Rinderfarm in Ouro Preto do Oeste
Reuters/Ricardo Moraes
Fleischproduktion

„Rinderwäsche“ umgeht Amazonas-Schutz

Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hat vor, der illegalen Abholzung des Amazonas bis 2030 ein Ende zu setzen. Tatsächlich fällt die Bilanz bisher gemischt aus: Einigen Fortschritten stehen auch viele Hiobsbotschaften entgegen. Ein großes Problem ist weiterhin die Rodung, um Weideflächen für die Rinderzucht zu gewinnen. Wie der „Guardian“ berichtete, wird die von der Fleischindustrie versprochene Überwachung durch „Rinderwäsche“ unterlaufen.

Der Kampf um den Regenwald ist auch eines der größten Themen beim „Tag der Indigenen“, der am Samstag in Brasilien begangen wurde. Die Indigenen-Versammlung Acampamento Terra Livre fand die ganze vergangene Woche in der Hauptstadt Brasilia statt. Präsentiert wurde unter anderem ein mit 150 Millionen brasilianischen Real (knapp 23 Mio. Euro) dotierter Aktionsplan zur Aufforstung von 137 indigenen Gebieten.

Wie der britische „Guardian“ am Donnerstag exklusiv berichtete, wird der weltgrößte Fleischkonzern JBS seine Versprechen zum Schutz des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet nicht einhalten können. Der Konzern hatte versprochen, bis Ende des Jahres seine Rindfleischlieferkette so weit zu kontrollieren, dass nur Rinder von genehmigten Weideflächen verarbeitet werden.

Ein Journalistenteam des „Guardian“, der Greenpeace-Investigativplattform Unearthed und der NGO Reporter Brasil befragte mehrere Dutzend Viehzüchter und Arbeiter in der Region. Diese sprechen JBS gar nicht den Willen ab, nachhaltig produzieren zu wollen – allerdings sei das schlicht unmöglich.

Jungrinder eingeschleust

Neben Unklarheiten, wem Weideflächen überhaupt gehören, scheint das größte Problem zu sein, dass Jungrinder, die auf nicht genehmigten Farmen geboren und dort einige Wochen aufgezogen werden, dann in Herden auf zertifizierten Farmen eingeschleust werden. Diese „Rinderwäsche“, wie das Vorgehen analog zu Geldwäsche genannt wird, sei weit verbreitet.

Von der Geburt bis zur Schlachtung werden die meisten Rinder, die im Amazonas-Gebiet gezüchtet werden, zwischen mehreren Farmen hin- und hergeschoben, wie der „Guardian“ berichtete. Vor dem Verkauf an große Fleischunternehmen wie den Weltmarktführer JBS würden sie drei Viertel ihres Lebens in indirekten Zulieferbetrieben verbringen.

Dieses System führe zu Schlupflöchern und blinden Flecken in der Überwachung. Farmen, die mit Abholzung in Verbindung gebracht werden, können von der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA mit einem Embargo belegt werden. Doch dazu braucht es Nachweise, die schwierig zu erbringen sind.

JBS-Filiale
Reuters/Diego Vara
Das brasilianische Unternehmen JBS ist der größte Fleischkonzern der Welt

JBS verweist auf Anstrengungen

JBS wies gegenüber dem „Guardian“ die Vorwürfe zurück und verwies auf die Anstrengungen des Konzerns, mit Richtlinien und Investitionen ihre Lieferkette zu überwachen. Eine begrenzte Stichprobe mit 30 befragten Züchtern sei nicht repräsentativ und „völlig unverantwortlich“, schließlich habe man über 40.000 registrierte Lieferanten.

Laut „Guardian“ habe das Unternehmen ein Netz von „grünen Büros“ eingerichtet, die Viehzüchter kostenlos beraten, wie sie den drei- bis sechsmonatigen Legalisierungsprozess ihrer Farmen einhalten können. Dazu gehören die Ausarbeitung eines Plans, um mehr Bäume zu pflanzen, sich aus umstrittenen Gebieten zurückzuziehen oder andere Umweltsanierungen vorzunehmen. In Para arbeite der Konzern zudem mit der Regierung des Bundesstaates an einem System zur Ohrmarkierung, mit dem bis 2026 alle 26 Millionen Tiere erfasst werden sollen.

Größter Rindfleischexporteur der Welt

Tatsächlich gilt die lückenlose Überwachung von Rindern von der Geburt bis zur Schlachtung als größte – auch technische – Herausforderung. Die Viehzucht im Amazonas-Gebiet befinde sich in einem Wandel, „und ein einzelnes Unternehmen kann nicht alle Herausforderungen der Branche lösen“, hieß es von JBS. Das Unternehmen steht allerdings schon seit Langem im Fokus der Kritik von Umweltschützern.

Brasilien ist der größte Rindfleischexporteur der Welt: Der Bestand umfasst insgesamt 240 Millionen Rinder, mehr als 40 Prozent davon werden im Amazonas-Gebiet gehalten. Die Rindfleischproduktion gilt wiederum als Hauptursache für die Abholzung des Regenwaldes, um den wachsenden Bedarf an Weideflächen zu decken.

Abgeholzter Regenwald im Amazonas
Reuters/Bruno Kelly
Noch immer werden gigantisch große Flächen des Regenwaldes gerodet

Zweischneidige Umweltbilanz von Lula

Präsident Lula hat sich Umwelt- und Klimaschutz ganz oben auf die Fahnen geheftet – auch weil Brasilien im November Gastgeber des Klimagipfels COP30 ist. Die Bilanz fällt allerdings zweischneidig aus. Tatsächlich ist die Regenwaldrodung im Vergleich zur Amtszeit seines Vorgängers Jair Bolsonaro zurückgegangen. So wurden etwa nur halb so viele Flächen der indigenen Bevölkerung für den illegalen Goldabbau gerodet, wie Greenpeace Anfang April berichtete.

Für Kritik sorgten allerdings im März Regierungspläne für eine vierspurige Autobahn durch den Amazonas-Regenwald zur COP-Austragungsstadt Belem. Für Klimaschützer weit besorgniserregender sind allerdings die Ölförderpläne der Regierung. Man will die großen Öl- und Gasvorkommen vor dem Amazonas-Delta nutzen – die Regierung beschloss daher heuer den Beitritt zur OPEC.