteten Erdrinde u durch allmähliche Ausfüllung der Gangklüfte mit heterogenen Gesteinmassen, sich ein Zustand bildete, in welchem, wie Fourier in einem tiefsinnigen Werke gezeigt hat, die Wärme der Oberfläche und des Luftkreises nur von der Stellung des Planeten ge- gen einen Centralkörper, die Sonne, abhängt. Nach Fourier kañ sich die Temperatur in 30000 Jahren nicht um 1° vermindern. 4. Vorlesung (3. Januar 1828) Die Untersuchungen über die Beschaffenheit des festen Erdkörpers, über die geognostische Construction der Erde haben von jeher die gebildeten Men- schen beschäftigt, doch ist erst in neuern Zeiten durch gesichtetere Beob- achtungen eine sehr mythische Behandlung verdrängt worden. Man kañ sagen, Keppler habe die Gesetze erkañt u Newton sie erwiesen. – Im allgemeinen ist angenom̃en, daß der Erdball, bevor seine Oberfläche seine jetzige Gestalt gewonnen, sehr verbreitete Revolutionen erlitten habe, welche die Ordnung der Dinge veränderten. [28/0032] Schon die Alten beschäftigten sich mit den mannigfaltigsten Hypothesen über die Veranlassungen der augenscheinlichsten Veränderungen der Erd- oberfläche. Bei der Frage über den ehemaligen flüssigen Zustand der Erde theilten sich die Meinungen, wie bei uns, und schon bei den Griechen schieden sich Neptunisten von den Vulkanisten. Lange ist die mit den theologischen Theorieen übereinstim̃endere Ansicht die herrschende gewe- sen, daß die Urgebirge vom Wasser durchdrungen und in demselben aufgelöst gewesen seien u erst spät hat man Granit u Porphyr, wie jetzt angenom̃en wird, für Producte des Feuers erkannt. – Prof. Dudley in Oxford hat kürzlich auf eine ergötzlich geistreiche Weise einen geologischen Thermometer zusam̃mengestellt, auf dem gradweise angegeben ist, wie sich allmählig die Meinung der Gelehrten für die vulkanische Hypothese erwärmt hat. – Seit Buffon u der Pro- togea des großen Leibnitz haben genauere Untersuchungen ein helleres Licht über die Lagerungsverhältnisse der Gebirgsmassen verbreitet. Die Chrÿstallographie, eine neue Wissenschaft kömmt uns zu Hülfe, um die sich der schätzbare Mineralog Hauy in Paris große Verdienste erworben hat, u die hier mitten unter uns Prof. Weiss gewissermassen begründet hat. – Wir müssen hierbei auf eine chemische u mechanische Heterogenität in den Bestandtheilen der Erde aufmerksam machen, u demnächst bemerken, wie die constanten Associationen der Gesteine eine Gebirgsart bilden, welche man mit derselben Mischung in allen Theilen der Erde wiederfindet. Die auf diese Art verschiedenen u ähn- lichen Gebirgsarten bilden Gruppen, welche man Formationen neñt. Es ist Werners, des verdienten Stifters der Freiburger Schule, unsterbli- ches Verdienst, zuerst auf die Bildung der Formationen aufmerksam ge- macht zu haben. [29/0033] Wie schon früher bemerkt, ist das, was wir von der äussern Rinde der Erde kennen, im Verhältniß gegen ihren Durchmesser unbedeutend. Ein weiteres Feld der Beobachtung bieten uns die Abhänge der großen Gebirge, indem wir annehmen, daß alle Gebirgsketten aus Spalten her- vorgetrieben, uns Bestandtheile der Erde aus größerer Tiefe sichtbar machen. Die größte Höhe auf dem Gebirgsrücken der Erde ist vom Capi- tain Gérerd auf dem Himalayagebirge mit 19000′ erreicht worden, wogegen ich auf dem Chimborasso zu 18600′ gelangt bin. Die Kenntniß von der Temperatur der Erde nach innen zu, gibt uns mannigfaltige neue Ansichten, es steht diese innere Wärme offen- bar in Verbindung mit den drei großen Erscheinungen: der heissen Quellen, der elastischen Dämpfe u der Vulkane, welche letztere zwei- erlei Art sind: bleibende, welche zwischen dem innern Kerne des Erdkörpers u der Athmosphäre als ein Zusam̃enhang zu betrachten sind u temporäre; dahin gehören Eruptionen, Inselbildungen, wie Sabrina /1811 plötzlich erschienen/ Monte nuovo, bei Methone zwischen Epidaurus u Troizene, höher als der Monte nuovo der phlegraischen Felder bei Bajae, Ischia oder der Ausbruch des Xorallo in Mexico. Das Phänomen der heissen Quellen aus gewissen nahe an der Oberfläche befindlichen Lagern entzündlicher u oxydirbarer Substanzen, wie Steinkoh- len oder Schwefelkies und aus oberflächlicher Einwirkung der Bäche, Flüsse  erklären zu wollen, scheint uns unzureichend. Die Erscheinung ist zu groß u zu dauernd, als daß wir jene Niederlagen von so geringem Umfange und diese Einwirkung von so geringer Stärke [30/0034] für genügend zu dessen Erklärung ansehen können. Diese Quellen finden sich fast durchgängig in den crystallinischen, den sogenañten Urgebirgen, oder an deren Fusse; Gebirge, die man für die Unterlage aller bekañten Gebirge anzusehen genöthigt wird und auch in der Nähe vieler vulkanischer Berge. – Die Gesteinart, aus der das Carlsbader Thermalwasser hervorbricht, ist Granit in mancherlei Abänderungen, dessen grobkörnige Art die bekannten Zwillingscry- stalle des Feldspaths auszeichnen; einer Art des feinkörnigen sind mächtige Hornsteinmassen, auch Schichten spätigen und körnigen Kalk- steins beigemengt – und aus diesem Gestein besteht der an den Hirschensprung sich anlehnende Schloßberg, so wie der Bernhardsfelsen. Das Wasser kom̃t aus Oeffnungen eines Kalksteins hervor, der von dem Wasser selbst gebildet wird, indem es überall, wohin es fließt, nach Maaßgabe als das kohlensaure Gas daraus entweicht, Sin- ter von einer festen crystallinischen Textur absetzt. Der Sprudel, die heisseste der Carlsbader Quellen, hat nur eine Temperatur von 59° R., wogegen in Südamerika Quellen von 80° vorkom̃en, die zum Theil ganz ohne mineralische Bestandtheile sind, bei denen wenigstens durch Rea- gentien keine Veränderung hervorgebracht werden kann. – Die siñreichen Versuche des Dr. Struve, die auch von andern schon mit Erfolg wiederholt worden sind, versprechen interessante Aufklärungen über den Ursprung der Bestandtheile in den Thermalwässern. Reines, mit Kohlensäure verbundenes Wasser unter einem großen Druck durch das gepulverte Material des Gesteins, aus dem ein Mineralwasser entspringt, getrie- ben, wird nehmlich dem Thermalwasser sehr ähnlich und enthält in ähnlichen Proportionen dieselben Bestandtheile. [31/0035] Der Zusammenhang des Phänomens der heissen Quellen mit Erdbeben und Vulkanen ist ebenso merkwürdig, als constatirt. Als im Jahre 1755 Lissabon erschüttert u zerstört wurde, blieben die Quellen zu Carlsbad u Töplitz aus und kamen rothgefärbt zurück. In demselben Zeitpunkte erfolgte ein Wasserbeben im Ocean, empfunden vom westindischen Ar- chipelagus bis nach Abo in Fiñland. Ueberhaupt fehlt es nicht an ent- scheidenden Beweisen, daß die vulkanischen Wirkungen nicht von klein- lichen der Oberfläche nahen Ursachen abhängen, sondern große, tief ge- gründete Erscheinungen sind. Selbst die Erdbeben liefern merkwürdige Beweise von der Existenz unterirdischer Verbindungen, nicht blos zwi- schen vulkanlosen Bändern, sondern auch zwischen Feuerschlünden, die weit voneinander entfernt sind. So stieß der Vulkan bei der Stadt Pasto drei Monate lang ununterbrochen eine hohe Rauchsäule aus, welche in demselben Augenblick verschwand, als am 4t Febr. 1797 sechzig Meilen davon das große Erdbeben von Riobamba u der Schlam̃ausbruch der Moya 30 bis 40000 Indianer tödtete. Dieses Erdbeben, das zerstörend- ste von dem man vielleicht Kenntniß hat, schien sich im Innern des Tunairagua vorbereitet zu haben, in welchem man schon Jahre vorher von Zeit zu Zeit Getöse und Brüllen gehört hatte. Die Mitempfin- dung dieses Erdbebens reichte über einen Erdstrich von 170 Lieues von S. nach N., 40 Lieues im Umfange wurde alles zerstört und von herab- stürzenden Erdtrüm̃ern begraben. Dabei spaltete sich die Erde am Fusse des Tunairagua u Ströme von übelriechendem Schlamme entstürzten den Schlünden, u verwüsteten alles umher. Die plötzliche Erscheinung der Insel Sabrina am 30 Jan. 1811 war der Vorbote der fürchterlichen Erdstösse, welche bis 1813 fast beständig, erst die Antillen, [32/0036] dann die Ebene des Ohio u Missisippi und zuletzt die Küsten von Venezuèla erschütterten. 30 Tage nach der Zerstörung der Stadt Carracas erfolgte der Ausbruch des Vulkans von St. Vincent in den nahen Antillen. – Ein ebenfalls evidenter Beweis für den Zusam̃enhang der Erdbeben und Vul- kane ist, daß die Erdstriche in der Nähe der Vulkane, so lange diese in Thätigkeit sind, gegen Erdbeben gesichert sind. Man könnte sie daher als als eine Art Sicherheitsventile betrachten u weñ der Chimborasso, diese vul- kanisch gehobene Kuppel, weñ gleich kein thätiger Vulkan, geöffnet wer- den könnte, um den eingesperrten elastischen Stoffen einen Ausweg zu schaffen, so würden jene Erschütterungen aufhören, die seiner Umge- bung oft das schrecklichste Verderben bringen. Die Vulkane der Andeskette zeichnen sich durch die Eigenthümlichkeit aus, daß sie auch bei den heftigsten Ausbrüchen keine eigentlich ge- schmolzene Materie, keine wahre Lava von sich gegeben haben. Die Substanzen, welche sie ausstossen, sind verschluckte Stücke Grün- stein, Basalt, Bimstein, Wasser u ungeheure Massen teigartiger Letten. Als nördlich vom Chimborasso am 19t July 1698 der Krater u Gipfel des 18000′ hohen Carguairazo bei einem heftigen Erdbeben in sich zu- sam̃enstürzte, drangen Ströme von Schlamm aus den aufgebrochenen Seiten des Berges, u verwüsteten einen Strich von 10 bis 12 □ Meilen, die mit unfruchtbarem Koth bedeckt wurden. – Jedoch dürfen diese Inundationen nicht als eigentlich vulkanische Erscheinungen betrachtet werden; es sind Phänomene, die mit den Eruptionen der Vulkane meteorologisch zusam̃enhängen, und durch die Höhe der Berge, den Umfang ihrer stets beschneiten Gipfel u die Erwärmung der Wände [33/0037] der Aschenkegel vielfach modificirt werden. In weiten Höhlen, bald am Ab- hange, bald am Fusse der Vulkane entstehen unterirdische Seeen, die mit den Alpenbächen vielfach com̃uniciren. Weñ Erdstösse, die allen Ausbrüchen der Andeskette vorausgehen, die ganze Masse des Vulkans mächtig erschüt- tern, so öffnen sich die unterirdischen Gewölbe und es entstürzen ihnen zugleich Wasser, Fische u jener tuffartige Schlam̃. Dieß ist die sonderbare Erscheinung der von Vulkanen ausgeworfenen lebendigen Fische, eine Art Wels, pimelodes cyclopum, von den Bewohnern des Hochlandes von Quito Prenadilla genannt. – Bei einem Ausbruche des Imbaburu wur- den die Faulfieber in der nahe gelegenen Stadt Ibarra, der zahllosen, alle Felder bedeckenden Menge dieser Fische zugeschrieben. Diese Ueberschwem̃ungen sind nicht zu verwechseln mit den Strömen von Regenwasser, welche, wie beim Vesuv, die durch den aus dem Krater aufsteigenden Wasserdampf während der Eruption gebildeten Wolken herabgiessen. Das Erkalten der Wasserdämpfe, und die dadurch bewirkte plötzliche Condensation derselben vermehrt die electrische Spañung, und erregt das Spiel electrischer Kräfte, die ein locales, vulkani- sches Gewitter hervorbringen, das mit einem wolkenbruchartigen Regen beglei- tet ist. – Solch’ eine Erscheinung characterisirt unter allen Zonen das Ende einer Eruption, ohne jemals als vulkanisches Erzeugniß ange- sehen werden zu können, was diejenigen Geognosten annehmen mögten, die an einen unmittelbaren Zusam̃enhang der Vulkane mit dem Meere glauben. Vor 5 Jahren, als ich Gelegenheit hatte, einen Ausbruch des Vesuvs zu beobachten, fanden sich unter den Wasserströ- men, die dem Berge entstürzten, auch zahlreiche Muscheln. Es waren jedoch Versteinerungen einer merkwürdig neuesten Formation [34/0038] angehörend, und keine von denen die noch jetzt im Golf von Neapel angetroffen werden. 5. Vorlesung (10. Januar 1828) In der Provinz Popayan /Quito/ bilden die schweflichten Dünste, welche der Vulkan Purace und ausstößt, in Verbindung mit den Wassern, die ihm entströmen, einen Bach, von den Anwohnern: Essigfluß genañt, der sich in den Fluß Cauco ergießt, einen mächtigen Fluß von der Breite des Rheins, in dem nach der Einmündung des Baches eine wei- te Strecke hinaus kein Fisch existiren kann; so stark ist die Beimi- schung von Schwefel u Salzsäure. Herr Toussaint hat neuerlich eine Analyse dieses Wassers wiederholt; er ist derselbe, der die Entdeckung der Platina als anstehendes Gestein gemacht hat, da man sie frü- her nur als Geschiebe kannte. Es möge hier, obgleich nicht eigentlich hierhergehörend, die Erwäh- nung der wunderbaren Hypothese des Capt. Simmes zu St. Louis am Missouri, Statt finden, der die Behauptung aufstellt, daß sich im Iñern der Erde eine weite Höhlung befinde, zu der ein Loch am Nordpol von wenigstens 20° führe. Er hält es für sehr ausführbar, mittelst einer kurzen Som̃erreise von Sibirien aus dieses Loch zu erreichen, aus der er eine reiche Ausbeute von Pflanzen u Thieren mitzubringen verheißt. Er nim̃t jedoch an, daß keine Menschen das Innere der Erde bewohnen, die übrigens von ihrem eignen Planeten, der Pro- serpina, in ihrem Centro erhellt wird. Weñ man sich aber an die Entdeckung Chladny’s eriñert, daß die Luft in einem Zustande heftiger Compression leuchtend wird, so könnte man annehmen, daß durch die von oben eindringende Luft Licht genug hineingebracht würde, und es zur Erleuchtung weder eines Pluto, noch einer [35/0039] Proserpina bedürfte. Mr. Simmes hat sich ganz kürzlich an den Magi- strat von Augsburg gewendet, um ihn zur Hülfeleistung bei seinem Unternehmen aufzufordern. Die Erdrinde zeigt eine so große Mannigfaltigkeit in ihrem Bau, daß die Geognosten sich berechtigt halten, mehrere große Abtheilungen zu un- terscheiden und eine successive Bildung anzunehmen. Die Grundlage der verschiedenen Geschosse bilden: 1. Die Urgebirge. Alle Glieder dieser Abtheilung tragen das Gepräge einer chemischen Bildung, sie sind crystallinisch, alles ist, wie aus einem Gusse. Es ist wahrscheinlich, daß diese Massen durch einen Oxydationsprozeß entstanden sind und nicht uranfanglich so waren. Versteinerungen, als Denkmaler organischer lebender Wesen finden sich in ihnen gar nicht. Granit, Gneiß, Glim̃erschiefer, Urkalk, Urthonschiefer und eine Formation, die ihre Stelle einnim̃t, auf der Grenze der Ur- und Uebergangsgebirge: der Gabbro des H v. Buch, der Euphothyd des H Hauy, der Ophiolit des H Brogniart, den man früher mit dem Namen serpentinartiger Urgrünstein bezeichnete. Das älteste Gebil- de aus dem Gebiete der Urzeit, deren Beobachtung vergöñt ge- wesen, ist der Granit. Diese GebirgsArt ist aus Quarz, Feldspath u Glim̃er zusam̃engesetzt, so, daß sie in ihrer Structur vom grob- körnigen bis zum sehr feinkörnigen vorkom̃t. Der Granit bildet die höchsten u steilsten Punkte auf der Oberfläche der Erde, und dehnt sich in Gestalt von Ketten u Gebirgsgruppen über den ganzen Pla- neten aus. Der Gipfel der Andeskette, der Chimborasso, den man lange für den höchsten der Gebirgsrücken gehalten, besteht jedoch [36/0040] nicht aus Granit, sondern aus Trachyt. Man weiß jetzt, daß das Himalaya Gebirge in Indien die Andes Kette an Höhe übertrifft. Der höchste Punkt desselben, der Dhawalagiri, ist zwar noch nicht erstiegen, durch trigono- metrische Messungen ist aber seine Höhe ermittelt, und die durch Flüsse herabgeführten Bruchstücke lassen vermuthen, daß seine Kuppe aus Granit besteht. 2. Das Uebergangsgebirge. Es sind noch immer chemische Bildungen, aber die crystallinische Form tritt mehr zurück, und schon beginnen Conglu- tinate, Verkittungen von zertrüm̃erten Gesteinen. Die Felsarten zeigen in ihren Bestandtheilen noch immer viel Aehnlichkeit mit den Urgebirgen, erscheinen aber der Form nach wechselnd mit Trümmergestein und sandsteinartigen Bildungen. Manche Reste orga- nischer Wesen. Abdrücke von Schilfen, Palmen, baumartigen Farren, Madreporen, Pentakriniten u Trilobiten. Thiere aus den niedern Classen sind hier vorzugsweise zu Hause. Ich sage nicht in den obern Lagen, in den minder alten Gliedern dieser Abtheilungen, sondern im allgemeinen, in den nicht feldspathigen Gesteinen u jener düñen Masse, die kein crystallinisches Ansehn trägt: körnigem talkigem Kalk, Grauwacke mit Kohlenblende, Uebergangsthonschiefer, Porphyr, Sienit, Grünstein, schwarzer Kalk. 3. Flötzgebirge. Ihre Entwicklung ist sehr ungleichartig erfolgt auf unse- rer Erdfeste und dieß Ungleichartige der Entwicklung gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Geogenie oder geschichtlichen Geologie. Deutlich unterscheidet man ältere und neuere Flötzgebilde. a. Die ältern folgen in der Lage auf das Uebergangsgebirge. Conglutinate und Kalkstein, der früher nur sehr untergeordnet [37/0041] erscheint, herrschen vor. Die Steinkohlen sind hier zu Hause. Die Menge der Petrefacten wächst: von Vegetabilien finden sich Rohr, Palmen, Farrenkräuter, aber keine höhern Pflanzen; von Thieren ausser Conchylien auch Fische u wiewohl äusserst selten, Reste von Am- phibien. Muschel- u Jura-Kalk, Salzthon, Steinsalz, Quadersandstein u zuletzt Kreide gehören zu dieser Formation. b. Die jüngern Flötze. Hier tritt das Eisenoxydhydrat in größter Aus- dehnung auf. Es gehören hierher der Sandstein und der Sand mit Braunkoh- len unter der Kreide, zwei sandsteinartige Formationen mit Eisenoxyd gefärbt. Zahllose Petrefacten, nun schon Dicotyledonen, von Thieren besonders Conchyliolithen, Fische, Entacenen, Amphybien, aber noch keine Landsäugethiere. Uebergangs- u Flötzgebirge werden secundäre Gebirgsmassen genannt, deren Character das Vorkommen von Petrefacten, den Resten einer lebendi- gen Schöpfung sind. Nun folgen: 4. Tertiäre Gebirgsmassen. Sie bilden die äusserste Rinde der Erde; die chemischen Gebilde werden immer seltener u undeutlicher u die mechanischen sind die herrschenden. Es lassen sich deutlich 3 Folgen unterscheiden. a. Die untern tertiären. In diesen Reste organisirter Wesen, den jetzi- gen zwar ähnlich, aber einer untergegangenen Schöpfung angehörend, bedeutende Lager von Braunkohlen, als residua untergegangener Wälder. Nach Hausmann gehören die nordteutschen Geschiebe in diese Abtheilung dh große Blöcke von Granit, Grünstein, Gneus u. s. w., die sich in den nördlichen Ebnen von Holland bis Polen finden und durch große Wasserfluthen von den Gebirgen Skandinaviens abgerissen sind. In welcher Zeit, in welchen Jahren der Welt? Davon schweigt die Geschichte. [38/0042] b. Die mittlern tertiären Massen. Sie sind ausgezeichnet durch den Wechsel von Meer- u Süßwasser-Geschöpfen; es müßte also die Periode sein, wo das Meer sich zurückzog, aber noch einigemal wiederkam. Reste von Landthieren, ganz unbekannte Vierfüssler finden sich in ihnen, oft See u Landthiere neben einander, Wallfische u Delphine, u nicht weit davon Elephanten u Rhinoceros. c. Die oberen tertiären Massen. Diese bilden sich noch alle Tage. Die Reste von organischen Wesen in ihnen gehören der jetzigen Schöpfung an; darunter auch Knochen von Menschen. Sehr wich- tig ist für uns dieses letzte Geschoß, aufgeschwem̃tes Land, auch als die Hauptlagerstätte der edlen Metalle u der Diamanten, die nicht in anstehendem Gestein in Gängen, sondern unter Sand u Lettenschichten in Geschieben vorkom̃en. Kleine Flüsse in Brasi- lien führen den Waschwerken die drei kostbarsten Erzeugnisse Gold, Platin u Diamanten oft in großer Nähe beisam̃en zu. Der größte Theil des Goldes, das in den Handel kommt, besteht aus Körnern, die aus Lettenschichten gewaschen werden. Auch der neuerdings für Rußland so wichtig gewordene Fundort des Goldes am Ural zeigt ein ähnliches Vorkommen, wie deñ auch Edel- steine aller Art, Hyacinth, Saphir u. s. w. nur im aufgeschwem̃- ten Lande gefunden werden. Auf Ceylon findet man gediegenes Silber in Geschieben und das Vorkom̃en des gediegenen Kupfers ist unstreitig die Veranlassung, daß in einem frühern Menschen- Alter der Gebrauch desselben dem des Eisens so lange vorherging. Merkwürdig scheint es mir, daß die ältesten Völker es verstan- den haben, dem biegsamen Metall durch einen Zusatz von Zinn, [39/0043] /das Aes der Alten/ eine größere Härte zu geben, ohnerachtet diese Mischung in der Natur nicht vorkom̃t. Die wahre Steinkohle ist dem Uebergangs Gebirge eigen, aber die große Kohlenstoffniederlage findet sich auf der Grenze der Uebergangs u Flötz Ge- birge. Diese Lagerungsweise hat zur Folge, daß die Kohlen zuweilen mit sandsteinartigen Schichten, wahrhafter Grauwacke verbunden, untermengt vorkommen. In diesen Lagern sind die vegetabilischen Petrefacten sehr zahlreich, aber es zeigen sich nur Reste von Monocotyledonen u Acotyledonen, und weit später kom̃en Dykotyledonen vor, unsern Waldbäumen ähnlich. Es fragt sich, auf welche Weise wir im Stande sind, diese zum Theil undeutlichen Ue- berbleibsel zu unterscheiden? Desfontaines hat uns zuerst auf einen wesentlichen Characterunterschied der Pflanzen aufmerksam gemacht, demgemäß aus der Physionomie des Holzes selbst die Pflanzenfamilie bestim̃t werden kann. Es findet sich die merkwürdige Uebereinstim̃ung, daß bei allen mit einem Saamenlappen keimenden Pflanzen Monoco- tyledones die Gefässe nicht in concentrischen Ringen, die jüngern nach aussen zu, sondern in Bündeln vertheilt, die jüngern im Mittelpunkt Endogenen des Stammes liegen. Diese haben keine wahre Rinde, wachsen von innen nach aussen, der ganze Stam̃ ist markig und das Holz liegt in Längen- bündeln, gleichsam zerstreut umher in der Marksubstanz. – Bei den mit zwei Saamenlappen keimenden Pflanzen Dycotyledones liegen die Ge- fässe in concentrischen Lagen, die jüngern nach aussen u sie wachsen, indem dem verhärteten Jahrtrieb sich immer ein neuer oben ansetzt, Exogenen. – Der Stam̃ der baumartigen Endogenen ist gewöhnlich schlank u lang, fast ungetheilt, astlos u cylindrisch; jener der Exogenen gewöhnlich ästig u conisch. – Was das Numerische betrifft so findet man in den wesentlichen Blüthentheilen der Monocotyledonen [40/0044] die Zahl 3 vorhersehend oder die eines vielfachen von 3, wogegen bei den Dicotyledonen die mannigfaltigsten Zahlenverhältnisse statt finden. – Merkwürdig für unsere Ernährung ist die erstere dieser Pflanzengruppen, denn dahin gehören die Gräser mit den Ce- realien, die unter den Tropen zum baumartigen Pysang werden, ferner die Palmen, unter diesen die Sagopalme, der Reis u. s. w. Der Grundsatz, daß die Natur von dem Einfachen zum Zusam̃enge- setzten in ihren Erzeugnissen übergeht, findet demnach seine Anwendung, u gilt von den Thieren ohne Bedenken. Die Petrefacten aus den niedrigsten Thierklassen finden sich in den ältesten Gebirgsarten; wir finden hier ein- u mehr-kam̃erige Schnecken von mannigfaltiger Art, zum Theil von bedeutender Größe, unter den Ammoniten von mi- croscopischer Kleinheit bis zu einer Größe, wie sie keine lebende Schnecke mehr erreicht. Es kom̃en Ammonshörner vor von einem Durchmesser von 2 bis 3 Fuß. Die geraden Schnecken mit Scheidewän- den heissen Orthoceratiten. Ihnen nähern sich die Hippuriten, deren Scheidewände weniger regelmässig stehen. Aber eine höchst sonderbare Form bieten die Belemniten dar, wie sie durchaus nicht mehr unter den lebenden vorkommen. Ein kegelförmiger Körper hat eine Höhlung, worin sich eine vielkam̃erige Schnecke befindet. Das Thier lebt in der vordern Kammer u die hintern sind leer; doch ist zuweilen erstere so klein, daß das Thier sich großentheils ausserhalb befindet, u die Schale zum Theil umgiebt, eine Bemerkung, die Peron zuerst an Nautilus Spirula im indischen Meere gemacht hat. Dasselbe scheint auch der Fall mit den Belemniten gewesen zu sein. Das Thier lag ausserhalb der Schaale, und umschloß sie zum Theil. [41/0045] Eine jüngere Flötzbildung enthält jene zahllose Menge versteinerter 1 u 2 schaliger Muscheln, welche nicht selten lagenweise aufgehäuft sind und nach welchen das Gestein Muschelkalk genannt wird. Cuvier hat unter diesen Ueberresten eine versteinerte Nautilus Art gefunden, die mit dem Tintenfische Aehnlichkeit hat, indem die Sepia sich in einem noch - auflösbaren Zustande befindet. Bucland zu Oxford hat der Beschreibung dieses Petrefacts eine Abbildung hinzugefügt, die mit dem diesem Thiere eigenthümlichen Färbestoff gemalt ist und keineswegs etwa von einem dem Gestein beigefügten Eisenoxyde herstammt. Nun aber nähern wir uns einer Formation, zumal in deren jüngeren Schichten wir immer mehr den wunderbaren, theils gigantischen, theils wenigstens sonderbar gebauten, erloschenen Thieren der obern Klassen begegnen, die uns das Dasein einer vormaligen vollstän- digen Thierschöpfung verkünden. Fische in zahlloser Menge treten auf, krokodillartige Thiere, größer als sie jetzt irgendwo angetroffen werden; der megalosaurus, eine ungeheure Eidechse von der Höhe ei- nes Ochsen und von 60 bis 70 Fuß Länge, während die größten heutigen Krokodille, die ich je gemessen, nur 20 bis 24 Fuß lang sind. Der Pleisiosaurus, ein großes Krokodill mit einem Schwanenhalse, der fast die halbe Länge des Körpers ausmacht; wir müssen den- ken, daß dieß gefährliche Thier am Ufer gelegen u von da aus mit seinem langen Halse seine Beute erhascht habe; der Ichthÿosaurus, den man in den Kalkformationen des Jura antrifft, zeichnet sich durch seine großen Fischaugen aus, während andere Arten Kro- kodille kleine geschlitzte Augen haben. Ferner schuppige Eidechsen mit Flügeln, wie die in den Steinbrüchen von Reichstedt gefundene [42/0046] berühmte fliegende Amphibie, deren Abbildung Cuvier wiederholt hat. Das riesenhafte Thier am Ohio, Mastodon von Cuvier genañt, ist dem Elephanten verwandt, ohne im Baue genau mit demsel- ben übereinzustimmen. Die großen, zum Theil so wunderbar ge- bauten, Landthiere erscheinen jedoch erst über der Kreide u gehö- ren dem tertiären Gebiete an. – Mit großer Genauigkeit hat Cuvier die grossen fossilen Knochen aus den Bergen von Montmartre untersucht und darunter 2 Gattungen gefunden, welche nicht mehr unter den lebenden vorkommen, und von ihm Palaeotherium u Anaplotherium genañt werden. Das erste ist eine zwischen Pferd, Tapir u Nashorn stehende Thierart, von der Cuvier allein in den Gipsfelsen bei Paris vorkom̃end 5 Species unterscheidet, u von welcher aus andern Gegenden, zumal Frankreichs, noch ebensoviel zusam̃engebracht worden sind. – Das zweite gleichfalls ausgestorbene Thiergeschlecht ist zwischen Pferd u Nashorn einerseits und zwischen Nilpferd, Schwein und Kameel anderseits zu setzen. Bemerkenswerth ist, daß die mei- sten von diesen Thieren denjenigen verwandt erscheinen, welche jetzt bei uns in den Sümpfen leben und zu den Pachy- dermen gehören. Man hat bereits in den verschiedenen Gegenden der Erde 130 Spe- cies unbekannter Säugethiere entdeckt, vom Wolf bis zum Elephan- ten, größer als die uns bekannten in Ostindien. Fälschlich hat man die am Ohio und auf dem Gigantfelde bei Bogota, 5– bis 8000 Fuß hoch vorkom̃enden Mastodonten, des Bau’s der Backen- [43/0047] zähne wegen, für Reste fleischfressender Elephanten erklärt. – Eine besondere und auffallende Eigenthümlichkeit ist, daß man an einigen Orten Elephanten- knochen entdeckt hat, die noch mit Fleisch u andern Weichgebilden beklei- det waren. Die constatirte Thatsache der Art liefert der von Adams nach Petersburg gesandte Elephant, dessen Erhaltung fast wunderbar voll- kommen zu nennen ist. Im Jahre 1799 bemerkte ein schiffender Jakute an der Küste des Eismeers bei der Mündung der Lena mitten zwischen Eisschollen einen unförmlichen Block, den er nicht näher erkeñen koñte. Im folgenden Jahre sah er die Masse etwas freier liegen und gegen Mitte des Sommers war eine ganze Seite des Thiers mit einem Stoßzahne ganz deutlich aus dem Eise hervorgetreten. Erst nach dem 5t Jahre ward die Masse an die Küste auf eine Sandbank geworfen; Der Fischer nahm dem Thiere die Stoßzähne ab u verkaufte sie. Erst 2 Jahr später, also 7 Jahre nach der Entdeckung wurde der Engländer A- dams, welcher den Grafen Golovkin auf einer Reise nach China be- gleitete, in Jakutzk davon unterrichtet und begab sich an Ort u Stelle. Er fand das Thier schon sehr verstüm̃elt. Die Jakuten in der Nachbar- schaft hatten das Fleisch in Stücke geschnitten, um ihre Hunde damit zu füttern. Wilde Thiere hatten auch davon gefressen; indessen fand sich doch das Skelett noch ganz. Ein wohlerhaltenes Ohr zeigte einen Haar- büschel, man konnte den Augapfel noch unterscheiden. Die Haut war mit schwarzen steifen 18 Zoll langen u mit zarteren Haaren oder einer Wolle von röthlicher Farbe bedeckt. – Im feuchten Boden fand man mehr, als 30 ℔ jener steifen und zarten Haare, welche die Eisbären verscharrt hatten. Der Kaiser von Russland kaufte das wunderbare Denkmal einer ältern Schöpfung und ließ es bei der [44/0048] Akademie in Petersburg niederlegen. Ein ebenfalls sehr merkwürdiges, nicht mehr lebendes, Säugethier, ist das in Paraguai gefundene Riesenfaulthier, 12 Fuß lang und 6 Fuß hoch, dessen Zehen mit ungemein langen Krallen bewaffnet sind, wie sie die Ameisenfresser haben. Die Faulthiere u Armadille der jetzigen Welt sind dagegen sehr kleine Thiere. Den neuesten Forschungen verdanken wir besonders ein helleres Licht über diese sonderbaren Folgen der organischen Bildungen, um deren Untersuchungen Lamarc, u Brogniart, Cuvier’s Schüler sich so verdient gemacht haben, wie unter den Teutschen v. Schlotheim, u Graf Sternberg. Von dem merkwür- digsten Scharfsinn zeugt aber ganz besonders Cuvier’s Werk: Recherches sur les ossemens fossiles etc., welches uns lehrt das Zusam̃engesetzte aus dem Einzelnen zu errathen und aus einem aufgefundenen Knochen das Geschlecht des Thieres errathen, ja bestim̃en zu können. Hieran schliessen sich die interessanten Untersuchungen von Geoffroy de St. Hilaire, von Sir Evrard Home, Rudolphi, Meckel, Tiedemann etc. Von großer Wichtigkeit ist ebenfalls die Entdeckung von Prof. Bukland zu Oxford, auf welche ihn die genaue Untersuchung einer Höhle in Kirkdale in Yorkshire vorerst geleitet hat. Es finden sich in dieser Höhle, die 200 Fuß lang bei einer zwischen 2 u 7 Fuß variirenden Höhe u Breite sich in Kalkstein erstreckt, Knochen in zahlloser Menge, von den verschiedensten Thieren, Elephanten, Nashorn, Bären u. s. w. unter- mischt mit Knochen von Hyänen. Dabei findet der sonderbare Umstand statt, daß säm̃tliche Knochen unvollständig, augenscheinlich angefres- sen sind. Die bekannte Eigenthümlichkeit der indischen und afrika- nischen Hyäne, ihren Raub zusam̃enzuschleppen, hat den Prof. Bukland [45/0049] auf den Schluß geführt, daß diese Knochen säm̃tlich von den Hyänen, vor Ein- tritt der zerstörenden Naturrevolution, zusam̃engetragen worden sind, um mit denselben gleichzeitig ihr Grab zu finden. – Durch diese An- nahme ist zugleich das Räthsel gelöst, wie zum Theil colossale Thiere durch eine verhältnißmässig viel zu enge Oeffnung in diese Höhle gelangen konnten. – Bukland hat zur Bestätigung seiner siñreichen Hy- pothese, assimilirte Theile in den Höhlen gefunden, die von den Wärtern einer Menagerie in London sogleich für Excremente von Hyänen erkañt wurden. – 6. Vorlesung (17. Januar 1828) Wir gehen nun zur Betrachtung eines andern Theils des Natur- gemäldes, zur Betrachtung der flüssigen Hüllen des Erdkörpers, über: – der Luft und des Meeres. Zuvörderst bemerke ich, daß der Zustand der Körper, den man mit fest, tropfbar, flüssig oder gasförmig zu bezeichnen pflegt, nur einen relativen Begriff ausdrückt, indem ein u derselbe Körper alle diese Zustände zu durchgehen fähig ist. So kennen wir Schwefel als festen Körper, der, der Wärme ausgesetzt, schmilzt u bei noch größerer Hitze sich verflüchtigt. Das flüssige ☿ wird durch das Feuer sublimirt u gefriert zu einem harten Körper bei 32°−. /So blieb auf der Reise von Parry gegen den Nordpol, während sei- nes Aufenthalts auf Melville Island 4–5 Monate lang ununter- brochen das ☿ gefroren, da das Thermometer stets 32° R.− zeigte. Den- noch fehlt es in jenen Gegenden nicht an Thieren, welche im Stande sind, dieser Kälte zu widerstehen. Es leben dort Reñthiere, Hasen u eine Art Ochsen, von dem Geruche ihrer Häute Muskusochsen genañt./ III. Climatologie Die Metalle insbesondere sind geeignet, diesen dreifachen Zustand [46/0050] anzunehmen und die Metalloiden der Alcalien erscheinen flüssig selbst bei einer sehr gemässigten Temperatur. So kennen wir das Wasser flüch- tig als Wassergas u als Eis in so starrem Zustande, daß es am Nordpol und auf hohen Bergen einen Theil der Gebirgsmassen des Erdkörpers auszumachen scheint. Bei dem jedesmaligen Uebergang von einem Zustand zum andern wird Wärme frei, die zuvor gebunden die Form bestim̃t hat, unter der ein Körper uns erscheint. Hierauf gründet sich die wohlthätige Entdeckung von Prof. Leslie in Edinburg, welche das Mittel an die Hand gibt, mitten in der Tropenhitze Eis herbeizuschaffen, weñ auch keine hohen Berge in der Nähe sind. Unter dem Recipienten der Luftpumpe macht er das Wasser durch seine Verdunstung in wenig Minuten Minuten gefrieren, indem er den entstehenden Wasserdampf durch zugleich unter die Glocke gebrachte concentrirte Schwefelsäure absorbiren läßt und dadurch den leeren Raum immer wieder herstellt, so daß die Ver- dunstung ununterbrochen schnell fortgehen kann. Sehr viele dieser Ma- schienen sind seitdem nach Ost- u West-Indien versendet worden u es ist nur zu bedauern, daß die Erzeugung dieses Erfrischungsmittels im Großen doch immer etwas zu theuer zu stehen kommt. I. Luft Gay Lussac hat gezeigt, daß die Wärmestrahlung des Bodens durch tro- ckene Luft gegen einen wolkenfreien Himmel die eigentliche Ursache des sonderbaren Erkältungsprozesses ist, der den Dr Oudney vor Kälte sterben ließ, mitten in Afrika, an der Grenze von Bornu unter dem 13t BreitenGrade zu Ende December, in einem Lande, das nach Barometermessungen nicht 1200 Fuß über dem Meeresspiegel erhaben ist. – So verursacht trockene warme Luft gegen die befeuchtete Kugel eines Thermometers geblasen ein augenblickliches u bedeutendes Sinken. [47/0051] Dem englischen Chemiker Faraday ist es gelungen, mehrere früher als permanent gasförmig betrachtete Körper zu condensiren u in flüssigem Zustande darzustellen. Bei 0° und 36 Athmosphärenpression erhielt er die Kohlensäure liquid, die farblos, düñfliessend u leicht erscheint. Auch das Schwefelwasserstoffgas wurde in eine farblose sehr leicht bewegte Flüssigkeit verwandelt und zwar bei 10°+ und dem Druck der Athmosphä- re von 17. – Doch ist es noch nicht gelungen, weder die athmosphärische Luft, noch das Wasser- Sauer- oder Stickstoffgas zu condensiren, wahrschein- lich, weil diese Stoffe noch einen größern Druck erfodern. – Wäre der Plan von Maupertuis ausgeführt worden, welcher vorschlug, in der Nähe unserer Stadt ein tiefes Loch, einen mehrere Meilen tiefen Schacht graben zu lassen, so würde dieß Problem gewiß mit großer Leichtigkeit zu lösen sein, da sich berechnen läßt, daß bei einer Tiefe von 11 Meilen die Luft einen so comprimirten Körper bilden muß, daß Platina darauf schwimmen würde. Die Frage von der Höhe unseres Luftkreises läßt keine absolute Beantwortung zu. Eine Berechnung auf den Winkel von 18° begrün- det, unter dem die Sonne bei der Däm̃erung sichtbar wird, wür- de eine Höhe von beinahe 8 Meilen geben. – Die Verdünnung der Luft in dieser Höhe müßte größer sein, als wir sie unter der besten Luftpumpe hervorzubringen im Stande sind, und da sie nur 0,01 Linie betragen würde, so wäre dieser Raum wohl luftleer zu nennen. Dagegen vermindert sich der Druck der Luft auf den größten Höhen, die wir in Luftbällen u auf hohen Bergen er- reicht haben, nur auf 13 bis 14 Zoll gegen den Barometerstand von 28 Zoll in der Ebene. – Verschiedene Meteore, Sternschnuppen, Aerolithen scheinen jedoch unzweideutig anzuzeigen, daß in Höhen [48/0052] von 30, 40 selbst 100 Meilen der Luftkreis seine Grenze noch nicht erreicht haben möchte. Der Druck der uns umgebenden Athmosphäre erleidet theils regelmässig wiederkehrende, theils unregelmässige Veränderungen, und in dem dadurch gestörten Gleichgewichte erkennen wir die Veranlassung der strömenden Bewegungen ganzer Massen von Luft, die theils uns Wärme bringen, theils nehmen, der Winde. Mässige Winde legen in einer Secunde 10 bis 15 Fuß zurück; Stürme durchlaufen in derselben Zeit 40 u mehrere Fuß. Man will selbst Orkane mit 124 Fuß Geschwindigkeit in einer Secun- de beobachtet haben. – In England hat man Beispiele, daß die Schnelligkeit der Reñpferde im eigentlichsten Sinne der des Windes gleichkommt. Das berühmte Reñpferd Eklipse legte 58 Fuß in einer Secunde zu- rück, was schon einem starken Sturme vergleichbar ist. – Dagegen ergibt das Resultat der Versuche, welche ich im 1823 in Gemeinschaft mit Arago, Bouvard, Gay Lussac u Prony zwischen Ville-Juif u Mont- hery bei Paris über die Geschwindigkeit des Schalles angestellt habe, daß derselbe 1038 Fuß in einer Secunde durchläuft. Eine Kanonen- kugel braucht zu 1500 Fuß eine Secunde, wogegen in derselben Zeit der Lichtstrahl 40000 Meilen durchmißt. Sehr merkwürdig sind die schon langst beobachteten Veränderungen im Barometerstande, die abgesehen von der Verschiedenheit desselben im Großen, mit unverkeñbarer Regelmässigkeit stündlich wieder- kehren. Der höchste Stand ist von 9 bis 9½ Uhr früh, worauf es fällt bis 4 Uhr und um 11 Uhr Abends den Stand des Morgens wie- der erreicht. Es finden also 2 maxima Statt, eine Ebbe und Fluth, u ebenso 2 minima, die mit so großer Regelmässigkeit zurückkeh- ren, daß man am Barometer sehen kann, was die Uhr ist. Die ganze Oscillation beträgt nur etwa 1½ Linien, und unter den Tropen [49/0053] reicht ein Tag u eine Nacht hin, um den ganzen Cyclus zu beobachten. In Teutschland bedurfte es 20 Tage, um die Mittelzahl der Stunden zu finden. Diese periodische Oscillation wird weder durch Stürme noch Gewitter noch Erdbeben unterbrochen; sie findet statt in einer Höhe von 15000 Fuß wie auf der Ebne, weder Wärme noch Kälte übt einen Einfluß darauf, noch steht sie, wie die Meeresfluth, mit dem Monde in Verbindung, der so wenig in den Syzygien noch in den Quadraturen im geringsten sichtbar auf diese Veränderung zu wirken scheint. Die Atmosphäre, welche unsern Erdball umgibt, besteht aus einem Gemenge von Sauerstoff, Stickstoff u einem unbedeutenden Theile Kohlenstoff /⅕, ⅘, 1/1000/. Merkwürdig ist es, daß nach vielfältigen Versuchen die der Athmosphäre beigemengte Quantität von Sauer- stoff auf allen Höhen u unter allen Umständen dieselbe zu sein scheint. Man hatte früher in der Vegetation das große Mittel ge- sucht, und zu finden geglaubt, um den ungeheuern Verbrauch von Sauerstoff durch Athmen u Verbrennen einigermassen durch die- sen Ersatz zu erklären. Nach den Versuchen des jüngern de Saussure möchte diese Hypothese wohl als unhaltbar zu verlassen sein, de- ren man aber auch keineswegs bedarf. Der Einfluß einer durch den verminderten Luftdruck verdüñten Luft auf unsere Organisation ist auch von den rohern Völkern nicht unbemerkt geblieben. Die Indier pflegen sogar die Luft auf sehr hohen Bergen mit dem Ausdruck „giftig“ zu bezeichnen. Der geringere Druck bewirkt eine Ausdehnung der Gefässe, welche die feinern oft zerreissen macht, so daß Blut der Nase, den Augen u dem Munde entfließt. Bei jüngern Personen findet diese Erscheinung [50/0054] früher und häufiger Statt, und ich erinnere mich, daß unter meinen Begleitern auf den Höhen der Andes fast ein jeder die bestimmte Barometerhöhe kannte, unter der für ihn diese lästige Ergiessung eintraf. Man gewöhnt sich jedoch an diese Erscheinung, die nicht so bedenklicher Art ist, als man glauben möchte. Auf dem Gipfel des Antisana, 1200 Fuß höher, als der Pic von Teneriffa, weiden tausende von Stieren, auf die mit Hunden Jagd gemacht zu werden pflegt. Sehr häufig ist, daß den geängstigten Thieren ein Blutstrom aus dem Maule stürzt als Folge des Andrangs, den die Muskelbewegung in der düñen Luft so sehr vermehrt. Eine andere Empfindung auf dieser Höhe hat Aehnlichkeit mit den Gefühlen, welche das Meer hervorzubringen pflegt, und Ue- belkeit, so wie Erbrechen mit sich führt. – Auf den Hochebnen von Quito und Peru, wo selbst Frauen zu Pferde oft Reisen über Höhen unternehmen, welche die des Montblanc weit übertreffen, kennt man das Uebel unter dem Namen mal des montagnes, wie man ein mal de mer hat. – Es ist aber keineswegs Mangel an Lebensluft, wodurch diese Erscheinung hervorgebracht wird, sondern allein Folge der Verdünnung der Luft, von der bei jedem Einathmen eine geringere Menge den Lungen zuge- führt wird. Auffallend ist aber die Art der Einwirkung auf das gastrische System. Da der Luftkreis überall in Verbindung mit Wasser und wasserhaltigen Körpern ist, die Verdunstung aber bei keiner Temperatur aufhört, so muß jederzeit in der Luft Wasserdunst [51/0055] enthalten sein, und wir erkennen daher das Wassergas als einen vierten Gemengtheil der uns umgebenden Luft. – Wie groß nun die Quantität der beigemischten Feuchtigkeit sei, ist offenbar ein Gegenstand von großer Wichtigkeit, hauptsächlich für die Meteorologie, und die Naturforscher haben schon längst auf Mittel gedacht, diesen Wassergehalt zu erforschen. Man hat zu diesem Zwecke vielerlei In- strumente erdacht, die man Hygroscope oder Hygrometer nennt. Man bedient sich Behufs dieser Werkzeuge solcher Körper, welche eine ausgezeichnete Verwandschaft zur Feuchtigkeit haben und durch Ver- änderung ihres Gewichtes, ihres Volumens, oder ihrer Gestalt diese Feuchtigkeit anzeigen. Hierzu gehören besonders die trocknen Stoffe, die aus der organischen Natur herstam̃en, zb trocknes Holz, Haut, Haare, Fischbein u. s. w. – Die ältern Werkzeuge der Art sind aber sehr mangelhaft und überhaupt sind die Hygrometer sehr unzuverlässige Instrumente, weñ man von ihnen die Angabe der absoluten oder relativen Menge des in der Athmosphäre vorhande- nen Wassers erwartet. – In neuerer Zeit hat d’Alton ein sehr siñreiches Mittel zu Bestim̃ung des Wassergehalts in der Luft angegeben und denjenigen Punkt als Norm vorgeschlagen, in dem ein kalter Körper sich in der Luft mit einem Thau von Wasser zu überziehen anfängt, /beschlägt, anläuft/. Zur bequemen Ausführung dieser Idee hat ein englischer Naturforscher Daniell 1818 ein eignes zweckmässig eingerichtetes Instrument erdacht, welches in höherm Grade, als die früher erfundenen, den Namen eines Hygrometers verdient u zu genauen Messungen sehr geeignet ist. – [52/0056] Mit diesen Betrachtungen stehen in Verbindung die Beobachtungen, welche man über die Quantität des Regens, welcher in den ver- schiedenen Zonen fällt, gemacht hat. Man hat berechnet, daß unter den Tropen jährlich 120 Zoll, bei uns nur 15 Zoll und im südlichen England, wo es im Verhältniß viel regnet, 30 bis 38 Zoll Regen fallen. – 7. Vorlesung (24. Januar 1828) Wenn bei der Betrachtung des Naturbildes, welches ich aufzustellen versuche, wir uns mit einer Ansicht des Oceans beschäftigt haben wer- den, weñ ich die Vertheilung der Continente und den Einfluß dersel- ben, so wie den der Strömungen im Luftmeere auf die Climatologie erläutert haben werde, so bleibt mir noch übrig, auf die Geographie der Pflanzen u die Vertheilung der Thiere hinzudeuten und hieran die Be- merkungen über die Verschiedenheit der Menschenracen anzuschliessen. Von den äussersten Nebelflecken bis zur ersten Spur der Vegetation in dem sogenañten rothen Schnee, werde ich somit eine Uebersicht der Gesam̃theit des Geschaffenen gegeben haben; eine Aufgabe, die mit ei- niger Vollständigkeit zu lösen, in so kurzer Zeit meine Absicht un- möglich sein konnte. Die allgemeinen Umrisse jener großen Erschei- nungen werde ich hierauf in einzelnen Theilen mehr auszumalen u zu erläutern versuchen, gleichsam wie der bildende Künstler auf einzelne Studien zu einem größern Werke mehr Ausführlichkeit u Genauigkeit wendet. – Mein Zweck wird erreicht sein, weñ es mir gelungen ist, das Wesentliche einer wissenschaftlichen Naturbe- trachtung anzudeuten, indem ich die Einheit der Natur in ihren Erschei- nungen vorzugsweise hervorzuheben mich bemühe. – [53/0057] Mehr als ⅔ der Oberfläche unsres Planeten wird von einer Wasserhülle bedeckt, die durch Berührung mit der Athmosphäre den wichtigsten Einfluß ausübt, sowohl auf das Clima der Continentalmassen als auch auf die thieri- sche Schöpfung. Man hatte früher angenom̃en, daß die Lebensfunction der Thiere erhalten werde durch eine Zersetzung des Wassers. Dies ist jedoch nicht richtig, u es hat sich ergeben, daß sowohl die Fische, als die mit Kiemen begabten Molusken, die dem Wasser beigemengte atmosphärische Luft athmen. Die Untersuchungen über die Respiration der Fische, sind lange der Gegenstand meiner Arbeiten gewesen u ich habe gefunden, daß die Fische der athmosphä- rischen Luft zum Leben unumgänglich bedürfen. Es klingt auffallend und doch ist es richtig, daß, nachdem es mir gelungen war, ein vollkommen luftleeres Wasser darzustellen, die Fische darin ersaufen mußten. Das luftfreie Wasser ist für sie eben so tödtend, als Chlor oder andere ihrer Natur entgegenwirkende Substanzen. Lange hat man dem wunderbaren Organ der Fische, der Schwimmblase eine Bedeutung zugelegt, mit der neuere Untersuchungen nicht übereinstimmen. Man hatte angenom̃en, daß durch ver- mehrtes oder vermindertes Ausfüllen der Blase mit Luft, die Fische im Stande wären, ihr Volumen zu verändern u hiermit im Wasser sich willkühr- lich auf und niederzubewegen. Man ist jetzt vielmehr geneigt, die Blase im Zusam̃enhange mit dem Gehörorgan dieser Thiergattung zu glauben. Eine neue, sehr merkwürdige Beobachtung lehrt, daß die Schwim̃blase der Fische, die an der Oberfläche des Wassers gefangen werden, Stickstoffgas enthält, dagegen bei Fischen, die man aus einer Tiefe von 2 bis 3000 Fuß heraus holte, der Inhalt aus reinem Sauerstoff besteht. – Eine noch keines- wegs erklärte merkwürdige Thatsache! – Wenn zur Zeit des Aristoteles u Aelian, wo man sich schon angelegentlichst mit der Respiration der Fische beschäftigte, die zufällige Äusserung eines Lichts, oder ein anderer Umstand, auf die ausgezeichnete Beschaffenheit des in der Schwim̃blase enthaltenen Gases aufmerksam gemacht hätte, so würden nicht 1800 Jahre haben vergehen 2. Wasser [54/0058] müssen, ehe durch die Entdeckung des oxygen, dieses verbreiteten, für den Haushalt der Natur so wichtigen Grundstoffes, der Wissenschaft ein so bedeuten- der Vortheil erwachsen konnte. Seit 1782 hat man angefangen, dieß die Erdoberfläche u den Ocean selbst umgebende Luftmeer zu beschiffen. Man hatte sich von dieser Entdeckung be- deutende Vortheile, besonders für die Meteorologie, versprochen, die aber dieser Wissenschaft nicht in dem erwarteten Maasse zugeflossen sind. Der Versuch ist mit zu vielen Schwierigkeiten verbunden, ist zu kostbar und die Zeit, welche man in den höhern Regionen zubringen kann, ist zu kurz, um mit Musse u Umsicht Beobachtungen zu machen, die flüchtig unternom̃en, eher zu unsichern Resultaten führen, indem man auf Zufälligkeiten zu viel Gewicht legt. Dazu kom̃t noch, daß man diese Luftreisen säm̃tlich von Ebnen aus unternommen hat, und sich auf diese Weise kaum so hoch aufschwang, als man auf hohen Ber- gen zu gelangen im Stande ist. Die bedeutendste, auch für die Wissenschaft wichtigste Ascension ist die von Gay-Lussac im Jahre 1804 in Paris unternom̃ene. Er gelangte bis zu der Höhe von 21600 Fuß, 4000 Fuß niedriger, als der weisse Berg Dhawalagiri. Die Luft, welche er mit herabbrachte, und die ich gemeinschaftlich mit ihm untersucht habe, gab durch ihre ungemeine Dilatation einen Beweis der Höhe, aus der sie entnommen war, enthielt übrigens alle Bestandtheile der uns umgebenden, dieselben 21 Theile Sauerstoff und selbst einen Antheil Kohlensäure, obgleich diese Gasart schwerer ist, als die athmosphärische Luft. In der weiten Einöde jener Höhen sind die letzten lebenden Wesen, denen wir begegnen – Schmetterlinge, wahrschein- lich unwillkürlich durch Luftströme in diese Regionen geführt. Ramond hat auf dem Gipfel der Pyrenäen, Saussure auf den Alpen, und ich selbst habe auch auf den Höhen der Andes, 20000 Fuß über dem Meere, wo längst jede Spur von Vegetation aufhörte, diese u andere kleine Insecten angetroffen. Wenn je die freiere Cultur des menschlichen Geistes, wie man es [55/0059] gegenwärtig erwarten kann, einen ihrer Hauptsitze in dem jetzt emancipirten spanischen Amerika aufschlägt, so wird es von der größten Wichtigkeit sein, von jenen Hochebnen aus /Potusi 12000′/ neue Ascensionen zu versuchen und besonders durch kleine Aerosta- ten electrische Beobachtungen zu unterstützen, um dadurch der noch immer geheimnißvollen Erscheinung der Gewitter näher zu kom̃en, in deren Erklärung wir so wenig vorgerückt sind. – Kein Theil der Welt eignet sich durch seinen wunderbaren Bau so sehr für meteoro- logische Beobachtungen, als jenes Plateau, auf dem sich Städte finden 600 Toisen über der Meeresfläche, u andere 12000 Fuß hoch. Die Veränderlichkeit der Schneegrenze, die von so großer Wichtigkeit für Climatologie ist, hat mich auf das System der isothermen Linien geführt, welche die Parallelkreise unter mannigfaltigen Winckeln durch- kreuzen. Sie steigen gegen den Aequator herab, weil man im östlichen Theile von Asien u im östlichern Theile von Nordamerika auf gleichen Höhen über dem Meere in einer südlichern Breite die Temperatur suchen muß, welche in unserm mittlern Europa weiter gegen Norden hinauf gefunden wird. Unter denselben Breitengraden, wo in dem nördlichen Europa noch Garten- u Acker-bau getrieben wird, zeigen sich in Nordamerika u Nordasien nur sumpfige, moosbedeckte Länder. Dage- gen äussert die kräftige Wärmestrahlung der Hochebenen von Inner- asien zwischen den fast parallelen Gebirgsketten des Himalaja, des Zunglings u des Him̃elsberges den glücklichsten Einfluß auf die Bevölkerung. Die ewige Schneegrenze liegt am nördlichen Abhange des Himalaja’s 4000 Fuß höher, als am südlichen Abhange. Millionen von Menschen thibetanischer Abkunft bewohnen volkreiche Städte, da, wo bei minderer Ausdehnung und minderer Continuität der Hochebenen, [56/0060] Felder und Städte das ganze Jahr hindurch in tiefem Schnee vergraben sein wür- den. Allgemein bekañt ist der Einfluß, welchen die Wasserhülle unsres Planeten auf auf das Clima der Continentalmassen ausübt. Wasser von den Sonnenstrahlen ge- troffen erwärmt sich nach andern Gesetzen, wie die feste Erdrinde. Durch Strah- lung erkältet und verdichtet sinken die Wassertheilchen zu Boden, erregen Strömungen und ungleiche Vertheilung der Temperatur. – Durch thermoscopische Apparate hat man die Schnelligkeit der Wärmeabnahme bestimmt, welche von oben nach unten in dem Ocean u den Süßwassern zu verschiedenen Jah- reszeiten Statt findet. Wie an den Abhängen der Andeskette der Anwoh- ner sein Haus nur um eine Meile zu versetzen braucht, wenn er eines andern Clima’s geniessen will, so auch finden die Geschöpfe, denen das tropf- bare Element zum Aufenthalte dient, die heterogensten Climate schichtenweise untereinander gelagert. In der Tiefe des Oceans unter dem Aequator, wie in den Alpenseeen der gemässigten Zone herrscht aber fortwährend ein be- stim̃ter KälteGrad, der, bei welchem das Wasser seine größte Dichtigkeit erlangt. – /Weñ das Wasser nehmlich durch Erkältung bis auf 3½° R. gesun- ken ist, so hat es das maximum seiner Verdichtung erreicht, 2°+ fängt es an sich von neuem auszudehnen./ Unter den Tropen, wo die Luft sich niemals unter 15 bis 16° R. erkältet, können erklärlicher Weise nur Wassertheile der Art in die Tiefe des Meeres herabsinken. Eine Temperatur von 3 bis 4° kann daher nicht in der Zone selbst erzeugt worden sein, und dient zum unumstößlichen Beweise, daß die Kälte, welche dort nahe am Meeresboden herrscht, von einer Strömung herrührt, die in den Tiefen des Meeres sich von den Polen zu dem Aequator richtet und die untern Wasserschichten der süd- lichen Meere erkältet, wie in der Athmosphäre der obere Luftstrom, der sich vom Aequator gegen die Pole ergießt, die Winterkälte der nördlichen Länder mildert. Sandbänke werden, wie Benjamin Franklin [57/0061] zuerst gelehrt hat, früher durch das Thermometer, als durch das Senkblei erkañt. Es sind submarine Inseltheile des Meerbodens, welche die elastischen Kräfte nicht über den Meeresspiegel erheben köñen. Auf dem Abhange der Untiefen, the edge of the banks, durch Stoß ansteigend mischen sich die untern kältern Wasserschichten mit den obern wärmern. So verräth dem Schiffer auf 4-5 Meilen Entfernung plötzliche Meereskälte die herannahende Gefahr. Durch ihre Temperatur wirken die Untiefen auf die darüberstehende Luft, in der sie Nebel und weit gesehen, Gruppen von Wolken erzeugen. Wie die Strömungen des Luftmeeres durch die veränderte Stellung der Sonne und die Richtungen der Bergketten, an deren Abhange sie herabglei- ten, vielfach modificirt werden, so führen auch die Strömungen des tropf- baren Oceans die wärmern Wasser niedriger Breitengrade in die temperirte Zone. Ich eriñere hier nur an den Golfstrom, der die von den Passatwinden immer gleichförmig bewegten Wasser des atlantischen Meeres gegen den vorstehenden Dam̃ der Landenge von Nicaragua treibt, sich gegen Guatimala u Yucatan nördlich wendend, in dem Meerbusen von Mexico wirbelnd umhertreibt, durch den Canal von Bahama ausfließt, als ein Strom warmen Wassers sich nordöstlich erst gegen die Bank von New Foundland, dañ südöstlich gegen die Gruppe der Azoren sich hin bewegt und vom Nordwinde begünstigt, Palmenfrüchte der Antillen, ja selbst lebendige Eskimo’s aus Ostgrön- land mit ihren ledernen Boten nach Irland oder auch nach den He- briden führt. – Diese erwärmten Aequatorialwasser erkälten so lang- sam, daß noch in der Nähe von New Foundland der Strom durch eine 3 bis 4° höhere Temperatur sich auszeichnet und daß selbst fliegende Fische, die nur in wärmeren Zonen existiren, mit dem gewärmten Gewässer heraufkom̃en. Wie nun hier vom Süden her Wasser vom atlantischen Ocean, [56/0062] nördlich geführt wird, so habe ich in dem Stillen Meere und zwar in der südlichen Hemisphäre, einen Strom erkannt, der längs dem Littoral von Chili u Peru kälteres Wasser hoher Breiten unter die Wendekrei- se führt. In diesem Strome habe ich bei dem Hafen Callao das Ther- mometer bis auf 12°+ sinken sehen, während ausserhalb der Strömung bei dem Vorgebirge Parina, das ruhige Meer, wie gewöhnlich, un- ter solchen Breiten, die große Wärme von 21 bis 22° zeigte. Ein junger keñtnißreicher dänischer Seeoffizier Dirkink von Holmfeldt hat im Jahre 1825 auf meine Bitte dieses sonderbare, so lange un- beachtete Phänomen von neuem untersucht, und meine Beobachtung durch sorgfältigen Vergleich bestätigt. Abgesehen von diesen Strömungen habe ich die Temperatur des atlantischen Oceans, ausserhalb des Golfstroms, zwischen dem 40t u 50t Grade der Breite einer besondern Untersuchung werth gehalten. Ich habe gefunden, daß im Monat Januar das Meerwasser im 40° Br. nicht unter 10°,7; im 45° Br. nicht unter 9,8° herabsinkt. Im 50°, also in der Zone des nördlichen Teutsch- lands findet eine Wintertemperatur des Meerwassers statt, welche die Luftschichten, selbst in dem glücklichen Clima von Marseille im Januar nicht erreichen. Diese Temperatur des Oceans begründet hauptsächlich den Unterschied der Climate an den Ost u Westküsten desselben Continents, nach dem Vor- herrschen der Westwinde in den gemässigten u kalten Himmelsstrichen. Westliche Winde führen nehmlich zu den westlichen Küsten Luftschichten herbei, die sich im strengsten Winter in Berührung mit der großen oceanischen Wasserfläche erwärmt haben. Verändert wird die Temperatur des Oceans temporär durch den [59/0063] Wellenschlag, der, wie bei den Sandbänken eine Vermischung der Wasser- schichten, ein Heraufwühlen der kältern, tiefern Schichten veranlaßt, weshalb deñ auch, was man früher abläugnete, bei einem Sturme die Temperatur ab- nim̃t. Es ist oft die Rede davon gewesen, sowohl die Höhe als auch die Tiefe der Wellen bei einem großen Sturme zu messen u man hat in dieser Absicht mannigfaltige Versuche angestellt, die aber weder auf der Ostsee noch auf dem Mittelmeere ein Resultat geben können, da nur auf einem Meere von großer Ausdehnung die Convexität u das Thal der Wellen eine vollkom̃ene Entwickelung finden kann. Eben- falls dürfen diese Messungen nicht in der Nähe von Küsten angestellt werden, wo die Wellen gegen felsige Ufer gestem̃t ungewöhnlich an- schwellen. Bei der Corunna an der cantabrischen Küste wird das Meer oft bis zur Höhe von 80 Fuß aufgewühlt, doch darf man das nicht mit dem eigentlichen Wellenschlage verwechseln. – Ich habe Gelegenheit gehabt, diese Messungen auf der Südsee anzustellen, westlich von Guatimala während eines Sturms, der nach Aussage der Seeleute zu den heftigsten gehörte, die vorkom̃en können, und der wun- derbarer Weise bei hellem Soñenscheine Statt fand. – An der Aussen- seite des Schiffes festgebunden, nahm ich mit einem Octanten die Sonnenhöhe auf dem Gipfel der Welle und in ihrer Tiefe u berechne- te darnach mit einer Sicherheit, die nicht über 10 bis 12 Sekunden ab- weichen kann, die größte Höhe der Wasserwogen auf 40 bis 45 Fuß. Die physikalische Lehre von den Wellen ist seit 2 Jahren durch Ernst u Wilhelm Weber, Professoren in Halle u Leipzig mit einer Gründ- lichkeit bearbeitet worden, daß weder England noch Frankreich ein Werk von ähnlicher Wichtigkeit, wie diese Wellenlehre, über diesen Gegenstand aufzuweisen haben. Der eine der Brüder, der zu einem andern Zweck eine Portion ☿ gereinigt hatte, machte an dieser Masse [60/0064] zuerst die Bemerkung, daß sie wellenförmig bewegt, Figuren, den Chlad- nischen Klangfiguren ähnlich, hervorbringe. An diese Beobachtung schloß sich eine ausführliche mit seltener Genauigkeit durchgeführte Reihe von For- schungen über die wellenförmigen Bewegungen der Flüssigkeiten über- haupt, deren Resultate sowohl auf die accustischen, als Lichterscheinun- gen angewendet worden sind, bei denen ebenfalls eine undulatori- sche Bewegung Statt findet. Es ist häufig die Frage aufgeworfen worden, ob das Gleichgewicht der Oberfläche des Oceans durch Strömung u Verdampfung sich verändern könne und ob ein allgemeines Steigen oder Sinken des Spiegels des Meeres seit der historischen Zeit wahrzunehmen sei. Die verschiedenar- tigsten Ansichten haben in dem Ergebniß mannigfaltiger Untersuchun- gen ihre Begründung gefunden, indem nur zu häufig auf locale Er- scheinungen zu allgemeine Schlüsse basirt worden sind. Ein merkwür- diges Vorkom̃en, das zu mancherlei Vermuthungen über Verände- rung des Wasserstandes im mittelländischen Meere Veranlas- sung gegeben hat, sind die bekañten Trüm̃er des Jupiters Tempels bei Puzzuola; von diesem stehen noch einige aus Cippolino antico gehauene senkrechte Säulen da. Der untere Theil dieser Säulen, von dem 15 Fuß über der Meeresfläche gelegenen Boden an, bis zu einer Höhe von 12 Fuß ist rings um dieselben voll von klei- nen Höhlungen, wie diejenigen sind, wie die Pholaden /Mytilus lithophagus/ in die Uferfelsen bohren. Höher hinauf sind die Säulen frei von solchen Höhlungen. Aus dieser Erscheinung hat man den Schluß ziehen wollen, daß nach Erbauung dieses Tempels auf trocknem Bo- den, der Meeresspiegel sich soweit erhöht haben müsse, als die Höhlungen in der Höhe der Säulen reichen, weil die Bohrmuschel nur unter dem Meere lebt und arbeitet, und daß das Meer sich seitdem [61/0065] wieder so tief gesenkt haben müsse, um die Säulen des Tempels und den Boden desselben auf dem Trocknen erscheinen zu lassen. – Aber das Meer könnte unmöglich diese Höhe erreicht haben, ohne gleichzeitig die gegenüberliegenden u benachbarten Küsten zu überströmen und dergleichen Annahmen beruhen auf ebenso falschen Ideen, als die Mei- nung, es sei Amerika später aus der chaotischen Meeresbedeckung hervorgetreten. Das Meer kann die unermeßlichen Ebenen am Oronoco und Amazonenfluß nicht dauernd überschwem̃en, ohne zu- gleich unsere baltischen Länder zu verwüsten und es ist nichts ge- wisser, als daß das hydrostatische niveau des Meeres zu keiner Zeit sich partiell verändern konnte. 8. Vorlesung (31. Januar 1828) Die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper begründet das Problem der Climatologie. Mit Unrecht hat man früher die Modificationen der Temperatur bald schützenden Bergzügen, bald der Erhöhung der Erdoberfläche, bald der Wirkung periodischer Windströme zugeschrieben. Die merkwürdigen Abweichungen der Climate, welche man in großen Länderstrecken zwi- schen denselben Breitengraden u in derselben Höhe über dem Meeres- spiegel wahrnim̃t, rühren offenbar nicht her von dem kleinlichen Einflusse individueller Oertlichkeiten, sondern von ausgedehnteren tellurischen Ver- hältnissen; sie sind allgemeinen Gesetzen unterworfen, welche durch die Ge- stalt der Continentalmassen, durch ihre Umrisse, den Zustand ihrer Ober- fläche, besonders aber durch ihre Stellungs- u Größenverhältnisse zu den benachbarten Meeren bestim̃t sind. Herr Prof. Carl Ritter hat in seinem vortrefflichen Werke der allg. ver- gleichenden Geographie sehr genügend dargethan, wie die Natur der Ober- fläche in der innigsten Verbindung steht, nicht nur mit der räumlichen Verschiedenheit der Producte, sondern auch mit ihrem ganzen moralischen u politischen Zustande. Wie nun die Bildung der Continente verschieden einwirkt auf die Cultur, so auch ist der Einfluß auf das Clima unverkeñbar. [62/0066] Unser Europa verdankt sein mittleres Clima seiner Stellung gegen das nahe Meer und seiner gegliederten Gestaltung. Europa ist der westlichste Theil des alten Continents und hat also den großen kältemindernden atlantischen Ocean im Westen. Zwischen den Meridianen, in denen Euro- pa sich hinstreckt, fällt die AequatorialZone nicht in das Becken des Oce- ans, wie südlich von dem, ebenfalls kälteren Asien. Das sandbedeckte Afrika ist so gelegen, daß Europa von den Luftschichten erwärmt wird, welche, über Afrika aufsteigend, sich vom Aequator gegen den Nordpol ergiessen. Auch erstreckt sich dieser Welttheil weit weniger gegen den Nordpol und liegt überdieß dem größten Busen eisfreien Meerwas- sers gegenüber, den man in der ganzen Polarzone kennt. Auffallend bemerkbar ist, abgesehen von den Breitengraden, das Clima des westlichen u östlichen Europa’s. Die milde Temperatur des glücklichen Italien, des vieleingeschnittenen Griechenlands verändert sich, wird kälter u kälter, je weiter gegen Osten der minder getheilte Continent sich dem compactern Asien nähert, das da, wo es nicht gewissermassen durch Flüsse aufgeschlossen ist, auf seine weiten Steppen auch der Culturverbreitung hemmende Grenzen gesetzt hat. Zu interessanten Veranlassungen der Beobachtung gehört die große Flexibilität der menschlichen Organisation, welche die verschiedenartigsten climatischen Verhältnisse zu ertragen fähig ist. Fröhliche Esquimo’s leben un- ter den Polarkreisen in niedrigen Erdhütten, deren Fenster aus Eis bestehen und verfolgen stundenlang ihre Beschäftigungen im Freien bei einer Temperatur von 40°− R. Capit. Parry hat mit eigends dazu vor- gerichteten Alcoholthermometern Monate lang hintereinander in der Nähe der Hudsons- u Baffinsbay diesen Grad der Kälte beobachtet und aus seinen eignen Mittheilungen weiß ich, daß in mässig warmer Beklei- dung er sowohl als seine Begleiter ohne Unbequemlichkeit bei 37°− Kälte, sich im Freien bewegen konnten, freilich aber nur weñ nicht durch Winde stets neue erkältende Luftschichten herbeigeführt wurden. – Welch’ ein Contrast von diesen eisigen Climaten bis zum rothen Meere, [63/0067] an dessen Ufern die Nähe eines dürren Continents wohlbeinahe die höchste Temperatur hervorbringt, welche man beobachtet hat. Capit. Tukey, derselbe welcher die Mündung des Niger erforschte, fand am rothen Meere den Stand des Thermometers nicht unter 28°+ und um 2 Uhr Mittags im Schatten stets 32°+. – Zu Murzuk, in der Oase von Fezzan, mein unglücklicher Freund Ritchie u Lyon, welcher letztere mehrmals den Cap. Parry auf seiner Nordpolexpedition begleitete, eine Temperatur von 38° bis 43°+. Man kañ sich auf die Genauigkeit dieser Angaben verlassen, da Ritchie sehr wohl zu beobachten verstand und mit Instrumenten versehen war, welche Arago, Gay Lussac u ich mit großer Vorsicht hatten arbeiten lassen. Jedoch kañ man nicht annehmen, daß diese Temperatur die der eigentlichen Luftwär- me gewesen sei, vielmehr muß man sie dem in der Luft schwebenden wärmestrahlenden Staube zuschreiben, dessen erhitzte Theile sich gegenseitig anstrahlend, wie auf das Auge des Menschen, so auch auf die Kugel des Thermo- meter wirken und eine Wärme der Luft hervorbringen, welche theils dieser Ausstrahlung zuzuschreiben ist. Als eine Quelle der Lebensfunction bewahrt aber in sich der Mensch einen andern Wärmestoff, der in den verschiedenartigsten Verhältnissen sich stetig erweist. Die innere Temperatur des Menschen, die Wärme des Bluts beträgt 30°+ R., mit einer Abweichung, die bei veränderten Um- ständen nicht über ½° bis ¾° beträgt. – John Davy, der Bruder des berühm- ten Sir Humphry Davy hat auf seiner Reise nach Ceylon die mannig- faltigsten Beobachtungen in dieser Hinsicht angestellt u, bei den ver- schiedenen indischen Kasten, die Blutwärme solcher Menschen, welche sich bloß von Pflanzen oder nur von Fleisch nähren, ganz dieselbe ge- funden. – Selbst in pathologischem Zustande, während der größten Fieberhitze, hat die Kugel des Thermometers unter der Zungenwur- zel kaum eine Variation von 3 bis 4° R erkennen lassen. Auch ist die Blutwärme aller Säugethiere, der Löwen, Panther  der des Menschen gleich [64/0068] und auch die Vögel, denen man sonst ein viel heisseres Blut zuschrieb, wei- chen nur um 4 bis 5° ab. Auffallend ist die Bemerkung, daß die Tauben ein um 2 oder 3° wärmeres Blut haben, als die Papageien. Auch die übermässigsten Grade der künstlichen Wärme, denen einzelne Menschen sich versuchsweise ausgesetzt haben, haben keine sehr merkliche Veränderung hervorgebracht. Als Fordyce, Banks u Solander sich einer Hitze aussetzten, bei der Eier in wenig Minuten gar gesotten wur- den und die ihren Puls auf 144 Schläge in einer Minute steigerte, hatte ihre thierische Wärme nicht um ½° zugenom̃en. Dieselben Gelehrten wiederholten später diese Versuche in Gemeinschaft mit dem Cap. Phipps nachmaligen Lord Mulgrave, der in der Folge eine Reise gegen den Nordpol machte u steigerten durch heisse Wasserdämpfe die Hitze in ei- nem Zim̃er bis auf 102½° R+. Das Wasser siedete, Fleisch kochte, ihre Uhr- ketten glühten, und sie selbst waren doch im Stande, in hölzernen Schuhen diese Hitze 10 Minuten lang zu ertragen. – Ganz unmöglich würde es aber sein, diese Versuche in tropfbaren Flüssigkeiten anzustellen, weil in ihnen die schützende Verdünstung wegbliebe und durch ihre Schwere die Flüssigkeiten in die Poren eindringen müßten, um die feinsten Spi- tzen der Nerven sehr schmerzhaft zu afficiren. – Man hat neuere sehr ge- naue Versuche darüber angestellt, welchen Grad der Hitze Wasser haben könne, um, ohne sich zu verbreñen, die Hand hinein zu tauchen. 40½° R. ist für diesen Punkt erkannt worden, der unter verschiedenen Modifica- tionen keine Abweichung von 2° R. zuläßt. – In Murzuk athmet man also eine Luft, welche diese Temperatur übersteigt und überhaupt ist es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder groß sein muß, indem es Menschen gibt, die Kaffee trinken köñen, der bis auf 45° R. heiß ist. Die Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme ist aber den Menschen nicht allein eigen, auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch nicht in demselben Grade, wie Hunde u Pferde davon ein Beispiel geben. [65/0069] Bei allen Racen der Menschen ist diese Biegsamkeit sich jedoch keineswegs gleich, u es scheint fast, als wenn sie mit der Cultur zunehmend wäre. Es ist gefährlich, für die Einwohner Amerika’s sich an den Bergen aufsteigend einer Climaverschiedenheit auszusetzen, die für einen Weissen ganz un- schädlich ist. – Die menschlichen Leyes de los Indios verbieten daher ganz aus- drücklich, die Indier durch gewisse Thäler zu schicken, aber freilich sind diese Thäler auch von einer Tiefe, daß der Pic von Teneriffa darin stehen köñ- te, ohne sie auszufüllen. Eine der größten Schwierigkeiten, welche sich den Missionen entgegenstellt, ist die unbegreifliche Sterblichkeit, welche in den neuen Ansiedelungen einzureissen pflegt, weñ die Eingeborenen aus ihren dichten Waldungen hervorgehend zuerst den Soñenstrahlen einer baumlosen Steppe ausgesetzt werden. Wir gehen nun zur Betrachtung der organischen Theile unsers Erd- körpers über. Alle Erscheinungen, welche die Atmosphäre u der Ocean uns erkeñen liessen, waren gewaltsam u stürmisch, in ihrem Wechsel anscheinend keinem Gesetze unterworfen. Im Bereiche der organischen Entwicklung entdecken wir Gesetze u Regeln: die Welt der Pflanzen insbesondere enthüllt das stille iñere Treiben der Natur, die seit Jahrhunderten dieselben Organe entfaltet, ohne noch je einen Frühling ohne Blüthen gelassen zu haben. Die geographische Verbreitung der Pflanzen ist abhängig von den Cli- maten; so auch hat der Druck der Atmosphäre einen auffallenden Einfluß auf die Gestalt u das Leben der Gewächse. Dieß Leben ist gleich- sam nach aussen gerichtet; die Pflanzen leben hauptsächlich in der Ober- fläche, daher ihre Abhängigkeit von dem umgebenden Medium. Eine Art Hautrespiration ist die wichtigste Lebensfunction der Gewächse und diese Respiration, indem sie Verdampfung, Aushauchen von Flüssigkeiten ist, hängt vom Druck des Luftkreises ab. Daher sind die Alpengewächse aromatischer, daher sind sie behaarter, mit zahlrei- chen Ausdünstungsgefässen bedeckt. Nicht die größere Wärme verhindert IV. Geographie der Pflanzen. [66/0070] ihr Gedeihen in den Ebenen, sondern weil die Respiration ihrer äussern Integumente durch den vermehrten Barometerdruck zerstört wird, und sie den Lichtreiz entbehren, der auf den höhern Gebirgen so viel lebhafter wirkt. – Die Vegetation der südlichen Erdhälfte, die eine pelagische, eine Wasserhemisphäre genañt werden kann, ist auffallend verschieden von der der nördlichen. Die Schmalheit der gegen Süden sich pyrami- dalisch verengenden Continente begründet ein wahres Inselclima, kühle Som̃er u milde Winter. So wachsen Palmen u Farrenkräuter dem Pole näher, wie zB auf van Diemens Land, das einen etwa mit Genf correspondirenden Breitegrad hat. – Zur Characteristik der Pflanzen gehört es überhaupt, daß nicht alle über den Erdball gleichmässig vertheilt sind, sondern daß jeder Form ein bestim̃- ter Wohnplatz angewiesen ist. Gewisse Familien köñte man nordische, andere wieder tropische neñen, wobei jedoch nicht zu verkeñen ist, daß die Grenzen irgend scharf gezogen sind, sondern sehr in einander über- gehen. Die Andromeden, Ericeen, Amentaceen werden häufiger gegen Norden, wogegen andere Pflanzenformen abnehmen, u wie die Malva- ceen, Leguminosen mit den zahlreichen Cassien u Mimosen, die Rubiaceen zu denen die wichtige cinchona officinalis gehört, sich gegen den Aequa- tor hin verbreiten. Auch in Hinsicht auf die Längengrade herrscht eine große Verschiedenheit. Die Vegetation von Nordamerika hat viel Aehnlichkeit mit der europäischen u nur einzelne Pflanzentypen, die sich bei uns in großer Menge finden, scheinen der westlichen Hemisphä- re durchaus zu fehlen. So habe ich unter 5–6000 untersuchten Pflan- zen kaum 1 bis 2 Formen unserer allverbreiteten Umbelliferen u Cruciferen gefunden. Unter den niedern Pflanzenformen gibt es zwar mehrere, welche dem alten u neuen Continent gemeinschaftlich zukom̃en, wie [67/0071] zb unter Moosen dieselben Species sich sogar vorfinden. Aber schon unter den Gräsern ist das selten der Fall u weñ man an der Magellanischen Meer- enge den europäischen gleiche Pflanzenformen zu erkeñen glaubte, so hat sich ergeben, daß es ähnliche, aber doch ganz bestim̃t zu unterscheidende Species sind. – Die Rhododendraceen, welche auf der östlichen Halbkugel mit ihrem prangenden Roth die Schneegrenze der Alpen, selbst den Schneegür- tel des Himalaja eben so bestim̃t bezeichnen als schmücken, finden auf dem neuen Continente einen Ersatz in den mit ähnlichem Farbenreiz prangenden Befarien. – Ueber das erste Aufkeimen der organischen Materie herrscht eine große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über das Entstehen der sogenañten Pristleyschen Materie, der Oscillatorien, Lamellien, Infusorien pp u es hat noch nicht einmal bestim̃t werden kön- nen, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilische oder animalische Masse scheiden lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäu- fung der vegetabilischen entstehe. Wir erkeñen die ersten Pflan- zenanfänge in dem sogenañten rothen Schnee des Polareises, welcher aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, bei einer Tempe- ratur von 15 bis 16° R + in England u Frankreich ausgehalten hat, u dessen Fortpflanzung ich selbst beobachtet habe. Es ist dieß eine un- endlich kleine Art von Pilzen, deren rothe Farbe von feinen Körnern früher Uredo, vom großen Rob. Brown aber Tremella nivalis genannt, deren rothe herrührt, welche, indem sie platzen, 4–5 kleine Sporen auf dem Schnee ausstreuen. – Wie diese nun auf dem ewigen Polareise wurzeln, so vegetiren andere Pflanzenanfänge Usneen und Converven mitten in den heissen Quellen von 60 bis 70° R. Es gibt kaum einen größern Contrast, als zwischen diesen microsco- pischen Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen u animalen [68/0072] Natur und den Riesenproducten der Tropenwelt, unter denen die Palmen Bei- spiele des höchsten Pflanzenwuchses gewähren. Die Wachspalme, welche wir auf dem Andesrücken zwischen Ibague u Carthago in der montana de Quindire ent- deckt haben, unser ceraxylon andicola erreicht eine Höhe von 160 bis 180 Fuß. Die dem Tañengeschlecht verwandte Araucaria excelsa auf den Norfolk Inseln ist sogar 240 Fuß hoch u Dr Douglas, welcher den Cap. Franklin auf seiner Landreise gegen den Nordpol begleitet hat, beschreibt das Riesen- exemplar der Pinus canadensis, welche er an den Quellen des Columbia entdeckt hat, in einer Breite, die mit der von Teutschland übereinkom̃t, und dessen ungeheuere Höhe von 260 Fuß er gemessen hat. Die einzelnen Zapfen des Baumes sind 1½ Fuß lang und der Durchmesser, nicht der Um- fang, beträgt 15 Fuß. Bemerkenswerth ist, daß diese ausgezeichneten For- men den Monocotyledonen angehören u zugleich den Zapfenbäumen, welche offenbar mit dem Palmengeschlecht einigermassen verwandt sind. Beispiele einer merkwürdigen Ausdehnung in die Breite bietet vor allem noch ausser dem colossalen Drachenbaum Dracaena draco von Orotova, 45 Fuß Umfang, die von Golberg gemessene Adansonia digitata /Boabab/ an der Küste von Senegal dar. Der riesenhafte Stam̃ von 34 Fuß Durch- messer bei 60 Fuß Höhe ist zum Theil ausgehölt und dient zum politischen Versam̃lungssaale einer ganzen kleinen Völkerschaft. Ein ähnlicher Contrast, wie im allgemeinen die microscopische Kleinheit u die riesenmässige Größe einiger Gewächse darbietet, findet auch Statt in Rücksicht auf die Größe u das Verhältniß einzelner Theile. Die größte bekañte Blüthe trägt die Rafflesia, deren Blume einen Durchmesser von 3½ Fuß hat u deren Kronenblätter ¾ Zoll dick sind. Dr Arnold, der Begleiter des Sir Raffles des Gouverneurs von Bencoo- len hat diese colossale Blume, deren Gewicht 15 ℔ beträgt, auf Java ent- deckt. Diese Blüthe gehört einer parasitischen Pflanze an, welche keine Blätter trägt u sich um die Wurzeln der Cissus Arten schlingt. Sie prangt mit der schönsten rothen Farbe u hat einen wunderbar auffallenden Geruch nach gekochtem Rindfleisch. – An den schattigen Ufern des [69/0073] Magdalenenflusses habe ich eine rankende Aristolochia gefunden, deren Blume sich die kleinen Indianer, ihr Umfang ist 4 Fuß, bei ihren Spielen über den Scheitel ziehen. – Die Zahl der über den Erdboden verbreiteten Pflanzen ist natürlich unbekannt. Murray’s Ausgabe des Linnéschen Systems enthält mit den Cryptogamen nur 10000 Species; Willdenow hat bereits die Zahl von 20000 Arten angegeben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, wie tief diese Schätzung der beschriebenen u in den Herbarien aufbewahr- ten Arten unter der Wahrheit zurückgeblieben ist. – Das größte Herbarium in der Welt hat Lambert in England zusam̃engebracht, der 35000 Species besitzt; unter diesen 30000 Phanerogamen. De Can- dolle findet, daß man in den Schriften der Botaniker u in euro- päischen Herbarien zusam̃en über 60000 Pflanzenarten antreffen würde. Weñ man bedenkt, daß allein in den botanischen Gärten /unter denen der hiesige, der Stolz dieser Hauptstadt, von allen in Europa, der reichste ist/ zusam̃en gewiß über 16000 Phanerogamen cultivirt werden, so ist man geneigt, De Candolle’s Angabe noch für zu gering zu halten. Von meiner Reise habe ich allein über 3000 neue Species mitgebracht. Wie bedeutend ist dieß Ergebniß in Vergleich mit den überhaupt bekañten 60000 Arten! – Bei unserer völligen Unbekanntschaft mit dem Iñern von Südamerika, /Matto Grosso, Paraguay, Buenos Ayres, aller Länder zwischen dem Orinoco und dem Amazonenfluß/ mit Iñer- u Ost-Asien, /Thibet, dem nordlichen Ab- hange des Himalaja, China, Malacca/ mit Afrika, in dem uns Clapperton schon bewässerte Landstriche aufschließt, drängt sich unwill- kührlich der Gedanke auf, daß wir noch nicht den dritten, ja wahr- scheinlich noch nicht den fünften Theil der auf der Erde existirenden Gewächse kennen. – Diese Betrachtungen bewähren gleichsam den alten Mythus des Zend’Avesta, als habe die schaffende Urkraft aus [70/0074] dem heiligen Stierblut 120000 Pflanzengestalten hervorgerufen. 9. Vorlesung (7. Februar 1828) V. Geographie der Thiere. Wir wenden uns nun der Sphäre des thierischen Lebens zu, deren Repräsentanten, uns selbst näher gerückt, wir mit leicht erkeñbaren Organen des Gefühles ausgerüstet finden. – Nach dem Grade der Empfindlichkeit derselben weisen wir gewisser- massen denselben ihre Stelle an; deñ nur in höhern Organisatio- nen verkündet sich das Leid, dessen Größe wir nach dem Ausdruck des Schmerzes messen. Cuvier hat bei verschiedenen Argonauten u Nautiliten deutlich Sinnesorgane entdeckt, u Auge, Ohr, selbst Gehirn bei ihnen vorgefunden. Deñoch aber bleiben diese Wesen uns fremd, u weñ wir bei dem Anblick reizbarer Mimosen die Einheit alles Organischen erkennen, so bleibt doch unser Mitleid einzig dem Aus- druck thierischen Schmerzes zugewendet. Die geographische Verbreitung der Thiere ist der der Pflanzen ähnlich, u steht im Verhältniß mit dem Clima u der Natur des Bodens, indem sie durch die Nahrung modificirt wird und das thierische Leben, das der Pflanzen voraussetzt. – Pflanzen reisen im Ei, oft durch eine Federkrone zur langen Reise vor- bereitet; Thiere dagegen bewegen sich frei von ihrer Entstehung u diese Locomotivität dauert ihr ganzes Leben. Eben dieser Eigenschaft wegen streifen die Thiere durch mehrere Climate, wovon wir besonders bei denjenigen auffallende Beispiele finden, welche die flüssigen Hüllen des Erdkörpers bewohnen, bei den Vögeln u Fischen. Da, wie früher er- wähnt, in der Luft, wie im Ocean die Temperatur nach den Luftschichten sich verändert, so können diese Thiere auf demselben Puncte willkühr- lich sich das verschiedenartigste Clima erwählen. – Dennoch findet man einen merkwürdigen Unterschied unter den Bewohnern der beiden Küsten des großen Oceans. Weñ man dieselben Arten von Fischen antrifft, von den Küsten des mittelländischen Meeres an längs der ganzen Küste von Westafrika um das Cap der guten Hoffnung wieder [71/0075] hinauf nach Madagascar u weiter, so finden sich dagegen ganz verschiedne Arten an den Küsten von Pensylvanien u an unsern Europäischen und es scheint fast, als fänden die beweglichen Bewohner eine besondere Schwierigkeit von der östlichen zur westlichen Küste, u umgekehrt, überzukom̃en. In einem umfassenden, interressanten Werke von Cu- vier u Valenciennes über die Fische, das ich Gelegenheit gehabt habe im Manuscripte zu sehen, ist auf diesen Unterschied der Species in beiden Hemisphären besonders aufmerksam gemacht. – Es finden je- doch Ausnahmen Statt und es gibt Fische, die allen Meeren gemein sind, wie zB seriola cosmopolita, eine MakrelenArt, die ihren Namen dieser Eigenthümlichkeit verdankt u in Ostindien wie in Amerika, bei den Sandwichs Inseln wie an den europäischen Küsten gefunden wird. In das größte Erstaunen aber versetzt die merkwürdige Ueberein- stim̃ung der Arten, welche in den tiefen Alpenseen, jenen abgeschlos- senen Behältern von 7, 8 ja 10000 Fuß Höhe angetroffen wird. H Ramond hat in den Pyrenäen auf Höhen von 7000 Fuß, wo die mittlere Temperatur 1° R. ist, die Bemerkungen bestätigt gefunden, welche ich in dieser Hinsicht auf den Bergebnen in der Nähe des Aequators ge- macht habe. An Wanderungen von einem Ort zum andern ist in diesem Falle durchaus nicht zu denken und man kañ diese Er- scheinung nur durch die Vermuthung erklären, daß vielleicht frü- here Verbindungen den spätern Hebungen der Erdoberfläche vorher- gegangen sind. – Ich will es nunmehr versuchen, eine Uebersicht der Thiere der Zahl nach, gewissermassen ein Inventarium der Thiere selbst zu geben, das, Dank den neueren Entdeckungen, so viel reichhaltiger u groß- artiger ausfallen wird. Wie es uns gelingt, in die Him̃elsräume immer tiefer einzudringen, u nach dieser Richtung unsern Gesichts- [72/0076] kreis zu erweitern, /indem ich nur anführen will, daß Struve in Dorpat mit dem ausgezeichneten Frauenhoferschen Refractor allein 2300 neue Doppelsterne entdeckt hat u daß seit noch nicht 50 Jahren unser Soñensystem uns 15 neue Weltkörper zeigt: 5 Planeten, 8 Sa- telliten u 2 planetarische Cometen/ so lehrt der rege Forschungsgeist wissenschaftlich gebildeter Männer uns eine im̃er größere Mañig- faltigkeit der Gebilde auf der Erdoberfläche keñen. – Wie schon er- wähnt hat sich die Zahl der bekañten Pflanzen seit Linné von 10- auf 60000 vermehrt, so zählte zB Fabricius 11000 Insecten Species, da jetzt Latreille u Kluge 44000 erkeñen, von denen die reiche Sam̃lung auf der hiesigen Universität allein 30000 Arten besitzt. Der Zuwachs an größern Thieren ist verhältnißmässig ebenso merkwürdig. Vor 10 Jahren kannte man etwa 400 bis 420 größere Säugethiere, u nach Lichtensteins vortrefflichem Werke sind jetzt 900 Arten beschrieben. Man zählt bis jetzt: 900 Säugethiere, 5000 Vögel, 700 Amphibien, 5000 Fische, 44000 Insecten, 4000 Molusken u 7300 Zoophyten. Von den 900 Species von Säugethieren gehören etwa 80 Europa an, vielleicht 100, weñ man die robbenartigen Thiere mitrechnet. Von den Vögeln meint Cuvier, daß allein in den französischen Museen 5000 Arten enthalten wären, u glaubt annehmen zu köñen, daß wir wenigstens 5800 Species derselben kennen. Bei der großen Unsicher- heit in Rücksicht auf nicht genau genug bestim̃te Varietäten begnü- gen wir uns vorläufig, die erstgenannte Zahl anzugeben. – Auf- fallend ist es, daß von den Fischen uns die gleiche Anzahl bekañt ist und daß die Zahl der Amphibien der der Säugethiere ebenfalls fast gleichkom̃t. Indem wir die 4 ersten Typen zusam̃enfassen, nen- nen wir Rückenwirbelthiere animaux vertébraux diejenigen, deren Körper auf ein Gerüst gestützt ist, welches aus vielen mit- einander verbundenen Knochenstücken besteht, und deren Nervensystem [73/0077] sich auf ein gemeinschaftliches Sensorium bezieht. – Von allen Thieren haben die Vögel die vollkom̃enste Respiration, wo- mit im Zusam̃enhange steht, daß die Blutwärme derselben die unsrige um mehrere Grade übersteigt. So hat zB das Huhn 33½° R. Blutwärme u 136 Pulsschläge in der Minute, wogegen das Blut des so viel größeren Pferdes nur 29° R hat u 57 Pulsschläge macht. Weñ bei den Vögeln die Respiration die Vollkom̃enste ist, so haben die Fische ein mini- mum derselben. Deñoch bedürfen sie des Sauerstoffs zum Athmen, u sie ersaufen im Luftleeren Wasser so schnell, als wären sie von ei- nem electrischen Schlage getroffen. Die Säugethiere machen jetzt in den meisten Ländern ⅕ der Vögel aus; dieß Verhältniß muß aber früher ein anderes gewesen sein. Vor der großen Catastrophe der Wasserbedeckung unsers Planeten muß es mehr Säugethiere gegeben haben, wie wir deren auch mehr in den Versteinerungen finden. Den Grund dieses veränderten Ver- hältnisses müssen wir offenbar in der größern Locomotivität der Vögel suchen, welche entrinnen konnten, während die Thiere der Feste untergingen. – Die alte Thierwelt ist aber auch verschieden von der jetzigen u mag wahrscheinlich einförmiger gewesen sein. Die meisten dieser verloren gegangenen Thierformen gehören den Pachydermen an u sind unsern Tapir u Rhinocerosarten verwandt. Es finden sich 56 Arten derselben unter den Versteinerungen, wo- gegen uns nur 12 species geblieben sind. Die größte Thierclasse ist die der Insecten: 44000 Arten, weiter hinunter wird die Zählung unsicherer u die Wahrscheinlichkeit vieler noch unentdeckter Arten desto größer. Weñ man die ganze Masse der beschriebenen Thiere zusam̃ennim̃t, so finden sich etwa 60000 Arten, eine Zahl, welche mit der der bekañten Pflanzen fast übereinstim̃t. [74/0078] Die Insekten machen fast ⅔ aller bekañten Thiere aus u dabei ist es wahrschein- lich, daß vielleicht noch weit mehrere uns unbekañt geblieben sind, indem sie sich so viel leichter, als die Pflanzen, der Betrachtung entziehen. – Die Flora von Berlin, mit welcher uns v Schlectendal’s Arbeit bekannt macht, enthält in der Ausbreitung bis gegen die Oder etwa 2000 Arten; – in derselben Umgegend sind schon 5000 Insecten bekañt u wer möchte erstaunen, die numerische Ver- schiedenheit nicht noch größer zu finden, weñ man bedenkt, wie vielen In- sectenarten oft eine einzelne Pflanzengattung zum Wohnplatz angewiesen ist u viele derselben überdieß Raubthiere sind. Es ist ein durch Buffon verbreiteter Irrthum, daß einzelne Welttheile ge- wissermassen tiefer ständen gegen die übrigen, im Verhältniß, als ihnen die größern Thierformen abgehen, welche die andern auszeichnen. So zB Ame- rika, in dem sich keine der größern Pachydermen vorfinden. Es ist aber dieß nicht sowohl ein anderer Welttheil, als eine andere Seite unsers Planeten zu nennen, auf der sich das Festland fast von einem Pole zum andern erstreckt. Wie von dem Monde uns stets die eine Seite sichtbar ist, u u wir durch Oscillationen am Rande nur einen sehr kleinen Theil der entge- gengesetzten Mondscheibe erblicken, so war auch bis ins 15t saec. die eine Seite des Planeten seinen Einwohnern unsichtbar. – Es ist wahr, daß auf diesem Theile der Erdfläche nicht dieselbe Mannigfaltigkeit u Verschie- denheit der Menschenracen Statt findet, als auf der entgegengesetzten. Von Norden nach Süden findet man mehr oder weniger eine Ueberein- stim̃ung in der Organisation u selbst in der Sprache der Eingebornen. Eigne Thier- u Pflanzen-formen bezeichnen diese Erdhälfte, für die viel- leicht die Cactusform characteristisch ist. /Ich bemerke hierbei daß in der südlichen Zone unseres Continents, sowie in Amerika unsere Rose gänzlich fehlt./ – Pachydermen finden sich nicht auf dieser Seite, wahrschein- lich weil dieselbe Revolution, welche von 56 Species nur 12 übrig ließ, hier diese Thierform von Grunde aus vernichtete. – Ich allein habe jedoch von meiner Reise 3 neue Species fossiler Elephanten aus Amerika [75/0079] mitgebracht, die merkwürdiger Weise sich nicht da finden, wo das Clima dem ähn- lich ist, in welchem jetzt noch Elephanten leben, sondern in einer Höhe von 6 bis 7000 Fuß, oder, weñ weit entfernt von den Tropen in einer Ebene, wie am Ohio, am Missisippi, am Missouri, wo die Ueberreste jener riesenhaften Ma- stodonten angetroffen werden. Das colossale fossile Armadill, welches man in dem Cabinet zu Madrid aufbewahrt, ist am Rio de la Plata gefunden worden. Doch ermangelt Amerika auch jetzt nicht aller größern Thierformen. Im äussersten Norden gibt es Auerochsen /Bisons/, verschieden von den eu- ropäischen u unter ihnen Thiere von bedeutender Größe. Am Ohio und Missouri weiden Heerden von 9 bis 10000 dieser Bisons, deren Höhe bis zum Rücken 10 Fuß beträgt u deren Gewicht oft 2000 ℔ erreicht. Ich mache hier auf die Thatsache aufmerksam, daß die voluminösesten uns bekannten Thiere, so wie auch die untergegangenen als grasfressend sich characterisiren. So hat man neuerdings in England die fossilen Reste sogar eines grasfressenden Krokodills gefunden, von einer Länge von 60 bis 70 Fuß, da die heutigen nicht über 20 Fuß lang sind. Pempland, der mit der Untersuchung dieses Thieres sich beschäftigte, hat gefunden, daß dieses wunderbare Geschöpf ein 5 bis 6 Zoll langes Horn auf der Stirne trug. Man hat später im südlichen England, so wie auch im Iñern von Frankreich, die Spuren ähnlicher Thiere gefunden, die man mit dem Namen der Igualodonten bezeichnet. Bemerkenswerth ist die große Verbreitung tropischer Thierformen, welche Amerika durch die Continuität seiner Erstreckung gestattet. So finden wir die schöne Form der Colibri im nördlichen Amerika unter einer Breite, wie zB Danzig u Makenzie hat diese zierlichen Vögel am U- fer des Friedensflusses unter einer Breite von 54° gefunden. Wilson in seinem Werke über die VögelArten bemerkt mit Recht, wie auf- fallend es sei, daß ein so zarter, schwacher Vogel im Stande ist, eine so weite Reise, in einem kurzen Som̃er zurückzulegen, da [76/0080] zum Brüten diese Thierchen stets in ihre warme Heimath wiederkeh- ren, wo in Pysanggebüschen sie oft den Nachstellungen feindlicher Spinnen unterliegen. Aber nicht blos gegen Canada erstrecken sich die- se Wanderungen, man will bis an die Magellanische Meerenge, deren strenges Clima bekañt ist, Colibris u verwandte Gattungen, wie Sylvia u Loxia bemerkt haben. Weßhalb nun dieser Reichthum tropischer Regionen sich nicht so weit ge- gen die westlichen Alpen hin verbreitet habe, scheint einzig auf Loca- litätsverhältnissen zu beruhen. Weñ das mittelländische Meer nicht existirte u ein zweites Sandmeer, die Wüste Sahara, sich nicht zwi- schen die eigentliche Tropenwelt lagerte, so würde Europa unstreitig eine große Menge der herrlichsten Pflanzen- u Thierformen mehr besitzen. Weñ nach allen geographischen Mythen dieß Hinderniß früher nicht Statt gefunden u erst nach Entwicklung der organischen Formen das Biñenmeer durch die Enge von Gibraltar sich einen Ausweg geöffnet hätte, so wäre der auffallende Unterschied in den Erzeugnissen der südeuropäischen u nordafrikanischen Küsten weniger erklärbar. Ich bemerke nur, daß so viele in Italien häufige Pflanzen- u Thierformen in Nordafrika nicht angetrof- fen werden u daß zB unser Hirsch dort ganz fehlt. Die auf den Felsen von Gibraltar gefundenen wilden Affen, die einen frühern Zusam̃enhang der Küsten beweisen sollten, sind genauern Untersuchungen zu Folge von den Arabern dort ausgesetzt worden. Der größte Reichthum an Thier- u Pflanzenformen findet sich überall in der Tropenwelt; doch macht hiervon Afrika eine Ausnahme, in dessen südlichste Spitze eine größere Menge zusam- mengedrängt ist, als man sonst irgendwo beisam̃en antrifft. [77/0081] Man könnte die Capcolonie eine Menagerie der übrigen Welt nennen. Vom 30 bis 35° in der Erstreckung vom Vorgebirge bis zum Orangeriver einem Raum kaum größer als Frankreich, zählt Rob. Brown nach Burchil allein 6000 Pflanzen, Lichtenstein führt 70 Säugethiere und 500 Vögelarten auf. Es möge sich hieran eine Betrachtung schliessen über den Contrast der Massen, welcher auch bei den Thieren Statt findet. Ich will hier nicht einmal jener microscopischen Infusorien erwähnen, deren Durchmesser nicht 1/1000 einer Linie beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insect gegen die elephanten- artigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallend- ste Unterschied u weñ wir keine microscopischen Fische keñen, so ist doch die Differenz bedeutend zwischen dem in der Ost u Nordsee gemeinen 1½ Zoll langen Stichling mit dem 30 bis 40 Fuß langen Riesenhay, nicht dem ge- frässigen u gefährlichen Squalus carcharias, sondern dem gutmüthigen, sich von Seetang u Würmern nährenden Squalus maximus. Noch auf- fallender aber ist der Contrast, weñ man die kleinsten Nagethiere gegen die Säugethiere des Oceans stellt. Es herrscht zwar über die eigentliche Größe der Wallfische noch im̃er Unsicherheit und weñ Lacepède ihnen eine Länge von 280 bis 300 Fuß beilegt, u dem Fluge seiner Einbildungs- kraft folgend sie mit den höchsten Thürmen vergleicht, so möchte nach neuern verificirten Angaben diese Größe wohl auf den dritten Theil zu reduciren sein. Die sichersten Nachrichten danken wir dem um die Naturkunde vielfach verdienten H Scoresby, der, mehrjährig sei- nem Berufe als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat. Unter mehr, als 300 Wallfischen, welche von seinen Leuten getödtet wurden, haben die größern nie das Maaß von 60 bis 70 Fuß überschritten, u Scoresby ist der Meinung, daß sich schwerlich Thiere von größerm Umfange vorfinden mögten. Die An- nahme, daß sie in früherer Zeit größer gewesen, ehe man diese [78/0082] Thierart so sehr, als jetzt verfolgt habe, scheint ebenfalls nicht in der Wahrheit begründet. Wenigstens ergeben die Nachrichten von der Zahl der Fässer, welche mit dem Thran der erlegten Thiere gefüllt worden und die bis ins 15t u 16t Jahrhundert hinaufreichen, ein Verhältniß, wonach die jetzt gefangenen einen fast noch reichern Ertrag liefern. – Größere, als die eigentlichen Wallfische, findet man unter den Pottfischen u Cacheloten, Exemplare, welche zuweilen die Größe von 100 u 102 Fuß erreichen. Diese gegen die kleinsten Nagethiere verhalten sich, wie 1 zu 600. Im allgemeinen muß man bemerken, daß die Größe der Typen unver- keñbar im Zusam̃enhange steht mit den Gesetzen der innern Organisa- tion, die nirgend überschritten werden. Ich habe schon angeführt, daß nie ein microscopischer Fisch gefunden worden u daß kein Infusionsthier je die Vollkom̃enheit der Organisation auch nur eines Käfers erreicht. /Eine merkwürdige Abweichung verdient Anmerkung, das von Cuvier auf- gefundne Scelett eines Hippopotamus von nicht halb der Größe unseres Hausschweins/. 10. Vorlesung (14. Februar 1828) VI. Über die Menschenracen Das höchste Ziel aller Naturbetrachtung kañ nur erreicht werden durch klare Erkeñtniß unsrer eignen Natur u wir wenden uns daher zur Betrachtung der höchsten Stufe organischer Bildung auf unserm Plane- ten, zu der des Menschen. Den Alten, selbst den Griechen in der Blüthe ihrer Cultur war die Idee einer gemeinsamen Abstam̃ung der Menschen fremd u erst durch das Christenthum wurde die wichtige Lehre von der Einheit der Menschenart allgemeiner verbreitet. Mit dieser Ansicht milderte sich das Schicksal der Sclaven, die früher als einem andern Geschlechte angehörig betrachtet wur- den. – Nachdem Amerika zum zweitenmale entdeckt worden war – das erstemal von Scandinavien aus im 10t saec. durch die Normäñer, zum zweitenmal durch Columbus zu Ende des 15t saec. – nahm [79/0083] allerdings der Sclavenhandel wieder überhand. Die Guanchen von den canarischen Inseln, die Neger der Westküste von Afrika, die unglück- lichen Amerikaner wurden zu gleich aufreibender Arbeit verdammt, der gleichen unmenschlichen Behandlung unterworfen. Wachsende Industrie, neue Bedürfnisse, Reichthum, Ausartung des Christenthums brachten würdi- gere Ansichten von der Menschennatur in Vergessenheit und mit Empörung lesen wir von öffentlichen Sclavenmärkten im 15t saec. zu Lisboa, Cadix u Madrid, weñ auch die Päbste niemals aufhörten, den Grund- satz von der Einheit des Menschengeschlechts zu proclamiren. Trotz dieser anerkañten Einheit drängen sich zunächst die Fragen auf, welche relative Verschiedenheit herrscht unter den Völkerstäm̃en in ihrer Verbreitung, u wie hat sich dieselbe gebildet, wie ist sie entstanden? Die Betrachtung der äussern Erdrinde veranlaßte zu ähnlichen Unter- suchungen. Leichter war es, zu bestim̃en, wie die verschiedenen Schichten übereinander gelagert sind, um eine Geognosie der Position zu bilden, als hinaufzusteigen zum „Wie?“ ihrer Entstehung. Zwei Möglichkeiten stellen sich hier dar, die Frage zu beantworten, indem wir entweder annehmen, daß ein Urtypus der gemeinsa- men Abstam̃ung zum Grunde liege, aus dem durch eine Degene- ration, die sich Jahrhunderte u Jahrhunderte hindurch fortpflanzte, u durch abweichende eben so lange dauernde Einwirkung der Cli- mate sich die jetzt offenbare Verschiedenheit entwickelt habe, oder daß mehrere Menschenstäm̃e aus verschiedenen Typen hervor- gegangen sind. Pallas u nach ihm mehrere sind der Meinung gewesen, daß, weñ von einem Urstam̃e der Menschen die Rede sei, man die [80/0084] schwarze Menschenrace dafür erkeñen müsse, aus der nachmals die edelste Form, die circassische entwickelt habe – eine Ansicht, die aber kei- neswegs allgemeinen Beifall gefunden hat u ebensowenig den Neger- völkern gefallen würde, weil sie die caucasische Race unstreitig für eine Ausartung der ihrigen zu halten geneigt sind. – So erzählte mir Denham, daß der Anblick seiner weissen Farbe in Bornu allgemein den Eindruck des Entsetzens u Ekels erregt habe, der bei Frauen bis zum Erbrechen u Ohnmächtig werden sich gesteigert habe, u daß es zuletzt ihm oft unangenehm gewesen sei, die stete Ursache von Abscheu u Wider- willen zu sein. Wie relativ aber die Begriffe von Schönheit u Häßlichkeit auch sein mögen, wie verschieden modificirt nach Nationalvorurtheilen u der eignen Individualität, so müssen wir doch einen abstracten Urtypus der Schönheit anerkennen, unabhängig von den conventionellen Be- griffen der Anmuth u des Ebenmasses, einer schönern Ideenwelt ange- hörend. – Die Haut des Negers möge noch so weich und fein sein, die schwarze Farbe wird den Begriff von Schönheit ausschliessen, deñ ihr fehlt der belebende Ausdruck – das Erröthen. – Bei Kindern u jungen Negerinnen will man zwar die Röthe durch die Wangen durchschei- nend bemerkt haben, es ist dieß aber im̃er nur ein sehr unvoll- kom̃enes Erröthen. Im allgemeinen bezeichnet sich Jugend u Frische bei den Negern durch ein tieferes Schwarz, die Blässe verräth Al- ter u Krankheit. Der Geschichtsforscher der Natur bedarf es nicht, mehrere Menschen- arten anzunehmen; er würde willkührlich das Vermögen der Na- tur beschränken, den Körper zu verändern, weñ er die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit der Abstam̃ung von einem Urstam̃e läugnen wollte. Haut u Haare sind nicht wichtig genug, um deshalb den gemeinsamen Ursprung zu verkennen, für den deutlich zeugt die allen Stäm̃en gemeine, weñ auch verschieden entwickelte [81/0085] Intelligenz. Ist dasjenige, was uns von der Dichtkunst u Litteratur der schwar- zen Völker bekañt geworden ist, nicht eben wichtig, so zeigen neuere Forschun- gen bei einem andern Stam̃e, den Indern u Chinesen, eine früh entwickelte Litteratur, und das Dasein tief metaphysischer Werke, ähnlich denjenigen wel- che der Scharfsinn der Europäer hervorgebracht hat. Dem Systematiker aber wird es vergönnt sein, verschiedene Hauptstäm̃e aufzustellen u sie nach der abweichenden körperlichen Bildung einzutheilen. Die Hauptverschiedenheiten, welche sich uns darbieten, bezeichnen nach Cuvier den Stam̃ der Caucasier, der Mongolen u der Neger. – Blumenbach, der Nestor der teutschen Naturforscher, nim̃t 5 Menschenracen an, die Cauca- sier, Amerikaner, Mongolen, Malayen u Aethiopier 1. Der weisse caucasische Stam̃ zeichnet sich vorzüglich durch eine starke Ausbildung des Schädels aus, wobei die Stirn sehr gewölbt ist, die Gesichts- knochen dagegen zurückspringen. Das Haupthaar ist weich, lang, zuwei- len lockig, nie wollig. Die Farbe der Haut mehr oder weniger weiß, zarter, als bei den übrigen, so daß das Blut durchschim̃ert u sie röthet. – Bei diesem Stam̃ findet sich der höchste Grad der Civilisation, die größte Ausbildung der intellectuellen Kräfte, der Typus der größten Schönheit, hauptsächlich bei den Circassiern u Georgiern, weñ auch nicht in so unbe- dingter Ausdehnung, als man früher angenom̃en. Zu diesem Stam̃ werden gerechnet alle Völker, welche gegenwärtig Europa bewohnen, selbst die Fiñen u Lappen, welche man früher fälschlich den Mongolen zugezählt hat. Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß die Bildung dieser Völkerschaften sich von der europäischen nicht unterscheidet, daß nicht nur die Kinder weiß geboren werden, sondern daß auch bei den Erwachsenen die dunkle Hautfarbe nur von dem Oel u Schmutz herrührt, welcher sie handschuhartig überzieht. Ferner gehören hierher viele Völker des westlichen Asiens, Araber, Perser, Inder. – [82/0086] Bei dieser Gelegenheit will ich die merkwürdige Entdeckung Klaproths nicht unangeführt lassen, welche durch die Untersuchungen von Abel Re- musat bestätigt worden, daß nemlich in Manuscripten der Mandschuh u der Chinesen, eines blonden, blauäugigen Völkerstammes, den Ger- manen ähnlich, Erwähnung geschieht, welcher nach den chinesischen Anna- len 165 nach der christlichen Zeitrechnung vom östlichsten Asien bis gegen die chinesische Mauer u jenseit des Baikalsee’s sich verbreitet u den Stam̃ der Hiongnu verdrängt habe, der nicht mit den Huñen ver- wechselt werden darf, welche dem mongolischen Menschenstam̃ ange- hören. Die blauäugigen Völker werden Ussyn genañt. Unstreitig ein höchst merkwürdiges geschichtliches Datum – eine Völkerwande- rung 200 Jahre vor der Zeit, in der 374 nach Christo die Huñen unter Attila sich auf die germanischen Völker, die Alanen u Gothen am Don warfen. Auch in Afrika ist die caucasische Race verbreitet. Die Mauren, welche sich an die Südeuropäer schliessen, bewohnen einen großen Theil jenes Welttheils. 2. Die gelbe Varietät, die Mongolen. Bei diesen findet man ein plattes breites Gesicht mit zurücktretender Stirn, weit aus einander stehenden u schief nach innen gestellten Augen, eine plattgedrückte Nase, eine waizen- gelbe, gelbbraune, oder rothe Farbe u straffes schwarzes Haar. Dieser Stam̃ umfaßt die Japaner, Chinesen, Thibetaner, Kalmücken, Aleuten, die Bewohner der Südsee u die Amerikaner. – Die größten Weltrei- che der Vorzeit, des Attila, Dschingis Chan, Tamerlan – die Reiche der Mexi- kaner u Peruaner – sind aus diesem Stam̃ hervorgegangen u noch jetzt gehören Chineser ihm an. 3. Der schwarze aethiopische Stam̃ zeigt einen von den Seiten zusam- mengedrückten Schädel, mit zurücktretender Stirn, Kiefern, welche vor Stirn u Kinn hervortreten, stumpfe Nase und aufgeworfene [83/0087] Lippen; eine graue oder schwarze Farbe, wo selten eine Spur von Röthe durchschim̃ert u wolliges Haar. Dieser Stam̃ zieht sich südöstlich von den maurischen Völkern bis gegen die südliche Spitze Afrika’s. – Auch auf den Andamon Inseln kom̃en Neger vor. Ferner gehören hierher die Nigritos, in der Südsee, die nicht als Colonie, sondern unstreitig als Stam̃volk das Innere der Inseln bewohnen. Blumenbach stellt als gesonderten Stam̃ die Malayen zwischen Euro- päer u Neger, die er characterisirt durch eine dunkle braune Farbe, dichtes schwarzes lockiges Haar, breite Nase u großen Mund. Er rechnet hierzu hauptsächlich die Bewohner der Südseeinseln oder des eigentlichen Australiens, die der Philippinen, der Molucken u die eigentlichen Malay- en, der Halbinsel Malacca. Die Amerikaner bilden bei Blumenbach den Uebergang zwischen den Mongolen u Negern, scheinen aber doch vielmehr einen ganz abgeschlos- senen Völkerstam̃ auszumachen. Die Stirn ist niedrig u schräg zurück- weichend, die Gesichtszüge stark, die Backenknochen hervortretend; das Haar ist schwarz u starr, die Farbe heller u dunkler kupferroth. Weñ im allgemeinen die Fluth der Völker von Osten nach Westen Statt gefunden hat, so muß dagegen in Amerika die Verbreitung von Norden nach Süden angenom̃en werden. Von Anahuack, dem jetzigen Mexiko, kañ man der Ausbreitung des alten Gila Stam̃es folgen, den Gleichheit der Sprache, Gesichtsbildung u der religiösen An- sichten characterisiren. Südlicher als der See von Nicaragua verlie- ren sich diese Spuren u kein geschichtliches Factum erklärt uns den Zusam̃enhang der Bevölkerung von Nord- u Südamerika. Ausser den ebengenañten Merkmalen, dem Knochenbau, dem Dermo- idalsystem, den Haaren u. s. w. hat man den Unterschied der Men- schenracen auch durch die Gesichtslinie zu bestim̃en versucht. Camper hat zuerst auf die Verschiedenartigkeit der Winkel aufmerksam [84/0088] gemacht, welche zwei Linien bilden, deren eine man sich durch die Höhlen des Ohrs bis auf den Boden der Nase u die andere von der Hervor- ragung des Stirnbeins bis auf den am meisten hervortretenden Theil des Kiñbackenknochens gezogen denkt. In diesem Winkel soll nicht nur der Unterschied der Thiere, sondern auch der verschiedenen Nationen bestehen u die Natur sich desselben bedient haben, um durch alle Verschiedenheit der Thierbildung, stufenweise bis zum Schö- nen, der schönsten Menschengestaltung aufzusteigen. Die Vögel beschrei- ben den kleinsten Winkel u dieser Winkel wird größer, jenachdem das Thier sich mehr der menschlichen Gestalt annähert, wie aus den Affenköpfen erhellt, von denen einige Arten einen Winkel von 42° beschreiben. Der Kopf eines Negers bildet einen Winkel von 70°, der eines Europäers von 80–85°. [Abbildung] Cuvier stellt noch ausser dieser Gesichtslinie Faciale einen andern Eintheilungsgrund auf, der in der Betrachtung der Profil u Quer- durchschnitte des Schädels von Innen begründet ist. Die Analogie u Verschiedenheit der Sprache ist schon von den älte- sten Völkern benutzt worden, um die Verschiedenheit der Stäm̃e danach zu bestim̃en. Herodot erwähnt das sonderbare Criterium, wel- ches Psammetich angewendet habe, um den Streit zu schlichten, welches die älteste Sprache sei. Er ließ 2 Kinder bei einem Hirten erziehen, der sorgfältig darauf sehen mußte, daß kein menschlicher Laut ihnen nahen durfte; das erste Wort dieser Kinder war: Becos – welches in phrygischer Sprache: Brodt bedeutet. Und somit war deñ entschieden, daß dieß die älteste Sprache sei. Die Sprachverschiedenheit der Völkerstämme scheint einen Einthei- lungsgrund abzugeben, der allerdings viel für sich hat. Mei- nes Bruders, W. v. Humboldt’s, philosophische Untersuchungen über [85/0089] die Vertheilung der Sprachen auf der ganzen Erde, beweisen jedoch, daß keines- wegs Gleichheit der Sprache auch Gleichheit der Abstammung bedingt. Zwischen ei- ner u derselben Race herrscht oft die größte Verschiedenheit der Sprache, während in dem Idiom der entferntesten Völker sich Analogien finden, die in Erstaunen setzen. So zB bemerkt man eine Aehnlichkeit zwischen den Copten, den Bewohnern von Congo u vaskischen Völkern. – 11. Vorlesung (21. Februar 1828) Hiermit habe ich den Entwurf des Naturgemäldes vollendet, indem ich die Hauptumrisse derjenigen Wissenschaft zu geben versuchte, welche am passendsten Weltbeschreibung genannt werden mögte, indem sie den Inbegriff der cosmischen u tellurischen Zustände umfaßt. Weñ die Art meiner wissenschaftlichen Bestrebungen mich mehr der Beobachtung von Thatsachen zugewendet hat, so verkeñe ich deshalb nicht, daß, wie hoch die Weltbeschreibung als Wissenschaft zu stellen sei, sie doch nur die Mate- rialien liefert zu einer rationellen Naturphilosophie, deren letzter Zweck ein vernunftmässiger Begriff der Natur sein muß. – Die Natur ist Einheit u Vielheit, sie ist der Inbegriff der Naturdinge u Naturkräfte – die Naturkeñtniß mithin die Keñtniß der Dinge neben u nacheinander. In dem Naturgemälde, was ich aufzustellen versuchte, haben wir uns Rechenschaft gegeben von dem ersten Aufblicken der wahrnehmbaren Materie, die als unscheinbarer Nebelfleck sich kaum der Beobachtung darbietet, wir haben in der Geognosie die starren Theile des Erdkör- pers, in der Meteorologie u Climatologie die flüssigen Hüllen dessel- ben betrachtet u sind endlich von der Geographie der Pflanzen u Thiere zu den Menschenracen übergegangen, so in großen Umrissen eine Uebersicht des Geschaffenen umfassend. Bevor wir nun zu einer Auswahl individueller Ansichten aus dieser Gesam̃theit übergehen, sei es mir vergönnt, zuvörderst einiges über die verschiedenen Menschen- stämme nachzuholen. Bei aller Dunkelheit, welche die Forschungen über den Ursprung des [86/0090] Menschengeschlechts unsicher u ungewiß macht, ist so viel gewiß, daß es keinen auf vernünftigen Schlüssen beruhenden Grund gibt, um die Mög- lichkeit, ja Wahrscheinlichkeit der Einheit u gemeinsamen Abstam̃ung der Menschen zu läugnen. Im Gegentheil zeigt das Entstehen mannig- faltiger Mittelbildungen zB bei den Hausthieren, daß von einem Urtypus verschiedenartige Abweichungen Statt finden köñen. Man hat das Dasein von 5 Hauptracen angenom̃en, die hauptsächlich verschieden sein sollen durch das Pigment der Haut, den Haaren nach u durch die Abweichung des Winkels der Gesichtslinie. Die Namen, welche man diesen Abtheilungen beilegt, sind ebenso falsch u tadelnswerth, als die Abtheilung selbst. Den Caucasiern werden zB die Inder zugezählt; nun ist es aber bekannt, welchen Unterschied die Griechen schon zur Zeit der Züge Alexanders unter den Indern bemerkt haben. Weñ sie einige Völkerschaften derselben den Negern verglichen, so fanden sie andere weniger gefärbt, mehr den Aegyptern ähnlich. – Den Mongolen wer- den Kalmücken u Chineser zugezählt, letztere mit weniger ausge- wirkten Zügen. Man pflegt ihnen die Tartaren entgegenzusetzen. Wir finden die Mongolen zuerst im 9t saec. südlich vom Baikal See; in den Annalen der Chineser heissen sie Tataren u das dem Namen zugesetzte r scheint vielmehr eine spätere Verstüm̃lung. Das älte- ste Document, in welchem man diesen Zusatz findet, ist ein Brief Ludwigs des Heiligen an seine Mutter, indem jene Völker durch Rußland nach Ungarn u selbst bis Schlesien vorgedrungen waren; Der König spricht darin den Wunsch u die Hoffnung aus, daß die ganze Christenheit sich erheben mögte, um diese Horde in ihre tarta- rios sedes – Tartarusähnliche Wohnsitze zurückzutreiben. So mag diese abweichende Benennung vielleicht nur einem bon mot den Ursprung verdanken. Mit diesen Völkerschaften vermischt finden wir früh ganz verschie- denartige türkische Stäm̃e, deren mehrere schon Dschingis-Chan in seinem Heere vereinigt hatte. Die so von den Mongolen sehr ab- [87/0091] weichenden Ties machten bald die Mehrzahl dieser verwüstenden Horden aus, von denen die Chanate in der Krim̃ abstammen. Es ist dieß aber eine schöne, türkische Race, die sich selbst Turks oder Tierucks neñen, u den Namen Tartar für gleichbedeutend mit Räuber halten. Auch der Aethioper-Race werden sehr verschiedenartige Stäm̃e zuge- zählt. Die Fulahs sind die schwärzesten unter den Negern mit dem als characteristisch angenommenen Keñzeichen dieser Bildung; die Jolops, bei gleicher Farbe haben dagegen dünne Lippen u fast europäische Nasen. In Amerika fand ich mañigfaltige Gelegenheit, die Bildung der schwarzen Sclaven zu vergleichen u habe ich mich überzeugt, daß die Simultanei- tät des Wollhaares, der Farbe, der Lippenbildung u. s. w. keineswegs im̃er Statt findet. – Auf den AndamanInseln, nach neuern Berichten sogar auf dem festen Lande von Malacca finden sich schwarze Men- schenstämme; ebenso auf van Diemensland u im Iñern vieler Süd- seeinseln, wo es wahrscheinlich ist, daß die Neger den Urstam̃ des Landes ausmachen u die Malayen sich nur wie Küstenpflanzen am Littorale angesiedelt haben. – Noch muß ich hierbei der Frage erwähnen, die man aufgeworfen, ob sich deñ unter den ursprünglichen Bewohnern von Amerika gar keine schwarzen Menschen gefunden? Columbus berichtet u noch ausführlicher sein Sohn Fernando, daß auf St. Domingo, dem jetzt von importirten Negern bewohnten u beherschten Hayti, von Südwesten her ein schwarzer Menschenstam̃ eingewandert sei, der eine Art Goldmetall, /Guanin neñt es Columbus, eine Mischung von Gold, Silber u Kupfer, also ein schlechtes Gold/ mit sich geführt habe. Balboa, der Entdecker der Landenge von Darien, führt einen Stam̃ schwarzer Menschen, dieser Gegend benachbart an, die er als Negros de Guinea beschreibt. Man hat die wunderliche Hypothese aufgestellt, daß diese Neger, deren Dasein in Amerika aufgeführt wird, aus Sudan gekom̃en, u durch Seeräubereien dahin verschlagen worden wären, obgleich die [88/0092] Bewohner von Sudan sowenig Schifffahrt, als Seeräuberei jemals getrie- ben haben. – Der vierte Stam̃ der Malayen bewohnt hauptsächlich den indischen Archipel, die Küste von Malacca, u die östlichen Südseeinseln. Eine schöne Race, von sehr verschiedener Farbe. Auffallend ist, daß die Bewohner von Neuseeland in der südlich temperirten Zone, etwa wie das mittlere Italien, gelegen, dunkler gefärbt sind, u daß auf den Freundschafts-, Gesellschafts- u Marquesa’s-Inseln, der Tropenhitze so viel näher, sich ein Stam̃ von lichterer Hautfarbe findet. Amerika in seiner ganzen Erstreckung von 57-58° N. B. bis zur ma- gellanischen Meerenge wird von einer abgeschlossenen Race be- wohnt, von der man jedoch die Esquimo’s ausschliessen muß, die, wie früher bemerkt, vielmehr zu den Europäern gehören. Man unterscheidet eigentlich 3 Stäm̃e sogenañter Polarmenschen. Die Samojeden, ein mongolischer Stam̃ in Nordasien, elende, preß- hafte, von Kälte verkrüppelte Menschen, zu unterscheiden von den größern Samojeden auf dem Altai. Die Fiñen im Norden, die man eigentlich Uralier oder Tschuden nennen sollte, die Eskimo’s, von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine fast zu oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben in Schneehütten u haben von aller Vegetation so gar keine Idee, daß nach Parry ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne Farbe hat. Schon tausend u mehr Jahre vor der Entdeckung von A- merika durch die Normannen im 10t saec. sind lebende Eskimo’s bis zu den europäischen Küsten gelangt. Cornelius Nepos u Pompo- nius Mela berichten von Indern, welche durch Schiffbruch an die nörd- lich germanischen Küsten verschlagen zu einem keltischen Könige ge- kom̃en wären. Ohne Zweifel waren dieß Eskimo’s von der Küste von Labrador, deñ unter Inder verstanden die Alten alle Völker von dunkler Hautfarbe u an Ostindier ist in diesem Falle so nicht zu denken. [89/0093] Auch in viel neuerer Zeit 1682 u 1684 sind zweimal lebendige Eskimo’s in ihren Fellbooten, die nicht umfallen können, weil sie, wie ein Schlauch, die Schiffenden umgeben, auf den Orkney Inseln Eda u Westram angekom- men und das eine Boot wird noch jetzt in der Kirche eines kleinen Städt- chens aufbewahrt. Necker, ein Genfer, hat Nachricht hiervon gegeben. – Die Entfernung der Küste ist keineswegs so übermässig u möchte etwa ¾ des mittelländischen Meeres betragen. Capit. Sabine, der lange sich an der Baffinsbay aufgehalten, u den ich darüber befragte, hält das Factum gar nicht für unmöglich. Er versichert, daß die Fellboote niemals durch- näßt würden, u daß die Eskimo’s von einer Küste der Hudsonsbay zur andern zu rudern pflegen, indem das Fahrzeug sogar gestatte, einige Provision mitzuführen. Aber auch das Beispiel weißlicher Racen kom̃t in Amerika vor, wie die Guacaricos blancos, welche wahrscheinlich herstam̃en von den Quellen des Orinoco, zu denen noch kein Europäer vorgedrungen ist. Dieser Menschenstam̃ ist weiß, wie die Mestizen, u doch kañ bei diesem abge- sonderten Stam̃ keine Vermischung Statt gefunden haben. Auffallend ist der Contrast zwischen diesem Stam̃ u den fast schwarzen Ottomaken. Die lichtere u dunklere Hautfarbe steht aber in keinem Zusam̃en- hange mit der Höhe über dem Meere oder mit der Breite gegen den Aequator. So sind die Zacaticos im nördlichen Mexico ungleich gebräunter, als die Völker zwischen dem Amazonenstrom u dem Orinoco. Ein sehr merkwürdiges Factum ist das Vorkom̃en von blonden, blauäugigen Menschen an der Nordwestküste von Amerika in der Gegend von Norfolksound. Marchand hat zuerst darauf aufmerk- sam gemacht u v. Chabelsky, ein sehr unterrichteter Russe, bestä- tigt das Vorkom̃en europäischer Gesichtszüge, in einer Gegend, wo sie durch keine Vermischung hervorgerufen sein können. Man möchte hierbei an den von Klapproth nachgewiesenen germa- [90/0094] nisch indischen Völkerstam̃ der Ussyn in China denken. Weñ übrigens bei Characterisirung des amerikanischen Stam̃es auf den ge- gen die Faciale zurückgedrängten Schädel Rücksicht genom̃en wird, so muß man nicht vergessen, daß nicht in allen Fällen diese Bildung natürlich ist, sondern zum Theil der Gewohnheit einzelner Völkerschaften zugeschrieben werden muß, welche den Kopf neugeborner Kinder zwischen zwei Brettern zurückpressen. Dieser unnatürliche Gebrauch ist von großem Einfluß auf die Bildung des Schädels. Diejenigen Schädel, welche ich auf den alten Schlacht- feldern der Peruaner gesam̃elt habe, u von solchen Völkern, bei welchen diese Gewohnheit nicht herscht, zeigen eine Gesichtslinie von bei weitem nicht so kleinem Winkel. Ob die auf altmexikanischen Reliefs vorkom̃enden Abbildungen ganz be- sonders großnasiger Menschen einer Art derselben nachgebildet, oder nur in der Phantasie der Künstler entstanden, ist nicht zu entscheiden. In mythi- schen Vorstellungen, die sich doch wohl von asiatischen Traditionen her- schreiben u an unsere eignen früheren religiösen Sagen eriñern, findet sich dieselbe Darstellungsweise. Die Schlangenfrau Eva, in mexicanischer Sprache la Señora de nuestra carne, so wie Coxcox, der Adam, sind beide auf ähnliche Weise abgebildet. Der Irrthum eines in andrer Hinsicht verdienten Gelehrten, Meiners, hat lange dem schändlichen Verkehr des Sclavenhandels zum Vorwand und zur Entschuldigung dienen müssen. Meiners hat nehmlich auf das ent- schiedenste die Ansicht vertheidigt, daß das Menschengeschlecht augenschein- lich in 2 bestim̃t verschiedene Klassen zu treñen sei. Er nim̃t an, daß es eine schöne, weisse Menschenrace gebe, der höhern Intelligenz fähig, und eine zweite häßliche, böse, dunkelgefärbte, stumpfsiñige, die er sogar die unvollkom̃nere neñt u zu ewiger Sclaverei verdam̃t glaubt. – Noch mehr hat man die menschlichen Natur entadelt, indem man auf der Stufenleiter der Humanität sogar den Uebergang gesucht hat, der unser Geschlecht an die Thiere knüpft, u den man in der Ver- wandschaft des gefabelten Orang-Utang mit dem Jocko, von diesem [91/0095] zum Buschhottentoten und zum Papua von NeuGuinea gefunden zu haben wähnte. Die beiden AffenArten, bei denen man diese Verwandschaft am auffal- lendsten glaubte, sind der Orang-Utang von Borneo u der Chimpanse oder Jocko aus Afrika. – Von dem Orang-Utang sind nur sehr selten lebende Exempla- re nach Europa gekom̃en. Ein Affe dieser Art, den ich in Paris gesehen habe, war ein kleines, nur 34 Zoll hohes, sanftes, häßliches Thier, mit einem dicken Wulst um den Mund, aber mit schöner, fast europäischer Stirn. Ob den Affen überhaupt mehr Intelligenz zuzuschreiben sei, als den Hunden, ist auch zweifelhaft u weñ den Affen in einiger Beziehung größere Geschicklich- keit zugesprochen werden muß, so beruht dieß hauptsächlich auf der günsti- gern Bildung seiner Hände. Ich will hier eines Beispiels von anscheinen- der Ueberlegung erwähnen, das ich an eben jenem Thiere bemerkt habe. Der Affe war krank u eine Flasche mit Arznei auf dem Tische vor ihm um- gefallen u dadurch in eine rollende Bewegung gerathen. Der Affe hielt seinen Daumen dagegen u hielt sie solange fest, bis die Oscillation auf- gehört hatte. Allerdings eine zweckmässige Bewegung, die aber doch hauptsächlich dadurch möglich wurde, daß der Affe einen Daumen hatte, u weñ ich nicht eben behaupten will, daß die Civilisation des Men- schen auf der Existenz des Daumens beruhe, so ist doch nicht zu leugnen, daß die Art der Bildung unserer Hände den entschiedensten Einfluß auf die Entwicklung des Kunstfleisses gehabt hat. – Tilesius hat das Ver- dienst, zuerst entdeckt zu haben, daß der Orang-Utang, dem man eine so große Menschenähnlichkeit zuschreibt, keineswegs eine eigne Art ausmacht, sondern, daß diejenigen Affen, an denen eine minder thierische Bildung bemerkt wurde, sich im jüngern Alter befanden, u daß dieselben Thiere sich später zu einem großen häßlichen Pavian, /Pongo/ mit langgestreckter Schnauze entwickeln. Rudolphi hat diese Beobachtung bestätigt. [92/0096] Eine zweite dem Menschen angeblich näher stehende AffenArt ist der Schimpanse, oder Jocko /Simia troglodyta/, der in Congo, Guinea, Angola lebt u fast die Grö- ße des Menschen erreicht. Nach den Berichten der Reisenden lebt dieser Affe gesel- lig, baut sich Hütten aus Baumzweigen u vertheidigt sich mit Knütteln gegen Angriffe. Er ist gelehrig, kann zum Aufrecht-gehen, zum Sitzen u zum Auf- warten bei Tische gewöhnt werden. Daß dem Affen die Fähigkeit, articulirte Töne hervorzubringen, gänzlich fehlt, daß ihm die Sprache abgeht, hat Camper aus einer mangelhaften Ein- richtung seiner Stim̃werkzeuge erklären wollen. Rudolphi’s schätzbare physiologische Untersuchungen beweisen, daß nicht in den Werkzeugen die- ser Mangel begründet ist, sondern in etwas höherm, in der Seelenanlage. Mit Recht sagt Lordan in seiner Untersuchung über den grünen Affen, die Affen sprechen nicht, weil sie nicht zu sprechen haben. Schlegel hat gezeigt, daß in Indien eine so hohe Meinung von der In- telligenz des Elephanten verbreitet ist, daß man von Versam̃lungen dieser Thiere beim Mondenschein spricht, die einen eignen religiösen Zweck zum Grunde haben. Die höhere Seelenfähigkeit abgerechnet, fehlt es aber fast ganz an ei- nem wesentlichen Keñzeichen, den Menschen zu characterisiren, und der Unterschied ist nur gering, der ihn in Körperlicher Hinsicht von den Thieren trennt. Das Verhältniß der Capacität des Schädels gegen die Gesichtsknochen bietet eins der entschiedensten Merkmale dar, indem in der größern Entwicklung der zum Beissen bestim̃ten Kinnladen sich der vorwaltende thierische Ausdruck besonders characterisirt. Ein zweiter Unterschied beruht in der Abwesenheit des Intermaxilar- Knochens, welcher dem Menschen fehlt. Göthe, welcher mit gleichem Ge- nie alle Theile der Naturwissenschaft, wie der Kunst, umfaßt hat, hat sich früher mit diesem Gegenstand beschäftigt. Man hat jedoch gefunden, daß einigen AffenArten dieser Knochen ebensowohl, als dem Menschen mangelt. – Nach Sömmering besteht eine bedeutende Verschiedenheit nicht sowohl in der größern Masse des Gehirns, sondern in dem [93/0097] Verhältniß desselben zu den Nerven. Doch finden auch hier Abweichungen Statt u Meckel hat bei den Negern die Nerven des fünften Paares beträcht- lich dick gefunden im Verhältniß zum Gehirn. Man hat in dem Eigenthum des Kinnes einen menschlichen Vorzug ge- sucht, man hat die Anwesenheit des Hirnsandes angeführt, /der sich unter allen Thieren beim Dam̃hirsch allein auch findet/, man hat die schiefe La- ge des Herzens erwähnt, man hat auch das Vortreten der Nase vor dem Kinne als characteristisches Keñzeichen darstellen wollen. Diese zuletzt angeführte Bildung ist uns aber mit einigen Affen zB mit Simia rostratus gemein, weñ wir auch nicht mit einem französischen Gelehrten annehmen wollen, daß die Entwicklung der Nase hauptsäch- lich vom Schnauben herrühre, obgleich der Gebrauch eines Organs aller- dings wohl die Anlage desselben verstärkt. Weñ wir alles zusam̃enfassen, so werden wir den Hauptcharacter des Menschen erkennen in dem Uebergewicht des Gehirns, in der auf- rechten Stellung u in der Sprache, nicht als Folge der Stim̃werkzeuge, sondern als Ausdruck der höhern Intelligenz. 12. Vorlesung (28. Februar 1828) 2te Abtheilung Weñ bei Aufstellung des Naturgemäldes, dessen Entwurf mich bis- her beschäftigte, die einzelnen Theile der großen Gesam̃theit gleichsam als coexistirend betrachtet wurden, so möge sich jetzt die Untersuchung anschliessen, wie durch den Lauf der Jahrhunderte wir zu den Keñtnissen gelangt sind, deren wir uns jetzt erfreuen. Eine geschichtliche Ent- wicklung dieses Fortschreitens kañ nicht entwickelt werden, u ich begnü- ge mich mit der Andeutung, wie sich allmälich die Idee von der Ein- heit des großen Naturganzen verbreitet hat. Ein dunkles Gefühl, eine begeisterte Ahnung derselben müssen wir selbst bei den sogenañten wilden Völkern voraussetzen; das vernunftmässige Begreifen jenes Naturganzen kañ sich aber nur bei gebildetern Nationen vorfinden; so wie der Horizont der Erkeñtniß sich in allen Wissenschaften erweitert, so rückt auch [94/0098] dieser Begriff uns näher. Mit gewoñener geistiger Freiheit wird der Glaube an die Einheit der Natur zur lebhaften Erkeñtniß, zum klaren Begreifen. Es ist viel u oft die Rede gewesen von sogenañten Urvölkern, man hat bald die Semiten dafür ausgegeben, bald die Atlanten, bald die Kelten, die Bewoh- ner von Irak, endlich die Inder, während man nach allen Beobachtungen annehmen kann, daß die Erkeñtniß einer Natureinheit sich bei allen wil- den Völkern gleichmässig entwickelt hat. Ueberhaupt ist wohl mit Recht die Frage aufgeworfen worden, u der Zweifel entstanden, ob jene uns in einem rohern Zustande erscheinenden Völker ursprünglich wilde zu nen- nen sind? Ob man sie nicht vielleicht als Trüm̃er einer untergegange- nen Cultur anzusehen habe, als gerettete Ueberbleibsel aus dem schreck- lichen Schiffbruch des menschlichen Geschlechts? – Geschichtlich läßt sich hierüber nichts entdecken u weñ auf der einen Seite der vorgefaßte Glaube an eine primitive Naturweisheit, die Liebe zum Wunderbaren, die auf eine fast krankhafte Weise sich zu verbreiten scheint, geneigt macht, die Naturkeñtnisse der Wilden zu überschätzen, so läßt sich andrerseits nicht läugnen, daß auffallende Spuren vereinzelten Wissens unter ihnen angetroffen werden. Es ist zwar natürlich, daß das einzig ge- regelte, das diese Wilden um sich gesehen haben, auf sie gewirkt haben muß; die Eintheilung des Jahres braucht nicht von einer Nation zur andern übergegangen zu sein u eine gewisse natürliche Astro- nomie hat gar nichts wunderbares. Auffallender ist es, weñ in den Nächten am Orinoco während meiner astronomischen Beobachtungen die Äusserungen meiner indischen Beglei- ter mich zu der Bemerkung veranlaßten, daß nicht nur übereinstim- mende Beneñungen der Constellationen, sondern auch anderweitige Keñtnisse vom Lauf der Sterne sich bei solchen Völkern finden, die, in ungeheuern Wäldern lebend, den Him̃el fast nur wie durch eine Esse, eine Röhre beobachten können, da man doch voraussetzen mögte, daß jene Ideen nur auf den großen Savannen entstanden [95/0099] sein können, die einen unbegrenzten Ueberblick des Sternengewölbes gestatten. Jedenfalls gehört aber die Annahme der entwickelten Na- turweisheit bei den wilden Völkern in eine Sphäre des Glaubens, die unsern Untersuchungen fremd bleiben muß. Merkwürdig ist die bei allen früher gebildeten abendländischen Völkern allgemein verbreitete Sage einer Naturweisheit, die von Norden her ihnen zugekom̃en sei. Nördlich vom Himalaya hat der Cultus des Budha u Brahma seinen Ursprung genom̃en u von dorther hat zuerst Bildung sich über die Inder verbreitet. Ebenso stam- men bei den Chaldäern und Hellenen die bacchischen u orphischen Geheimnisse aus Thrazien her u alle ihre religiösen Sagen sind vom Norden herabgekom̃en. Eine sonderbare mythische Person der Hyperbo- räer Abaris, der Luftwanderer, dem ein vorangehender Pfeil sei- nen Weg zeigt, finden wir sogar in Amerika wieder. Man ist soweit gegangen, diese Sage auf den Compaß zu beziehen, und darin eine Keñtniß der nach Norden wirkenden magnetischen Kräfte finden zu wollen. Ich eriñere noch an den caucasischen Prometheus, den die Sage das him̃lische Feuer den Völkern herabbringen läßt, u an Pythagoras, der mit seinem Schüler oder Diener Zamolxis zu den Hyperboräern zurückgekehrt sein soll, wo in Phöbos altem Garten glückliche u gesittete Völker einen goldreichen Boden bewohnten. Weñ diese mannigfaltigen mythischen Einkleidungen uns nun auch bei den meisten wilden Völkern das Gefühl von der Einheit der Natur voraussetzen lassen, so dürfen wir ihnen doch keineswegs eine bewußte Erkeñtniß derselben zutrauen, die eine begreifen- de Einsicht der Natur voraussetzt. Diese Keñtniß ist nicht blosses Product der Intelligenz, sie kañ nicht ausbrechen, wie die Sprache, die in der frühsten Entwicklung der epischen Poesie ihren Ursprung gab, [96/0100] langsam nur, im Laufe der Jahrhunderte, bei stets wachsender Erkeñt- niß, konnte der große Gedanke der Natureinheit heranreifen und als feststehende Ueberzeugung Wurzeln fassen. Wir unterscheiden 6 Epochen, welche als Hauptmomente die allmäh- liche Entwicklung u Verbreitung dieser Erkeñtniß bezeichnen: 1. die jonische Naturphilosophie u die dorisch-pythagoräische Schule. 2. die Züge Alexanders nach dem Osten. 3. die Züge der Araber nach Osten u Westen. 4. die Entdeckung von Amerika. 5. die Erfindung neuer Organe zur Naturbeobachtung, dh. Fern- röhre, Wärmemesser, Barometer von 1591 bis 1643. Cooks Weltumsegelung, die ersten nicht blos geographischen Entdeckungsreisen, die den Grund legten, zu spätern phy- sicalischen Expeditionen. Wie überhaupt ein entschiedener Zwiespalt die beiden Stämme der Jonier u Dorier von einanderhält, so treñen sich auch die philosophischen Schulen der Jonier u die des Pythagoras. Weñ die Erkeñtniß der Jonier mehr auf einer siñlichen Anschauung beruht, so finden wir bei den Doriern ein tieferes, ernsteres Bestreben, auf den Ursprung der Dinge zurückzugehen. 1.) Thales, der Stifter der jonischen Schule erkañte in dem Wasser das Princip aller Dinge u nach ihm war die Erde aus dem Ur- feuchten hervorgegangen. Anaximenes meinte dagegen, alles sei aus der Luft entstanden, u Anaximander nahm einen Grund- stoff an zwischen dem Feuchten u der Luft. Wir finden in dieser Schule die Idee der Verdichtung u Verdünnung ausgesprochen, folg- lich schon den Begriff der Attraction u Repulsion. – Empedocles be- hauptete die Gleichartigkeit aller Materie u bezeichnete die zuerst [97/0101] von ihm aufgestellten 4 Elemente als einen Zustand der Materie. Diese 4 Elemente haben sich durch viele Jahrhunderte erhalten, u erst in den neusten Zeiten ist es mit Mühe gelungen, sich davon los zu machen. – Es darf nicht übergangen werden, daß die jonische Schule in manchen Einzelheiten sehr wich- tige Beobachtungen angestellt hat. So untersuchte Diogenes von Apollonia die Respiration der Fische u gelangte zu einem ganz richtigen Resultate. Thales mag sich lange in Egypten aufgehalten u von den dortigen Prie- stern seine astronomischen Keñtniße mitgetheilt erhalten haben. Von ihm soll die Bestim̃ung des beweglichen Soñenjahres herrühren u sogar eine Sonnenfinsterniß vorhergesagt oder errathen worden sein. Die Verfinste- rung trat ein, während die berühmte Schlacht von Halys zwischen den Me- dern und Lydern Statt fand, die mit der Flucht der durch das unerwartete Naturereigniß erschreckten Lyder endete. – Anaximander soll die ersten Sonnenuhren aus Babylon nach Griechenland gebracht haben, wobei ich anmerken will, daß noch zur Zeit des Aristophanes die Eintheilung der Zeit auf keine andere Weise bestim̃t werden konnte, und daß wich- tige Geschäfte, Einladungen zu Mittagessen, danach festgesetzt wurden, daß der Schatten 7–8 Fuß Länge haben werde. Die Schule des Pythagoras, welche durch Pherecydes mit der jonischen Schule zusam̃enhängt, liefert uns das erste Beispiel von einem weit verbrei- teten Bunde, dessen Mitglieder sich überall zusam̃enfanden. Das sicher- ste u beste über die merkwürdige Erscheinung des Pythagoras und über seine Lehre finden wir von seinem Schüler Philolaus aufgezeichnet. Hiernach läßt sich aussprechen, daß die Philosophie desselben eine Philosophie der Maaße u der Harmonie war; der erste Versuch des menschlichen Geistes, das numerische Element auf die Naturkunde anzuwenden, womit eine mathematische Symbolik in Verbindung stand. Eine Eigenthümlichkeit dieser Gesellschaft war, daß auch Frauen an dem pythagoräischen Bunde Theil nehmen koñten. Nach Philolaus be- findet sich in der Mitte des Weltgebäudes ein großer Weltheerd; die [98/0102] Sonne ist ein Spiegel, welcher die Strahlen des Centralfeuers auf die Erde reflectirt. Die Eclipsen werden durch eine Gegenerde, Antichthon, be- wirkt, welche man später mit Amerika verwechselt hat. – Die Persön- lichkeit des Pythagoras ist sehr ungewiß; der Stifter dieser Schule wurde in der Folgezeit bei den Gnostikern u Neuplatonikern zu einer völlig mythischen Person, indem man ihn bald mit seinen goldnen Schenkeln Wunder thun läßt, bald ihn zu den Hyperboräern u Druiden hinauf- führte. Die Neupythagoräer, welche bis in die christlichen Zeiten rei- chen, haben wenig von der ursprünglichen Lehre erhalten. Obgleich es erwiesen ist, daß fast ein Jahrhundert zwischen ihnen liegt, so stellt doch Plutarch den Pythagoras mit Numa zusam̃en. Es ist nicht zu läugnen, daß dieß System einen merkwürdigen Einfluß auf die Entwicklung der Folgezeit gehabt hat, u auf zwei der größten Geister, auf Copernicus u Keppler einwirkte. Weñ wir nunmehr zu den Ansichten übergehen, welche Plato spä- ter entwickelte, so köñen wir nicht umhin, den ungemeinen Scharf- siñ zu bewundern, der ihn den Zusam̃enhang vieler Naturphänome- ne erkeñen ließ. Besonders auffallend sind seine klaren Begriffe, über die iñere Verbindung vulkanischer Erscheinungen, deren Ent- stehen er schon damals von kleinlichen localen Wirkungen unab- hängig erklärte. Er stellte die Behauptung auf, daß im Iñern der Erde ein Feuerstrom, Pyrophlegeton, vorhanden sei, der durch die Vulkane mit der äussern Lufthülle in Verbindung stehe. – Diese Vorstellung ist später häufig mißverstanden worden, aber unstrei- tig liegt sie unsrer heutigen Theorie von der nach iñen zunehmen- den Wärme und einem glühenden Erdkern zum Grunde. – Auch über die äussere Gestaltung der Erdrinde hatte Plato großarti- ge Ansichten u betrachtete zB das mittelländische u schwarze Meer [99/0103] als ein großes Becken, eine Niederung, woran die Griechen, wie er sich spöttisch ausdrückte, gleich Fröschen wohnten. – Sogar der erste Ursprung der neuesten Wissenschaft der Crystallisation läßt sich bei Plato nach- weisen, indem er die Bemerkung machte, daß die Flächen polyedrischer Körper unter bestim̃ten Winkeln an einander stossen u er darin ei- nen Unterscheidungsgrund auffand. – Auch die GebirgsArten treñt er in zwei verschiedene Gruppen, indem er ihren Ursprung zum Theil aus dem Feuer, zum Theil aus dem Wasser herleitet. Den zweiten großen Hauptmoment in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geistes bezeichnet der Zug Alexanders, der um somehr Veran- lassung wurde, eine großartigere Ansicht der Natur zu gewähren, als früher der Horizont sehr beengt war u der Verbreitung allgemeinerer Naturkeñtnisse wenig günstig gewesen war. Selbst die iñerhalb eines beschränkten Raumes unternommenen Reisen wirken eher nachtheilig, indem besonders der Anblick von Egypten zu mannigfaltig falschen An- sichten verleitete. Das enge Flußthal, die Deltabildung am Ausfluß des Nil, das Steigen u Fallen des Flusses, die etesischen Winde, alles dieß sind Localphänomene, die nur irrthümlich auf dem ganzen Erdkörper in ähnlicher Art vermuthet werden können. Vor Alexanders Zuge kannten die Hellenen die Tropenproducte nur durch den Handel, u obgleich Alexander die Tropenclimate nicht eigentlich berührte, so lernten doch die Griechen eine Menge tropischer Erzeugnisse an Ort u Stelle kennen. Die Länder am Indus haben einen Continental- zusam̃enhang mit Indien u eben die Continuirlichkeit der Erstreckung vermehrt die Wärme unter dieser Breite u läßt die Producte ursprünglich heisserer Zonen in ihnen gedeihen. – Früher hatte Ctesias in seinem Lügenbuche zuerst die persischen Wunder gepriesen; weñ er nach der Art mancher Reisenden der Wahrheit auch oft zu Nahe trat, so hat er doch das Verdienst, die Griechen auf viele Tropen- producte aufmerksam gemacht zu haben. Schlegel stellt selbst die 2. [100/0104] Vermuthung auf, daß die Lesung des Ctesias den Alexander vielleicht zu seinem großen Zuge veranlaßt haben mögte. Es sind uns so viele Relationen von diesem Zuge aufbehalten worden, daß wir im Stande sind, ihn genau zu verfolgen. – Zu den neuen Gegenständen, welche die Aufmerksamkeit der Griechen besonders er- regten, gehörten Bäume von einer solchen Höhe, daß die Pfeile nicht bis zu ihrem Gipfel hinaufreichten. Sie fanden ferner die Frucht der Bananen u eine Menge fremdartiger Thiergestalten. /Ich will hier die geistreiche Bemerkung des ebenerwähnten Gelehrten, Schlegel, einschalten, der in dem mit seltsamen Thiergestalten überfüllten Indien die Ornamente ihrer Architectur nach Thieren gebildet, findet, wogegen in dem bewässerten, pflanzenreichen Egypten die Formen von Pflanzen entlehnt sind./ Am Indus fanden sie zuerst Elephanten, die als titanische Ochsen angeführt wurden. In der Schlacht bei Arbeta geriethen fünfzehn Streitelephanten des Darius in die Gewalt der Griechen u es ist nicht unwahrscheinlich, daß eben diese Elephanten später von Pyrrhus nach Italien übergeführt wurden. Auch die Monsonwinde erregten Aufmerksamkeit, welche, in bestim̃ten Jahres- zeiten nach entgegengesetzten Richtungen wehend, der Schiffarth vom südlichen Afrika nach Ostindien bald hinderlich, bald fördernd sind. – Nearch glaubte im Indus den Nil zu erkennen, nicht blos wegen der Krokodille, welche man diesem Flusse allein eigen glaub- te, sondern hauptsächlich des periodischen Steigens und Fallens wegen, das man fälschlich von dem geschmolzenen Schnee, nicht aber von den tropischen Regengüssen herleitete. – Was die Menschenracen betrifft, so bemerkte man in Indien zuerst, daß nicht alle Aethiopen gleicher Farbe u Gestalt sind, sondern sich in verschiedene Stäm̃e theilen. Wie jetzt, kam man schon damals auf die Vermuthung, daß das Clima [101/0105] Einfluß auf das Menschengeschlecht übe u schrieb es der Wirkung der feuchten Luft zu, daß die negerartigen Völker in Indien kein Wollhaar haben. Alexander selbst drang nicht bis in das eigentlich cultivirte u sehr bevölkerte Indien vor, wohl aber nach ihm Seleucus Nicator, der einen gewaltigen Erobe- rungszug von Babylon bis an den Ganges unternahm, von welchem er unter andern 500 Elephanten zurückbrachte. Auffallend ist es, daß die Griechen damals nicht die indischen Zahlen keñen gelernt haben, welche so sehr viel später, wahrschein- lich erst über Persien nach Arabien u erst im 13t Jahrhundert durch die Araber nach Europa gebracht worden sind. Wie wichtig die Erfindung war, durch 9 Zeichen u ihre Position alle möglichen Gruppen von Zahlen auszudrücken, wird dañ besonders klar, weñ man bedenkt, wie beschwerlich die Römischen Zahlen durch ihre Juxtaposition die kleinste Rechnung machen u wie man, so lange man sich derselben bediente, in der Arithmetik unmöglich vorwärts kom̃en konnte. Daß die Griechen viel von den Chaldäern in der Him̃elskunde lernten, ist um so wahrscheinlicher, als in Babylon eine eigne Priesterkaste, die den Belustempel bewohnte, fast ausschliessend mit astronomischen Beobach- tungen beschäftigt war. Die wunderliche Architectur dieses Gebäudes, das dieser Zunftgenossenschaft zum Wohnsitz diente, hat ein besonderes histo- risches Interresse. Eine himmelhohe Treppenpyramide diente zu gleicher Zeit zum Grabmal, zur Sternwarte u zum Tempel und läßt uns den berühmten Thurm zu Babel nicht verkennen. – Merkwürdig ist, daß derselbe Typus der Architectur sich in Amerika wieder findet u daß den zu Anfang des 16t saec. zu Mexico aufgeführten Tempeln einer ganz ähnliche Idee zum Grunde lag. Wohl mit die schönste Frucht der Züge Alexanders ist das Werk des Aristoteles; weñ wir auch nicht annehmen wollen, daß, wie Plinius erzählt, 1000 Vogelfänger u Schützen im Heere Alexanders angestellt gewesen, um alles bemerkenswerthe für ihn einzusam̃eln, so müssen wir doch ein reiches Ergebniß dieser Bestrebungen anerkennen. Indeß hat Aristoteles unverkeñbar die Tendenz, eine nüchterne Naturbeschrei- bung an die Stelle des Gedankens von der Einheit der Natur zu setzen. Sein Hauptwerk ist die Naturgeschichte, in der sich der Geist [102/0106] des Sam̃elns, der ihm vor allen eigen ist, besonders ausspricht. Auf seiner schönen Villa hatte er eine für die damalige Zeit gewiß einzige Naturaliensamm- lung, auf die Alexander 800 Talente gewandt haben soll. – Später wurde in Alexandrien nach diesem Muster eine Sam̃lung angelegt, ein Museum, dem bald eine Bibliothek folgte. In vielen Städten Vorderasiens wurden eben- falls Bibliotheken zusam̃engebracht, so daß selbst ein Mangel an Papyrus ent- stand, dessen Ausfuhr man in Egypten zu verbieten sich veranlaßt sah. Unter den um die Naturwissenschaft verdienten römischen Schriftstellern nim̃t Strabo einen ausgezeichneten Platz ein, der in Augustus Gefolge die meisten Provinzen des römischen Reichs durchwanderte: wir haben von ihm eine physische Erdbeschreibung, in der vortreffliche Beobachtungen enthalten sind. Plinius 37 Bücher gehören zu den großartigsten Unternehmungen der alten Welt in wissenschaftlicher Hinsicht. Der Plan des Werkes war jedoch zu umfassend angelegt, um in allen Theilen auf gleiche Vollendung Anspruch machen zu können. Ich will hier nur erwähnen, daß Plinius unter andern die Meinung bestim̃t ausspricht, daß ein gemässigtes Clima die Ausbildung des menschlichen Geistes am meisten begünstige, während zu große Kälte an den Polen ihn austrocknen, zu große Hitze unter den Tropen ihn versengen. Unter Hadrian kam der ganze Wust der morgenländischen Theosophie mit den Neuplatonikern u Gnostikern nach Rom, während vom Kaiser besonders die egyptischen Religionen begünstigt wurden. – Von den Gno- stikern kañ man annehmen, daß sie wieder auf die Idee von der Einheit der Natur zurückführten; es ist gewiß, daß sie Chemie stu- dierten u manche schöne Entdeckung machten. Sie lernten hierin von den Phöniziern u Egyptern, von denen bekañt ist, daß sie sich ganz beson- ders mit dem Studium der Natur der Stoffe beschäftigten: so wie deñ auch vieles, was man in den egyptischen Gräbern findet, eine tiefe chemische Keñtniß verräth, wovon wir uns durch die schöne Sam̃lung von Passalaqua überzeugen köñen, deren Besitz wir der Munificenz des Königs verdanken. [103/0107] Von Caligula weiß man, daß er eine große Neigung zur Goldmacherei hatte u aus dem Schwefelarsenik dieß edle Metall herzustellen glaubte. Beiläufig möge hier die Etymologie des Wortes Chemie eine Stelle fin- den. Plutarch erwähnt zuerst χημεῖα, indem er damit Egypten bezeichnet, als das Land des Cham. Auf dem berühmten Rosettaschen Stein, dessen Inschrift den ersten Schlüssel zur Entzifferung der egyptischen Characteren gegeben hat, findet sich das Wort stets, um damit Egypten auszudrücken. Da nun auf Koptisch mit demselben Wort der Begriff „schwarz“ bezeich- net wird, so scheint Chemie, egyptische Kunst, schwarze Kunst vollkom̃en gleichbedeutend. 13. Vorlesung (6. März 1828) Weñ in den Zeiten unter den spätern Kaisern die aufkeimendere würdigere Ansicht der Natur durch mannigfaltig mythische Ideen ver- dunkelt wurde, weñ gehässige Streitigkeiten über religiöse Gegenstände u allgemeine Unduldsamkeit viel zur Schwächung des römischen Reichs beitrugen, so verbreiteten die nachfolgenden Einfälle der Barbaren vollends eine tiefe Nacht über das Abendland, während Griechenland, obgleich denselben Mängeln unterliegend, sich doch einen Schein des Lichts bewahrte. Die dritte Epoche wird durch den Einfall der Araber bezeichnet, durch welchen ohne Zweifel die in Schwachheit versunkene Welt wieder aufgefrischt worden ist. Die Araber waren ein wandernder semitischer Stam̃ u warfen sich, nachdem sie 50 Jahre in Arabien er- obernd umhergezogen waren, zuerst auf Egypten. /Es muß bemerkt werden, daß wohl schon viel früher eine ähnliche Invasion Statt gefun- den hat. Rühl von Lilienstern hat es wahrscheinlich gemacht, daß die uralten Hyksos nichts anderes waren, als ein erobernder semitischer Stam̃ der Perser oder Meder./ Kaum aber haben sie ihre vaterländi- schen Grenzen verlassen, so verbreiten sie sich mit solcher Schnelligkeit, daß in unbegreiflich schneller Zeit von den Ufern des Ganges bis an die Säulen des Hercules alle Völkerschaften ihnen unterworfen sind. Sie selbst vergleichen sich in ihren Gedichten einem Wolkenzuge, 3.) [104/0108] der an den Bergen lagert, um jeder neuen Richtung des Windes zu folgen. Um den Araber kurz zu characterisiren, so kañ man sie im allgemeinen unwissend nennen; einzelne unter ihnen zeichnen sich aus durch eine gro- ße Liebe zur Natur, die sie gründlicher zu untersuchen anfangen u man mögte die Art unserer heutigen Naturbeobachtungen von den Arabern da- tiren. Früh schon vor Mahomed hatten griechische Aerzte aus der Schule von Edessa u Athen wissenschaftliche Keñtnisse unter ihnen verbreitet und die Dichtkunst hatte selbst eine schöne Blüthe erreicht. Zu Mecca und Okkadh waren im 5t saec. lyrische Kampfspiele angeordnet, die nicht unähnlich den olym- pischen zu gewissen bestim̃ten Zeiten gehalten wurden; die Gedichte, denen man den Preis zuerkannte, wurden mit goldnen Buchstaben auf Byssus geschrie- ben u in der Kaaba in Mecca aufgehängt. /Hamaza Heldenlieder von Freitag in Bonn herausgegeben/. Den höchsten Flor des Reichs kañ man unter den Hascheniden u Abbassiden annehmen. Al Manzur, ein Chalif der letztern Dynastie erbaute Bagdad 762 zur Residenz, wo unter dem großen Harun al Raschid gelehrte Schulen gestiftet wurden, so wie auch zu Mosul. Diese erhielten ihren ersten Glanz durch grie- chische Flüchtlinge, die wegen orthodoxer Verfolgungen ihr Vaterland aufzugeben sich gezwungen sahen. So muß es deñ dankbar erkañt werden, daß Griechenland, die alte Wiege abendländischer Cultur, von jeher, selbst im Stande der tiefsten Versunkenheit, Strahlen der Civi- lisation nach allen Seiten ausgesendet hat. Harun al Raschid ließ die Worte der berühmten griechischen Gelehr- ten ins Arabische übersetzen durch einen eignen Uebersetzungs- Ausschuß, der diese Uebertragungen durch viele Abschriften verbrei- tete. Einer seiner Nachfolger, der Chalif al Mamum machte es zur Bedingung eines Friedensschlusses, daß der griechische Kaiser ihm meh- rere ausgezeichnete Manuscripte, /die Almagest von Ptolomaeus/ [105/0109] überlassen mußte. Mit der Dynastie der Abbassiden wetteiferte die der Omma- jaden in Spanien; was Bagdad in Asien, war die hohe Schule in Cordova in Eu- ropa, wo denn überhaupt im 10t saec. die Araber die Stütze der Litteratur wurden. In Astronomie, Geographie, Medicin u Physik hat ihr Fleiß sehr glück- lich u nützlich gewirkt, u noch zeigt manches arabische Kunstwort von ih- rem Einfluß selbst auf unsere heutige Cultur. Namentlich trägt der Him- mel die Spuren ihrer Herschaft, indem die meisten Constellationen arabische Beneñungen haben. Schon früher ist erwähnt, daß die indischen Zahlzeichen durch die Araber in Europa eingeführt wurden, die höchst wahrscheinlich im 13t saec. über Persien ihnen zugekom̃en waren. Erst im 14t saec. wurden diese Ziffern, nach ihren Verbreitern ara- bische genañt, durch den Handel der Genueser und Venetianer all- gemein bekannt. Das erste Document, in dem die Bezeichnung der Zahlen auf diese Weise vorkom̃t, ist ein Brief des Petrarca über den heiligen Augustinus vom Jahre 1373. Zu den wichtigsten chemischen Entdeckungen gehört die Auffindung der Säuren, sie kañten die Salpetersäure u das Königswasser, deren Ent- deckung man fälschlich dem Raimundus Lullus zuschreibt: sie gebührt dem großen Abelmoussa Schafr el Saffa. Auch die Kunst des Destillirens sind wir den Arabern schuldig, sie verfertigten Alkohol u Naphta u kannten das ☿ Oxyd. Wir bemerken zwei Reflexe von dem arabischen wissenschaftlichen Lichte, den einen nach Osten hin gegen die Mongolen, wo ein Enkel des Timur zu Samarkand einen Sterncatalog anfertigen ließ, den andern im Westen, wo in Spanien Alphons der Xt /1252-1284/ mit einer Tole- ranz, die man jetzt kaum begreifen würde, zu Toledo einen Congreß von christlichen, jüdischen u sarazenischen Astronomen vereinigte, durch welche die berühmten alphonsinischen Tafeln ausgearbeitet wurden. Der Historiker Mariana sagt von diesem Könige: er verlor die Erde, indem er zu viel nach den Sternen sah. [106/0110] Die glänzende Epoche der arabischen Herschaft begiñt 640 mit der Ero- berung Egyptens u schließt 1236 mit der Eroberung von Cordova unter Ferdinand dem Dritten. Einen schwachen Abglanz der arabischen wissenschaftlichen Bestrebungen finden wir bei dem Spanier Raymundus Lullus aus Majorca, in dessen Schriften aber ein mystischer Spuk vorherrscht, den er die ars magna neñt. Bei weitem höher steht Roger Baco, ein englischer Mönch des 13t saec., der durch die Kraft seines Genies sich weit über sein Zeit- alter erhob u in mehreren Wissenschaften Entdeckungen machte, welche die Bewunderung der Nachwelt verdienen. Man kañ sagen, daß von ihm eine völlige Reform der Naturlehre ausging. Der Zauberei ange- klagt u von dem General des FranciskanerOrdens verfolgt mußte er viele Jahre seines Lebens im Kerker schmachten. Weñ hier abermals ein sichtbarer Ruhepunkt eintritt in der Ge- schichte menschlicher Bestrebungen, in Erkeñtniß eines Naturganzen, so ist doch der organische Zusam̃enhang zu übersehen, wie sich allge- mach die wichtige vierte Epoche vorbereitete, welche wir mit der Entdeckung von Amerika bezeichnen. Gleichzeitig mit dem Auf- blühen des Handels der italienischen Freistaaten, datirt die für das Vorschreiten der Wissenschaft merkwürdige Erfindung der Buchdrucker- kunst 1436, u ein allgemeiner erwachsendes Interesse für die classische Litteratur. Die Verbindung zwischen Griechenland u Italien war nie ganz aufgehoben, wie deñ Apulien u Calabrien noch lange unter byzantinischer Herrschaft blieb. Der normäñische König Robert von Ne- apel schickte 1453 eigene Gesandte nach Constantinopel, um von dort her Handschriften von guten Autoren zu erlangen. Wir eriñern uns hier besonders an die Namen Petrarca, Bocaccio, Lascaris, Pol- ziano, Bessarion Mäñer, die sich besonders ausgezeichnet haben im Kampf gegen die Scholastiker u durch deren Bestrebungen die 4.) [107/0111] allgemeinere Schätzung der classischen Litteratur so sehr befördert worden ist, um deren Erweckung sich auch die Academie der Medicäer in Florenz Verdienste er- worben hat. – Durchaus ungegründet ist die Behauptung, daß das Studium der classischen Autoren von dem der Natur abgeführt habe, vielmehr verdanken wir dem erwachten Siñ für die Classiker die erneuerte Keñtniß vieler einzelner Zweige der Wissenschaft, deren Horizont sich durch materielle geo- graphische Entdeckungen so sehr erweitern sollte. Schon im Jahre 1003 waren scandinavische Schiffer nach Newfoundland ge- kom̃en, wo sie eine Art Weinstock, unsrer vitis vinifera zum Verwechseln ähnlich gefunden hatten, wonach sie dem ganzen Lande den Namen Win- land gaben. Später im Jahre 1390 besuchten die Brüder Zeen den großen westlichen Continent u obgleich ihre Nachrichten von den einzelnen Län- dern dunkel u verworren sind, so kañ man doch mit Gewißheit anneh- men, daß sie einen Theil der vereinigten Staaten müssen gesehen haben. Frühere ausgedehnte Landreisen besonders nach Asien hin, hatten mit der großen Erstreckung unserer Erdhälfte nach Osten bekañt gemacht u auf die Annahme der Rundung unserer Erde geführt. Die meisten dieser Reisen, von Mönchen unternom̃en, waren größtentheils ohne bedeu- tendes Ergebniß für die Naturwissenschaft gewesen, mit Ausnahme der des Venetianers Marco Polo, der nicht nur die nördlichen Theile von Asien bereiste, sondern auch seinen Rückzug durch das Tropenkli- ma von Jawa u Sumatra nahm. Es war dieß ein zuvor unge- bildeter, aber geistreicher Mañ, der interessante naturhistorische Bemerkungen gemacht hat u auch auf den hohen Bergen der Bucha- rei den verminderten Luftdruck erkañte u die Schwierigkeit, auf diesen Höhen Feuer anzuzünden. Aber wie unbedeutend ist der Einfluß einzelner Reisenden mit dem Leben großer Heere, ja ganzer Völker, die nach Entdeckung des [108/0112] neuen Continents nach Amerika hinüberzogen und Städte gründeten auf Höhen, die selbst unter dem Aequator die Schneegrenze erreichen. Merkwürdig u unstreitig einwirkend ist es, daß um dieselbe Zeit dieser wichtigen Entdeckung die schönsten Gebilde der griechischen Kunst aus dem Schoosse der Erde ans Licht kamen u aus ihren Gräbern wieder hervor- gingen. Von 1498–1506 fand man den Laocoon, den Apoll u Torso. – Gleichzeitig mußten auch Luther u Calvin auftreten, um dem Menschen- geschlecht eine neue Geistesfreiheit u Stärke /deñ beide sind eins/ zu er- werben. Copernicus großes Weltsystem wurde erst kurz vor dem Tode dieses Mannes bekañt um das Jahr 1549, obgleich es erwiesen ist, daß er es ungleich früher vollendet hatte. Bei seiner gründlichen Bekanntschaft mit dem classischen Alterthum hatte er gefunden, daß mehrere alte Schriftsteller, wie Nicetas, Ecphontes von einer Bewegung der Erde re- den und weñ dieß auch auf eine leere nichtssagende Weise geschieht, so hatte er doch darin Veranlassung gefunden, mehr darüber nach- zudenken. Er glaubte nur das System des Philolaus herzustellen, obgleich dieser keineswegs die Sonne, sondern einen großen Weltheerd als Mittelpunkt des Weltgebäudes annahm. Besonders begeisterte ihn, wie Ideler nachgewiesen hat, eine Stelle des Martianus Capella, der den Mercur u die Venus um die Sonne kreisen läßt. Die dem System des Copernicus analogste Stelle, die bei den Alten über die Bewegung der Erde vorkom̃t, die vom Aristarch von Samos kann er nicht einmal gekannt haben. Sie steht im Arenarius des Archime- des, der nach Ideler erst ein Jahr nach Copernicus Tode in Venedig herauskam. Diese vorbereitende Entwicklung, wie diese gleichzeitigen Erscheinun- [109/0113] gen bezeichnen die Entdeckung der neuen Erdhälfte, als die merkwürdigste Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes, u von hier an datirt ebenso- wohl im allgemeinen eine großartigere Ansicht der Natur, als insbeson- dere die Ausbildung einer eigentlichen physikalischen Geographie. – Eine Menge neuer Erscheinungen boten sich den Anköm̃lingen in Amerika dar; man fand einen großen Continent von ununterbrochner Erstreckung, in dem unter dem Aequator Schnee auf Bergen liegt. Dieß führte auf eine genauere Bestim̃ung der untern Schneegrenze in den verschiedenen Climaten, die man nach ihrer relativen Höhe über dem Meere unterscheiden lernte; so wie man auch die Pflanzen- u Thier-formen verschieden fand je nach der Höhe u Breite, unter der sie vorkom- men. – Man warf die Frage auf, warum Amerika unter den Glei- chen nicht so warm sei, als Afrika, und ob in seiner ganzen Erstreckung es von Negern bewohnt sei? – Man fand, daß seine Einwohner einen abgeschlossenen Menschenstam̃ ausmachen, der, zwar unter sich verschieden, durch einen eigenthümlichen Bau der Backenknochen übereinstim̃t, nochmehr aber durch eine gewisse grammatische Analogie der Spra- chen verbunden ist, in denen man bald semitische, bald sogar baski- sche Anklänge zu vernehmen glaubte. Alles dieses mußte gründliche Untersuchungen über die Menschenracen hervorbringen, erregen, ver- breiten. Ganz besonders beschäftigte damals die Frage, die noch jetzt Gegenstand von Untersuchungen ist, von woher die erste Bevölke- rung dieses Erdtheils an Menschen u Thieren gekom̃en u ob eine Einwanderung vom nördlichen Asien her wahrscheinlich sei? Ein sonst geistreicher Schriftsteller meinte, um das Ueberkom̃en reissender Thiere zu erklären, zu der Annahme genöthigt zu sein, daß sie als ganz kleine Thiere in denselben Booten, worin die Menschen [110/0114] kamen, mit eingeschifft worden wären. Mit der Entwickelung so vieler anderer Keñtnisse entwickelte sich auch eine neue Ansicht über die Natur des vulkanischen Feuers. Noch nirgend hatte man so lange Reihen von Vulkanen gesehen, wie hier in der Andes- kette, wo die Ausbrüche der im̃er wirkenden Kräfte bald auf dem Rücken derselben Statt finden, bald am Fuß der Gebirge, wie in der Cen- tralrepublik Guatimala. Ebenfalls wurde man damals aufmerksam auf die Strömungen der Meere, namentlich auf den mehrmals erwähn- ten Golfstrom, der sich von den Antillen bis nach Norwegen u Irland erstreckt u von Petrus Martyr de Anghiera in seiner Oceanica eben so lebhaft als gründlich beschrieben wird. Ein ganz neuer Him̃el zeigte sich dem erstaunten Europäer. Man sah die magellanischen Wolken, die mit dem Glanz der Milchstrasse den süd- lichen Pol umkreisen, so wie jene schwarzen Flecken, Kohlensäcke, ge- nañt, die zu so mannigfaltigen Hypothesen Anlaß gegeben haben. Aber keine der Constellationen war geeigneter, einen lebhaften Ein- druck auf die Phantasie zu machen, als das südliche Kreuz, das erst mit Entdeckung von Amerika den nördlichen Völkern bekañt wurde. Ich will hierbei der erhabenen Stelle des Dante im Purgatorio erwäh- nen, die von den berühmtesten Commentatoren auf dieses Sternbild bezogen worden. – deñ obgleich Dante 1321 starb, so konnte er doch durch venezianische u genuesische Schiffer, die im arabischen Meer- busen Handel trieben, Nachricht von diesem Sternbilde bekom̃en haben, das in jenen Gegenden allerdings sichtbar ist. Wie mächtig die Entdeckung von Amerika auf die Gemüther der Zeitgenossen gewirkt hat, wie mit nichts anderm vergleichbar der Eindruck gewesen, den sie hervorbrachte, davon finden wir [111/0115] Spuren in allen gleichzeitigen Schriftstellern. Zwei Bücher jedoch sind als besonders reichhaltig anzuführen für denjenigen, der sich einen Begriff machen will von den Umwälzungen in den wissenschaftlichen Ansichten, welche als Folge dieser großen Begebenheit zu betrachten sind. Acosta’s Naturgeschichte ist für die Geographie besonders wichtig, wogegen Pet. Mart. de Anghiera vorzüglich die climatischen Verhältnisse berücksich- tigt. Letzterer, ein Geheimschreiber Carl V. hatte den Columbus persönlich gekañt u von ihm ist uns ein Brief aufbehalten vom Jahre 1493, in dem er mit gleicher Lebendigkeit u Würde des Ausdrucks den Eindruck schildert, welchen die Nachrichten von dem Umfange u der Wich- tigkeit der großen Entdeckungen auf ihn u seine Freunde gemacht hatten. Daß um dieselbe Zeit die ergraute scholastisch-dogmatische Philosophie, welche jeder freieren Untersuchung die lästigsten Fesseln angelegt hatte, einer reinern Naturanschauung weichen mußte, ist unstreitig mehr dem fortrückenden Geiste der Zeit, als dem Einflusse einzelner Män- ner zuzuschreiben; doch verdienen hier drei derselben genannt zu werden, deren Wirken u Schriften von dem entschiedensten Einflusse waren. Giordano Bruno, ein Pantheist, der sich zuerst das copernicani- sche System aneignete, zu London, Paris u Wittenberg Naturwissenschaf- ten lehrte u das sonderbare Schicksal hatte, von Calvin verketzert u von der Inquisition in Venedig verbrañt zu werden. – der Kanzler Baco von Verulam, einer der ausgezeichnetsten Geister, deren ein Zeit- alter sich zu rühmen hat, der es fühlte u darthat, daß in allen Zweigen der positiven Wissenschaft, der einzige Weg zur Wahrheit die Beobachtung der Natur sei. – der Italiener Campanella, der durch Beobachtungen und Versuche sich um die Wissenschaft ganz besonders verdient gemacht hat. – [112/0116] Die fünfte Epoche von 1590 bis 1643 ist durch die Entdeckungen neuer physikalischer Instrumente bezeichnet, welche der siñlichen Beobachtung /mit der natürlichen Stärke unserer Sinne/ geschärftere Organe hinzufügte. Wir heben hier insbe- sondere 4 Werkzeuge heraus, welche die Fortschritte der Wissenschaft merk- würdig gefördert haben: das Fernrohr, das Thermometer, das Barometer, u weñ es erlaubt ist, eine der schönsten Entdeckungen ein Organ zu nennen, die Infinitesimalrechnung. – Das Fernrohr wurde 1590 von Jansen zu Middelburg erfunden und bis zum Jahre 1611 waren schon die wichtigsten Entdeckungen damit gemacht. Die Jupiterstrabanten waren aufgefunden, die Fasen der Venus beobachtet und somit ein neuer Beweis für die Richtigkeit des copernikanischen Weltsystems geführt. Das nebliche Ansehn der Milchstrasse hatte vor dem Fernrohre sich in unzählige Sterne aufgelöst, der Ring des Saturns war entdeckt u die Berge des Mondes wurden gemessen. Die Soñenflecke führten auf die Keñtniß der Rota- tion des großen Weltkörpers, so wie die Anwendung des Fernrohrs bei astronomischen Winckelmessungen eine früher stets mangelnde Genauigkeit erreichen ließ. – Das Thermometer 1660 von Drebbel in Alkmar erfunden machte aufmerksam auf die Verschiedenheit der Climate u ihren Einfluß auf die allgemeinen Vegetations- verhältnisse. Doch erst als Reaumur hundert Jahr später das In- strument durch Bestim̃ung der beiden festen Puncte comparabel gemacht hatte, konnte man sich desselben bei climatologischen Unter- suchungen mit Nutzen bedienen. – 1643 erfand der große Fiorelli das Barometer u der geistreiche Philosoph Pascal wandte dasselbe auf die Messung der Berghöhen an. Es ist augenscheinlich, daß das Barometer sehr viel zu einer genauern Keñtniß der Erdoberfläche beigetragen hat, indem insbesondere die Anwendung desselben zu 5.) [113/0117] Höhenmessungen uns mit der Lage vieler Länder u Städte bekañt gemacht hat, was durch trigonometrische Messungen weder so schnell, noch in diesem Umfange zu erreichen gewesen wäre. So zB köñen wir mittelst des Ba- rometers schnell bestim̃en, daß München auf einem weiten Plateau 1200 Fuß über dem Meere gelegen ist, wogegen dieselbe Bestim̃ung durch Nivellement bis zum Meeresufer große Kosten u Zeitaufwand erfor- dern würde. Das einflußreichste Organon ist aber unstreitig die Analysis des Un- endlichen, zu gleicher Zeit entdeckt von Newton u Leibnitz. Die An- wendung derselben auf Physik u Astronomie war von der entschie- densten Wichtigkeit u erscheint als eine der größten Begebenheiten in der Geschichte der physikalischen Wissenschaften, die von nun an, da auch die Beobachtungen sich im̃er mehr häuften, mit Riesenschritten vorwärts ging. Je mehr wir uns aber der neuern Zeit nähern, um so schwerer wird es, ein kleines Bild von dem Vorschreiten in der Einsicht des Naturgan- zen zu entwerfen, indem die Beobachtungen u Erfahrungen immer zahlreicher u wichtiger werden. Weñ wir uns aber streng daran binden, das Gleichartige unter einen Gesichtspunkt zu vereinigen, so werden wir nicht anstehen, mit den Weltreisen Cook’s die sechste Epoche oder den letzten Ruhepunkt zu bezeichnen. Durch diese erste große nautische Expedition, die nicht blos auf Entdeckungen berech- net war, wurde die geographische Kunde des Erdkörpers in großen Massen vollendet. Neuholland wurde zwar nicht zuerst entdeckt, aber doch ein großer Theil desselben umschifft u geographisch be- stim̃t. Die magnetischen Linien wurden nicht nur nach ihrer De- clination, sondern auch nach ihrer Inclination genauer gezogen. Die Temperatur des Meeres, seine Tiefe u abnehmende Wärme wurde untersucht u festgestellt, und der jüngere Forster lieferte 6.) [114/0118] eine geistreiche Beschreibung ebenso der Sitten verschiedener Völker, als des physiognomischen Anblicks verschiedener Pflanzen, u ihm gebührt das Verdienst, alle diese Beobachtungen philosophisch zusam̃engefaßt, u in ein Naturbild zusam̃engestellt zu haben. Was die Landreisen betrifft, so sind dieselben in den neusten Zeiten nicht so ausgedehnt gewesen, als im MittelAlter. Damals gehörte es nicht zu den Seltenheiten, weñ ein Europäer die äusserste Grenze von China erreichte u von dort über Timbucta nach Cordova ge- langte, allein der Nutzen der neuern eingeschränkteren Reisen ist ungleich bedeutender, schon in Rücksicht auf die zur Beobachtung geschärften Organe. – Für Asien will ich nur insbesondere neñen Gmelin, Niebuhr u Pallas; für Europa Saussure, für das Cap der guten Hoffnung Barrow u Lichtenstein, indem durch die neu- ern Expeditionen in das Iñere von Afrika von Hornemann, Burkhard, Denham u Clapperton mehr geographische, als eigent- lich physicalische Zwecke erreicht wurden. Die Gründung der Geognosie als Wissenschaft ist einzig das Er- gebniß von Forschungen der neuesten Zeit. Durch die Verbin- dung der Zoologie u vergleichenden Anatomie mit der Geogno- sie, durch die Entdeckung der geognostischen Reisen, der rela- tiven Folge der Erdschichten, ist man dahin gekom̃en, die Gebirgs- formationen mit Sicherheit zu bestim̃en. Den raumdurchdringenden Instrumenten von Herschel und Frauenhofer danken wir die Erweiterung unserer Ideen vom Weltbau, der täglich durch neue Entdeckungen in unserer Kenntniß an räumlicher Ausdehnung gewinnt. [115/0119] Die physicalischen Erscheinungen häufen sich in dem Maaße, daß es unmög- lich wird, hier auch nur einen allgemeinen Ueberblick zu geben. Doch will ich der einflußreichen Voltaschen Säule erwähnen, einer der größ- ten Entdeckungen des Jahrhunderts, die noch wichtiger wird durch die Anwendung davon, welche Davy u Berzelius auf die Zerlegung der sonst vielfach genañten Stoffe gemacht haben. Ebenso will ich nur er- wähnen, daß Oerstedt die Identität der electrischen u magnetischen Kraft nachgewiesen hat und daß Malus u Arago uns zugleich mit der Polarisation des farbigen u unfarbigen Lichts bekañt gemacht haben, u dadurch in den Stand gesetzt, die physicalische Beschaffenheit der ent- ferntesten Weltkörper zu untersuchen. 14. Vorlesung (13. März 1828) Die Weltansicht als Product der menschlichen Intelligenz hat nicht in allen Perioden gleiche Fortschritte gemacht, indem wir bald eine Tendenz zur speculativen Philosophie, bald zum dichterischen Schaffen vorherrschend sehen. Die Hauptentwicklung gehört unstrei- tig der neusten Zeit an. Bei den Alten fand die Entwicklung der Cultur fast nur um das Mittelmeer Statt, wogegen später die Civilisation sich räumlich weiter ausgebreitet hat. Weñ aber von den Neuern alle Zweige der Wissenschaft mehr gleichzeitig ausgebildet wurden, so kañ man doch darum die Fortschritte nicht gleichmässig nennen, die vielmehr in den meisten Wissen- schaften von jeher mehr stoßweise erfolgten. Einzelne Zweige des Wissens, z. B. die Beobachtungen der magnetischen Erschei- nungen scheinen oft lange gewissermassen zu ruhen, um dañ mit einem Male desto größere u bedeutendere Fortschritte zu machen. – So berechtigte die große Entdeckung der Contacts- electricität im letzten Jahrzehend des vorigen Jahrhunderts zu bedeutenden Hoffnungen, die durch die Fortschritte in dieser Wis- senschaft vollkom̃en erfüllt sind. Im Jahre 1791 entdeckte Aloys [116/0120] Galvani ein Arzt zu Bologna zufällig, daß der abgeschnittene u von der Haut entblößte Schenkel eines Frosches in dem Augenblicke Zuckungen be- kam, wo man zwei Metalle, wovon das eine einen Nerv, das andere einen Muskel berührte, unter sich in Berührung brachte. Volta’s Scharf- siñ erkañte den Grund dieser Erscheinung in einer schwachen, entge- gengesetzten Electricität, welche durch die Berührung zweier Metalle erregt werde. Nicht Zufall, sondern Nachdenken leitete ihn auf die Entdeckung des Mittels, wodurch diese Art der Electricität auf eine bewunderungswürdige Weise verstärkt werden kann und führte ihn auf die Construction der Voltaschen Säule. So kam diese Entdeckung, auf die man früher für die Physiologie große, aber nicht realisir- te Hoffnungen gegründet hatte, der Physik u Chemie zu gute u wurde das Mittel, die Wissenschaften auf eine zuvor nicht geahn- dete Höhe zu fördern. Berzelius, noch vor Davy benutzte die Wirk- samkeit dieser Säule, welche sich so unglaublich steigern läßt, zur Zerlegung verschiedener Stoffe, welche man bisher für einfach gehalten hatte. Auf demselben Wege entdeckte Humphry Davy 1807 das metallische Radical des Kali, dem bald das der übrigen Alkalien u der meisten Erden folgte, in denen man säm̃tlich Metalle erkannte, die sich in einem oxydirten Zustande befin- den, aus dem sie sich regulinisch herstellen lassen. So lernten wir ein Kalium (Potassium), ein Metall von ausgezeichneten Eigenschaf- ten kennen, das leichter als Wasser, bei 55° R. völlig fliessend, un- ter dem Wasser entzündbar ist. Die nähere Bekañtschaft mit die- sen unentdeckten Metalloiden läßt uns für die Folge Aufklärung noch manches unentwickelten Phänomens hoffen; insbesondere schei- nen diese Stoffe, die höchstwahrscheinlich im unoxydirten ungesäu- erten Zustande in großen Massen im Iñern der Erde sich be- [117/0121] finden, mit den vulkanischen Erscheinungen zusam̃enzuhängen, deren Veranlassung man vielleicht in denselben zu suchen hat. Von merkwürdigem Umfang u einflußreicher Wirkung sind insbe- sondere die Entdeckungen, welche seit 15 bis 20 Jahren in der Optik gemacht worden. Einige diese Untersuchungen betreffende Erscheinun- gen waren der Beobachtung früherer Naturforscher gänzlich entgan- gen, wie dieß insbesondere mit der Polarisation des Lichts der Fall war, welche Erweiterung der Wissenschaft wir dem früh verstorbe- nen Malus verdanken. Das Hauptsächlichste dieser Entdeckung besteht darin, daß ein unter gewissen Winkeln reflectirtes Licht der Zurückwerfung von einem zweiten in anderer Richtung sich befindenden Spiegel entgehen kann. Schon längst kannte man an dem chrystallisirten Kalkspath, dem sogenañ- ten Isländischen Doppelspath, die Eigenschaft, jeden Lichtstrahl, der in den- selben eindringt, in Strahlen zu spalten. Der eine Theil des gebroche- nen Strahls befolgt das allgemeine Brechungsgesetz und diesen neñt man den gewöhnlich gebrochenen, oder schlechthin, den gebrochenen Strahl; der andere Theil, der ungewöhnliche Strahl folgt einem ver- wickelteren Gesetz und erscheint aus der Richtung des gewöhnlichen Strahls ein wenig abwärts getrieben. – Diese eigenthümliche Art der Brechung erklärt die Entstehung der doppelten Bilder, welche der Kalkspath in gewissen Richtungen erscheinen läßt. Neuere Beobachtungen haben gelehrt, daß die meisten natürlichen und künstlichen Chrystallisationen mehr oder weniger die Eigenschaft der doppelten Strahlenbrechung enthalten. Arago hat die Verschieden- heit des von glühenden festen oder flüssigen Körpern und des von verbrennenden Gasarten ausgehenden Lichtes untersucht u gefun- den, daß im ersteren Falle das Licht theilweise polarisirt wird, während dagegen die Strahlen des letztern unter denselben Um- [118/0122] ständen kein Zeichen davon geben. – Diese Beobachtung ist wichtig für die Kenntniß des Zustandes der Weltkörper und eine Bereiche- rung der physischen Astronomie, da sie uns erkennen lehrt, ob das ausströmende Licht von einem gasförmigen oder festen Körper kom̃t. Das Sonnenlicht erweist sich, wie das einer Lampe von Was- serstoffgas nicht polarisirt u berechtigt uns zu der Annahme, daß es aus einer gasförmigen Umhüllung des festen, dunkeln Sonnen- körpers seinen Ursprung nehme. So erkennen wir an der Erscheinung der farbigen oder unfar- bigen Polarisation, ob ein leuchtender Körper im Lichtproceß be- griffen ist, oder ob sein Licht ein reflectirtes sei, welches die Complementarfarben gibt. Die colorirte Polarisation des Co- metenlichts lehrt uns, daß diese Körper kein eignes Licht aus- strahlen, sondern wie die Planeten ein reflectirtes Licht ver- breiten. Rochon hat bei seinem Micrometer von der doppelten Brechung der Crystalle eine Anwendung auf die Messung kleiner Winckel gemacht, die für Astronomie u Physik von großem Nutzen ist. Zur Messung des scheinbaren Durchmessers der Him̃elskörper wird das System der beiden Prismen von Bergcrystall oder Doppelspath in ein astronomisches Fernrohr eingesetzt. – Dasselbe Instrument findet eine wichtige Anwendung als Distanzmesser bei militä- rischen Operationen. So auch läßt sich damit auf dem Meere die Entfernung eines Schiffes messen u auf Stundenweite entscheiden, ob es herannaht oder sich entfernt, indem im letztern Falle der Winkel, unter dem das Bild zweier Masten erscheint, stets grö- ßer u größer erscheint. Die letztverflossenen 5 bis 6 Jahre sind für die Wissenschaft merk- [119/0123] würdig geworden durch die wichtigsten Entdeckungen über den Magnetis- mus, dessen Identität mit der Electricität die berühmten Versuche von Oerstedt wahrscheinlich gemacht haben. Wenn ich zuvor die physiologi- schen u chemischen Wirkungen anführte, welche ein stetiger Strom von Electricität in der Voltaschen Säule hervorbringt, indem er durch lebende Körper oder leitende Flüssigkeiten hindurchgeht, welche treñbare Grundstoffe enthalten, so hat Oerstedt an diesem Strom noch ein anderes Vermögen entdeckt. Weñ er nehmlich Metalle, wel- cher Art sie auch sein mögen, durchläuft, so ertheilt er ihnen momen- tan die magnetische Kraft u macht sie fähig, weiches unmagne- tisirtes Eisen anzuziehen. – Weñ man den Voltaschen Kreis durch einen Metalldrath schließt, so entsteht in diesem Drath, der nun die electrische Berührung zwischen beiden Metallen bewirkt, eine electrische Spañung. Der Drath wird dabei magnetisch u verän- dert die Lage einer in seine Nähe gebrachten Magnetnadel. Aber diese Veränderung in der Richtung der Magnetnadel ist oberhalb u unterhalb des Draths verschieden. Die magnetische Polarität ist der Art, daß, weñ sie kräftig genug ist, die Wir- kung des Erdmagnetismus auf die Nadel zu überwinden, diese in eine Stellung versetzt wird, daß sie mit dem Drath rechte Winkel bildet, so daß die nach Nord u Süd gerichtete Nadel unterhalb des Draths nach West, oberhalb desselben nach Ost ab- weicht. – Ampere hat dieser Beobachtung noch hinzugefügt, daß zwei Dräthe einander anziehen, welche galvanische Paare entladen, in denen die Electricität nach derselben Richtung strömt, aber einander abstossen, weñ die Electricität in entgegengesetz- ter Richtung strömt. Der ausladende Drath wird von einem ihm genäherten Magnet auf der einen Seite angezogen, auf der [120/0124] andern abgestossen. Nähnadeln, rechtwinklig gegen den Drath gelegt, werden magnetisch und dieß in höherm Grade, weñ der Drath spi- ralförmig um eine Glasröhre gewunden wird, in welcher eine Nadel sich befindet, wobei die Pole der Nadel eine verschiedene Rich- tung bekom̃en, wenn die Spirale rechts oder links gewunden ist. Man möchte annehmen, daß in Folge dieser Beobachtung ein Schiff, das durch Zufall seiner Magnetnadel beraubt worden ist, im Stande wäre, diesen Verlust zu ersetzen. Kupfer um etwas nasse Pappe oder feuchtes Leder würde einen Apparat bilden, um einen leidlichen Compaß dadurch herzustellen. In Verfolg dieser interessanten Versuche und Beobachtungen machte Arago endlich die große Entdeckung, daß alle Körper transitorisch von magnetischen Kräften sollicitirt werden können. – Der ältesten Annahme gemäß glaubte man, daß der Magnetismus dem Eisen u den Eisenerzen allein ange- höre, später bemerkte man, daß Stahl, /eine Legirung von Eisen mit einer kleinen Menge von Kohle/ länger magne- tisch bleibe, weshalb man sich desselben ausschließlich zum Com- paß bediente. Neuerdings fand man, daß Kobald u Nikel so wie die Meteorsteine, in denen sich Eisen oft mit jenen Metallen vereinigt findet, ebenfalls geeignet sind, die Körper länger magnetisch zu machen. Schon Coulomb hatte durch Versuche mit seiner Drehwaage gefun- den, daß alle Körper auf die Magnetnadel wirken; die Resul- tate, welche er erhielt, waren jedoch keineswegs entscheidend, und Arago wird mit Recht die Entdeckung des transitori- schen Magnetismus zugeschrieben. – Zufällig war ich bei dem [121/0125] Versuche gegenwärtig, welcher zu dieser Entdeckung Veranlassung gab. Ich befand mich mit Arago auf einem Hügel bei Greenwich, um mit ihm Versuche über die Intensität der magnetischen Kräfte zu machen, die vom Pol zum Aequator zunehmend, in der Entfernung von Paris nach London schon bemerkbar wachsen. Arago ließ eine Magnet- nadel, die früher in Paris frei geschwungen, in einem hölzernen Kasten schwingen und zählte. Er bemerkte, daß die Schwingungen stark retardirten und bald aufhörten, wodurch der Gedanke erweckt wurde, daß der hölzerne Kasten atractorisch wirke, was sich vollkom̃en bestätigte. In Verfolg dieser Beobachtung entdeckte er, daß die Nähe eines jeden Körpers einen hem̃en- den Einfluß auf die Nadel äussert, was man so erklären kann, daß dieselbe temporär in jedem Körper einen Pol erweckt, der auf sie hem̃end zurückwirkt, weñ sie in Bewe- gung ist. Ein von Schweigger angegebner sinnreicher Apparat, um die Wirkung eines electrischen Stromes nach Willkühr zu verstärken, hat den passenden Namen eines electro-magne- tischen Multiplicators erhalten. Dieß Instrument gewährt den Vortheil, die Entwicklung der beiden Electricitäten unter einer unendlichen Menge von Umständen sichtbar u meßbar zu machen. Becquerel hat mit Hülfe desselben die Electricitätsentwicklung dargethan, welche bei jeder chemischen Thätigkeit Statt findet. Seine Versuche beweisen, daß zB bei jeder Auflösung Electri- cität frei werde und er war im Stande, durch die Magnet- nadel so kleine Theile Säure zu entdecken, als man durch [122/0126] Reagenzien nie würde haben auffinden können. Diese Wirkun- gen sind gleichsam wie ein kleines magnetisch electrisches Gewit- ter zu betrachten, da hier, ebenso wie im Großen, die verschie- denartige electrische Spañung sich in ein Gleichgewicht zu setzen sucht. Schon vor mehrern Jahren war es dem Professor Morechini in Rom geglückt, durch den violetten Strahl im prismatischen Farben- bilde Stahlnadeln zu magnetisiren, welche Entdeckung bald bestrit- ten, bald bestätigt worden. Neuere ausführliche Untersuchun- gen haben aber dieß Verhalten ausser Zweifel gesetzt, so wie auch Morechini’s Versuche durch eine sehr interessante Wieder- holung derselben durch Mistr. Sommerville in London vollkom- men bestätigt worden. Wie groß u folgenreich auch die Entdeckungen sein mögen, wo- durch in neuern Zeiten alle Zweige der Naturwissenschaf- ten gefördert wurden, so sind doch die Fortschritte in der Keñt- niß des Himmels von allen die bedeutendsten. Diese vor- züglichere Ausbildung des astronomischen Wissens ist wohl hauptsächlich dem glücklichen Umstande zuzuschreiben, daß eine Reihe großer für die Wissenschaft bedeutender Männer in ununterbrochener Folge die Zeitepoche ausfüllt, von der Entdeckung Amerikas bis auf Friedrich II: Nicolaus Coperni- cus 1473–1543, Tycho de Brahe 1546–1601, Keppler 1571– 1630, Galilei 1564–1642, Isaac Newton 1642–1727. – Diese 5 großen Mäñer haben zum Vortheil der Wissenschaft fast alle ein ziemlich hohes Alter erreicht, und man [123/0127] könnte fast sagen, einander abgelöst, da der folgende beim Tode des vorangehenden immer schon geboren war. Wenn Copernicus als der Schöpfer einer richtigern Ansicht des Welt- systems betrachtet werden muß, so hat sich Tycho de Brahe um die beobachtende Astronomie bedeutende Verdienste erworben. Galilei danken wir insbesondere ein treffliches Werk über die Gesetze der Bewegung, die sowohl für Astronomie wie Physik eine gleich wichtige Anwendung finden. Von Keppler, dem bedeutendsten dieser Männer, kann mit Recht gesagt werden, daß er den Grund gelegt habe zu der Höhe, welche die Astronomie als Wissenschaft auszeichnet. Zu Wiel im Würtembergschen gebo- ren, Sohn eines Gastwirths, hatte er sein ganzes Leben hindurch mit Armuth u Dürftigkeit zu kämpfen. Obgleich ausübender Astro- nom zu Prag, Professor zu Graetz u Astronom des Herzogs von Wallenstein, wurde ihm doch während der unruhigen Zeit des 30- jährigen Kriegs keine seiner Besoldungen ausgezahlt, und er starb im Mangel zu Regensburg, wohin er gegangen war, um eine geringe Pension zu erbitten. Seine unsterblichen Verdien- ste fanden erst bei der dankbaren Nachwelt ihre verdiente Verehrung. Die von ihm entdeckten Gesetze des Planetenlaufs, die sogenannten drei Kepplerschen Regeln, gaben Newton die nähere Veranlassung zu seinen Entdeckungen. Es darf nicht übersehen werden, daß unsere Lage auf der Erde eine sehr günstige für die Kenntniß des Weltgebäudes ist, in sofern wir auf einem nicht leuchtenden Weltkörper wohnen. Befänden wir uns innerhalb der Photosphäre der Sonne, so wür- den wir von der Existenz der übrigen Sterne nichts wissen. [124/0128] Demungeachtet ist nicht zu verkennen, daß auch den Planeten mehr oder weniger ein gewisses Selbstleuchten zugeschrieben werden kann, insofern sie einen Theil des Lichts nicht von der Soñe erhalten, sondern dieß von einem Phosphoresciren herzurühren scheint, das vielleicht in der Urwelt größer gewesen sein mag. Zu einer Zeit, als der Druck der Stoffe auf einander anderer Art, vielleicht größer war, als der innere Zustand des Erd- kerns, unabhängig von der Stellung gegen die Sonne, mehr Wärme ausstrahlte, können auch Lichterscheinungen durch tel- lurische Verhältnisse entwickelt worden sein, welche sich vermin- dert haben. Noch jetzt aber erkennen wir, wahrscheinlich als ein Substrat der magnetischen Spañung, ein Leuchten der Erde, das an den Polen ausgestrahlt und mit dem Namen des Nord- lichts bezeichnet wird, so wie es nicht zu bezweifeln steht, daß auf der dunkeln Seite der Venus ebenfalls ein Licht- proceß Statt findet. Schon lange hat man den Einfluß beobachtet, welchen das Nord- licht auf die Magnetnadel ausübt, und neuere Untersu- chungen bestätigen immer mehr den Zusam̃enhang dieses Phänomens mit der magnetischen Polarität der Erde. Das Resultat der genauen Beobachtungen, welche während der Nordpolexpedition des Capt. Parry über diese Naturerscheinung angestellt wurden, ist, daß sich das Nordlicht nicht so hoch über die Oberfläche der Erde hinaufzieht, als man vermuthet hat, und nach den Messungen in Cumberlandhaven nur etwa eine Meile hoch erscheint; auch hat man es oft unter Wolken beobachtet, die sehr niedrig lagen. Man hat viel darüber [125/0129] gestritten, ob das Nordlicht von einem eignen Geräusche begleitet werde. Parry will es auf seiner ersten Reise am ChurchillFlusse gehört haben, Richardson dagegen, welcher den Capt. Franklin auf der Landreise in den nördlichsten Theilen von Amerika beglei- tete und ordentliche Tagebücher über dieß Phänomen geführt hat, will während 200 Nächten, wo er Nordlichte beobachtete, nicht ein einziges Mal irgend ein Geräusch gehört haben. Vielfälti- ge Beobachtungen beweisen, daß die Magnetnadel plötzlichen Ver- änderungen ausgesetzt ist, welche beim Erscheinen des Nordlichts eintreten. – Weñ diese leuchtenden Strahlen in Menge erschei- nen, so ordnet sich die Substanz des Meteors fast im̃er in meh- rere concentrische Kreisbogen, welche sich nach dem magnetischen Pole hinneigen, also von ihm angezogen werden. Bei sehr star- ken Voltaschen Säulen erscheint bei dem Ueberströmen der electri- schen Materie durch 2 Kohlen eine Flamme von 2-4 Zoll Länge, welche das Nordlicht vorstellt. Arago hat durch einen Magnet, wel- cher den magnetischen Pol der Erde repräsentirt, die Flamme abgelenkt u zwar so, daß der Nordpol des Magnets sie anzog, der Südpol sie abstieß. Weñ wir es jetzt dahin gestellt sein lassen, in wiefern die Erde ein eigenthümliches Licht verbreitet, so haben wir auf jeden Fall uns Glück zu wünschen, daß wir einen Körper bewohnen, der wenigstens nicht in hohem Grade selbst leuchtend ist. Olbers hat zuerst die Frage aufgeworfen, weshalb es Nachts nicht so hell sei, wie am Tage? bei der großen Masse von Sternen, bei den Millionen leuchtender Körper, welche dichter oder dünner gewebt einen wahren Sternenteppich über das Himmelsgewölbe decken? [126/0130] Diese Untersuchung hat auf die Annahme einer lichtextinguirenden Materie, eines hem̃enden Princips in den Him̃elsräumen ge- führt, wodurch die Lichtverbreitung mit wachsender Entfernung beschränkt wird. Auf diese Weise ließ sich auch die wunderbare Erscheinung der dunkelschwarzen Stellen, Kohlensäcke, erklären, die in der südlichen Hemisphäre sichtbar werden. Wenn man sich das Him̃elsgewölbe aus vielen Sternenschichten über- einander bestehend vorstellt, so sind diese schwarzen Stellen ein Durchbruch derselben, gleichsam längere Röhren, die in die Schichten hineingehen und uns in die äussersten Grenzen des Weltraums einen Blick werfen lassen, von deren Entfernung wir gar keinen Begriff haben können, da nicht einmal das Licht davon bis zu uns gelangen könnte. Diese Bewandniß mag es mit dem großen Flecken im südlichen Kreuz haben, den wir uns gewissermassen als ein Loch im Firmament denken können; anstatt daß die weniger dunkele, 4–5 Mondbreiten große Stelle im Scorpion wohl auch eine Oeffnung sein kann, aber nicht so tief hineingehend. Wenn dieser lichtverlöschende Aether die Him̃elsräume nicht erfüllte, so würden die Millionen Sonnen am Firmament eine Helle verbreiten, die uns, in einem Lichtmeere schwe- bend, hindern müßte, die Sterne zu sehen. Dieser Mangel würde aber auf die Ausbildung des menschlichen Geschlechts den wesentlichsten Einfluß haben. Der Ideenkreis würde sich in einem eingeschränkteren Raume bewegen, während er jetzt die entferntesten Weiten umfaßt – auch auf die [127/0131] Entwicklung religiöser Gefühle müßte dieser Zustand einwirkend ge- wesen sein, da unstreitig nichts mehr geeignet ist, eine religiöse Betrachtung hervorzurufen, als die Betrachtung des Gesetzmässigen in der Bewegung der Him̃elskörper. – Alle tellurischen Messungen würden sich nur höchst unvollkom̃en u unbequem ausführen lassen, da ein großer Theil sich auf die Vergleichung entsprechender Mes- sungen am Him̃el gründet. Es würden uns noch die Pendelversuche übrigbleiben, um die Gestalt der Erde zu bestim̃en, aber wie un- gewiß, ob man ohne vorhergegangene allgemeine Keñtniß auf diese Versuche gefallen wäre. – Die Schiffahrt würde ihrer sichersten Stütze der Sternbeobachtung beraubt und die höhere Mathematik, insofern sie auf die Berechnung der Bahnen jener entfernten Weltkör- per angewendet wird, würde ganz fehlen. – Wir sehen, daß die Keñtniß der Gestirne nicht allein vom größten Einfluß auf die Gefühle, sondern auch auf die Cultur des Menschengeschlechts ist. – Eine Annäherung an den Zustand, in dem die Existenz der Gestirne uns verborgen bliebe, finden wir temporair auf der Erde, u zwar nicht etwa unter den Polen, sondern in dem schönen Tropencli- ma von Peru, wo ein nebelartiger Dunst, la garña, den Him̃el Monate lang so verhüllt, daß man die Sonne nur als eine rothe Scheibe aufgehen sieht, /wie in dem denkwürdigen Jahre 1783, als ein dichter Heerrauch uns so lange den Anblick des Himmels entzog,/ und die Stelle des Mondes oft gar nicht un- terschieden werden kann. – Eben deshalb, weil die Peruaner oft die Sonne, wie durch ein Blendglas, erblicken, waren sie auch schon im 16t saec. bei der Entdeckung Amerikas mit den Sonnenflecken bekannt, deren Acosta in seiner Reise erwähnt. [128/0132] Bei aller Sorgfalt in der Beobachtung der Lichterscheinungen können wir doch den Täuschungen nicht entgehen. So erscheinen unserm Auge Sonne u Mond nur als Scheiben, alle andern Him̃elskörper als strahlende Puncte, selbst die Planeten werden erst vor dem Fernrohr zu kleinen Flächen, dagegen verlieren die Fixsterne ihre Strahlen und schrumpfen zu kleinen leuchtenden Puncten zusammen. Mit blossen Augen findet man bei Fixsternen u Planeten die Poly- gonalfigur und selbst Venus mit einem Durchmesser von 1 Mi- nute zeigt sie noch sehr deutlich. Von ihr bis zum Monde, der ½° Durchmesser hat, haben wir leider keinen Uebergang. Die interes- sante Frage muß also unentschieden bleiben, wie groß der scheinbare Durchmesser eines Sterns sein müsse, um, als Kreis sich uns darstellend, ihn mit blossen Augen zu sehen. Die nach dem Individuum verschiedene Entfernung des deutlichen Sehens beruht auf der Beschaffenheit unseres Auges, indem der von einem Bilde ausgehende Strahlenkegel vor oder hinter die Netzhaut fällt, also zu früh oder zu spät von derselben durch- schnitten wird, erscheint in beiden Fällen das Bild undeutlich. Hieraus erklärt sich die scheinbare Dilatation der Sterne, welche von der Irradiation herrührt. Dieser Zerstreuungskreis bewirkt, daß beim Anblick des Mondes im ersten Viertel, die dunkle aschfarbene Scheibe kleiner zu sein scheint, als der leuchtende Theil. Die Polygonalfiguren der Sterne, welche einen andern Grund der Täuschung abgeben, scheinen ebenfalls auf der Construction des Auges zu beruhen u abhängig von der Art zu sein, wie dasselbe aufgeschlitzt ist. – So ist die Zahl u Neigung der Strah- len verschieden, welche von verschiednen Menschen an den Sternen [129/0133] bemerkt werden. Einige zählen bei Sternen erster Größe 5–7, andere 8 Strahlen. Daß die Beschaffenheit des Auges darauf ein- wirkt, läßt sich beweisen, indem man nur das Auge zu drehen, dh den Kopf rechts oder links zu neigen braucht, um die Strahlen willkührlich zu supprimiren oder auseinander fahren zu las- sen: wenn man den Kopf in verticaler Richtung senkt, so verschwinden die obern Strahlen u umgekehrt, wenn man ihn hebt, so verschwinden die untern. Das Funkeln der Sterne ist nicht, wie man früher glaubte, eine Folge der Dünste in der Athmosphäre, sondern es beruht auf andern optischen Erscheinungen, für die man in dem neusten System der Optik einen befriedigenden Grund gefunden hat. Schon der englische Astronom Mitchell beobachtete, daß die scheinbare Größe des Sterns sich beim Funkeln vermindere und daß dieß intermittirend bis zu 5 Mal in einer Sekunde vorkomme. Nach neuern Entdeckungen glaubt man, daß dieß Phänomen mit der Interferenz des Lichts zusam̃enhänge, nach der 2 Licht- strahlen, jenachdem sie in entgegengesetzter Richtung aus ver- schiedener Entfernung einander treffen, sich zerstören können und Finsterniß hervorbringen, oder wenn sie in derselben Richtung zusam̃en sich addiren. Schon im 17t saec. hatte Grimal- di in Rom merkwürdige Versuche gemacht über die Beugung und Diffraction des Lichts. Thomas Young in London hat aber diese, so wie verschiedene Farbenerscheinungen durch eine siñ- reiche Hypothese, welche er das Princip der Interferenz neñt, unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt zu bringen gesucht. Nur durch die Theorie der Fibration lassen sich diese Phänomene [130/0134] genügend erklären; für welche die Emanationshypothese nicht ausreicht. Man nim̃t an, daß wenn das Licht in Undulationen besteht, und die Un- dulation des einen Strahls das maximum von Elevation bekom̃t auf dem- selben Punkte, wo der andere das minimum bekom̃t, die eine Welle die Wirkung der andern aufhebt und Dunkelheit entsteht. Wird dañ der eine Strahl um eine halbe Welle retardirt, so fällt ihr maxi- mum von Elevation auf denselben Punkt u sie addiren ihre Wir- kung. Die Wellenbewegung, welche zwei in eine Flüssigkeit geworfene Steine erregen, kann als Gleichniß dienen: An denjenigen Stellen, wo die entstandenen Kreise sich berühren, wird die Bewegung entweder verstärkt oder aufgehoben, jenachdem der Wellenberg oder das Wellenthal /die convexe oder concave Seite/ zusam̃en- stossen. So wie, weñ das Meer von Stürmen aufgewühlt wird, die coincidirenden Wellen ihre Wirkung auf eine so schreckbare Weise verdoppeln, so hemmen u vernichten sich dieselben, wenn der convexe und concave Theil auf einander treibt. Es entsteht Ruhe. Was bei der tropfbaren Flüssigkeit Ruhe ist, wird Fin- sterniß bei dem Lichte. – Da durch die uns umgebende gemengte Atmosphäre die Lichtwel- len an entfernten Gestirnen unser Auge nicht mit vollkommen gleicher Geschwindigkeit erreichen können, so entsteht durch ungleich zusam̃entreffende Undulationen momentane Finsterniß oder er- höhtes Licht; dieß erklärt das Funkeln der Sterne und ebendaher findet diese Erscheinung in geringerm Maasse Statt bei denjeni- gen, welche uns im Zenith stehen, indem nach dieser Richtung sie uns näher stehen und das Aufeinanderstossen nicht aliquoter Lichttheile weniger wahrscheinlich ist. Der größeren Reinheit der [131/0135] Atmosphäre wegen, in der seltner eine Zerstreuung des Lichtes Statt findet, leuchten auch die Sterne unter den Tropen mit einem rei- nern planetarischen Lichte. Nach den Jahreszeiten ist der Anblick des tropischen Him̃els ein sehr verschiedener; weñ die Regenzeit eintre- ten soll, und die wässerigen Dünste, welche zuvor die Atmosphäre aufgelöst enthielt, anfangen, sich zu vereinigen, dañ funkeln die Sterne mit so lebhaftem Glanz, als bei uns. Bei den leuchtenden Scheiben bemerken wir das Funkeln nicht, weil bei diesen ein zerstörter Lichtpunkt sogleich durch einen andern ersetzt wird. Man hat nicht ohne Erfolg das Princip der Interferenz zur Erklä- rung der Nebenfarben des Regenbogens, der Höfe an Soñe u Mond, so wie der Farben fein gestreifter Flächen angewendet. Ueber letztere Erscheinung haben Brewster in Edinburgh u Frauenhofer in München verdienstliche Untersuchungen angestellt; letzterer ins- besondere hat diesen Versuchen die größte Vollkom̃enheit gege- ben. Er fand, daß die schillernden Farben der Perlmutter von äusserst feinen Strichen oder Rissen auf der Oberfläche herrühren; durch dergleichen feine, den blossen Augen unsichtbare, parallele Risse, in gleichem Abstand von einander, in solcher Menge ge- zogen, daß mehrere Tausend auf einen Zoll gehen, hat er me- tallischen Oberflächen eben diese Regenbogenfarben gegeben. In England hat man dieß Farbenspiel fein gestreifter Oberflä- chen zu Zierrathen angewandt. Eine der unzweideutigsten Beobachtungen über die Beugung des Lichts bietet sich den Astronomen dar, weñ der am Him- mel fortrückende Mond einen Fixstern bedeckt, /welches man eine Occultation, für die Bestim̃ung der Länge so äusserst wichtig, [132/0136] nennt,/ oder einen bedeckten verläßt. In beiden Fällen scheint der Stern einige Secunden lang unbeweglich an dem Rande des Mondes zu kleben, weil man ihn durch gebeugtes Licht sehen kann, wenn er selbst ein klein wenig hinter dem Monde steht. Auch für den technischen Gebrauch hat man von diesen neuern Entdeckungen eine Anwendung gemacht, durch die Einrichtung eines Ariometers oder Wollmessers. Ein Lichtstrahl, welcher bei einem feinen Faden Wolle vorbeigeht, erleidet eine Beugung u bildet farbige Franzen oder Ringe, die um so breiter erscheinen, als der Faden zarter oder dünner ist. In einem eignen kleinen microscopähnlichen Apparate wird die Breite dieser Ringe ge- messen, wonach sich die Feinheit der Wolle ergibt. So hat der Scharfsinn der Gelehrten eine schöne Entdeckung für das gemeine Leben anwendbar gemacht und das ähnliche In- strument dient dazu, die Güte der Wolle zu messen u die Natur der Weltkörper zu bestim̃en. 15. Vorlesung (20. März 1828) Man hat lange behauptet, daß man von dunkeln Räumen aus auch bei Tage die Sterne sehen könne. Aus den Kellern der Pariser Sternwarte ließ man durch eine aufwärts führende Oeffnung den Reisenden angeblich die Sterne beobachten, die aber nichts als ein vom Aufwärter als Attrappe angebrachtes Licht waren. Eben so sollen von tiefen Schachten aus die Sterne bei Tage sichtbar sein; wenigstens habe ich sie nie gesehen, in so vielen Schachten ich auch gewesen bin. – Die Führer auf dem Montblanc behaupten, daß we- gen der tiefen dunkeln Bläue des Him̃els in jener Höhe die Sterne bei Tage sich unterscheiden lassen. Kein Beobachter von Gewicht hat aber diese Aussage bestätigt und da auf den ungleich [133/0137] größeren Höhen in Südamerika niemand diese Bemerkung wieder- holt hat, so möchte dieß Vorgeben nicht anzunehmen sein. – Es gibt übrigens Menschen, welche sich durch eine ganz besondere Stärke des Gesichtssinnes auszeichnen. So versichert Prof. Benzenberg einen H von Eschwege in Göttingen gekañt zu haben, der mit blossen Au- gen den Regulus, einen Stern erster Größe, bei Tage sehen und das Fernrohr darauf stellen konnte. Ebenfalls gibt es Menschen, wel- che die Jupiterstrabanten mit blossen Augen entdecken /nicht wie jene Dame in Göttingen, welche vorgab, diese Monde zu erkeñen, bei genauerer Prüfung aber die Stellung derselben nach einem Sterncatalog auswendig gelernt hatte./ Das Zeugniß wahrhafter u gründlicher Beobachter setzt dieß ausser Zweifel, das um so we- niger ausser dem Reich der Möglichkeit liegt, als die Trabanten dem Planeten nicht so nahe stehen, um durch sein Licht verdunkelt zu werden. Der nächste ist um ein Viertel einer Mondbreite entfernt. Ein sonderbares Beispiel von großer Schärfe der Sinne gewährt ein zu Genf lebender Herr Chevalier, dem ein so sicheres Gefühl der Zeitdauer einwohnt, daß er mit der Genauigkeit eines Secundenpendels die Länge eines Zeitabschnitts anzugeben vermag. Ausgezeichnete Naturforscher haben stets übereinstim̃ende Versuche mit diesem jetzt schon bejahrten Manne gemacht. – Man gibt die Zahl der Sterne erster bis sechster Größe, die man mit blossen Augen sehen kañ, gewöhnlich auf 5000 an; dieß ist aber unge- nau: Herschel zählte über 8000. Das Sehen beruht aber nicht blos auf der Größe der Him̃elskörper, sondern ist hauptsächlich abhängig von der Art des Lichteindrucks. So hat Veja nach Herschel ⅓ Sekunde [134/0138] und erscheint uns in einer Größe von 4 Minuten Durchmesser. Ura- nus dagegen, dessen Größe 4 Minuten beträgt, erscheint so klein, daß es wenig Menschen gibt, welche ihn mit blossen Augen gesehen haben. – Merkwürdig ist es, daß die Farben, mit welchen uns die Sterne erscheinen, nicht von jeher dieselben gewesen zu sein schei- nen. Sirius zB wurde von den Römern roth genañt, jetzt ist er weiß, es scheint also, als ob der Verbrennungsprozeß auf ihm seit jener Zeit stärker geworden sei. – Die 4 ausgezeichneten Sterne, welche in den Zendschriften der Perser die stellae regiae heissen, werden von ihnen in rothe u weisse geschieden: Antares u Alde- baran, welche, wiewohl sehr ungenau, die beiden Aequinoctial- punkte bezeichnen, heissen roth; dagegen Fomalhaut u Regulus, wel- che die Solstitialpunkte anzeigen, weiß; diese haben die bezeichnete Farbe erhalten. Bei ungefährer Aufzählung der Anzahl der sichtbaren Sterne ist zu unterscheiden, wieviel überhaupt bekañt u welche bestim̃t sind. Die Menge der nicht bestim̃ten telescopischen Sterne ist unglaublich. So sah Herschel am 22t Aug. 1792, als er die Milchstraße beobachte- te, in 40 Minuten 258000 Sterne durch sein Telescop laufen und diese Zahl ist keineswegs blosse Schätzung. – Bestim̃t nach dem Har- dingschen Sterncatalog nebst denen, welche Bessel beobachtet hat, kañ man 120000 annehmen. Die Vertheilung der Sterne auf den beiden Hemisphären scheint der Anzahl nach ungefähr dieselbe. Die Schönheit des südlichen Him̃els beruht hauptsächlich in der Gruppirung, indem die Sterne minder gleichmässig vertheilt sind, u die Sternbilder im Contrast von sternreichen und sternarmen Räumen ausgezeichneter erschei- [135/0139] nen. Sehr schöne Gruppen bilden das Schiff, der Schütze, die Krone, das südliche Kreuz, der herrliche Stern Canopus, die Magellanischen Wol- ken u. s. w. der Nebelfleck des Schiffes Argo ist ein so gedrängter Sternhaufen, daß er hinter vorüberziehenden Wolken hervortre- tend einen Eindruck von Helle erregt, als ob der Mond aufgegan- gen wäre. Zu den Sternen des südlichen Him̃els rechne ich alle diejenigen, welche man unter 37½° N. B., also zu Rhodus, Madeira u Südspanien zu sehen bekom̃t. Erst seit 2 Jahrhunderten hat man sich gründlicher mit dem südlichen Him̃el beschäftigt; die Alten kannten ihn nur bis zum Krebs, den man in Syene sehen kañ. Die Vorrückung der Nachtglei- chen verursacht es, daß die schönen südlichen Sterne uns gleichsam fliehen; zur Zeit der Römer erblickte man das südliche Kreuz zu Alexandrien u der Canopus war in Spanien sichtbar. Damals hieß erstere Constellation der Thron der Cäsarn, die später auf die Phantasie der christlichen Völker, das ehrwürdige Symbol ihres Glaubens darstellend, einen so viel tiefern Eindruck machte. Ich habe schon früher erwähnt, daß Dante dieß schöne Sternbild, das auch jetzt noch am rothen Meer, nördlicher als die Enge von Bab el Mandeb sichtbar ist, gekañt u besungen hat; in der Uebersetzung von Streck- fuss heißt die vielbesprochene Stelle im Fegefeuer also: Zur Rechten kehrt ich mich, den Geist gewandt Zum andern Pol, u sah vier Stern‘ im Schim̃er, Die niemand, als das erste Paar erkannt, Den Him̃el letzt ihr funkelndes Geflim̃er! O du verwaistes Land, du öder Nord, Du siehst den Glanz der schönen Lichter nimmer! [136/0140] Schon der Pater Corsali hat diese Stelle auf das südliche Kreuz gedeu- tet. Dante befindet sich nehmlich auf einem Berge der Antipoden der Stadt Jerusalem. Da die beiden großen Sterne, welche die Spitze u den Fuß des Kreuzes bezeichnen, ungefähr dieselbe Rectascension haben, so muß das Stern- bild in dem Augenblicke, wo es durch den Meridian geht, beinahe senkrecht stehen. Diesen Umstand kennen alle Völker jenseit des Wende- kreises oder in der südlichen Hemisphäre. Man hat berechnet, um welche Zeit in der Nacht in verschiednen Jahreszeiten das Kreuz im Süden grade oder gebeugt ist; es ist dieß eine Uhr, welche ziemlich regelmässig nahe um 4 Minuten täglich vorrückt, u kein anderes Sternbild bietet eine so leicht anzustellende Beobachtung der Zeit dar. „Mitternacht ist vorbei, das Kreuz neigt sich‟ hörten wir oft unsere Führer sagen in den Savannen von Venezuela und oft haben mir diese Worte die rührende Scene zurückgerufen, die Bernardin de St. Pierre schildert, als beim Anblick des Kreuzes der Greis Paul und Virginie eriñert, daß es Zeit sei, zu scheiden. Man hat ein eignes wunderbares unbekañtes Gefühl, weñ man bei der Annäherung gegen den Aequator allmählich die Sterne verschwinden sieht, welche uns in der Heimath leuchten. In der Einsamkeit des Meeres grüßt man einen Stern, wie einen Freund, von dem man lange getreñt war, und freudig erblicken selbst unsere Matrosen den Polarstern, weñ sie aus der andern Hemisphäre heimkehrend, die bekannten Sterne ihrer Kindheit wieder sehen. [137/0141] Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung des Mondlichts und einer allgemeinen Uebersicht der Topographie des Erdtrabanten. Die Entfernung des Mondes von der Erde beträgt 51000 Meilen; ein englisches Packetboot brauchte nur sechs mal die Fahrt von London nach Canton hin u her zurückzulegen, um dieselbe Distanz durch- messen zu haben. Mond. Der Durchmesser der Mondscheibe beträgt 466 Meilen, mithin erreicht der uns zugewendete Theil noch nicht die Größe des russischen Reiches. Es ist eine sonderbare Meinung, daß der Mond nicht von jeher geschienen haben soll. In Griechenland ging man soweit die, Ar- cadier Antiseleniten zu nennen, weil sie älter seien als der Mond, der erst in einer Schlacht erschienen sei, die Hercules gegen die Giganten gekämpft. Wahrscheinlich ist dieß eine An- spielung auf die Einführung des Monddienstes, vielleicht des Mondjahres. Man hat häufig die Frage aufgeworfen, ob die Strahlen des Mondes Wärme erregten? In neuern Zeiten, wo die Instru- mente so sehr vervollkom̃et sind, hat man erneuerte Versuche darüber angestellt. Mit Arago habe ich auf der Pariser Stern- warte die in einem großen Hohlspiegel aufgefangenen Strah- len auf ein eigends eingerichtetes sehr empfindliches Thermo- meter fallen lassen, wir haben aber durchaus keine Tempe- raturerhöhung bemerkt, u Damiels, der vor einigen Monaten eine schöne Meteorologie herausgegeben hat, hat dasselbe Resultat als Ergebniß seiner genauen Beobachtungen gefunden. [138/0142] Der Anblick des Mondes bietet uns mehrere Flecken dar, die man längere Zeit für Seeen gehalten hat, welche Meinung aber aufgege- ben worden, da man mit Zuverlässigkeit annehmen kann, daß kein Wasser, überhaupt keine Flüssigkeit sich auf dem Monde befindet. Man ist im Stande, Flächenräume, halb so groß, wie Berlin vollkom̃en deutlich zu erkennen u nirgend hat man eine Stelle im niveau der andern gefunden. Kunowsky, welcher mit einem trefflichen Frauenhoferschen Fernrohre schöne Beobachtungen gemacht hat und eine Zeichnung vom mare crisium entworfen, findet an jener Stelle, wo man eine Fläche vermuthete, alles voll kleiner Krater u von Rinnen durchschnitten. Die Atmosphäre des Mondes nähert sich dem, was wir unter unse- ren Luftpumpen ein Vacuum nennen und ist über 1000 mal ge- ringer als die unsrige, wie sich dieß aus der Strahlenbrechung sehr genau berechnen läßt. Das ☿ im Barometer, das bei uns am Meeresufer 28″ steht, würde sich dort kaum auf der Höhe von eini- gen Linien erhalten können. – Wir müssen demnach dem Monde die Atmosphäre absprechen u wenn wir annehmen, daß Wasser u dichte Luft auf demselben fehlen, so können wir uns freilich sehr schwer einen Begriff davon machen, wie Geschöpfe darauf zu existiren im Stande wären, da nach unsern Begriffen alle Ent- wicklung des Organischen an das Flüssige geheftet sind. Genau genommen sollten wir diejenige Seite des Mondes sehen, welche er uns zukehrt, wir sehen aber etwas mehr, wegen der Schwankungen der Mondaxe. Diese Vibration beträgt 6–8° in der Breite u Höhe. Man glaubte, daß diese Schwankungen so groß werden [139/0143] könnten, daß mit der Zeit auch die andere Hälfte des Mondes sicht- bar würde. La Place hat diesen Gegenstand einer tiefsiñigen Rech- nung unterworfen, allein es ergiebt sich leider, daß diese Hoffnung auch für unsere spätesten Enkel nicht vorhanden ist. Die Topographie des Mondes hat das auffallende, daß, so wie auf der Erde ein Unterschied zwischen den beiden Hemisphären Statt findet, man auch auf dem Monde die nördliche eine Continental-, die südliche eine oceanische Hemisphäre nennen könnte, obgleich man keine Flüssigkeit darauf entdeckt. Nur auf der nördlichen nehmlich findet man Kettengebirge, die Acherupische Kette, die Alpen u die Apeninen, unter denen letztere, Kuppen ähnlich, das höchste sind, mit nur zwei Kratern, gerade als wenn nur an diesen Stellen das Gebirge von den elastischen Dämpfen hätte durchbrochen wer- den können. Sie scheinen unsern Alpengebirgen nicht unähnlich u liegen zwischen dem mare hybricum u mare serenitatis. Daneben sieht man eine tiefe Spalte. – Die südliche Hälfte zeigt nichts, als Centralgebirge oder Umwallungen und scheint ganz von Kratern durchwühlt. Bei schwachen Vergrößerungen bemerkt man eine auffallende Erscheinung auf dem Monde, für welche wir noch keine genü- gende Erklärung haben. Vom Berge Tycho anfangend sieht man eine Menge von weissen Streifen, die wie Lichtfäden über Berg u Thal gehen, ohne relief u ohne Schatten zu werfen, als weñ große Strecken Länder mit Banden von weissen Blüthen bedeckt wären. Bei stärkeren u stärksten Vergrößerungen nim̃t das Phänomen an Deutlichkeit ab. [140/0144] Die Berge des Mondes verhalten sich zu seinem Durchmesser, wie 1: 214, während die höchste Spitze des Himalaya nur 1/700 des Erdhalbmessers aus- macht. Die beiden höchsten Punkte des Mondes Leibnitz u Dörfel erheben sich auf 24900′, eine Höhe, die als der Chimborasso noch nicht entthront war, von diesem nicht erreicht, von dem weissen Berge des indischen Gebir- ges, dem Dhawalagiri, 26000′ hoch, übertroffen wird. Die absolute Höhe ist bei solchen Nebeneinanderstellungen aber nicht entscheidend und das verschiedene Verhältniß der Durchmesser erschwert die Verglei- chung der Erd- u Mond-Berge. Die Masse der einzelnen Mondberge ist so groß, daß, ganzen Ländern vergleichbar, sie Plateaux genannt werden müssen. So hat der Hipp- arch einen Durchmesser von 20 Meilen, ist also ungefähr so groß als Böhmen. Die Mehrzahl der Berge auf dem Monde haben ein vul- kanisches Ansehen u die Krater scheinen den unsrigen sehr ähnlich. Oft findet man auf den Berg einen Aschenkegel aufgesetzt, wie beim Vesuv, oft ist er auch an der Seite des Berges, wie bei eini- gen Vulkanen in Südamerika. Seit dem Jahre 1783 hat man von Ausbrüchen der Mondvulkane gesprochen, welche an u für sich wohl möglich wären, obgleich wir dem Monde seine Atmosphäre abgesprochen haben: denn es ist nicht zu leugnen, daß es Feuererscheinungen ohne Luft gibt. Her- schel, der in den Jahren 1788 bis 1790 mit dem Grafen Brühl in London fleissige Mondbeobachtungen angestellt hat, glaubte diese Ausbrüche gesehen zu haben. Auffallend ist es, daß das Phänomen immer auf demselben Puncte Statt findet, im Ari- starch, den schon der alte berühmte Danziger Bürgermeister Hevelius seines röthlichen Ansehens wegen mons porphyrites genañt. [141/0145] Man muß entweder annehmen, daß die Erscheinung von einem Auflo- dern herrührt, wie beim Aetna, oder daß ein spiegelnder Fels, etwa wie die roche poli am großen Bernhard in eine solche Lage kommen, um das von unsrer Erde reflectirte Licht der Sonne zurückzuwerfen. Die letztere Annahme ist wohl die wahrscheinlichere. – Allgemein wird die Entdeckung, daß das beim ersten u letzten Viertel be- merkbare aschfarbne Licht auf dem dunkeln Theile des Mondes von der Zurückstrahlung der Erde herrühre, Keppler’s Lehrer Möstlin zuge- schrieben, da doch der große Maler Leonardo da Vinci die erste rich- tige Erklärung davon gegeben hat. – Weñ der Mond von der Erde Licht bekom̃t, so ist es nicht gleichgültig, in welcher Lage sich dieselbe befindet u ob sie ihm eine Erstreckung von Land oder Meer zu- wendet. Von den welligen Theilen der Südsee muß natürlich das Licht schwächer reflectirt werden, als von den verbreiteten Flächen des Innern von Afrika oder Hochasien. Bouguer glaubt sogar, daß das zuweilen etwas grünlich erscheinende aschfarbne Licht von den Wäldern am Orinoco oder von den vegetations- reichen Ufern des Amazonenflusses reflectirt wurde. Zum Theil von ihrer Phantasie verleitet, sind die Astronomen zu den wunderlichsten Annahmen gekom̃en, über die Gegenstän- de, welche uns im Monde sichtbar sind. So wollte Schröter die Fruchtbarkeit bebauter Felder wahrgenom̃en und im Marius eine Selenitenwohnung von 80 Fuß Höhe gesehen haben. Neuerlich sind diese Träume von einem sonst sehr achtbaren Naturforscher im südlichen Teutschland /Gruithuisen mit seinen Meneen/ noch weiter ausgeführt worden: man wollte Chausseen bemerken, auf denen Caravanen von Mondbewohnern sich grüssend be- gegneten; man glaubte 3–4 Meilen große 6seitige Sternen- tempel zu erblicken für den Cultus einer Art von Sabeismus; [142/0146] man meinte Palmenwälder und baumartige Farrenkräuter zu unter- scheiden, ja es wurde die Frage aufgeworfen, ob wohl das Clima des Mondes den Anbau von Brunnenkresse gestatte. Diese Phantasieverirrungen führen sehr natürlich auf die Unter- suchung, wie groß deñ aber ein Gegenstand sein müsse, um ihn auf dem Mond unterscheiden zu können; diese Frage läßt sich mit so großer mathematischer Gewißheit beantworten, als irgend eine. Messen kann man im Monde nicht mehr als eine halbe Secunde Angulardistanz d. h. 1800′, man kañ aber noch manches unter- scheiden, ohne zu messen; doch sind 800 bis 1000′ wohl die Grenze des Unterscheidbaren bei telescopischem Sehen. Bei Perpendicularhöhen kann man jedoch 4 bis 500′ mit Sicherheit bestimmen. Es gibt drei Mittel zu diesen Messungen: 1, indem man die Grenze eines erleuchteten u eines dunkeln Theiles vergleicht; die einzelnen leuchtenden Puncte im Dunkeln sind die Berge, deren Spitze noch von der Sonne beschienen werden; je höher sie sind, je län- ger bleiben sie sichtbar, da aber die Schattengrenze nie ganz scharf ist, so ist auf diese Weise keine Genauigkeit möglich. 2, oder man mißt die Erhöhung der Berge durch Projectionen auf dem Mondrande selbst, bei Sonnenfinsternissen. 3, und dieß ist die beste Art: durch die Bestim̃ung der Länge des Mondschat- tens. Auf diese Weise erhält man eine solche Genauigkeit, daß man Höhen von 3 bis 400′ /ungefähr wie die Müggelsberge/ mit Sicherheit zu messen vermag, und man kañ annehmen, daß wir die Berghöhen des Mondes besser kennen, als selbst die auf der Erde. Ja, wenn wir voraussetzen dürfen, daß man auf dem Monde dieselben Fernröhre habe, als hier, so [143/0147] muß man von dort aus sich über die Erde vollständiger zu unterrichten im Stande sein, u manche Frage, welche wir hier vergeblich zu lösen su- chen zB über die nordwestliche Durchfahrt durch die Baffinsbay nach der Behringsstrasse würde vom Monde aus sich aufklären lassen. 16. Vorlesung (27. März 1828) Nachdem wir uns im allgemeinen mit der Topographie des Mondes beschäftigt haben, der von einigen amerikanischen Völkern recht bezeich- nend die nächtliche Sonne oder eine Schlafsonne genañt wird, will ich noch einmal auf die vulkanischen Erscheinungen zurückkommen, die seine Oberfläche durchwühlen, insofern man dieß Phänomen mit den Mete- orsteinen oder Aerolithen in Verbindung zu bringen gesucht hat. Die Existenz solcher vom Himmel herabfallenden Massen ist von den Na- turforschern lange in Zweifel gezogen worden, obgleich bei den Alten die unzweideutigsten Zeugnisse diese für eine Fabel gehaltenen Stein- regen ausser Zweifel setzen. Trotz der übereinstimmenden Nachrich- ten über diese Naturerscheinung bei den Griechen und Römern, die selbst bei chinesischen Schriftstellern Bestätigung finden und obgleich viele thibetanische, mongolische und tartarische Fürsten im Besitz von Schwertern und Dolchen sind, die man aus diesem Meteoreisen verfertigt, so läugnete man doch in neuern Zeiten beharrlich die Wahrheit dieses Meteorfallens. Ein wunderbares Beispiel physicalischen Unglaubens! Bis der verdienstvolle Chladny, derselbe, dem es gelang, die Töne sichtbar darzustellen, zuerst die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf die wirkliche Existenz dieser aus den Welträumen herabkom- menden Massen leitete, welche seitdem unzählige Erfahrungen be- stätigt haben. Eines der merkwürdigsten Beispiele bietet der zu Aix im Depart. de l’Orne 1803 herabgekom̃ene Steinregen, dessen Wirkungen von den berühmtesten französischen Natur- forschern untersucht worden sind. Bei heiterm Him̃el zeigte [144/0148] sich am 26t April ein Gewölk, aus dem unter anhaltendem Donnern und einem Gekrach, wie beim Abfeuern des Geschützes ein fürchterlicher Stein- regen herabstürzte, der bis auf 12 franz. Meilen im Halbmesser die Spuren seiner Wirkung verbreitete. Von den gefallenen Steinen fand man 2000, der kleinste wog 2 Quentchen, der größte 17 ℔. Bei der versuchten Erklärung dieses Phänomens haben einige die Behauptung aufgestellt, daß die herabgeschleuderten Massen Producte der Mond- vulkane wären vielleicht in Verbindung mit jenen erwähnten Eruptionen im Aristarch. La Place u Olbers haben die Frage auf- geworfen, welche Wurfkraft erforderlich sein würde, um einen dergleichen Auswurf bis in die Attractionssphäre unserer Erde zu bringen. Mathematische Rechnungen ergeben, daß eine schwere Masse, die aus dem Monde mit einer anfänglichen Geschwindig- keit von 7500′ in 1 Secunde, ungefähr die vierfache Geschwindigkeit einer Kanonenkugel, geschleudert würde, nach 2½ Tagen auf un- serer Erde anlangen könnte; die auf dem Monde seiner Kleinheit wegen geringere Schwerkraft und die mangelnde Atmosphäre würden die Möglichkeit dieses Hinwegschleuderns allerdings ver- mehren. Uebrigens ist diese Meinung nicht neu, u schon Paulo Maria Torza- go in Tortosa hat die Vermuthung geäussert, daß die Steinregen aus dem Monde herabkom̃en möchten. – Weñ aber auch die Mög- lichkeit, das Phänomen auf diese Weise zu erklären, nicht geleug- net werden kann, so sind doch andere Gründe vorhanden, welche die- se Annahme nicht wahrscheinlich machen. Der Haupteinwurf beruht auf der Geschwindigkeit, mit welcher die Meteormassen bei uns ankom̃en, u welche sie in ihrer Bewegung den planetarischen Kör- pern so ähnlich macht. Man hat die reissende Geschwindigkeit ge- [145/0149] messen, mit der Feuerkugeln über einen großen Theil von Europa, vom westlichen Irland bis nach Ungarn, hinwegzogen, u gefunden, daß sie 14 Meilen in 1 Secunde zurücklegten, mithin die Bewegung der Erde in ihrer Bahn noch übertrafen. Ich habe schon früher erwähnt, in wiefern der cosmische Ursprung die- ser Meteore überhaupt wahrscheinlicher ist. – Was die Bestandtheile die- ser Massen betrifft, so sind sie in der Regel aus Eisen, Nikel und Kobald zusam̃engesetzt, doch fehlt zuweilen der Nikel. Ein in Frankreich zu Juvevas herabgekom̃ener von G. Rose untersuchter Meteorstein enthält keinen dieser Bestandtheile und scheint vielmehr einer Gebirgsmasse ähnlich; man könnte ihn für ein Stückchen Syenit aus dem Plauenschen Grunde halten. – Derselbe verdienstvolle Mineralog hat die von Pallas 1772 am Jenisey aufgefundene Eisenmasse, 1600 ℔ schwer, ebenfalls untersucht, und darin cristallisirtes Mag- neteisen, und selbst eingesprengten Olivin, wie im Basalt, gefun- den. – Es möge mir hier gestattet sein, noch einiges über die merkwür- dige Erscheinung der Sonnenflecke zu erwähnen. Sonne Um einen ungefähren Begriff von der Größe u Masse des Sonnen- körpers zu gewinnen, genügt die Betrachtung, daß der Uranus 400 Millio- nen Meilen entfernt sich innerhalb der Attractionssphäre befindet, und daß der Comet von 1811, keineswegs ein besonders excentri- scher, 22 mal weiter, als der Uranus kreisend, ebenfalls noch dem- selben Sonnensystem angehört. Nach den genauen Untersuchungen von de Lambre braucht das Sonnenlicht 8 Minuten 13 Secunden, um die Entfernung von 20,871,000 Meilen bis zu unserer Erde zurückzulegen; bis zum Uranus sind ⅔ Stunde erforderlich, bis zum Cometen von 1811 2¼ Tag; von einer Sonne bis zur nächsten, dem Sirius aber 3 Jahre. [146/0150] Weñ man sich alle Planeten in eine Kugel geballt denkt, so hat die Sonne doch 560 mal mehr Masse und 824 mal mehr Volumen. Ihr Durchmesser be- trägt 109¾ Durchmesser der Erde. Da die mittlere Entfernung des Mon- des von der Erde 51000 Meilen ist, so könnte er seinen Umlauf beinahe zweimal innerhalb des Sonnenkörpers vollenden. Obgleich dergleichen numerische Spielereien eben nicht nach meinem Geschmacke sind, so dienen sie doch oft dazu, eine Sache zu versinn- lichen. Ich will daher noch anführen, daß eine Kanonenkugel, welche mit einer Wurfkraft von 1500′ in einer Sekunde abge- schossen wird, von Berlin bis Wien 9 Minuten brauchen würde, von der Erde bis zum Monde 9 Tage, und bis zur Sonne etwas ü- ber 9 Jahre. Wir wissen durch Fernröhre weniger von der Sonne, als vom Mon- de, nicht wegen der größern Entfernung, sondern wegen der leuch- tenden Atmosphäre, welche die Sonne umgibt. Die merkwürdigste Erscheinung auf der Sonne sind die Sonnenfle- cken; man bemerkt sie zuerst an dem östlichen Rande, sieht, wie sie von Osten nach Westen sich bewegen und nach 13 Tagen ver- schwinden: Daraus hat man die Rotation der Sonne auf 25,12 Tage berechnet. Es ist möglich, diese Flecken mit blossen Augen zu sehen. Die äl- teste Erwähnung derselben findet sich in chinesischen Annalen 321 vor Chr. G. Arabische Schriftsteller bemerken, daß 626 nach dem Tode Mahomeds die halbe Soñenscheibe verfinstert worden; sie nennen diese Erscheinung aber nicht Sonnenflecke, sondern haben die schwarze Mercurscheibe vor der Sonne zu sehen geglaubt; dieß wäre aber gar nicht möglich wegen der Kleinheit des Mercurs, den man überdieß mit blossen Augen nicht zu sehen ver- [147/0151] mag. Abul Faradsch, Averroes u selbst Keppler haben diese irrige Mei- nung getheilt. – Obgleich nun seit Jahrtausenden die Existenz der Sonnenflecken gekañt scheint, so sind doch erst im 17t saec. genaue Beobachtungen darüber angestellt worden. Dem Jesuiten Schei- ler in Ingolstadt wird insgemein die Entdeckung derselben zuge- schrieben. Galilei beobachtete sie gleichzeitig u machte in den Gär- ten des Quirinal den Cardinal Bambini darauf aufmerksam. Als der Pater Scheiler mit dieser Entdeckung auftrat, glaubte Galilei, daß seine Entdeckung ihm von den Jesuiten verrathen sei. Dem Pater Scheiler kam aber seine Scharfsicht keineswegs zu Gute: Sein Prior Th. Bussaeus befahl ihm nehmlich, dergleichen alberne Meinungen künftig zurückzuhalten. Die Flecken wären nicht in der Sonne, sondern in seinen Augen; weñ sie in der Sonne wären, so müßte Aristoteles sie auch gesehen haben. – Der Sohn eines ostfriesischen Predigers Joh. Fabricius hatte sich 1610 ein neuerfundenes Fernglas angeschafft, u entdeckte die Soñen- flecken, indem er mit demselben u zwar ohne Blendglas sei- ne Augen gewaltig zerquälte. Nach den Untersuchungen des H v. Zach war der Engländer Harriot der erste, welcher sie als wirkliche Flecken erkannte, am 8t Dec. 1610.- Die Flecken sind durchgängig kohlschwarz mit aschfarbnem scharf begrenzten Rande. Sie entfernen sich nicht über 30 bis 40° nördlich und südlich vom Sonnenaequator und sind gegen die Pole zu niemals sichtbar. Zuerst zeigt sich gewöhnlich eine leuch- tende Erscheinung, die Sonnenfackeln, als wenn eine Explosion [148/0152] elastischer Flüssigkeiten die Photosphäre theilte; einige Zeit darauf erscheint der schwarze Fleck mit einer penumbra, welche vollkom- men scharf begrenzt ist. Lambert, Herschel, Bode u Fischer in Hal- berstadt, der Bruder unsers verdienten Physikers haben sich mit der Beobachtung dieser Flecken vielfach beschäftigt, u ihre Erklä- rung auf mannigfaltige Weise versucht. Die genügendste scheint, indem wir zu der Hypothese unsre Zuflucht nehmen, daß der Sonnenkörper von 2 Wolkenschichten umgeben sei, von denen die nächste an der Sonne aschfarben, die entferntere aber hell angenom̃en werden muß. Denken wir nun, daß wahrschein- lich auf der Sonne sich Gasarten oder ähnliche Fluida entwickeln, welche beim Aufströmen die beiden Wolkenschichten treñen, und den dunkeln Sonnenkörper sichtbar machen, so wird die Erscheinung der Flecken in der Projection, in welcher wir sie erblicken, vollkommen erklärt. Die jetzt allgemein angenommene Meinung, daß die Soñe nicht selbst leuchtend, sondern ein dunkler Körper sei, wurde lange lächerlich gemacht u ebenso bestritten, wie die Existenz der Aerolithen, obgleich diese in vielen Tempeln, selbst in der Kabba aufbewahrt wurden. Noch vor 40 Jahren rettete die Meinung, daß die Sonne schwarz sei, einem Menschen das Leben. Ein gewisser Smitmann hat in seiner Dissertation zu beweisen gesucht, daß die Sonne nicht selbst leuchtend sei, und [149/0153] wurde später wegen einer Fälschung zum Tode verurtheilt. Sein Vertheidiger führte diese Dissertation als augenscheinlichen Beweis an, daß er schon seit seiner frühen Jugend den Verstand verloren habe. – Indem ich nun das Naturgemälde beendige, das ich aufzustellen bemüht gewesen, bleibt es mir nur übrig zu danken für die Theil- nahme, welche mein Bestreben, das Bild eines Naturganzen zu ent- werfen, gefunden hat. Doch will ich diese Versammlung nicht ermü- den mit der Schilderung eines Gefühls, das zu seiner Dauer keiner Erneuerung bedarf u jetzt nur noch hinzufügen, welche Ursachen in der neusten Zeit dem Studium der Natur so fördernd gewesen sind, u wodurch die Liebe zur Betrachtung der Natur so lebhaft erregt worden ist. Eine mehr ästethische Behandlung der Naturwissenschaften überhaupt mag dazu beigetragen haben, der Anblick der schönen Pflanzenfor- men in den botanischen Gärten, die in so manchen ausgezeich- neten Exemplaren ein Bild der Tropenwelt geben und in neue- rer Zeit endlich die Art der Landschaftmalerei, die Pflanzenphy- siognomik darstellend, die uns die Ansicht fremdartiger Natur- scenen versinnlicht. Weñ ich angeben soll, was in mir zuerst die Sehnsucht nach er- weiterter Weltansicht erweckt, u mich zur Unternehmung gro- ßer Reisen wegggetrieben hat, so waren es G. Forsters Schilderungen der Südseeinseln, der Anblick des großen Drachenbaums im hiesi- gen botanischen Garten u Hodges vortreffliche Zeichnungen, welche ich bei meiner frühesten Reise nach England zu sehen Gelegenheit hatte. [150/0154] Wenn wir bei den Alten wahrnehmen, daß sie weniger den Ein- fluß beachtet haben, den der Anblick der unbelebten Natur auf den Menschen ausübt, so kommt dieß wohl daher, daß der Mensch und das Studium seiner Kräfte u Leidenschaften ihnen das Höchste und Einzige schien; nicht, daß bei ihnen Beispiele fehlten, wie einzelne besonders von der Natur angeregt worden sind. So hat uns Pli- nius eine schöne Beschreibung seiner beiden Villen Laurentinum u Tuscum hinterlassen. Nie aber wurde bei den Griechen u Römern die Naturbeschreibung ein eigner Zweig der Littera- tur, sondern die Landschaft diente gewissermassen nur als Hin- tergrund, um den historischen Figuren mehr Licht u Haltung zu geben. Dagegen scheint die Naturbetrachtung den indoger- manischen Stämmen eigenthümlich zu sein u man braucht nicht anzunehmen, daß das rauhe Clima u die Entbehrung einer schönen Natur den Genuß derselben bei den germa- nischen Völkern geschärft habe, da sich bei den südlichen Indern u Persern eine ähnliche Richtung findet. In neuerer Zeit finden wir die erste ästethische Behandlung der Naturscenen beim Cardinal Bembo, der in einer eig- nen kleinen Blumenschrift sein Aufsteigen auf den Aetna schildert und auf eine reizende Weise die Veränderung der Vegetationsverhältnisse malt. Später bei genauerer Erforschung aller Erdtheile und bei mehr verbreiteten allgemeinen Naturkenntnissen treten [151/0155] mehrere Männer auf, denen wir ebenso gründliche als geschmack- volle Naturbeschreibungen danken. Zuerst nennen wir Buffon, der obgleich großartig in seinen Ansichten doch mehr pomphaft malt, als individuel und dessen Schilderungen eine gewisse Kälte haben, weil ihm die eigne Ansicht der exotischen Natur abgeht. – An Wahrheit u Anmuth übertrifft ihn der jüngere Forster, welcher Cook auf seiner zweiten Reise begleitet hat; er entwarf ein sehr geschmackvolles Naturbild, in dieser Art das erste, und schil- dert nicht nur lebhaft den Anblick der Tropenwelt, sondern berück- sichtigt auch die verschiedenen Sitten und Racen der Völker. Später als G. Forster liefert Bernhardin de St. Pierre gelunge- ne Naturschilderungen, die gewissermassen dramatisch sind, inso- fern historische Figuren sich vom landschaftlichen Hintergrunde sondern. Paul et Virginie sowohl, wie die Etudes de la nature enthalten schöne Bilder, die jedoch mit Vorsicht zu betrachten sind, da falsche Axiome zuweilen den Verfasser verleiten, der Wahrheit Abbruch zu thun. Chateaubriand stellt in der Athala ein ebenso reizendes Bild der südlichen Natur dar, als er im Genie du Christianisme die Missionen mit Wahrheit u der Natur gemäß schildert. So auch malt er mit Localfarben das südliche Italien, Egypten, Jerusalem, das gelobte Land bis zum todten Meere u gibt uns aus sei- nem neuesten Werke, den Abencerragen den Anblick der Sierra Nevada in Granada, des höchsten Gebirges in Spanien. Vor allen aber erwähnen wir des hohen Meisters, dessen Werke ein so tiefes Gefühl für die Natur durchdringt. Wie im Werther, [152/0156] so in der Reise, in der Metamorphose der Pflanzen, überall klingt das begeisterte Gefühl an u berührt uns, gleich wie ein sanfter Wind vom blauen Him̃el weht. Bei den Franzosen bilden diese Schilderungen der Natur, besonders der exotischen, einen eignen Zweig der Litteratur, die poesie descri- ptive. Es ist nicht zu verkennen, daß man hierbei mitunter auf Abwege gerathen ist, insofern eine gezierte Schwülstigkeit gar oft den Mangel des innern Gefühls ersetzen muß. Es ist im̃er gefährlich, bei der Schilderung großer Gegenstände sich ungemessen des Schmucks der Rede zu bedienen, weñ auch der Hauch der Poesie niemals fehlen sollte. Eine Hauptsache liegt darin, daß der, wel- cher das Bild aufstellt, ganz in demselben aufgeht, und sich selbst der Betrachtung entzieht. Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftsmalerei nicht übergehen, insofern sie sich mit dem Characteristischen der ein- zelnen Pflanzenformen und der Physiognomik der Natur über- haupt beschäftigt. Bei den Alten war dieß nur Nebenwerk und sie bedienten sich zur Darstellung der anorganischen Natur gewisser fest- stehender Typen, wie wir dieß auch an den neuaufgefundenen Werken größerer Meister bemerken, welche vor kurzem aus Pompeji u Herkulanum ans Licht gefördert worden u mit welchen uns die treuen Abbildungen des Architecten Zahn bekannt machen. Zur Zeit des Auflebens der italischen Kunst finden wir den [153/0157] Anfang der Landschaftsmalerei in der niederländischen Schule und bei den Schülern van Eyk’s. Namentlich hat Heinrich von Gloss zu- erst versucht, die Figuren sehr zu verkleinern, um dadurch die Landschaft mehr hervortreten zu lassen. Auch bei den großen ita- lischen Landschaftsmalern der spätern Zeit Tizian, Bassano, An- nibale Carraggi findet sich keine genaue Nachahmung besonders der exotischen Natur u auch sie bedienten sich für gewisse Gegen- stände angenommener conventioneller Formen zB geben sie den Dattelpalmen, die doch aus Nordafrika nach Sicilien und Italien hinübergewandert waren, ein eigen schuppiges wun- derliches Ansehen. Franz Post, der den Prinzen Moritz von Nassau 1642 nach Brasilien begleitete, war der erste, welcher treue Naturge- mälde darstellte. Von ihm befinden sich auf der hiesigen Bib- liothek einige schöne Landschaften. Hodges brachte herrliche Ansichten von der Reise mit, auf welcher er Cook begleitete und ging später mit Hastings nach Ostindien, wo er ebenfalls schöne Arbeiten lieferte. Neben diesen ist Daniel, welcher Oriental Sceneries, die vege- tationsreichen Ufer des Ganges malte, und später schöne Dar- stellungen auf seiner Reise von Plymouth nach Calcutta ent- warf. Rugendas, aus einer alten geachteten Künstlerfamilie in [154/0158] Augsburg hat neuerdings aus Brasilien ausgezeichnete Land- schaften zurückgebracht, die sich zum Theil in Schleißheim befin- den. Noch will ich hier der Darstellung eines sogenannten Ur- waldes /forets vierge/ erwähnen, welche in Paris durch den Grabstichel vervielfältigt erschienen ist und ein ungemein wahres Bild sowohl der Palmen als der wunderbaren Verschlingungen der Gewächse darbietet, welche die tropische üppige Vegetation characterisiren. – [155/0159] Inhalt der Vorlesungen über physikalische Geographie Erste Abtheilung: Übersicht der Zustände der Materie. Abschnitte. Astronomie, Geognosie, Climatologie, Geographie der Pflanzen, Geographie der Thiere, über die Menschenracen. I. Astronomie. Him̃elskörper in Lichtbildung begriffen. – Nebelsterne. – Nebelflecke. – Milchstras- se. – Berechnung der SternEntfernung durch die Schnelligkeit des Lichts. – Veränderliche Sterne. Doppelsterne. – Die Magellanischen Wolken. – Die Kohlensäcke. – Das Zodiakallicht. – Platz unsers Planetensystems am Himmel. – Bewegung, Bestand desselben. – Die einzel- nen Planeten. – Cometen. Berechnung ihres Laufs. – Aerolithen. Hypothese ihrer Erklärung. – relative Größe der Him̃elskörper. – II. Geognosie. Kugelgestalt der Erde. – spezifische Dichtigkeit. – magnetische Spannung. – Ver- gleichung des Erdkörpers mit dem Monde und den übrigen Planeten. – Innere Beschaffenheit der Erde. – Vegetation darin. – Tiefe der Bergwerke. – Fossilien darin – keine Men- schenknochen. – Temperatur Zunahme im Innern. – Revolutionen der Erdoberfläche. Hypothesen der Alten darüber. – heiße Quellen. – Zusam̃enhang derselben mit Erdbeben und Vulkanen. – Erdbeben. – Vulkane. – Hypothese einer Polar- oeffnung. – Mannigfaltigkeit der Gebirgsformation. – 1. Urgebirge. 2. Übergangsgebirge. 3. Flötzgebirge. (a. ältere. b. jüngere Flötze) 4. Tertiäre Gebirgsmassen. (a. untere tertiäre, b. mittlere tertiäre c. obere tertiäre.) – Vorkom̃en in den verschiedenen Gebirgs- massen: Steinkohle – vegetabilische Petrefakten als: monocotyledonen, acoty- ledonen, dicotyledonen. – Animalische Petrefakten als: Schnecken verschiedener Ausbildung; Fische; Krokodille, Eidechsen; große Vierfüßer, Pachydermen, Mastodonten. III. Climatologie. zwei flüssige Hüllen des Erdkörpers: [156/0160] 1. Luft. – relativer Ausdruck von fest, tropfbar, flüssig und gasförmig. – Wär- me wird frei beim Übergang des einen in den andern Zustand. – Höhe un- sers Luftkreises. – Bewegung desselben durch Winde. – Stürme. – Veränderungen im Barometerstande. – periodische. – Bestandtheile der Athmosphäre. – Einfluß der verdünnten Luft auf Höhen. – Wasserdunst in der Luft. – Hygrometer. – 2. Wasser. – luftfreies Wasser. – Respiration der Fische. – Schwim̃blase derselben. – Luftreisen. – isotherme Linien. – Schneegränze. – Verände- rung der Temperatur durch Wasser. – Abnahme der Temperatur in der Tiefe des Meeres. – Strömungen des Meeres. – Temperatur der verschiede- nen Meere. – Wellenschlag. – Messungen desselben. – Steigen und Fallen des Meeresspiegels. – Vertheilung der Wärme auf der Erde. – Einfluß der Bildung der Continente auf die Temperatur unter gleichen Breite- graden. – Temperatur des Körpers von Menschen und Thieren. – Flexi- bilität des menschlichen Körpers. – IV. Geographie der Pflanzen. – Geographische Verbreitung der Pflanzen. – Erstes Aufkeimen der organischen Materie. – die größten Pflanzenformen. – Zahl der Spezies. V. Geographie der Thiere. – Geographische Verbreitung der Thiere. – Zahl der Spezies. – Verbreitung der Säugethiere, Vögel, Amphibien, Fische, Insekten; – der fossi- len Thiere im alten und neuen Continente. – Contrast der Massen. – VI. Über die Menschenracen. – Die Urtypen der Menschenstämme nach Blumenbachs Eintheilung: 1. der weiße Caukasische Stamm. 2. der gelbe Mongolische Stam̃. 3. die schwarze äthiopische Race. – Unterscheidung nach der Gesichtslinie. – die Sprache als Unterscheidung. – Es ist kein Grund gegen die gemeinsame Abstammung des Menschengeschlechts. – Mittelglieder und Abweichungen [157/0161] von den angenom̃enen Racen. – die Inder, Mongolen, Tataren – die Fulahs und Jo- lops; die Andaman Insulaner; schwarze Amerikaner. – die Malayen. – die Amerikaner. – die Polarvölker. – Hypothese eines allmähligen Übergangs vom Orang-Utang zum Menschen. – Charakteristischer Unterschied des Men- schen und Affen. – 2te Abtheilung. Historisches Fortschreiten der Naturkenntniß. Urvölker. – Wilde. – primitive Naturweisheit die von Norden stam̃t. – 6 Hauptmomen- te der Entwickelung: 1. Die j̈onische Naturphilosophie und die dorisch-pythagorische Schule. Thales. Anaximenes. Anaximander. Empedokles. Diogenes von Apollonia. – des Pythagoras Lehre nach Philolaus. Plato. 2. Die Züge Alexanders nach dem Osten. – Entdeckungen durch dieselben. – Thiere. Ge- wächse. – Nearchs Zug. – Inder. – Des Seleukus Nikator Eroberungszug. – Chal- däer. – des Aristoteles Naturgeschichte. – Strabo. – Plinius. – Neuplatoniker und Gnostiker. – χημεῖα. – 3. Die Züge der Araber nach Osten und Westen. – Ihre Kenntnisse. – die Hascheniden und Abassiden. – Harun al Raschid. – die Om̃ajaden in Spanien. Entdeckungen derselben. – die indischen Zahlen. – Chemische Solutionen. – Alphons X in Spanien. – Raim. Lullus. – Baco. 4. Die Entdeckung Amerikas. – Erfindung der Buchdruckerkunst 1436. – Classische Litteratur. – Skandinavische Schiffer entdecken bereits 1003 Neufoundland. – Reisen der Brüder Zeen nach den vereinigten Staaten 1390. – Landreisen des Marco Paolo. – des Kopernikus Weltsystem 1543. – Entdeckungen die man in Folge der Völkerzüge nach Amerika macht. – Menschenracen. Thiere u. Pflanzen. – Vulkane. – südlicher Him̃el. – 5. Die Erfindung neuer Organe zur Naturbeobachtung. – das Fernrohr 1590. das [158/0162] Thermometer 1660. das Barometer 1643. – die Analysis des Unendlichen. 6. Cooks Weltumseeglung. – Entdeckungen seit dieser Zeit. – die voltaïsche Säule. – Optik. – Anwendung der elektrisch-magnetischen Kräfte. – Fortschritte in der Kenntniß des gestirnten Him̃els. – Nordlicht. – Leuchten der Erde. lichthemmender Aether. – Vortheile der Sternbeobachtungen. – Polygonal- figuren der Sterne. – Funkeln derselben. – Farben des Regenbogens. – Biegung der Lichtstrahlen. – Stärke des Gesichtssinnes. – Verschiedenheit der Farbe der Sterne. – Vertheilung der Sterne am nördlichen Himmel – am südlichen Him̃el. – das südliche Kreuz. – Der Mond. – Größe. – Mondstrahlen ohne Wärme. – Atmosphäre. – Topogra- phie desselben. – Gebirge. – Höhe derselben. – Vulkane. – sichtbare Gegenstän- de auf dem Monde. – deren Größe. – Messungen. – Aerolithen. – Steinre- gen. Geschwindigkeit derselben. Die Sonne. – Größe. – Attraktionssphäre. – Schnelligkeit des Lichts. – Son- nenflecken. – Entdeckung derselben. – Sonnenfackeln. – Photosphäre. Ursachen die in den neuesten Zeiten dem Studium der Natur förderlich gewesen sind. – eine mehr ästhetische Behandlung der Naturwissenschaf- ten. – Zuerst beim Cardinal Bembo. – Büffon. – Forster d. Jüngere. – Bernardin de St. Pierre. – Chateaubriand. – Goethe. – Landschaftsmalerei älterer und neuerer Zeit. [159/0163] [0164] [0165] [0166] [0167] [0168] [0169] [0170] [0171] [0172]