Justiz und NS-Verbrechen
Lfd.Nr.683
(Ausschnitt)
Urteil des LG Hannover vom 27.06.1968, Ks 1/68
1. Das Aussenlager Adabasch des Stalag 305
Nachdem beide Angeklagten zum Festungsbataillon Landau/Pfalz versetzt worden waren, wurde aus dieser Einheit im September 1940 das Landesschützenbataillon 783 gebildet. Es setzte sich vorwiegend aus nicht voll felddienstverwendungsfähigen Mannschaften älterer Jahrgänge zusammen. Nach seiner Aufstellung wurde das Bataillon bis etwa zum Frühjahr 1941 zunächst mit der Bewachung französischer Kriegsgefangener beauftragt. Im August 1941 erfolgte seine Verlegung nach Reichshof in Polen und am 10.10.1941 wurde es von dort aus zur Verlegung in die Ukraine in das Gebiet um Kirowograd in Marsch gesetzt, wo es in der Folgezeit wiederum zur Bewachung von Kriegsgefangenenlagern eingesetzt und zu diesem Zweck zunächst aufgeteilt wurde. Der 2.Kompanie fiel hierbei die Bewachung eines Lagers in Kirowograd und eines Aussenlagers in Adabasch zu. Der zweite und dritte Zug wurden hierfür nach Adabasch und der erste und vierte Zug nach Kirowograd verlegt. Ausserdem war noch die 1.Kompanie zur Bewachung des ebenfalls in Kirowograd liegenden Hauptlagers sowie der Stab des Bataillons 783 stationiert.
Der Angeklagte Ga. war zu dieser Zeit Hauptmann und Chef der 2.Kompanie, der Angeklagte Kem. Feldwebel und Führer des 3.Zuges. Den ebenfalls in Adabasch gelegenen 2.Zug führte der Zeuge Ne. Als einziger Offizier nahm in der Folgezeit der Angeklagte Ga. dort zunächst seinen Aufenthalt. Die Soldaten und Unteroffiziere der 2.Kompanie waren zur Durchführung der Bewachungsaufgaben mit Karabinern und Seitengewehren und die Feldwebel und Offiziere mit Pistolen ausgerüstet. Maschinengewehre oder Maschinenpistolen besass die Kompanie dagegen nicht. Ihr standen im übrigen auch keine Fahrzeuge zur Verfügung. Eine eigene Telefonverbindung bestand ebenfalls nicht.
Die genannten drei Lager gehörten zum sogenannten Stalag (Stammlager) 305. Während sich die Aufgaben des Landesschützenbataillons 783 darauf richteten, die äussere Bewachung der Lager zu stellen, fielen in die Zuständigkeit des Stalag alle internen Lagerangelegenheiten wie Unterbringung, Verpflegung, Entlassungen und auch der Arbeitseinsatz der Gefangenen. Die Kompanien des Landesschützenbataillons 783 hatten darüber hinaus bei Anforderungen dem Stalag Mannschaften und Unteroffiziere zur Erledigung besonderer Aufgaben, etwa für Transportbegleitungen, Bewachungen von Arbeitskommandos pp. zur Verfügung zu stellen. In der Regel wurden diese Kommandos jeweils den wachfreien Zügen entnommen. Die Zuständigkeit der Kompanien erschöpfte sich in diesen Fällen in der Einteilung und Abstellung der Kommandos. Danach unterstanden diese bis zur Erledigung der jeweiligen Aufgabe den Weisungen des Stalag. Der Führung des Landesschützenbataillons 783 verblieb bei dieser Gestaltung der Aufgaben als Zuständigkeitsbereich nur noch die Regelung der Personalangelegenheiten und der Verpflegung des Bataillons. Das Stalag 305 und das Landesschützenbataillon 783 unterstanden sodann beide dem Kommandeur der Kriegsgefangenen beim Wehrmachtsbefehlshaber Ukraine. Dieses Amt hatte bis etwa November 1942 der inzwischen verstorbene General Feichtmeier inne. Er unterstand unmittelbar dem Wehrmachtsbefehlshaber Ukraine. Dies war bis zum Oktober 1942 ein General Henrici und danach der ebenfalls inzwischen verstorbene General der Luftwaffe Kitzinger.
Kommandant des Stalag 305 war bis zum Herbst 1942 der verstorbene Oberstleutnant Hiltrup. Sein Adjutant war der Zeuge Häb. und der Ic-Offizier des Stalag war der ebenfalls verstorbene Hauptmann Kugler. Kommandeur des Landesschützenbataillons 783 war bis Oktober 1941 ein Oberstleutnant Dr. Wiegand und anschliessend bis Februar 1942 als kommissarischer Bataillonsführer der ebenfalls verstorbene Hauptmann Kirchhoff. Bataillons-Adjutant war bis etwa 1943 der Zeuge Hei. Dem Kommandanten des Stalag 305 unterstand wiederum als Kommandant des Aussenlagers Adabasch der ebenfalls verstorbene Hauptmann Frank. Lageroffizier war dort Oberleutnant Baron, der gleichfalls verstorben ist.
Das Aussenlager Adabasch lag in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs gleichen Namens, ca. 6 km westlich von Nowo Ukrainka und ca. 50 km südwestlich der Stadt Kirowograd. Es bestand aus einer Reihe nicht heizbarer einfacher Holzbaracken und früherer Getreidespeicher und war mit Stacheldraht umzäunt. Die Soldaten des 2. und 3.Zuges der 2.Kompanie wohnten ausserhalb dieses Lagers, und zwar zum Teil im Bahnhofsgebäude, in dem auch der Angeklagte Ga. Quartier bezogen hatte und wo sich darüber hinaus noch die Schreibstube der Kompanie befand.
Das Aussenlager Adabasch, das unter vertretbaren Bedingungen anfangs höchstens zur Aufnahme von etwa 500 Gefangenen ausgereicht hätte, war in der Folgezeit um ein Vielfaches (10- bis 20fach) überbelegt. Die Verwahrung der Gefangenen erfolgte deshalb unter äusserst ungenügenden und geradezu menschenunwürdigen Verhältnissen. Insbesondere die Verpflegung war wegen dieser Überbelegung und wegen anfänglicher Nachschubschwierigkeiten völlig unzureichend. Hunger und Krankheiten, insbesondere die blutige Ruhr, führten zum Tode einer hohen Zahl von Kriegsgefangenen. Teilweise wurden täglich mehr als 50 Todesfälle registriert. Bedingt durch die schlechte Ernährung kam es sogar mehrfach zu Fällen von Kannibalismus.
Die verstorbenen Gefangenen wurden auf einem ausserhalb des Lagers an einer leichten Anhöhe gelegenen Friedhof in dort vorbereiteten Massengräbern beerdigt.
Die Behandlung der Kriegsgefangenen richtete sich damals im allgemeinen nach der Kriegsgefangenen-Dienstvorschrift 38 (KGV 38), die sich auf internationale Verträge stützte. Abweichend hiervon galten jedoch für die sowjetischen Kriegsgefangenen Sondervorschriften. Es handelte sich hierbei einmal um die unmittelbar vor Beginn des Russlandfeldzuges vom Oberkommando der Wehrmacht erlassenen Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare (sogenannter "Kommissarbefehl") vom 6.6.1941, die u.a. folgenden Wortlaut haben:
"I. 2. ... Sie (politische Kommissare [1]) sind aus den Kriegsgefangenen sofort, d.h. noch auf dem Gefechtsfelde, abzusondern. Dies ist notwendig, um ihnen jede Einflussmöglichkeit auf die gefangenen Soldaten zu nehmen. Diese Kommissare werden nicht als Soldaten anerkannt; der für Kriegsgefangene völkerrechtlich geltende Schutz findet auf sie keine Anwendung. Sie sind nach durchgeführter Absonderung zu erledigen ..."
Diese Richtlinien wurden am 8.9.1941 durch das Oberkommando der Wehrmacht noch ergänzt, zusammengefasst und hatten dann u.a. folgenden Inhalt:
"1. Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen allgemein:
Der Bolschewismus ist der Todfeind des nationalsozialistischen Deutschlands. Zum ersten Male steht dem deutschen Soldaten ein nicht nur soldatisch, sondern auch ein politisch im Sinne des volkszerstörenden Bolschewismus geschulter Gegner gegenüber. Der Kampf gegen den Nationalsozialismus ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er führt ihn mit jedem ihm zu Gebote stehenden Mittel: Sabotage, Zersetzungspropaganda, Brandstiftung, Mord. Dadurch hat der bolschewistische Soldat jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren.
Es entspricht daher dem Ansehen und der Würde der Deutschen Wehrmacht, dass jeder deutsche Soldat dem sowjetischen Kriegsgefangenen gegenüber schärfsten Abstand hält. Behandlung muss kühl, doch korrekt sein. Jede Nachsicht und sogar Anbiederung ist strengstens zu ahnden. Das Gefühl des Stolzes und der Überlegenheit des deutschen Soldaten, der zur Bewachung sowjetischer Kriegsgefangener befohlen ist, muss jederzeit auch für die Öffentlichkeit erkennbar sein.
Rücksichtsloses und energisches Durchgreifen bei den geringsten Anzeichen von Widersetzlichkeit, insbesondere gegenüber bolschewistischen Hetzern ist daher zu befehlen. Widersetzlichkeit, aktiver oder passiver Widerstand muss sofort mit der Waffe (Bajonett, Kolben und Schusswaffe) restlos beseitigt werden. Die Bestimmungen über den Waffengebrauch der Wehrmacht können nur beschränkt gelten, da sie die Voraussetzungen beim Einschreiten unter allgemein friedlichen Verhältnissen geben. Bei den sowjetischen Kriegsgefangenen ist es schon aus Disziplinargründen nötig, den Waffengebrauch sehr scharf zu handhaben. Wer zur Durchsetzung eines gegebenen Befehls nicht oder nicht energisch genug von der Waffe Gebrauch macht, macht sich strafbar.
Auf flüchtige Kriegsgefangene ist sofort ohne vorherigen Halteruf zu schiessen. Schreckschüsse dürfen niemals abgegeben werden. Die bisher bestehenden Bestimmungen insbesondere HDV Punkt 38/11 Seite 13 usw. werden insoweit aufgehoben. Auf der anderen Seite ist Willkür untersagt. Der arbeitswillige und gehorsame Kriegsgefangene ist korrekt zu behandeln. Vorsicht und Misstrauen dem Kriegsgefangenen gegenüber ist jedoch niemals ausser Acht zu lassen. Waffengebrauch gegenüber sowjetischen Kriegsgefangenen gilt in der Regel als rechtmässig.
Jeder Verkehr der Kriegsgefangenen mit der Zivilbevölkerung ist zu verhindern. Dies gilt insbesondere für das besetzte Gebiet. Auf die Trennung des kriegsgefangenen Führerpersonals (Offiziere und Unteroffiziere), die bereits durch das Feldheer durchgeführt ist, ist auch im Gebiet der Wehrmachtsbefehlshaber und im Reichsgebiet schärfstens zu achten. Jede Verständigung zwischen Führerpersonal und Mannschaft auch durch Zeichen muss unmöglich gemacht werden. Aus geeigneten sowjetischen Kriegsgefangenen ist eine Lagerpolizei in den Lagern und auf den grösseren Arbeitskommandos zu bilden, die zur Durchführung und Ordnung und Erhaltung der Disziplin von Kommandanten eingesetzt wird. Zur wirksamen Durchführung ihrer Aufgaben darf die Lagerpolizei innerhalb ihrer Drahtumzäunung mit Stöcken, Peitschen oder Ähnlichem ausgerüstet werden. Die Verwendung solcher Schlagwaffen durch deutsche Soldaten wird ausdrücklich verboten. Durch bessere Verpflegung, Behandlung und Unterkunft soll ein Ausführungsorgan im Lager geschaffen werden, das die Tätigkeit der deutschen Wachmannschaft stark entlastet.
2. Behandlung von Volkstumsangehörigen:
Auf Grund der bisherigen Befehle hat bereits in den bisherigen Heimatorganisationen (Generalgouvernement und WK I) sowie in den Lagern des Reiches eine Aussonderung der Kriegsgefangenen nach ihrer Volkstumszugehörigkeit stattgefunden. Es kommen hierbei folgende Volkstumsangehörige in Frage: Volksdeutsche Ukrainer, Weissrussen, Polen, Litauer, Letten, Esten, Rumänen, Finnen, Georgier. Soweit eine Aussonderung aus besonderen Gründen nicht durchgeführt werden konnte, ist diese umgehend nachzuholen. Dies gilt besonders für die in den Gebieten der Wehrmachtsbefehlshaber neu anfallenden Kriegsgefangenen. Folgende Volkstumsangehörige werden beschleunigt in ihre Heimat entlassen werden: Volksdeutsche Ukrainer, Weiss-Ruthenen, Letten, Esten, Litauer, Rumänen, Finnen. Sofern bei einzelnen dieser Volkstumsangehörigen zu vermuten ist, dass sie auf Grund ihrer Einstellung dem Deutschen Volke und dem Nationalsozialismus schädlich oder gefährlich werden können, sind sie von der Entlassung auszunehmen und ist mit ihnen nach Ziffer 3 zu verfahren.
3. In Aussonderung von Zivilpersonen und politisch unerwünschten Kriegsgefangenen des Ostfeldzuges:
1. Absicht: Die Wehrmacht muss sich umgehend von all denjenigen Elementen unter den Kriegsgefangenen befreien, die als bolschewistische Triebkräfte anzusehen sind. Die besondere Lage des Ostfeldzuges verlangt daher besondere Massnahmen, die frei von bürokratischen und verwaltungsmässigen Einflüssen verantwortungsfreudig durchgeführt werden müssen.
2. Weg zur Erreichung des gesteckten Zieles:
Ausser der in den Kriegsgefangenenlagern erfolgten Gliederung nach Nationalitäten, s. Ziff.II (Volkstumsangehörige) sowie [2] die in den Lagern vorhandenen Zivilpersonen wie folgt auszusondern:
a) politisch Unerwünschte,
b) politisch Ungefährliche,
c) politisch besonders Vertrauenswürdige
(die für den Einsatz und zum Wiederaufbau der besetzten Gebiete verwendungsfähig sind).Während der [3] Trennung nach Nationalitäten Führerpersonal usw. durch die Lagerorgane selbst vorgenommen wird, stellt zur Aussonderung der Kriegsgefangenen hinsichtlich ihrer politischen Einstellung der Reichsführer SS Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes zur Verfügung. Sie sind dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD unmittelbar unterstellt, für ihren Sonderauftrag besonders geschult und treffen ihre Massnahmen und Ermittlungen im Rahmen der Lagerordnung nach Richtlinien, die sie von diesen erhalten haben. Den Kommandanten besonders deren Abwehroffizieren wird engste Zusammenarbeit mit den Einsatzkommandos zur Pflicht gemacht.
III. 3. Weitere Behandlung der nach Ziffer 2 ausgesonderten Gruppen.
A. Militärpersonen.
Über die als "politisch unerwünschten Elemente" Ausgesonderten entscheidet das Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD. Sollten einzelne als verdächtig angesehene sich später als unverdächtig herausstellen, so sind sie zu den übrigen Kriegsgefangenen im Lager zurückzuführen. Dem Ersuchen der Einsatzkommandos auf Herausgabe von weiteren Personen ist stattzugeben. Offiziere werden vielfach als politisch Unerwünschte der Aussonderung unterliegen. Zu den Militärpersonen rechnen auch solche Soldaten, die in Zivilkleidung gefangen wurden. ..."Am 17.7.1941 war bereits der Einsatzbefehl Nr.8 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD ergangen. Er lautet u.a.:
"Betrifft: Richtlinien für die in die Stalags und Dulags abzustellenden Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD.
Anlagen: 2 geheftete Anlagen 1 und 2, 1 lose Anlage.In der Anlage übersende ich Richtlinien über die Säuberung der Gefangenenlager, in denen Sowjetrussen untergebracht sind. Diese Richtlinien sind im Einvernehmen mit dem OKW - Abteilung Kriegsgefangene - (s. Anlage 1) ausgearbeitet worden. Die Kommandeure der Kriegsgefangenen- und Durchgangslager (Stalags und Dulags) sind seitens des OKW verständigt worden.
... Für die Durchführung der den Kommandos in den Gefangenenlagern gestellten Aufgaben füge ich - als Anlage 2 - Richtlinien für die in die Stalags abzustellenden Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD bei, von denen gleichfalls das OKW und damit auch die Befehlshaber und Lagerkommandanten Kenntnis erhalten haben.Vor Durchführung der Exekution haben sich die Führer der Einsatzkommandos wegen des Vollzugs jeweils mit den Leitern der in Frage kommenden Staatspolizei-Leitstellen, bezw. mit den Kommandeuren der für ihr Lager zuständigen Gebiete in Verbindung zu setzen. Die Exekutionen dürfen nicht im Lager selbst, noch in unmittelbarer Nähe erfolgen; sie sind nicht öffentlich und müssen möglichst unauffällig durchgeführt werden.
Hinsichtlich der Überprüfung der Durchgangslager in den neu besetzten Gebieten ergeht an die Chefs der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD gesonderte Weisung. Die im Bereich von den Kommandeuren der Sicherheitspolizei und des SD und den Staatspolizeistellen gestellten zusätzlichen Einsatzkommandos liegen im Durchgangslager, sind von diesen selbst zu überprüfen....
Verteiler:
An
a) den Kommandeur der Sipo und des SD Krakau,
b) den Kommandeur der Sipo und des SD Radom,
c) den Kommandeur der Sipo und des SD Warschau,
d) den Kommandeur der Sipo und des SD Lublin,
e) die Staatspolizeileitstelle Königsberg,
f) die Staatspolizeistelle Tilsit,
g) die Staatspolizeistelle Zichenau-Schröttersburg,
h) die Staatspolizeistelle Allenstein,
i) die Staatspolizeistelle Stettinnachrichtlich:
An den Reichsführer und Chef der Deutschen Polizei,
An den Chef der Sicherheitspolizei und des SD,
An die Amtschefs I, II, III, IV, VI
An die Referate IV D 2 und IV D 3
An den Höheren SS und Polizeiführer Nord-Ost Königsberg,
den Höheren SS und Polizeiführer Krakau,
den Inspekteur der Sipo und des SD Königsberg/Pr.
den Befehlshaber der Sipo und des SD im Generalgouvernement Krakau,an die Einsatzgruppe A.
Sonderkommando I a,
Sonderkommando I b,
Einsatzkommando II,
Einsatzkommando III,Einsatzgruppe B.
Sonderkommando VII a,
Sonderkommando VII b,
Einsatzkommando VIII,
Einsatzkommando IX,Einsatzkommando C.
Sonderkommando IV a,
Sonderkommando IV b,
Einsatzkommando V,
Einsatzkommando VI,Einsatzgruppe D.
Sonderkommando X a,
Sonderkommando X b,
Einsatzkommando XI,
Einsatzkommando XII,gez. Heydrich."
Ein weiterer Einsatzbefehl mit der Nummer 14 datiert vom 29.10.1941. Er ist ausdrücklich als "Geheime Reichssache" bezeichnet und hat u.a. folgenden Wortlaut:
"In der Anlage übersende ich die Richtlinien für die Säuberung der mit sowjetischen Kriegs- und Zivilgefangenen belegten Kriegsgefangenen- und Durchgangslager im rückwärtigen Heeresgebiet zur gefl. Kenntnisnahme und Beachtung [4].
Diese Richtlinien sind im Einvernehmen mit dem OKW ausgearbeitet worden. Das OKH hat die Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes sowie die Bezirkskommandanten der Kriegsgefangenen und die Kommandanten der Dulag verständigt [5].
Die Einsatzgruppen stellen sofort, je nach Grösse der in ihrem Einsatzbereich befindlichen Lager Sonderkommandos in ausreichender Stärke unter Leitung eines SS-Führers ab. Die Kommandos haben ihre Tätigkeit in den Lagern sofort aufzunehmen. Enge Zusammenarbeit mit den Lagerkommandanten und Abwehroffizieren wird zur Pflicht gemacht. Auftretende Schwierigkeiten sind durch persönliche Verhandlungen mit den in Frage kommenden Stellen der Wehrmacht zu bereinigen.
Die in der Anlage 2 zum Einsatzbefehl Nr.8 gegebenen Richtlinien sowie die hierzu ergangenen Ergänzungen und Nachtragserlasse sind sinngemäss anzuwenden.
Insbesondere mache ich zur Pflicht, dass die Einsatzbefehle Nr.8 und 14 sowie die hierzu ergangenen Nachtragserlasse bei Gefahr im Verzuge sofort zu vernichten sind. Hierüber ist mir gegebenenfalls Bericht zu erstatten.
Verteiler: ...[6]Richtlinien für die Aussonderung verdächtiger sowjetischer Kriegs- und Zivilgefangener des Ostfeldzugs in den Kriegsgefangenen- und Durchgangslagern im rückwärtigen Heeresgebiet [7].
Die Kommandos arbeiten auf Grund besonderer Ermächtigung und gemäss den ihnen erteilten allgemeinen Richtlinien im Rahmen der Lagerordnung in eigener Verantwortlichkeit selbständig. Es ist selbstverständlich, dass die Kommandos mit den Lagerkommandanten und Abwehroffizieren engste Fühlung halten.
Dadurch hat der bolschewistische Soldat jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren. Vor allem sind ausfindig zu machen:
1. Alle bedeutenden Funktionäre des Staates und der Partei, insbesondere Berufsrevolutionäre,
2. Funktionäre des Komintern,
3. alle massgebenden Parteifunktionäre der KPdSU und ihrer Nebenorganisation in den Zentralkomitees, den Gau- und Gebietskomitees,
4. alle Volkskommissare und ihre Stellvertreter,
5. alle ehemaligen politischen Kommissare der Roten Armee,
6. die leitenden Persönlichkeiten der Zentral- und Mittelinstanzen bei den Staatlichen Behörden,
7. die führenden Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens,
8. die sowjetrussischen Intelligenzler und Juden, soweit es sich um Berufsrevolutionäre oder Politiker, Schriftsteller, Redakteure, Kominternangestellte usw. handelt."Während der Einsatzbefehl Nr.8 demnach die Säuberung der mit russischen Kriegsgefangenen belegenen Lager im Reich und im Generalgouvernement betraf, wurde durch den Einsatzbefehl Nr.14, wie aus seinem Verteiler an die Einsatzgruppen Krasnowardeisk, Smolensk, Kiew und Nikolajew ergibt, die Säuberung der mit sowjetischen Kriegs- und Zivilgefangenen belegten Kriegsgefangenen- und Durchgangslager im rückwärtigen Heeresgebiet angeordnet. Diese Richtlinien und Anordnungen waren ausdrücklich als "Geheim" bezeichnet worden. Sie gelangten deshalb, wie sich auch aus den Verteilern der Einsatzbefehle Nr.8 und 14 ergibt, ausser der damaligen Führungsspitze nur einem relativ kleinen Personenkreis unmittelbar zur Kenntnis. Den Angeklagten waren diese Weisungen und Richtlinien ihrem Wortlaut nach deshalb unbekannt geblieben. Dasselbe muss mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch für den damaligen Kommandanten des Aussenlagers Adabasch, den Hauptmann Frank, gelten.
Dem Angeklagten Ga. war in Adabasch offiziell lediglich eine allgemein gehaltene Anweisung über die strengere Behandlung sowjetischer Kriegsgefangenen zugegangen. Gleichwohl wurden diese Weisungen und Befehle aber, soweit sie die Aussonderung von Kriegsgefangenen betrafen, auch im Aussenlager Adabasch von Anfang an praktiziert. Ausgesondert wurden hauptsächlich Juden, Kommissare, Volksdeutsche, aber auch Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen. Diese Aussonderungen erfolgten entweder durch Ärzte oder Angehörige der aus Kriegsgefangenen gebildeten Lagerpolizei, im letzteren Falle unter der Leitung und Aufsicht von Stalag-Angehörigen. Die Ausgesonderten wurden jeweils zu grösseren oder kleineren Transportgruppen zusammengestellt und teils zu Fuss, teils per Bahn in Marsch gesetzt. Auch dies war den Angeklagten bekannt geworden. Sie wussten ausserdem, dass kleinere Gruppen ausgesonderter Juden und Kommissare einem in Nowo Ukrainka stationierten Kommando des SD übergeben wurden, wobei die 2.Kompanie die Transportbegleitung zu stellen hatte. Weiterhin hatte sich bald bei den Angehörigen der 2.Kompanie gerüchteweise herumgesprochen, dass die ausgesonderten Juden und politischen Kommissare nach Übergabe von dem SD-Kommando offenbar exekutiert wurden. Konkrete Wahrnehmungen waren insoweit jedoch weder von den Angeklagten noch von den Zeugen gemacht worden.
Der Angeklagte Ga. hatte auch erkannt, dass die Führung des 3.Reiches die physische Vernichtung der Juden und politischen Kommissare an der gesamten russischen Front befohlen hatte. Der Grund für dieses Vorgehen lag nach seiner damaligen Vorstellung darin, dass die Führung in den Angehörigen dieser auf Grund ihrer Intelligenz und Vorbildung aus der lethargischen Masse der Kriegsgefangenen herausragenden Gruppe potentielle Aufrührer und Anführer für Sabotageakte und Ausbrüche sah, die für die Sicherheit der Gefangenenlager gefährlich werden könnte. Verstärkt wurde der Angeklagte Ga. in dieser Ansicht noch durch die tatsächlich bestehenden Lagerverhältnisse in Adabasch. Hier standen die zusammen etwa 60 Mann starken, schlecht bewaffneten zwei Züge und die ca. 30 Mann starke Gruppe des Stalag bis zu 10.000 Kriegsgefangenen gegenüber. Der Angeklagte Ga. fürchtete deshalb ständig einen organisierten Ausbruch der Gefangenen, dem kein ausreichender Widerstand hätte entgegengesetzt werden können.
Fussnoten:
[1.] Die W�rter zwischen den Klammern fehlen im Originaldokument.
[2.] Anmerkung im Urteil: "Sind?"
[3.] Anmerkung im Urteil: "die?"
[4.] Das Dokument enth�lt hier den Zusatz: "s. Anlage 1".
[5.] Das Dokument enth�lt hier den Zusatz: "s. Anlage 2".
[6.] Anmerkung im Urteil: "entspricht zum Teil dem Verteiler zum Einsatzbefehl Nr.8".
[7.] Diese Richtlinien sind die oben erw�hnte "Anlage 1". Die folgenden drei Abs�tze sind Ausschnitte aus dieser Anlage; vgl. Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Milit�rgerichtshof, Deutsche Ausgabe, N�rnberg 1949, Bd.XXXIX, S.267.