Predator �ber Griechenland
von Niels Kadritzke | 23. November 2022
Griechenland erlebt zwar einen atemberaubenden Abh�rskandal, aber der hat das Land nicht unbedingt ersch�ttert. Obwohl das Ausma� und die Umst�nde der Lauschangriffe auf Politiker, Journalistinnen und andere missliebige Personen an das Ungarn Orb�ns erinnern, ist das Aufsehen im Ausland gr��er als die Aufregung im Innern. Ministerpr�sident Mitsotakis hat durch den Skandal zwar seine Rolle als Darling der internationalen Medien eingeb��t, nicht aber seine politischen �berlebenschancen als griechischer Regierungschef. Er vertraut darauf, dass die Lebenshaltungskosten und die Energiepreise das Wahlvolk st�rker besch�ftigen als die Sorgen um die Wahrung der Privatsph�re und die Gefahren eines �berwachungsstaats. Ob Mitsotakis die Aff�re bis zu den Wahlen im n�chsten Jahr aussitzen und sich danach an der Macht halten kann, wird auch davon abh�ngen, wie die griechische Justiz ihre Unabh�ngigkeit gegen�ber einer kontrollw�tigen Regierung behaupten kann, die mehr und mehr die Z�ge eines Regimes annimmt.
Regierungschef Mitsotakis bei der Parlamentssitzung am 26. August, auf der er erkl�rte: „Kein Ministerpr�sident hat das Recht zu wissen, welche Personen der Nationale Nachrichtendienst abh�rt.“
� Thanassis Stavrakis/picture alliance/AP
Kyriakos Mitsotakis ist erstmals ernsthaft in der Bredouille. So sehen es nicht nur die politischen Gegner des griechischen Ministerpr�sidenten. Auch seine unerm�dlichen Lobhudler in den griechischen Medien werden nerv�s. Schon Ende August bescheinigte die konservative Tageszeitung Kathimerini dem Regierungschef die „schwierigste Phase seiner Amtszeit“. Drei Monate sp�ter konstatiert die Wochenzeitung To Vima in ihrem Leitartikel vom 16. November: „Es ist offensichtlich, dass der Skandal die Regierung unter uns�glichen Druck setzt, weil er ihr Prestige und ihre Glaubw�rdigkeit untergr�bt, und zwar im Inland wie im Ausland.“ Die durchaus regierungsfreundliche Zeitung muss bedauernd akzeptieren, was „die vertrauensw�rdigsten internationalen Medien“ �ber Mitsotakis schreiben: Dass er mit dem Abh�rskandal „den Fundus an �ffentlichem Vertrauen aufbraucht, den sich die Regierung in dreieinhalb Jahren hart erarbeitet hat.“
Was f�r Kyriakos Mitsotakis auf dem Spiel steht, hat die Kathimerini so beschrieben: „Ein liberaler F�hrer, der sich sehr systematisch ein internationales Profil aufgebaut hat, wird autorit�rer Praktiken beschuldigt, die einem westlichen Land nicht gut zu Gesicht stehen.“ Mit den „autorit�ren Praktiken“ sind die Lauschangriffe gemeint, die der griechische Geheimdienst EYP(1) auf Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalistinnen und Journalisten unternommen hat. In den internationalen Medien werden diese skandal�sen Praktiken bereits mit den Herrschaftsmethoden eines Viktor Orb�n verglichen – eines autokratischen Staatsf�hrers also, mit dem sich Mitsotakis gewiss nicht gemein machen will.
Die Arroganz des Unantastbaren
Tats�chlich droht der Abh�rskandal die tragende S�ule zum Einsturz zu bringen, auf die Mitsotakis seine ganze politische Karriere gebaut hat: seine erfolgreiche Selbstdarstellung als knallharter Marktwirtschaftler mit liberalem Profil und progressiven Ideen. Einer, der sich vorgenommen hat, die traditionell konservative bis rechtspopulistische Partei Nea Dimokratia zu einer „modernen“ Volkspartei zu machen und seinem Land die eingefleischten klientelistischen Attit�den auszutreiben. Ein Macher mit ethischen Grunds�tzen, ein Saubermann, der sein Land in eine strahlende Zukunft f�hrt und ihm bei den westlichen Partnern das Ansehen zur�ckerobert, das es in den Jahren der „Grexit-Krise” eingeb��t hat.
Der 54-j�hrige Kyriakos Mitsotakis hat die bisherigen Etappen seiner politischen Karriere so reibungslos absolviert, dass seine Selbstsicherheit zur Arroganz des Unantastbaren erstarrt ist. Am erstaunlichsten ist dabei, dass er sich als perfekter „Self-made Man“ inszenieren konnte. Tats�chlich ist er ein geborener „Golden Boy“, von dem alle Griechinnen und Griechen wissen, dass er es ohne seinen Familiennamen nie geschafft h�tte, binnen 15 Jahren vom Parlamentsabgeordneten zum Parteivorsitzenden (2016) und zum Regierungschef (2019) aufzusteigen.
Seit der Sohn des ehemaligen Ministerpr�sidenten Konstantinos Mitsotakis (1990-1993) mit seinem Wahlsieg vom 7. Juli 2019 das vierj�hrige Syriza-Interregnum beendet hat(2), konnte er seine Rolle so umtriebig und medienwirksam ausf�llen, dass ihm auch unabh�ngige Beobachter eine oder gar zwei weitere Amtszeiten voraussagten.
B�se Erinnerungen an den tiefen Staat
Solche Erwartungen wirken seit dem „griechischen Watergate“ – wie der twitternde Volksmund den Abh�rskandal nennt – nicht mehr so plausibel. Der Skandal hat dem Ruf des „Machers“, auf den Mitsotakis so gro�en Wert legt, einen neuen Beiklang gegeben: Der „generalstabsm��ig organisierte Staat“ (επιτελικό κράτος, epiteliko kratos), den seine PR-Leute zum Markenzeichen der Mitsotakis-Regierung gemacht haben(3), weckt b�se Erinnerungen an den „tiefen Staat“ vergangener Zeiten. Wobei das griechische Wort parakratos f�r den polizeilich-milit�risch-geheimdienstlichen Komplex steht, der das wichtigste Herrschaftsinstrument aller konservativen Regierungen bis zum Putsch der griechischen Milit�rjunta vom April 1967 war.
Das operative Zentrum des krakenhaften parakratos war der KYP („Zentraler Nachrichtendienst“), der bis 1964 von der CIA kontrolliert wurde, die auch die Geh�lter der griechischen Geheimdienstler bezahlte. Nach 1967 wurde der KYP zum sch�ndlichen Symbol f�r das sieben Jahre w�hrende Folterregime der Obristen. Der diskreditierte Name wurde erst 1986 getilgt, als die Pasok-Regierung von Andreas Papandreou per Gesetz die Bezeichnung EYP (Nationaler Nachrichtendienst) einf�hrte. Seitdem wurde der Geheimdienst dem direkten Einfluss des Milit�rs entzogen; seit 1999 stehen an der Spitze des EYP nicht mehr Ex-Gener�le, sondern Zivilisten (meist Ex-Diplomaten).
Abh�rskandale – eine lange Tradition
Staatliche Geheimdienste sind in allen politischen Systemen z�hlebige Gebilde mit ausgepr�gtem Selbsterhaltungstrieb und der Neigung, ihre technischen M�glichkeiten und operativen Spielr�ume auszuweiten. Das gilt auch f�r den „neuen“ EYP. Die alte KYP-Kartei aller „national unzuverl�ssigen“ Elemente blieb bis in die 1990er-Jahre hinein erhalten.(4) Unver�ndert blieb auch die Bereitschaft zur �berwachung der eigenen Gesellschaft im Auftrag der jeweiligen Regierung. Sowohl unter den Pasok- wie unter den ND-Regierungen waren Lauschangriffen auf politische Gegner gang und g�be. Im Zeitalter des Telefon-Festnetzes erforderte das die „Mitarbeit“ der staatlichen Fernsprechgesellschaften. Deshalb stand im Zentrum des Abh�rskandals in der ersten �ra Papandreou (1981-1989) der Name des OTE-Direktors Tombras; und das Crescendo der Lauschangriffe unter der Regierung von Konstantinos Mitsotakis (1990-1993) wurde von einem OTE-Angestellten namens Mavrikis orchestriert.
Theofanis Tombras – im Volksmund archikori�s (Erz-Wanze) genannt – hatte mit Wissen Papandreous ein umfassendes Abh�rsystem aufgebaut, um dessen politische Gegner (auch innerhalb der eigenen Partei), Journalistinnen und Unternehmer auszuforschen. Unter Konstantinos Mitsotakis nahm Christos Mavrikis – Spitzname ethniko kori�s (nationale Wanze) – seine Lauschauftr�ge von einem Vertrauensmann des Regierungschefs, dem Ex-General Nikos Gryllakis entgegen. �ber die OTE wurden mehr als 100 Pasok-Funktion�re, aber auch innerparteiliche Konkurrenten des Regierungschefs abgeh�rt. Wie Mavrikis 20 Jahre sp�ter berichtete, lie� er sogar eine Schaltung zur Villa von Mitsotakis installieren, damit dieser die Telefongespr�che des Oppositionsf�hrers Papandreou live mith�ren konnte.(5)
Im Zeitalter der Mobiltelefone und der immer raffinierteren Hackerprogramme (spyware) ist das Abh�ren f�r die Geheimdienste leichter und die Kontrolle ihrer Aktivit�ten schwerer geworden. Umso wichtiger sind gesetzliche Regelungen, um die staatliche Lauschangriffe – also die Aussetzung des Grundrechts auf eine kommunikative Privatsph�re – auf „legitime“ Zwecke zu beschr�nken und durch legislative Gremien oder regierungsunabh�ngige Organe zu kontrollieren. In Griechenland soll das 2003 etablierte „Amt f�r die Sicherung des Kommunikationsgeheimnisses“ (ADAE) verhindern, dass sich der staatliche Nachrichtendienst verselbst�ndigt oder zu einem neuen Parakratos im Dienst der jeweiligen Regierung entwickelt. Doch diese Entwicklung ist, wie der aktuelle EYP-Skandal erkennen l�sst, im Inneren des von Mitsotakis aufgebauten „Generalstaats“ bereits weit vorangeschritten. Was sich unter anderem daran zeigt, dass die in der griechischen Verfassung vorgesehenen institutionellen Kontrollen – durch den ADAE und die parlamentarischen Aufsichtsgremien – vom EYP und von der Regierung torpediert werden.
Ein griechisches Watergate
Die bislang bekannten Fakten, die den griechischen Watergate-Skandal ausmachen, sind die Spitze eines Eisbergs, dessen Ausma�e erst eine gr�ndliche Untersuchung ermitteln k�nnte. Doch schon das, was wir bis heute wissen, ist f�r die Regierung Mitsotakis au�erordentlich belastend.
Der spektakul�rste Fall ist der Lauschangriff auf Nikos Androulakis, seit Dezember 2021 Vorsitzender der drittst�rksten Partei Pasok-Kinal. Seit 2014 ist Androulakis Abgeordneter des EU-Parlaments. Der Fall Androulakis erinnert an den Abh�rskandal in der Regierungszeit des Konstantinos Mitsotakis, hat aber eine eigene sinistre Logik, die weiter unten dargestellt wird. Mindestens ebenso gravierend ist das monatelange Abh�ren der Journalisten Stavros Malichoudis und Thanasis Koukakis. Malichoudis recherchiert und schreibt vor allem �ber illegale Pushback-Aktionen der griechischen K�stenwache in der Ost�g�is, Koukakis berichtet (u.a. f�r CNN Greece und die Financial Times) �ber illegale oder unethische Praktiken in jener Grauzone, in der die vier systemischen Gro�banken ihre Deals mit der Exekutive – und zuweilen mit der Justiz – aushandeln.
In allen drei F�llen erkl�rte der EYP das Abh�ren f�r „legal“. Als Grund f�r die �berwachung von Androulakis und den Journalisten nannte der Geheimdienst eine nicht spezifizierte „Gef�hrdung der nationalen Sicherheit“. Wer diese Abh�raktionen angeordnet bzw. von ihnen gewusst hat, ist die eine Seite des Skandals, die einen Untersuchungsausschuss des Parlaments besch�ftigt hat. Aber es gibt eine zweite Seite, die noch schwerer aufzukl�ren ist: Androulakis und Koukakis waren auch das Ziel von Lauschangriffen mittels der raffinierten Spyware „Predator“ (Raubtier), die deutlich mehr kann als eine einfache Wanze. Wenn ein Smartphone-Besitzer einen per SMS verschickten Link anklickt, wird das Ger�t mit einer Spyware infiziert, die nicht nur alle gespeicherten Daten kopieren, sondern auch das Mikrofon und die Kamera des Ger�ts aktivieren kann. Damit lassen sich Gespr�che in allen R�umen aufzeichnen, in denen sich der Smartphone-Besitzer aufh�lt.
„Legales“ Abh�ren und illegale Spyware
Dass diese r�uberische Spyware sowohl auf dem Mobiltelefon von Androulakis und auf dem von Koukakis installiert war, wirft die Frage auf, ob ein Zusammenhang besteht zwischen dem Zugriff des EYP und des Zugriffs mittels Predator. F�r diese Hypothese sprach von Anfang an eine auff�llige zeitliche Verzahnung der Abh�raktivit�ten. Der Lauschangriff des EYP gegen Androulakis begann kurz nachdem im September 2021 eine Predator-Attacke gegen den Pasok-Politiker gescheitert war, weil dieser den verschickten Link nicht angeklickt hatte. Im Fall Koukakis war die Reihenfolge umgekehrt: Der Journalist wurde bereits im Sommer 2020 zehn Wochen lang vom EYP belauscht (was erst zwei Jahre sp�ter ans Licht kam). Die Abh�raktion endete damals einen Tag nachdem Koukakis – von einem Whistleblower informiert – bei der (unabh�ngigen) Aufsichtsbeh�rde f�r Kommunikationssicherheit (ADAE) einen Check seiner Ger�te beantragt hatte. Aber das Abh�ren ging weiter. Als Koukakis im Sommer 2021 erneut Verdacht sch�pfte, wandte er sich an das Citizen Lab der Universisty of Toronto, das sich auf die Analyse und Aufdeckung von Cyperspionage spezialisiert hat. Das kanadische Expertenteam fand heraus, dass das Smartphone des Journalisten ab dem 12. Juli 2021 mindestens zehn Wochen lang mit dem Predator-Programm infiziert war.(6)
Die Frage dr�ngt sich geradezu auf: „Ist es ein Zufall, dass dieselben Leute, die unter Berufung auf das ‚nationale Interesse‘ abgeh�rt wurden, auch auf der Liste der mit der Spyware Abgeh�rten auftauchen?“ So formulierte es die niederl�ndische EU-Abgeordnete Sophie in 't Veld am 4. November in Athen. Die Abgeordnete ist Berichterstatterin des PEGA-Ausschusses, den das Europ�ische Parlament eingesetzt hat, um den illegalen Einsatz von Spyware in den einzelnen EU-L�ndern aufzudecken. Am Ende einer PEGA-Inspektionsreise nach Griechenland fasste die Berichterstatterin ihre Eindr�cke �ber den Predator-Einsatz gegen Androulakis und die beiden Journalisten in dem Satz zusammen: „Alles deutet in Richtung von Leuten aus Regierungskreisen.“ Seit dieser Feststellung steht auf Grund weiterer Recherchen fest, dass mindestens 13 Journalistinnen und Journalisten mit der Spyware attackiert wurden.
Im Folgenden werden Fakten und Indizien zusammengetragen, die Aufschluss dar�ber bieten, welche Rolle gewisse „Regierungskreise“ bei den Lauschangriffen des EYP wie auch bei den angeblich „privaten“ Predator-Attacken gespielt haben. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der politischen, juristischen und moralischen Verantwortung von Kyriakos Mitsotakis. Zun�chst wird die Seite des Skandals beleuchtet, bei der die Beweislage bereits eindeutig ist: die Abh�r-Aktivit�ten des Geheimdienstes EYP.
Erst Schweigen, dann Ausfl�chte
Ein erstes belastendes Faktum ist, dass die Lauschangriffe von der Regierung wie vom EYP lange Zeit geleugnet wurden. Schon am 22. April 2022 hatten sieben internationale Organisationen, die sich um die weltweite Medienfreiheit k�mmern, Mitsotakis und EYP-Chef Kontoleon in einem offenen Brief auf den Fall Koukakis angesprochen: „Es ist zutiefst verst�rend, dass eine Agentur unter der Kontrolle des B�ros des Ministerpr�sidenten einen Journalisten ausspioniert hat, der Recherchen �ber die Korruption in der Gesch�fts- und Finanzwelt anstellte“, schrieben die NGOs und forderten Informationen �ber den Fall Koukakis.
Die Anfrage blieb drei Monate lang unbeantwortet. Mitsotakis und der EYP reagierten erst, nachdem der Pasok-Chef Androulakis am 26. Juli einen Strafantrag gegen Unbekannt gestellt hatte. Androulakis reagierte damit auf die Erkenntnis, dass er l�ngere Zeit abgeh�rt worden war, wie der technische Dienst des EU-Parlaments ermittelt hatte. Auf eine Anfrage aus der Br�sseler Justiz-Kommission antwortete Ioannis Vrailas, St�ndiger Vertreter Griechenlands bei der EU am 2. August mit einem Brief, der eine glatte L�gen enthielt: Die Abh�rt�tigkeit des EYP diene vor allem juristischen Ermittlungen bei schweren Straftaten und diese w�rden „die �berwiegende Mehrheit der F�lle“ ausmachen. In Wahrheit ist es genau umgekehrt: Nur etwa ein F�nftel der EYP durchgef�hrten Abh�raktionen erfolgen per staatsanwaltlicher Anordnung im Zusammenhang mit normalen Straftaten. Die weit „�berwiegende“ Zahl verf�gt der Geheimdienst selbst und begr�ndet sie mit einer Gef�hrdung der „nationalen Sicherheit“. Im Jahr 2021 waren das 15.475 F�lle; dagegen nur 3.097, die im Rahmen staatsanwaltlicher Ermittlungen erfolgten (die Zahl der EYP-Antr�ge ist seit Beginn der Mitsotakis-Regierung um 25 Prozent gestiegen).
Ausfl�chte und L�gen
Erst als in Athen die Opposition den EYP-Chef im Kontrollgremium des griechischen Parlaments (dem „Ausschuss f�r Institutionen und Transparenz“) in die Mangel nahm, musste Kontoleon einr�umen, dass seine Lauschabteilung die Journalisten Malichoudis und Koukakis wie auch „weitere B�rger“ abgeh�rt hatte – angeblich, um eine Gef�hrdung der „nationalen Sicherheit“ abzuwenden. Selbst bei diesem Eingest�ndnis tischte Kontoleon dem Ausschuss noch zwei L�gen auf: Erstens behauptete er, Koukakis sei „auf Ersuchen ausl�ndischer Geheimdienste“ abgeh�rt worden. Als angebliche Bittsteller nannte er die Regierungen der Ukraine und Georgiens. Die lie�en umgehend dementieren. Die L�ge war auch noch ausnehmend dumm, weil es ein Skandal f�r sich w�re, wenn sich der EYP als Auftragnehmer fremder Geheimdienste bet�tigt h�tte.
Zweitens versicherte Kontoleon, dass der Geheimdienst keine Politiker abgeh�rt habe. Als wenige Tage sp�ter der Pasok-Vorsitzende Nikos Androulakis mit Hilfe der ADAE herausfand, dass sein Telefon 2021 drei Monate lang vom EYP angezapft worden war, konnte Mitsotakis seinen Geheimdienstchef nicht mehr halten. Am 5. August forderte er Kontoleon zum R�cktritt auf, den dieser umgehend vollzog. An diesem Prozedere waren zwei Aspekte auff�llig. Mitsotakis nannte als Grund f�r den Verzicht auf seinen Geheimdienstchef nicht etwa dessen dreiste L�gen vor dem Parlamentsausschuss, sondern „fehlerhaftes Verhalten im Zuge legaler Abh�rprozeduren“. Zudem wollte er, indem er das Abh�ren des Pasok-Politikers als „legal“ qualifizierte, Kontoleon vor strafrechtlicher Verfolgung sch�tzen.
Zwei R�cktritte und ein Persilschein
Letzteres gilt auch f�r die zweite Person, die Mitsotakis opfern musste: Grigoris Dimitriadis, der als Leiter des Ministerpr�sidentenb�ros mit der Kontrolle des Geheimdienstes betraut war. Auch Dimitriadis reichte seinen „freiwilligen R�cktritt“ ein. Dimitriadis ist ohne Zweifel die Schl�sselfigur in dem ganzen Skandal; allein schon deshalb, weil er im System Mitsotakis eine Schl�sselrolle innehatte. Die PR-Abteilung des ND-Chefs hat f�r dieses System den schwer �bersetzbaren Begriff epiteliko kratos erfunden, der eine Assoziation zum Generalstab (geniko epiteleio) einer Armee oder eines Konzerns nahelegt.(7)
Grigoris Dimitriadis war in dieser „generalstabsm��ig“ organisierten Regierung der chief of staff (so der Kolumnist Michalis Tzidznis in der Kathimerini vom 8. November 2022). Zugleich geh�rt er als Neffe von Kyriakos Mitsotakis zum Familienclan, schuldet jenem somit dienstliche wie familiale Loyalit�t. Welchen Wert der Regierungschef auf diese doppelte Verpflichtung legte, zeigt die Tatsache, dass er ihn zu seinem engsten Mitarbeiter machte, obwohl er vor seiner Wahl gelobt hatte, er werde keine Verwandten in seine Regierung aufnehmen.(8) Mitsotakis konnte seinen engsten Vertrauten also opfern, ohne „Enth�llungen“ bef�rchten zu m�ssen. Im Gegenteil: Dimitriadis nannte als Grund f�r seinen R�cktritt, er wolle seinen Chef/Onkel nicht mit dem „toxischen Klima um seine Person“ belasten.
Der „toxische“ Neffe und Leiter des Ministerpr�sidentenb�ros Grigoris Dimitriadis
� George Kontarinis/picture alliance/AP
Die beiden Mitsotakis-Vertrauten, die direkt f�r Abh�rskandal verantwortlich waren, wurden also formell nicht gefeuert, sondern durften ihren „freiwilligen“ R�cktritt einreichen. Das wirkt wie eine Belohnung f�r den letzten Dienst, der ihnen abverlangt wurde: die Entlastung des Hauptverd�chtigen, der als Ministerpr�sident die politische Verantwortung f�r den EYP und seine Methoden tr�gt. Kontoleon wie Dimitriadis versicherten, der Regierungschef habe von den Lauschangriffen absolut nichts gewusst. Mitsotakis selbst erkl�rte am 8. August, er habe von dem Fall Androulakis „erst vor ein paar Tagen“ erfahren; w�re er rechtzeitig informiert worden, h�tte er dieses Vorgehen „selbstverst�ndlich niemals erlaubt“.
Diese Aussage diente demselben Zweck wie die beiden R�cktritte: Eine Firewall sollte errichtet werden zwischen dem Abh�rskandal und dem Regierungschef. Wenn dieser von dem Lauschangriff nichts gewusst hatte, konnte er erst recht nicht der Inspirator sein, wie es seine politischen Gegner unterstellten. Um alle Zweifel zu zerstreuen, versprach Mitsotakis, „volles Licht“ (apleto fos) in die Aff�re zu bringen: Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss solle f�r schnellstm�gliche Aufkl�rung sorgen.
Der lange Schatten Mitsotakis'
F�r ein Urteil �ber die Rolle von Mitsotakis sind zwei Fragen entscheidend:
- Wie glaubw�rdig ist die Beteuerung des Regierungschefs, dass er „nichts gewusst“ habe?
- Was hat die Regierung tats�chlich getan, um „volles Licht“ in die Aff�re zu bringen?
Was die erste Frage betrifft, so gibt es eine lange Kette von Indizien, die das Nichts-gewusst-Narrativ zum Einsturz bringen. Die Antwort auf die zweite Frage ist vollends vernichtend: Statt r�ckhaltloser Aufkl�rung betreibt die ND-Regierung eine systematische Verschleierung. Wenn man das „volle Licht“ auf die Aff�re richtet, wirft der Scheinwerfer einen gewaltigen Schatten, der immer deutlicher die Umrisse des Kyriakos Mitsotakis annimmt. Das legt eine dritte Frage nahe, der ich am Ende nachgehen werde: Gibt es neben den aufgedeckten F�llen noch mehr Lauschangriffe des griechischen Geheimdienstes? Oder gar systematische Abh�raktivit�ten gegen Zielgruppen – wie missliebige Medienschaffende und NGOs –, die aus Sicht des EYP und der Regierung Mitsotakis eine Bedrohung der „nationalen Sicherheit“ darstellen?
Indizien gegen den Regierungschef
Indiz Nr. 1, das gegen die „Unwissenheit“ des Regierungschefs spricht, ist der epiteliko kratos als solcher. Mit dem institutionellen Umbau, auf den der „Modernisierer” Mitsotakis so stolz ist, hat er innerhalb der parlamentarischen Demokratie, die Griechenland laut Verfassung darstellt, eine Art Pr�sidialsystem implantiert. Der Regierungschef hat in seinem Amtssitz, der Villa Maximos, eine Stabsabteilung mit einem ihm pers�nlich verbundenen Generalstabschef aufgebaut, die mit ihrer Informations- und Entscheidungsstruktur ganz auf seine Person ausgerichtet ist.(8) Die Annahme, dass der Mann an der Spitze dieses vertikalen Systems von einem hochpolitischen Vorgang – wie dem Lauschangriff des Geheimdienstes auf einen Oppositionspolitiker – keine Kenntnis gehabt haben soll, ist eine Verh�hnung des gesunden Menschenverstands.
Indiz Nr. 2 ist, dass Mitsotakis auch den Geheimdienst seiner direkten Kontrolle unterstellt hat. Die allererste Rechtsverordnung, die Mitsotakis noch am Tag seiner Vereidigung erlie�, betraf die Aufsicht �ber den EYP. Diese Kontrolle wurde mit der Verordnung 81/2019 vom 8. Juli 2019 vom Innenministerium ins Amt des Ministerpr�sidenten verlagert und dort an Grigoris Dimitriadis, den „Generalstabschef“ und absoluten Vertrauensmann von Mitsotakis �bertragen.
Ein EYP-Chef der besonderen Art
Indiz Nr. 3 ist die Person, die Mitsotakis zum EYP-Chef gemacht hat. Seine Wahl fiel weder auf einen Geheimdienst-Profi noch auf einen Ex-Diplomaten, sondern auf einen Au�enseiter namens Panayiotis Kontoleon. Der Besitzer der privaten Security-Firma G4S Greece war ihm laut Medienberichten von Dimitriadis empfohlen worden, der mit dem Security-Boss privat befreundet war.(9) Schon damals wurde ein ND-Insider mit den Worten zitiert, die Berufung Kontoleons bedeute, dass der EYP „mehr nach innen als nach au�en blickt“. Wie wichtig Mitsotakis diese Personalie war, zeigt die Tatsache, dass er die Qualifikationskriterien zugunsten seines Kandidaten manipulieren lie�. Laut Gesetz musste der Generaldirektor des EYP einen anerkannten akademischen Grad besitzen. Als sich herausstellte, dass Kontoleon diese Bedingung nicht erf�llte, lie� Mitsotakis nachtr�glich – sein Mann war schon eine Woche im Amt – von der ND-Fraktion eine r�ckwirkende Gesetzes�nderung durchpeitschen. Die sah ein weiteres, auf Kontoleon zugeschnittenes Qualifikationskriterium vor: eine mindestens 10-j�hrige T�tigkeit in der Security-Branche.
Mit Kontoleon und Dimitriadis hatte Mitsotakis ein Tandem installiert, das ihm pers�nlich verpflichtet war und eine direkte Unterrichtung �ber die geheimdienstlichen Aktivit�ten garantierte. Dass der EYP-Chef Informationen von politischer Brisanz nicht an Dimitriadis in der Villa Maximos �bermittelt haben k�nnte, ist eine ebenso wirklichkeitsfremde Vorstellung wie die Annahme, der Neffe k�nnte seinem Chef/Onkel solche Informationen vorenthalten haben.
Eine r�ckwirkende Gesetzes�nderung
Indiz Nr. 4 ergibt sich aus einer bezeichnenden Episode im Fall Koukakis. Im Sommer 2020 hatte ein Whistleblower dem Journalisten das Transkript eines seiner abgeh�rten Telefongespr�che zugespielt. Daraufhin beantragte Koukakis am 12. August 2020 bei der unabh�ngigen Watchdog-Beh�rde ADAE eine �berpr�fung seiner drei Telefone. Am selben Tag stellte der EYP das Abh�ren des Journalisten ein. Die ADAE brauchte dann Monate, um den Geheimdienst dazu zu bringen, den Lauschangriff zu best�tigen. Das geschah Anfang M�rz 2021. Danach wollte die Beh�rde den Belauschten nachtr�glich von der EYP-Aktion unterrichten – gem�� der geltenden Rechtslage, die eine solche Information vorsah, wenn sich ein Verdacht nicht best�tigt hatte.
Doch als die ADAE den Journalisten unterrichten wollte, peitschte die ND-Regierung eine Gesetzes�nderung durch, die besagte: Wenn das Abh�ren aus Gr�nden der „nationalen Sicherheit“ erfolgt ist, darf die ADAE die Betroffenen nicht informieren. Damit die neue Vorschrift auf den Abh�rfall Koukakis anwendbar war, wurde sie mit r�ckwirkender Geltung ausgestattet. ADAE-Pr�sident Christos Rammos wies zwar �ffentlich darauf hin, dass die neue Regelung gegen die griechische Verfassung wie auch gegen die Europ�ische Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europ�ischen Gerichtshofs f�r Menschenrechte (EGMR) verst��t. Doch das st�rte die Mitsotakis-Regierung nicht. Sie wollte um jeden Preis verhindern, dass Koukakis �ber den Lauschangriff unterrichtet wurde.
Die neue rechtliche Bestimmung wurde auch in diesem Fall �berfallartig durchgesetzt: als Anhang an ein ganz anderes Gesetz (zum Themenkomplex Pandemie), der dem Parlament nur f�nf Stunden vor der Abstimmung vorgelegt wurde.(10) Auf Grund der neuen Gesetzeslage bekam Koukakis von der ADAE Ende Juli 2021 den Bescheid: „Es wurde kein Vorgang gefunden, der einen Gesetzesversto� darstellt.“(11)
Was verr�t diese Episode? Die Initiative vom M�rz 2021 ging nat�rlich von der Villa Maximos aus. Das legislative Man�ver, das den Abh�rfall Koukakis versiegeln sollte, erfordert die Koordination zwischen dem EYP, dem Ministerpr�sidenten, dem Justizministerium und der ND-Parlamentsfraktion. Im vertikalen System Mitsotakis ist dies die Aufgabe des Stabschefs im Ministerpr�sidentenb�ro, also des Grigoris Dimitriadis. Auch in diesem Fall ist undenkbar, dass der Neffe ohne Wissen seines Onkels/Chefs t�tig wurde. Das logische Fazit: Der Kontrollfreak Mitsotakis war �ber den Abh�rfall Koukakis nicht nur informiert, sondern auch involviert in dem Sinne, dass er die Verschleierung per Gesetz genehmigt oder sogar veranlasst hat.
Der Lackmus-Test zum Fall Androulakis: Cui bono?
Was sagt uns das �ber den Abh�rfall Androulakis? Wenn der Regierungschef per Gesetzes�nderung daf�r Sorge trug, dass der Fall Koukakis ein Staatsgeheimnis blieb – kann man ihm dann abnehmen, dass er von dem noch brisanteren Lauschangriff des Geheimdienstes auf einen wichtigen Politiker nichts gewusst haben will? Versuchen wir eine Antwort mit dem klassischen Lackmus-Test, mit der Frage „Cui bono?“: Wer hatte vom Abh�ren des Nikos Androulakis den gr��ten Nutzen?
Androulakis war innerhalb der Pasok-Kinal der „rising star“ und einer der drei Kandidaten, die sich nach dem Tod der Vorsitzenden Fofi Gennimata am 25. Oktober 2021 um den Parteivorsitz bewarben. Der EYP-Lauschangriff fiel in die Zeit dieses innerparteilichen Konkurrenzkampfs (Ende Oktober bis Mitte Dezember 2021), bei dem Androulakis die besten Aussichten hatte. Eine der zentralen Fragen, die im Kontext der F�hrungsfrage diskutiert wurden, betraf die Regierungsbeteiligung der Pasok nach den kommenden Wahlen. F�r den Fall, dass Mitsotakis und die Nea Dimokratia keine absolute Parlamentsmehrheit erringen sollten, w�re die Pasok – als voraussichtlich drittst�rkste Kraft – der logische Partner in einer Mitte-Rechts-Koalition. Andererseits wird die Pasok auch von Tsipras heftig umworben, der einen Koalitionspartner noch dringender braucht, da eine absolute Syriza-Mehrheit nach den n�chsten Wahlen ausgeschlossen scheint.
Der abgeh�rte Pasok-Chef und EU-Abgeordnete Nikos Androulakis
� George Kontarinis/picture alliance/AP
Androulakis hatte sich zu der Koalitionsfrage nur kryptisch ge�u�ert, sein sch�rfster innerparteilicher Rivale Andreas Loverdos dagegen offen f�r ein B�ndnis mit der ND pl�diert. F�r Mitsotakis war es ausnehmend wichtig, zu wissen, wie Androulakis in der Koalitionsfrage tickte und von welchen Kr�ften innerhalb der Pasok er unterst�tzt wurde. Das Interesse des Regierungschefs, seine innenpolitischen Optionen auszuloten – oder sogar f�r Loverdos zu spionieren – ist das weitaus plausibelste Motiv f�r den Lauschangriff des Geheimdienstes. Alle anderen Theorien und Vermutungen, die von der ND und regierungsnahen Medien gestreut wurden, sollten nur von dem Hauptverd�chtigen Mitsotakis ablenken.(12) F�r dessen aktive Beteiligung spricht ein weiterer zeitlicher „Zufall“: Kaum war der Belauschte am 12. Dezember 2021 zum Pasok-Vorsitzenden gew�hlt, stellte der EYP seine Abh�raktion ein. Und das, obwohl die „Laufzeit“ der Abh�r-Bewilligung noch nicht aufgebraucht war.
Sorge um den innenpolitischen Machterhalt
Die Antwort auf die Cui-Bono-Frage lautet: Ausl�ser f�r den Lauschangriff auf Androulakis war nicht die Sorge um die „nationale Sicherheit“ – so die offizielle EYP-Begr�ndung –, sondern die Sorge des Kyriakos Mitsotakis um die Erhaltung seiner Macht. So sieht es auch die Mehrheit der Griechen und Griechinnen. Nach einer Metron Analysis-Umfrage von Ende September glaubten 65 Prozent der Befragten, dass Mitsotakis von der Abh�raktion gegen Androulakis wusste. Nur 27 Prozent nehmen dem Regierungschef seine Nichts-gewusst-Legende ab. Zwei Drittel der Befragten – und mindestens ein Drittel der ND-W�hlerschaft – gehen also davon aus, dass Mitsotakis das Parlament und die �ffentlichkeit belogen hat. Das Misstrauen gegen�ber dem Chef des epiteliko kratos spiegelt sich auch in einem anderen Ergebnis: 56 Prozent der Befragten – und noch 38 Prozent der ND-Anh�nger – sind der Meinung, dass „der Ministerpr�sident zu viel Macht in der Villa Maximos konzentriert hat“.
Noch mehr Sorgen d�rfte der Regierung die Tatsache machen, dass der Anteil derer, die Mitsotakis nicht glauben, seit dem Beginn des Skandals weiter gestiegen ist.(13) Dieser Verlust an Glaubw�rdigkeit erkl�rt sich damit, dass die Regierung ihr Versprechen einer vollst�ndigen Aufkl�rung der Abh�raff�ren nicht eingel�st hat. Im Gegenteil: Mitsotakis und die ND haben seit dem R�cktritt von Kontoleon und Dimitriadis eine derart systematische Verschleierung betrieben, dass sie einem Schuldeingest�ndnis gleichkommt.
Geheimdienst als Geheimsache
Das Prinzip dieser Strategie ist so schlicht wie grotesk. Es beruht auf der These, dass ein Geheimdienst nur dann ein Geheimdienst ist, wenn seine Aktivit�ten absolut geheim bleiben – auch gegen�ber einer verfassungs- und gesetzm��igen Kontrollinstanz wie dem zust�ndigen Ausschuss des Parlaments.
Mit dieser Begr�ndung hat Kontoleon schon am 29. Juli vor dem „Ausschuss f�r Institutionen und Transparenz“ jede Aussage dar�ber verweigert, welche konkreten Belange der „nationalen Sicherheit“ durch die belauschten Journalisten angeblich gef�hrdet waren. Vor demselben Gremium antwortete der EYP-Aufseher Dimitriadis auf die Frage, ob noch weitere Politiker oder Journalistinnen abgeh�rt wurden: „Ich bin auf Geheimhaltung verpflichtet, ich sage weder ja noch nein.“(14)
Der Regierungschef will und darf nichts wissen
Mitsotakis selbst hat die Doktrin totaler Geheimhaltung auf die Spitze getrieben, als er am 26. August vor dem Parlament erkl�rte: „Kein Ministerpr�sident hat die M�glichkeit und das Recht zu wissen, welche Personen der Nationale Nachrichtendienst abh�rt … Ich wei� es nicht. Und ich d�rfte das auch nicht wissen.“ Damit geriet Mitsotakis allerdings in Widerspruch zu seiner Beteuerung, er h�tte das Abh�ren von Androulakis niemals zugelassen, w�re er denn davon unterrichtet worden. Wenn er diese Unterrichtung f�r illegal h�lt, kann er Kontoleon kaum vorwerfen, ihn nicht informiert zu haben.
Die Theorie, dass der EYP seine Geheimnisse selbst gegen�ber den demokratischen Kontrollorganen und seinem obersten Dienstherrn geheimzuhalten habe, w�rde den Geheimdienst zu einer Black Box machen. Dann h�tte er, argumentiert der Staatsrechtler Michalis Stathopoulos, „absolute und unbegrenzte Macht, jede Person zu jeder Zeit und sogar ohne Begr�ndung zu �berwachen“. In dem Fall bliebe als einzige Instanz, die den EYP intern beaufsichtigt, ein Schreibtisch �brig, �ber den laut griechischem Geheimdienstgesetz alle Abh�rantr�ge laufen m�ssen. Hinter diesem Schreibtisch sitzt die Staatsanw�ltin Vasiliki Vlachou, die von Mitsotakis gegen viele Widerst�nde auf diesen Posten gehievt wurde.(15)
Vlachou hat auch die Antr�ge in den F�llen Androulakis, Koukakis und Malichoudis abgezeichnet. Dabei hat sie nach eigenen Aussagen lediglich �berpr�ft, ob die EYP-intern verlangten sechs Unterschriften vorliegen. Die Frage, ob die derart „legalisierte“ Anordnung mit Grundrechten kollidiert oder gegen die Verfassung verst��t, besch�ftigte die Staatsanw�ltin offenbar nicht. F�r diese These spricht auch, dass sie in ihrer Amtszeit von den Antr�gen der EYP-F�hrung nur 140 abgelehnt hat – das sind 0,4 Prozent aller „gepr�ften“ F�lle – und alle nur wegen fehlender Unterschriften.(16)
Wie diese �berpr�fung l�uft, hat der investigative Journalist Nikolas Leontopoulos bei einer Diskussion am 7. November im Athener Goethe-Institut beschrieben. Demnach landen t�glich etwa 60 EYP-Antr�ge auf Aufhebung des Fernsprechgeheimnisses im B�ro von Vlachou, und zwar jeweils zehn Minuten vor 15 Uhr, also kurz bevor das Personal nach Hause geht. Offensichtlich bet�tigt sich die Staatsanw�ltin gegen�ber dem Geheimdienst nicht als rechtsstaatliche Kontrollinstanz, sondern als notarielle Beglaubigungsstelle. Im �brigen ist Vlachou wie ihr Mentor Mitsotakis der Meinung, dass sie �ber ihre T�tigkeit niemandem Rechenschaft schuldig ist, weder dem Parlament noch der unabh�ngigen Aufsichtsbeh�rde ADAE.(17)
Kein Licht in der Dunkelkammer
Als der Fall Androulakis zum �ffentlichen Skandal wurde, hatte Mitsotakis am 8. August angek�ndigt, er werde daf�r sorgen, dass alles „voll ans Licht kommt“. Was dieses Versprechen wert war, musste sich in der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses erweisen, den Mitsotakis selbst vorgeschlagen hatte. Dieser Ausschuss hat seine Arbeit am 7. September aufgenommen und seinen Schlussbericht am 21. Oktober vorgelegt.
Erfolgreiche Aufkl�rung ist nur unter drei Voraussetzungen m�glich:
- Erstens m�ssen alle relevanten Zeugen vorgeladen und befragt werden.
- Zweitens m�ssen auch die „Geheimnistr�ger“ des EYP gegen�ber dem parlamentarischen Kontrollorgan volle Auskunft geben; falls sie sich auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen sollten, m�ssen sie von dieser Pflicht entbunden werden. Und zwar durch den Ministerpr�sidenten, der dazu gem�� Art. 14 des Geheimdienstgesetzes von 2008 befugt ist.(18)
- Drittens m�ssen dem Ausschuss alle einschl�gigen Akten und Aufzeichnungen des EYP zug�nglich gemacht werden; auch f�r diese Beweisdokumente kann der „Geheim“-Vermerk vom Regierungschef als politischer Aufsichtsinstanz aufgehoben werden.
Alle drei Voraussetzungen wurden vom Regierungslager nicht erf�llt oder sogar torpediert. Der Ausschuss, der Licht auf den Skandal werfen sollte, wurde damit zur Dunkelkammer.
Verhinderte Befragungen
Es begann damit, dass die ND-Mehrheit in dem 29-k�pfigen Gremium jede Zusammenarbeit mit den anderen Parteien verweigerte und die absolute Kontrolle �ber das Verfahren an sich riss. Sie �bernahm die Posten des Vorsitzenden, der Vize-Vorsitzenden und des Berichterstatters und konnte damit auch die Auswahl der zu befragenden Personen kontrollieren. Mit Mehrheitsbeschluss wurde auch die von den Oppositionsparteien (Syriza, Pasok, Mera 25) eingereichten Zeugenlisten zusammengestrichen. Nicht vorgeladen wurden folgende Personen, die f�r die Wahrheitsfindung unentbehrlich waren:
- Kyriakos Mitsotakis, oberster Dienstherr des Geheimdienstes;
- der zur�ckgetretene EYP-Aufseher Grigoris Dimitriadis (B�roleiter und Neffe von Mitsotakis);
- vier f�r Geheimdienstfragen zust�ndige Minister (darunter Justizminister Tsiaras);
- die f�r den EYP zust�ndige Staatsanw�ltin Vlachou, die die Lauschangriffe auf Androulakis und Koukakis genehmigt und f�r „legal“ erkl�rt hatte;
- Mitarbeiterinnen und Techniker der EYP-Abteilungen, die am Abh�rprogramm des Geheimdienstes mitwirken;
- der abgeh�rte Journalist Thanassis Koukakis;
- Tasos Telloglou und andere investigative Journalisten, die wichtige Facetten des Skandals ans Licht gebracht haben.
Die Abgeordneten konnten also weder die Hauptverd�chtigen Mitsotakis und Dimitriadis befragen, noch den Hauptbelastungszeugen Koukakis, dessen Fall explizit zu ihrem Untersuchungsauftrag geh�rte. Damit war die „Aufkl�rungsarbeit“ des Ausschusses zum Scheitern verurteilt.
Stumme Zeugen
Bei den acht Anh�rungen f�hrte der Vorsitzende bei der Befragung der insgesamt nur sieben Zeugen ein strenges Zeitregiment, das intensiveres Nachhaken der oppositionellen Ausschussmitglieder erschwerte. Die verbliebenen Zeugen verweigerten ohnehin jeden Beitrag zur Wahrheitsfindung, indem sie sich – wie der zur�ckgetretene EYP-Chef Kontoleon – auf ihre Geheimhaltungspflicht beriefen.(19)
Die schriftlichen EYP-Unterlagen zu den F�llen Androulakis und Koukakis, wurden dem Ausschuss ebenfalls vorenthalten. Themistoklis Demiris, der neue EYP-Chef, den Mitsotakis zum Nachfolger von Kontoleon bestimmt hatte, verweigerte sogar die Einsicht in die internen Regeln und Kriterien f�r die Abh�r-Anordnungen des Geheimdienstes.
Die Vorsitzenden und die ND-Mehrheit des Ausschusses gaben der rechtswidrigen Mauertaktik der Geheimdienstler ihre R�ckendeckung. Die verweigerte Einsicht in die EYP-Akten erwies sich am Ende allerdings nur als Fu�note zu einem umfassenderen Skandal. Eine Woche vor Konstituierung des Untersuchungsausschusses tauchte erstmals die Frage auf, ob die geheimnisvollen Unterlagen �berhaupt noch existierten.
Gel�schte Dateien
Am 30. August brachte die linke Tageszeitung EfSyn eine Story, die fast zu sensationell klang, um glaubhaft zu sein. Demnach war die gesamte Androulakis-Datei des EYP gel�scht worden.
Dieser EfSyn-Bericht enthielt detaillierte Informationen aus den Eingeweiden des Geheimdienstes:
- die Aktion sei von zwei hohen Geheimdienstmitarbeitern(20) angeordnet und koordiniert worden, die das besondere Vertrauen des Ministerpr�sidenten genie�en;
- alle EYP-Leute, die mit dem hei�en Material zu tun hatten, seien aufgefordert worden, ihre IronKey-USB-Sticks abzugeben, der ihnen Zugang zu der Androulakis-Datei verschaffte;
- die Aktion habe einige EYP-Chargen erheblich verst�rt; einzelne sollen sich sogar geweigert haben, an der L�schung der Dateien mitzuwirken.
Der Bericht der Zeitung beruhte ersichtlich auf dem „Geheimnisverrat“ von Whistleblowern. Das verweist auf eine Schwachstelle in der Verdunkelungs-Strategie der ND-Regierung. EYP-Leute mit rechtsstaatlichem Ethos und/oder Gewissensbissen konnten das offizielle Narrativ untergraben. Dass sich Mitsotakis dieser Gefahr bewusst war, l�sst eine spektakul�re Aktion seiner Schwester Dora Bakoyanni erkennen. Die ehemalige Au�enministerin (2006-2009) verk�ndete am 6. September, einen Tag vor der ersten Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, im Regierungsender ERT eine unverh�llte Drohung: Das Geheimhaltungsgebot zu verletzen sei ein Verbrechen; und „jeder, der das tut, wird f�r zehn Jahre ins Gef�ngnis gehen“.(21)
Nur eine innergeheimdienstliche Aff�re
Nach der ersten Meldung �ber die L�schung der Androulakis-Datei beschr�nkte sich die Regierung auf den Hinweis, es handle sich um eine „innere Angelegenheit“ des EYP. Der wiederum brachte eine Erkl�rung in Umlauf, die f�r ertappte Geheimdienste typisch ist: Das Material sei „versehentlich“ abhanden gekommen, als man das ganze EYP-Archiv in ein neues Speichersystem �bertragen wollte. Auch Ex-Geheimdienstchef Kontoleon reagierte wie erwartet: Als er im Untersuchungsausschuss am 7. September nach dem Verbleib der Daten gefragt wurde, berief er sich erneut auf seine „Schweigepflicht“.
Wie der fr�here EYP-Chef Yiannis Roubatis vor dem Untersuchungsausschuss darlegte, l�scht der griechische Geheimdienst seine digitalen Dateien in der Regel nach sechs bis neun Monaten; jedoch m�ssen schriftliche Protokolle �ber die Abh�rvorg�nge zwei Jahre lang archiviert bleiben.(22) Bei dieser Sachlage h�tte der Ministerpr�sident eine Untersuchung des Datenschwunds anordnen m�ssen. Der Staatsrechtler und ehemalige Justizminister Michalis Stathopoulos ist sogar der Meinung, Mitsotakis h�tte als oberster Dienstherr des EYP strafrechtliche Ermittlungen gegen die verantwortlichen Geheimdienstler einleiten m�ssen. (EfSyn vom 15. September 2022)
Mitsotakis tat nichts dergleichen. Er reagierte auch nicht, als der ADAE-Vorsitzende Christos Rammos am 20. September vor dem Untersuchungsausschuss best�tigte, dass die Androulakis-Dateien gezielt gel�scht worden waren. Das geschah am 29. Juli, an dem Tag also, an dem der Abgeh�rte beim ADAE die Untersuchung der Predator-Attacke beantragt hatte. Rammos zufolge kam der Befehl dazu von ganz oben. Also von EYP-Chef Kontoleon, der am selben Tag vor dem Transparenz-Ausschuss des Parlaments behauptet hatte, der EYP habe keine Politiker abgeh�rt.
Rammos berichtete weiter, bei seinen Nachfragen in Geheimdienstkreisen sei er „auf eine Mauer des Schweigens gesto�en“. Auch der neue EYP-Chef Demiris habe jede Auskunft gegen�ber der ADAE unter Berufung auf „Staatsgeheimnisse“ und auf seine Schweigepflicht verweigert. Da auch die Staatsanw�ltin Vlachou schweige, die das Abh�ren von Androulakis f�r legal befunden hatte, war nicht mehr zu ermitteln, warum der Pasok-Vorsitzenden laut EYP eine Gefahr f�r die „nationale Sicherheit“ darstellen sollte.(23)
Verfassungswidrige Omerta
Der ADAE-Vorsitzende bezeichnete das Mauern der Geheimdienstler als Affront gegen die unabh�ngige Transparenz-Beh�rde. F�r Rammos ist es unannehmbar, dass sich die EYP-Leute auf „das Staatsgeheimnis“ selbst gegen�ber einer Institution berufen, die laut Verfassung mit der Kontrolle des Geheimdienstes beauftragt ist.
Ebenso rechtswidrig ist die Omerta der EYP gegen�ber den parlamentarischen Kontrollgremien, dem st�ndigen „Ausschuss f�r Institutionen und Transparenz“ und dem ad hoc eingesetzten Untersuchungsausschuss. Das verst��t nach Ansicht prominenter Verfassungsrechtler gegen Artikel 68 der griechischen Verfassung, aber auch gegen Artikel 14 der Gesch�ftsordnung des Parlaments. Demnach d�rfe Mitsotakis von Amts wegen nicht zulassen, dass die Schweigepflicht zur Verweigerung jeglicher Aufkl�rung missbraucht wird.(24) Ein weiteres Argument f�hrt der Staatsrechtler Stathopoulos ins Feld: Da der EYP offensichtlich keine „belastenden“ Erkenntnisse gegen Androulakis gewonnen hat, k�nne er das Verweigern von Ausk�nften �ber diesen Abh�rfall nicht mehr mit Belangen der „nationalen Sicherheit“ begr�nden.
Journalist Thanasis Koukakis beim PEGA-Ausschuss in Br�ssel, 8. September 2022
� Dursun Aydemir/picture alliance/AA
Ungeachtet dessen halten Mitsotakis und die EYP-F�hrung am Prinzip der totalen Geheimhaltung fest. Und das nicht nur gegen�ber den Kontrollorganen des griechischen, sondern auch denen des Europ�ischen Parlaments. Der missgl�ckte Spyware-Angriff auf das Telefon des Europa-Abgeordneten Androulakis war dank der Arbeit des sogenannten PEGA-Ausschusses ans Licht gekommen. Diese Untersuchungskommission des EU-Parlaments ist seit April 2022 bem�ht, in allen EU-L�ndern den Missbrauch von Spyware (wie dem isralischen Abh�rsystem Pegasus) aufzudecken und juristisch zu sanktionieren.(25)
Nach Bekanntwerden der griechischen Abh�rf�lle reiste eine PEGA-Abordnung Anfang November nach Athen, um sich durch Anh�rungen ein Bild zu machen. Auch diesem EU-Kontrollgremium verweigerten sich die wichtigsten Gespr�chspartner, allen voran Mitsotakis, der Neffe Dimitriadis und die gesamte EYP-Spitze. Als einziges Regierungsmitglied lie� sich Staatsminister Giorgos Gerapetritis von den EU-Abgeordneten befragen.
Als die PEGA-Delegation abfuhr, nahm sie wenig Antworten und viele neue Fragen mit. Denn auch den Europa-Parlamentariern wurde der Zugang zu geheimen Dokumenten verwehrt, kritisierte Sophie in ‘t Veld, die niederl�ndische Berichterstatterin des Ausschusses, diese Entwicklung: „Wir werden keine Beweise finde, solange die Regierung nicht bereit ist, ihre Informationen mit uns zu teilen.“ Deshalb m�sse Mitsotakis von seinem Recht Gebrauch machen, die EYP-Zeugen von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. (News 24/7 vom 8. November 2022)
Fragen �ber Fragen
Warum tat die Athener Regierung alles, um die von ihr selbst geforderte Aufkl�rung der Androulakis-Aff�re zu verhindern? Warum hat Mitsotakis, als die L�schung der Datei bekannt wurde, keine Ermittlungen gegen die Verantwortlichen eingeleitet? Und warum hat er den EYP nicht angewiesen, die Aufkl�rungsarbeit der unabh�ngigen Kontrollinstanz ADAE, der griechischen Parlamentsaussch�sse und der PEGA-Kommission des Europ�ischen Parlaments zu unterst�tzen?
Auf solche Fragen gibt es eine plausible Antwort. Bei einer vollst�ndigen Aufkl�rung der Lauschangriffe w�rden weitere Dinge ans „volle Licht“ kommen, die f�r das System Mitsotakis noch sch�dlicher w�ren als die bisherige Schadensbilanz. Schon heute spricht die Opposition in Athen von einem „Doppelskandal“, wobei die systematische Vertuschung fast noch skandal�ser ist als die urspr�ngliche Abh�r-Aff�re. Doch offensichtlich f�rchtet sich die Regierung vor einem dritten Skandal, der die beiden ersten noch in den Schatten stellen w�rde.
Substanz und Umfang dieses Skandals sind beim jetzigen Stand der Ermittlungen erst zu erahnen. Um die „dritte Dimension“ des griechischen Watergate aufzudecken und zu vermessen, bedarf es weiterer Insider-Informationen von Whistleblowern und letztlich einer gerichtlichen Aufarbeitung des gesamten Abh�r-Komplexes. Aber eine F�lle von Indizien l�sst erkennen, das die Regierung vor allem zwei Aspekte des Skandals unter der Decke halten will. Das ist zum einen der schiere Umfang des Abh�rprogramms; zum anderen eine neue qualitative Dimension des Aussp�hens: der Einsatz der Predator-Spyware, den der EYP wie die Regierung beharrlich abgestritten haben.
Die Belauschung der 15.000
Was den quantitativen Aspekt betrifft, so sprechen die Zahlen f�r sich. Im Jahr 2021 wurden von der Staatsanw�ltin Vlachou 15.475 Abh�r-Antr�ge genehmigt, die der EYP mit der Gef�hrdung der „nationalen Sicherheit“ begr�ndete. Diese paranoid anmutende Zahl liegt f�nf Mal h�her als die Zahl der Abh�rgenehmigungen auf Antrag eines Strafverfolgungsorgans (etwa gegen mutma�liche Drogenh�ndler). Und sie ist seit seit 2019 (11.680 Bewilligungen) um 25 Prozent gestiegen.
Dass das Grundrecht auf unbelauschte private Kommunikation Jahr f�r Jahr in Tausenden von F�llen ausgesetzt wird, verweist darauf, dass auf der Abh�rliste gr��ere Personengruppen stehen, die der griechische Geheimdienst pauschal als „nationales Sicherheitrisiko“ einsch�tzt. Das gilt zum Beispiel f�r die Mitglieder der muslimischen turkophonen Volksgruppe im nordgriechischen Thrazien, die sich selbst als „t�rkisch“ bezeichnen, was nach griechischer Rechtsauffassung verboten ist.(26) Auch das Lager der bekennenden Impfgegner gilt als so verd�chtig, dass ihm der EYP seine Aufmerksamkeit schenkt.
NGOs bedrohen die nationale Sicherheit
Bei einer anderen Zielgruppe ist die staatliche Neugier kein Geheimnis. Da die Mitsotakis-Regierung die Verteidigung der griechischen Grenzen gegen die „Invasion“ der Fl�chtlinge aus Richtung T�rkei zu einer Frage der „nationalen Sicherheit“ erkl�rt hat, fallen NGOs, die den Fl�chtenden helfen, automatisch unter den �berwachungsauftrag des Geheimdienstes. Das gilt zumal f�r die Organisationen, die v�lkerrechtswidrige Pushbacks der griechischen K�stenwache aufgedeckt und dokumentiert haben.(27) �berwacht wurden und werden aber auch Sozialarbeiterinnen, die Gefl�chtete betreuen, �bersetzerinnen oder Rechtsanw�lte, die ihnen bei der Formulierung von Asylantr�gen helfen.
Ins Visier des EYP geriet sogar ein Mitarbeiter der Internationalen Organisation f�r Migration (IOM), also der UN-Agentur, die sich um die Gefl�chteten auf den griechischen Inseln k�mmert. Auch der Journalist Stavros Malichoudis, der diesen Fall am 17. November 2021 publiziert hat, wurde von den Geheimdienstlern abgeh�rt, als er auf der Insel Kos f�r die Geschichte eines aus Syrien gefl�chteten Jugendlichen recherchierte. „Woher wei� der EYP, an welchen Geschichten ein Journalist arbeitet“, fragte sich Malichoudis. „Und wichtiger noch: In wessen Interesse werden solche Informationen gesammelt, und f�r wen sind sie gedacht?“(28)
„Nein – Sie waren nicht in Samos!“
Die Antwort hat – unfreiwillig – kurz zuvor Mitsotakis selbst gegeben, als er am 9. November 2021 in der Villa Maximos eine seiner seltenen Pressekonferenzen abhielt. Dabei wurde er von der Journalistin Ingeborg Beugel gefragt, warum er die v�lkerrechtswidrige Praxis der Pushbacks von Bootsfl�chtlingen in der �g�is fortw�hrend leugne (siehe meinen Blog-Text „Die kurzen Beine des Kyriakos Mitsotakis“ vom 21. Dezember 2021). Der Hausherr Mitsotakis reagierte w�tend: Statt ihn und sein Land zu beleidigen, solle Frau Beugel lieber nach Samos fahren und dort das neu errichtete vorbildliche Fl�chtlingslager besuchen. Als die Journalistin einwarf, sie habe das Lager in Samos sehr wohl gesehen, erwiderte Mitsotakis so emp�rt wie selbstgewiss: „No, you have not been to Samos.“ Nach einem Zwischenruf Beugels beharrte er: „No, you have not been … you have not been …“, brach den Satz dann aber ab und wechselte das Thema.(29)
Hatte er zu viel ausgeplaudert? Und wie konnte er auftrumpfend behaupten, Beugel sei nicht in Samos gewesen? Die weitaus plausibelste Antwort lautet: Auch die niederl�ndische Journalistin wurde vom griechischen Geheimdienst �berwacht und belauscht. Da sie regelm��ig in internationalen Medien �ber die v�lkerrechtswidrigen Praktiken der griechischen K�stenwache schreibt, stand sie – wie Stavros Malichoudis – auf der Liste der Medienschaffenden, die der EYP als Gefahr f�r die „nationale Sicherheit“ betrachtet.
Die Geheimnisse des Predator
Welche verd�chtigen Personengruppen diese Liste umfasst, ist eines von zwei Geheimnissen, das die ND-Regierung und den EYP zu einer Koalition des Schweigens zusammenschwei�t. Unklar ist noch, wie viele und nach welchen Kriterien Parlamentsabgeordnete abgeh�rt wurden. Nachdem auch der Syriza-Abgeordnete Christos Spirtzis zum Ziel eine versuchten Predator-Attacke geworden war, stellte seine Fraktion den Antrag, alle Mobiltelefone aller Parlamentsmitglieder zu �berpr�fen, wie es im Europ�ischen Parlament geschehen ist. Da die ND-Mehrheit diesen Antrag abgelehnt hat, kann man �ber die Gef�hrdung dieser Zielgruppe nur spekulieren.
Die zweite unbeantwortete Frage lautet: Wer hat die Lauschangriffe mittels der Spyware Predator durchgef�hrt und in wessen Auftrag? Diese Frage ist seit Anfang November noch aktueller geworden, weil st�ndig neue Enth�llungen publiziert wurden. Die sind zum Teil so atemberaubend, dass man geneigt ist, das ganze mit Vorsicht zu genie�en.
�berraschende Abh�ropfer
Am 6. November publizierte die Wochenzeitung Documento eine Liste von 33 Personen, die der griechische Geheimdienst mittels der Predator-Spyware abgeh�rt haben soll. Auf der Liste stehen – wenig �berraschend – regierungskritische journalistsche Stimmen, ehemalige Minister der Regierung Tsipras und die aktuelle Syriza-Fraktionsvorsitzende, doch �berraschenderweise auch prominente Namen aus dem Regierungslager. Dazu geh�rten:
- f�nf Minister bzw. Vizeminister der Mitsotakis-Regierung, von denen Au�enminister Dendias der prominenteste ist;
- drei ehemalige Minister bzw. Ministerinnen unter Mitsotakis;
- Ex-Ministerpr�sident Antonis Samaras, Minister fr�herer ND-Regierungen und aktuell Parlamentsabgeordneter;
- Medienschaffende von ND-freundlichen TV-Sendern und Printmedien.
Zu der letzten Gruppe geh�rt der Kathimerini-Chefredakteur Alexis Papachelas, der im Athener Establishment vorz�glich vernetzt ist und deshalb eine Top-Quelle auch f�r Interna aus der Nea Dimokratia darstellt. Wie er fallen etliche Personen, deren Namen auf der Predator-Liste stehen, unter die Kategorie „Sekund�rquelle“, �ber die indirekt Informationen �ber andere abgesch�pft werden sollen. Das gilt ganz sicher f�r Kontaktpersonen des Reeders Marinakis, der als Eigent�mer einer Verlagsgruppe (mit den Traditionszeitungen Ta Nea und To Vima) und Teilhaber eines TV-Senders �ber erhebliche Medienmacht verf�gt. Sekund�rziel waren auch die Telefone der Ehefrauen von ND-Politikern, die der Predator in vier F�llen angezapft hat.
Zwei weitere Listen, die seitdem von Documento ver�ffentlicht wurden (am 12. und am 19. November) best�tigen die politische Sto�richtung der Lauschangriffe. Im Bereich Medien sind insgesamt 13 Journalistinnen und Journalisten betroffen. Was die Kreise der Regierungspartei betrifft, so galten die Predator-Attacken vornehmlich ND-Protagonisten, die aus Sicht der Villa Maximos nicht zuverl�ssig oder nicht voll berechenbar sind; etwa weil sie innerparteiliche Gegenspieler – wie Kostas Karamanlis oder Antonis Samaras – unterst�tzt haben oder noch unterst�tzen.(30)
Der Ring der Indizien und Kronzeugen wird enger
Sollten sich die Listen als authentisch erweisen, w�rden sie eine Enthemmung autokratischer Reflexe belegen, die einem uners�ttlichen Machtinstinkt oder einer Paranoia entspringen. Documento-Herausgeber Kostas Vaxevanis nennt als seine Quelle zwei Personen, die bei der �berwachung selbst „eine wichtige Rolle gespielt haben“. Noch wichtiger k�nnte die Rolle dieser Whistleblower aus dem Inneren des Geheimdienstes werden, sollten sie als Kronzeugen bei weiteren Ermittlungen durch die Justiz oder vor politischen Kontrollgremien auftreten. Vaxevanis hat sein Material bereits am 22. November an die Generalstaatsanwaltschaft �bergeben, und im Parlament haben die Oppositionsparteien das Thema erneut auf die Tagesordnung des Transparenz-Ausschusses gesetzt, der Ende November auch den Mitsotakis-Neffen vorladen will.
Bis dahin wird die Flut der Informationen weiter ansteigen und droht die Mauer der Omerta zu untersp�len. Das ist f�r die Regierung umso bedrohlicher, als vormals regierungsfreundliche Medien ins kritische Lager �bergegangen sind. Das gilt etwa f�r die Mediengruppe des Gro�reeders Marinakis, der selbst ins Visier von Predator geraten ist. Seine beiden Zeitungen Ta Nea und To Vima beteiligen sich seit Ende Oktober an den Recherchen und Enth�llungen rund um die „sch�ndliche Abh�roperation”, die „den Rechtsstaat verletzt“ und „die Fundamente der demokratischen Regierungsform untergr�bt“, wie es in einem To Vima-Leitartikel vom 16. November hei�t.
Was die Hinterm�nner betrifft, so kommt die Wochenzeitung bereits zu einem klaren Urteil: F�r sie verweisen „alle verf�gbaren Informationen“ �ber den Einsatz der Predator-Software auf Grigoris Dimitriadis und Panagiotis Kontoleon. Der Mitsotakis-Neffe und der EYP-Chef werden als „Anleiter und Souffleure“ der Spyware-Attacken dargestellt. Damit zieht eine vormals ND-freundliche Zeitung zum ersten Mal eine direkte Verbindungslinie zwischen dem Abh�rprogramm des EYP und den Lauschangriffen mittels Predator. Noch allerdings lassen die Marinakis-Zeitungen den Namen Mitsotakis aus dem Spiel. Das k�nnte sich bald �ndern. Je enger sich der Ring der Beweise und Kronzeugen um den Neffen schlie�t, desto enger wird es auch f�r dessen Onkel Kyriakos.
Predator und EYP – Indizien f�r eine intime Beziehung
Dabei muss man bedenken, wie oft die Regierung Mitsotakis ihr Predator-Narrativ bereits umschreiben musste. Anfangs hat sie die Lauschangriffe mit illegaler Spyware schlicht geleugnet, als der Fall Koukakis ans Licht kam, sah der Regierungssprecher darin nichts anderes als das „Abh�ren eines privaten B�rgers durch einen anderen privaten B�rger“. Mit den Predator-Attacken auf die Politiker Androulakis und Spirtzis war diese These nicht zu halten, zumal der Absender der SMS-Nachrichten, mit denen beide in die Predator-Falle gelockt werden sollten, derselbe war wie bei der Spyware-Attacke auf Koukakis. Die Documento-Listen machten die Erz�hlung der Regierung zur Farce. Die spricht seitdem nicht mehr von „privaten B�rgern“, stattdessen raunt sie von „dunklen Zentren“ und „fremden M�chten“, die es auf die Regierung Mitsotakis abgesehen haben.
Tats�chlich ist das „dunkle Zentrum“, von dem die Predator-Angriffe ausgingen, seit langem bekannt. Die Firma Intellexa, die das Abh�rsystem in Griechenland vertreibt und betreut, ist ein Ableger eines israelischen Unternehmens, das diese Spyware entwickelt hat. Da auch die Regierung einr�umt, dass deren Einsatz durch Privatpersonen in Griechenland illegal ist – auch wenn er nur als Vergehen und nicht als Verbrechen gilt –, h�tte man zumindest Ermittlungen gegen die Intellexa-Filiale erwarten k�nnen. Nichts dergleichen geschah. Weder die Polizei noch ein Justizorgan haben die Firma jemals bel�stigt. Es gab keine staatsanwaltlichen Ermittlungen, keine Durchsuchung der Firmenr�ume, keine Beschlagnahmung von Festplatten oder Unterlagen.
Nichts h�ren, nichts sehen, nichts wissen wollen
Die Regierung will gar nicht wissen, wer in Griechenland die illegale Spyware kauft und einsetzt, schlie�t die Journalistin Eliza Triantafillou. Sie geh�rt zum Investigativteam des Onlinemagazins Inside Story, das seit Monaten �ber die Verbindungen zwischen Intellexa und dem EYP recherchiert. Das machte den Geheimdienst offenbar so nerv�s, dass er Triantafillou und ihren Kollegen Tasos Telloglou von seinen Schlapph�ten beschatten l�sst.(31)
Auch auf der Ebene der parlamentarischen Kontrolle war Intellexa kein Thema. Die ND-Mehrheit im Untersuchungsausschuss hat mit der geschilderten Obstruktionstaktik verhindert, dass die Firmenbosse vorgeladen wurden. Auf keinen Fall durften die Verbindungen zwischen dem Spyware-Betreiber und dem griechischen Geheimdienst zur Sprache kommen.
Das Aufdecken dieser Verbindungen ist ein m�hsames Gesch�ft, weil man sich durch ein vielfach verschachteltes Firmengeflecht durcharbeiten muss, das von Griechenland �ber Zypern, Irland und Nordmazedonien nach Israel reicht. Aber im Grunde l�uft alles auf folgende Kernfrage hinaus: Welche Verbindungen gibt es zwischen der Firma Intellexa, die in Griechenland illegale Spyware vertreibt, und dem Unternehmen Krikel, das aufs engste mit dem griechischen Staat und seinen Sicherheitsorganen verbunden ist?
Zwei Gesch�ftsleute und ein Kumpel
Krikel ist aufgrund von insgesamt sieben Liefervertr�gen (davon sechs geheim) eine Art Hoflieferant f�r die griechische Polizei, der es Informations- und Kommunikationssysteme verkauft – aber auch f�r den EYP, den das Unternehmen mit Cybersecurity-Software versorgt. Der Eigent�mer von Krikel, Yiannis Lavranos, ist ein Gesch�ftsmann von h�chst dubiosem Ruf, den er sich mit Betr�gereien mittels Scheinfirmen und gef�lschten Identit�ten erworben hat.(32)
Seine engen Kontakte zur ND-Regierung verdankt Lavranos auch seinem langj�hriger Freund und Gesch�ftspartner Grigoris Dimitriadis, der seit Juli 2019 in der Villa Maximos f�r die Aufsicht �ber den EYP zust�ndig war. Ebenso enge private und gesch�ftliche Beziehungen verbinden Dimitriadis mit dem Unternehmer Felix Bitzios, der f�r Intellexa den griechischen Markt erschlossen hat. Mit dessen Hilfe etablierte die israelische Spyware-Firma, die von dem israelischen Ex-Kommandeur und -Geheimdienstler Tal Dilian aufgebaut wurde, die griechische Intellexa-Filiale. Das war im M�rz 2020; zwei Monate sp�ter erwarb Bitzios – �ber seine in Zypern registrierte Firma – einen 35-prozentigen Anteil an dem Gesamtunternehmen.
Vor seinem Einstieg in das Predator-Gesch�ft hatte Bitzios 2018 (�ber eine andere zypriotische Offshore-Firma) neun Monate lang Beraterdienste f�r Krikel geleistet. Bitzios und Lavranos haben also nicht nur gemeinsam, dass sie mit dem Neffen von Mitsotakis befreundet sind. Die engen gesch�ftlichen Verbindungen zwischen Intellexa und Krikel erlauben die Hyothese, dass es das Tandem Bitzios-Lavranos war, das die israelische Predator-Spyware �ber den „Br�ckenkopf“ Zypern nach Griechenland eingeschleust hat. Was nur mit Hilfe von Dimitriadis und dem von ihm installierten EYP-Chef Kontoleon gelingen konnte.
Ein intimes Zusammenwirken
Diese Hypothese wird durch neue journalistische Recherchen untermauert, die wir dem Investigativteam von Inside Story verdanken. Telloglou und Triantafillou pr�sentieren in ihrem j�ngsten Report gesicherte Informationen aus internen (verst�ndlicherweise nicht benannten) Quellen, die das von der Regierung gesteuerte Narrativ widerlegen. Sie weisen nach, dass sich zwischen Krikel und Intellexa – der Abh�rtechnik des EYP und der illegalen Spyware – seit dem Amtsantritt der Regierung Mitsotakis ein intimes Zusammenwirken entwickelt hat. Das gelingt ihnen, indem sie „der Spur des Geldes“ folgen. Dabei fanden sie heraus:
- Felix Bitzios war mit Krikel bereits vor 2019 durch eine gut bezahlte Beratert�tigkeit verbunden.
- Im Mai 2020, als Bitzios als Teilhaber bei Intellexa einstieg, verlegte Krikel seine Gesch�ftszentrale in R�ume, die Lavanos von Bitzios anmietete.
- Am 20. Juli 2020 gab es zwischen den beiden Unternehmen zwei seltsame Geldbewegungen. Von Intellexa wurden 155.000 Euros an Krikel �berwiesen, dieselbe Summe floss am selben Tag von Krikel an Intellexa zur�ck. In diesem Monat kaufte Intellexa die ersten Lizenzen f�r Fake-Internetadressen, �ber die Mobiltelefone mit der Predator-Spyware infiziert werden.
Unerforschte Geldstr�me
„Volles Licht“ auf die Geldbewegungen k�nnte allerdings nur eine amtliche Durchleuchtung aller Bankkonten beider Firmen erbringen. Genau das hat der Journalist Koukakis bei der Nationalen Transparenzbeh�rde (EAD) beantragt, die er im Mai 2022 wegen seines Abh�rfalls anrief. Aber die EAD (nicht zu verwechseln mit der unabh�ngigen Watchdog-Instanz ADAE) �berpr�fte lediglich die Vertr�ge und finanziellen Beziehungen zwischen Krikel und dem griechischen Staat. Die Kassenb�cher und Kontobewegungen des Unternehmens wurden nicht durchleuchtet – auf Anweisung des damaligen EAD-Chefs Angelos Binis. Damit blieben die finanziellen Transaktionen mit Intellexa im Dunkeln.(33)
Jenseits der „Spur des Geldes“ sind weitere Fakten ans Licht gekommen, die beweisen sollen, dass der EYP die Spyware von Intellexa selbst eingesetzt hat. Sie stammen von Inside Story, wie auch auch von der Wochenzeitung To Vima (vom 13. und 20. November) des Reeders Marinakis, der selbst auf die Abh�r-Liste geraten ist. Wenn diese Fakten stimmen, ist die Erz�hlung, wonach der Predator-Einsatz in Griechenland eine „private“ Aff�re sei, als Legende entlarvt.
Wie der Predator nach Griechenland kam
Die Hardware f�r illegale Predator-Spyware wurde bereits Ende 2019 in einem Geb�ude des EYP (im Athener Stadtteil Ayia Paraskevi) installiert und erprobt. Vorausgegangen waren Verhandlungen der israelischen Intellexa-Eigent�mern (Tal Dilian und Shahak Avni) mit Bitzios, Krikel-Chef Lavranos und dem neuen Geheimdienst-Chef Kontoleon.
In dem EYP-Geb�ude bildeten israelische Experten unter Leitung von Shahak Avni – „in Absprache mit Lavranos und in Kenntnis von Grigoris Dimitriadis“ (To Vima) – eine Gruppe griechischer Spezialisten aus, die der Geheimdienst aus den Abh�rabteilungen der Polizei (ELAS) rekrutierte. An der Spitze dieser Gruppe stand eine ELAS-Offizierin, die das volle Vertrauen sowohl von Lavranos wie von Kontoleon hatte. Diese Person, die innerhalb des EYP auch f�r die „legalen“ Lauschangriffe zust�ndig war, soll das Abh�ren von Androulakis auch mit der illegalen Spyware angeordnet haben. Sie soll inzwischen in den Polizeidienst zur�ckgekehrt sein und verweigert jeden Kontakt zu Medien.
W�hrend der erste „Probeeinsatz“ des Predator-Systems einer ausl�ndischen Zielperson galt, richtete Intellexa im September 2020 die ersten elf Internet-Adressen (Domains) ein, von denen die SMS-Nachrichten ausgingen, mit denen die Spyware auf den anvisierten Mobiltelefonen installiert wurde.(34) Da �ber jede Domain bis zu zehn Abh�raktionen m�glich waren, konnten jetzt immer mehr „innere“ Zielpersonen mit der Spyware infiziert werden.
Im Fr�hjahr beendete Intellexa seine Untermieter-Existenz beim EYP und erwarb einen eigenen Firmensitz auf dem Elliniko-Gel�nde im S�den Athens, von wo auch das Predator-System betrieben wurde. Der EYP soll f�r die Nutzung der Spyware einen Einstandspreis von 7 Millionen Euro gezahlt haben, zus�tzlich fielen monatlich 150.000 Euro an „laufenden Kosten“ an. Die Geldsummen f�r den Ankauf – oder auch die Miete – des Predator-Systems soll der EYP in anderen vertraglichen Gesch�ften „versteckt“ haben.
Es werde Licht
Wie kann die Wahrheit ans Licht kommen? Weitere parlamentarische Untersuchungen werden nicht viel bringen. Ende November hat der „Ausschuss f�r Institutionen und Transparenz“ eine weitere Anh�rung anberaumt, zu der die schweigenden Kronzeugen Dimitriadis, Bitzios und Lavranos vorgeladen sind. Aber die Abgeordneten werden sie nicht zu einer Aussagen zwingen k�nnen. Das kann theoretisch nur die Justiz.
Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und die Er�ffnung eines Strafprozesses sind der einzige Weg, auf dem die Medienberichte zweifelsfrei verifiziert und zu juristisch verwertbaren Informationen werden k�nnen. Diese Berichte beruhen auf vertraulichen Mitteilungen aus dem Inneren des griechischen Geheimdienstes, also von Whistleblowern, die schon viel riskieren, wenn sie mit Medien Kontakt aufnehmen. Was ihnen bl�hen kann, wenn sie identifizierbar werden, hat ihnen die ND-Regierung klar genug angek�ndigt: langj�hrige Gef�ngnisstrafen f�r den Verrat von „Staatsgeheimnissen“ und die Gef�hrdung der „nationalen Sicherheit“.
Deshalb wird viel davon abh�ngen, welche Signale von der Justiz ausgehen. Wird sie die herrschende Definition von Schweigepflicht �bernehmen – oder wird sie ihren Beitrag zur Aufkl�rung leisten und die Omerta-Strategie der Villa Maximos durchkreuzen? Wenn sie letzteres will, wird viel auf die Behandlung der Zeugen ankommen.
Zeugenschutz f�r Whistleblower
Wie Yiannis Mantzouranis, der Anwalt des Documento-Herausgebers Vaxevanis erkl�rt hat, sind drei Personen zur Aussage gegen�ber der Staatsanwaltschaft bereit, wenn sie sich voll auf das Zeugenschutzprogramm verlassen k�nnen. Die Regierung Mitsotakis hat eine EU-Richtlinie, die den Zeugenschutz verst�rken soll, trotz Mahnungen aus Br�ssel noch nicht in griechisches Recht umgesetzt. Und in einem fr�heren Prozess (Fall Novartis) haben ND-Minister anonym auftretende Zeugen als „vermummte Spitzel“ denunziert. Mantzouranis erwartet von der Generalstaatsanwaltschaft eine Zusage, dass die Whistleblower aus dem EYP umfassenden Zeugenschutz genie�en. Damit k�nnten die Ermittler auch ihre Unabh�ngigkeit von der Regierung dokumentieren.
Beim jetzigen Stand der Informationen ist die Aufarbeitung des Abh�rskandals durch die Justiz f�r die Regierung der einzige Ausweg, nachdem ihre Strategie gescheitert ist, das Thema mit dem „Freispruch“ durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss loszuwerden. Die j�ngsten Enth�llungen hat Mitsotakis als „v�llig unbelegte“ Theorien abgetan, die auf dem Justizwege zu �berpr�fen seien. Mit der Abschiebung auf das juristische Gleis kann Mitsotakis einerseits Zeit gewinnen, denn die M�hlen der Justiz mahlen in Griechenland langsamer als in allen anderen EU-L�ndern. Bei den Ermittlungen im Fall Predator ist schon jetzt die Rede von „Verz�gerungen“, weil f�r mehrere Dutzend Abh�rf�lle nur eine Staatsanw�ltin abgestellt wurde.(36) Aber andererseits werden im Lauf der Ermittlungen immer wieder brisante Aussagen an die Medien durchsickern. Und „Enth�llungen“ durch formelle Kronzeugen, die unter Eid aussagen, wird die Regierung nicht mehr ignorieren k�nnen.
Mitsotakis im Visier von Putin und Erdogan
Die bisherige Medienstrategie von Mitsotakis beruhte auf nicht besonders originellen PR-Einf�llen. In erster Linie wurden die �bermittler unangenehmer Informationen als Denunzianten und Nestbeschmutzer beschimpft. Wenn sie f�r griechische Medien arbeiteten, waren sie „fanatisiert“ oder von der Opposition instrumentalisiert. Ausl�ndische Journalistinnen wurden verd�chtigt, sie st�nden im Sold von Tsipras oder sympathisierten mit Terroristen. Als eine geachtete internationale Organisation wie Reporter ohne Grenzen/RSF ihre Kritik kundtat, wurde sie vom Regierungssprecher zu „irgendeiner franz�sischen NGO“ degradiert.
Gegen innenpolitische Kritiker und Widersacherinnen muss dagegen die nationalistische Keule her. Putin w�rde sich �ber die Beschuldigungen der Opposition freuen, t�nte der Wirtschaftsminister und Vize-ND-Chef Georgiadis. Und Mitsotakis bem�hte den t�rkischen Erzfeind, um eine Syriza-Regierung als nationales Ungl�ck darzustellen: „Herr Erdoğan verheimlicht gar nicht, dass er Herrn Tsipras gegen�ber meiner Regierung vorziehen w�rde, aber ich bin ja noch da.“ In dieselbe Rede (vor dem ND-Parteivorstand) bezeichnete der Regierungschef die gr��te Oppositionspartei als „eine Bande, die sich von der Misere n�hrt und in der politischen Gosse gedeiht“. (EfSyn vom 15. November 2022)
Der gefallene Neffe
Das Bild von der „politischen Gosse“ passt allerdings eher f�r die Sickergube des Predator-Skandals, in der die Mitsotakis-Bande zu versinken droht. Und in der Grigoris Dimitriadis, der Neffe und Chief of staff des Regierungschefs, bereits untergetaucht ist. Oder vielmehr untergetaucht wurde, weil er nicht mehr vorzeigbar war. Die neueste taktische Wendung, mit der die PR-Strategen von Mitsotakis ihre Strategie der Schadensbegrenzung retten wollen, ist die Denunziation des Neffen.
Den Zweck der �bung hat ein Kommentator der regierungsnahen Kathimerini offen dargelegt: Die Regierung Mitsotakis habe sich mit drei Jahren erfolgreicher Regierung ein bewundernswertes „politisches Kapital“ aufgebaut. Die Rettung dieses Kapitals h�nge jetzt aber nicht mehr von der „guten Arbeit“ der Regierung ab, „sondern davon, ob sie sich auf �berzeugende Weise ihres Hinterhofs entledigen kann.“
Der Hinterhof ist das dunkle Revier des Neffen, dessen wahrer Charakter von den Mainstream-Medien erst jetzt entdeckt wird. Nach dem Portr�t, das die Kathimerini von Dimitriadis zeichnet, hat sich dieser in der Villa Maximos schrittweise eine Machtposition verschafft, die ihn zum b�sen D�mon seines Onkels machte: „Der Neffe �bernahm fast die vollst�ndige Kontrolle �ber die Beziehungen des Ministerpr�sidenten zu den wichtigen Parteigr��en.“ In dem Text (vom 13. November) wird eine Stimme aus der Villa Maximos mit der Aussage zitiert, bis zum 5. August (als der Neffe das Schiff verlie�) habe sich niemand vorstellen k�nnen, dass Mitsotakis „ohne einen Dimitriadis“ regieren k�nnte: „Alle Informationen liefen �ber ihn, ebenso die Beziehungen mit dem EYP, dem milit�rischen Generalstab und der Polizei.“ Keine Ernennung erfolgte ohne ihn. Wer es mit dem Neffen verdarb, „wurde enthauptet oder landete in der K�hltruhe“. Und die wenigen Minister und Mitarbeiter von Mitsotakis, „die sich fl�sternd �ber das Wirken von Dimitriadis beschwerten, fanden sich anschlie�end vor verschlossenen T�ren“.
Dennoch: g�nstige �berlebenschancen f�r Mitsotakis
Nach dieser Darstellung hauste Dimitriadis nicht im Hinterhof der Villa Maximos, vielmehr herrschte er im Vorzimmer des Regierungschefs und kontrollierte dessen Terminkalender. Wurde der generalstabsm��ig organisierte Staat des Kyriakos Mitsotakis also in Wahrheit von einem Empork�mmling mit bonapartistischen Anwandlungen gesteuert? Und was w�rde das �ber die F�hrungsqualit�ten des Ministerpr�sidenten verraten? Die �berlebensfrage f�r Mitsotakis lautet, ob das breite Publikum eine solche Darstellung glaubw�rdig findet und sich mit der exorzistischen Vertreibung des Neffen zufrieden gibt. Und wie es reagiert, wenn sich bewahrheitet, dass der Stabschef aus der Villa Maximos heraus das ganze Abh�rsystem kontrollierte, das dem EYP neben seinen „legalen“ Aktivit�ten die „kriminellen“ Lauschangriffe mittels Predator-Spyware erm�glicht hat.
Ob Mitsotakis diesen Skandal �berstehen wird, ist aus heutiger Sicht offen. Aber wenn sich die Ermittlungen lange hinziehen und die Enth�llungen zum t�glichem Schwarzbrot werden, sind seine politischen �berlebenschancen ziemlich g�nstig. Das liegt auch an der griechischen Medienlandschaft, die trotz einiger kritischer Printmedien nach wie vor von den gro�en privaten TV-Sendern dominiert wird. Und die werden in Treue fest zu Mitsotakis stehen, schon weil sie gegen�ber dem Fiskus hoch verschuldet sind.
Die Leute haben keine Illusionen, aber andere Sorgen
Aber die Medien sind nicht an allem Schuld. Selbst wenn sie den Abh�rskandal drei Etagen h�her h�ngen w�rden, w�re das Thema nicht der gro�e Aufreger. Zwar zeigen die Umfragen, dass die griechische Bev�lkerung wenig Illusionen �ber die demokratischen Defizite ihrer derzeitigen Regierung hat. Aber solange der pers�nliche Alltag von steigenden Preisen, sinkender Kaufkraft und drohenden Energieengp�ssen gepr�gt ist, werden sich die politischen Pr�ferenzen bei den n�chsten Wahlen nicht wesentlich �ndern. Fragt man die Leute nach den gr��ten Sorgen, die sie haben, kommt die Abh�raff�re nur unter ferner liefen. Trotz dieser Aff�re und trotz anderer Skandale liegt die Nea Dimokratia in den Umfragen immer noch deutlich vor der Syrira von Tsipras und der Pasok von Androulakis. Der Vorsprung der Regierungspartei ist zwar geschrumpft, aber ihre Umfrageverluste verwandeln sich nur sehr z�gerlich in Gewinne f�r die Opposition. Das liegt auch an Politik und Image der Syriza, was aber ein anderes Thema ist.
Dennoch hat Mitsotakis ein Problem, das er vor dem Predator-Skandal nicht hatte. Selbst wenn er die doppelten Parlamentswahlen, die er f�r das Fr�hjahr 2023 plant, f�r die ND gewinnen sollte, h�tte er damit noch keine Regierung. Zum einen weil eine absolute Mehrheit aus heutiger Sicht ziemlich unwahrscheinlich ist: Selbst in einer zweiten Wahl nach dem verst�rkten Mehrheitswahlrecht (die auf die erste folgen soll, bei der noch das jetzige Verh�ltniswahlrecht gilt) m�sste die ND fast 40 Prozent der Stimmen gewinnen. Wenn sie dieses Ziel erwartungsgem�� verfehlt, ist sie auf einen Koalitionspartner angewiesen.
Der gr��te Schaden: Regierungsoption verbrannt
Aber genau den hat sich Mitsotakis mit der Abh�r-Aff�re vergrault. Wie oben dargestellt, w�re die einzige Alternative f�r die ND eine Koalition mit der Pasok. Diese Option h�tte fr�her sogar dem W�hlerwillen entsprochen, weil alle Umfragen bis zum Sommer dieses Jahres zeigten, dass zwei Drittel der Pasok-W�hlerinnen und -W�hler eine Koalition mit der ND bevorzugten, aber nur ein F�nftel die Mittelinks-Kombination mit der Syriza.
Diese Option ist mit dem Lauschangriff auf den Pasok-Vorsitzenden verbrannt. Dass Androulakis ein politisches B�ndnis mit Mitsotakis eingeht, ist unvorstellbar geworden. Und auch die Pasok-W�hler sind f�r eine Koalition mit der Abh�rpartei nicht mehr zu begeistern. Wie Mitsotakis auf diese neue innenpolitische Konstellation reagieren wird, ist derzeit nicht abzusehen. Sein politischer Spielraum wird auch davon abh�ngen, wie seine eigene Partei die Abh�raff�re verarbeitet. Wenn sich bewahrheiten sollte, dass die Villa Maximos als Abh�rzentrum fungierte, von dem aus der Stabschef von Mitsotakis sogar Minister und innerparteiliche Rivalen bespitzeln lie�, werden die alten Fronten innerhalb der Nea Dimokratia erneut aufbrechen. Dann k�nnte Mitsotakis wieder auf das Format zurechtgestutzt werden, das er mit der Eroberung der Villa Maximos hinter sich lassen wollte. Er w�re nur noch der privilegierte, verzogene und allzu ambitionierte Spro� eines kretischen Familienclans.
Anmerkungen
1) EYP steht f�r Ethnik� Ypires�a Plirofori�n (Nationaler Nachrichtendienst). Laut Eigendarstellung hat er die Aufgabe, „die Sicherheit des Landes zu gew�hrleisten und unsere nationalen Interessen zu sch�tzen“.
2) Die Nea Dimokratia und die konservativen Eliten Griechenlands, auf die sich die Rechtspartei seit Jahrzehnten st�tzen kann, sehen sich traditionell als „rechtm��ige“ Besitzer der politischen und gesellschaftlichen Macht, und entsprechend eine „linke“ Regierung als politische Abnormalit�t oder allenfalls als „Parenthese“, die so schnell wie m�glich beendet werden m�sse.
3) Zum Begriff und zur Realit�t des epiteliko kratos siehe den Blog-Text vom 29. Oktober 2019: „Moderne Zeiten in Griechenland“ (https://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=100146)
4) Als „national unzuverl�ssig“ galten nicht nur die Mitglieder und Anh�nger linker Parteien, sondern auch alle B�rgerinnen und B�rger nicht-orthodoxer Glaubensrichtung. Entsprechend existierten beim KYP Listen und Akten (fakeli) �ber alle muslimischen, j�dischen, katholischen und protestantischen Staatsangeh�rigen.
5) So Mavrikis in einem Interview mit Skai-TV vom 23. Juni 2013. Weitere Details (und eine Aufzeichnung des Mavrikis-Interviews) bietet die bietet die Website Oneman vom 17. September 2022; siehe auch EfSyn vom 29. August 2022. Eine �bersicht �ber beide F�lle (und ihre juristische Aufarbeitung) bei News 247 vom 28. Juni 2020.
6) Das Citizen Lab entdeckte das neue Predator-System als „Beifang“ bei der Verfolgung von Spuren der �lteren Spyware namens Pegasus in Afrika. Als sie das Mobiltelefon des �gyptischen Dissidenten und Journalisten Aiman Nur durchcheckten, fanden sie neben Pegagus ein zweites Programm, das der zyprischen Firma Cytrox zugeschrieben werden konnte. Mittels Internet Scanning fand das Citizen Lab heraus, dass die neue Spyware in vielen anderen L�ndern, darunter Griechenland, verbreitet war. Siehe: "Pegasus vs. Predator", Citizen Lab, 16. Dezember 2021.
7) Zu den Eigenheiten des von Mitsotakis errichteten „Macherstaates“ siehe meinen Blog-Text „Moderne Zeiten in Griechenland“ vom 29. Oktober 2019.
8) Damit hatte Mitsotakis den Schritt von der Vettern- zur Neffenwirtschaft vollzogen. Siehe dazu meinen Blog-Text „Neuer Wein in alten Schl�uchen?“ vom 16. Juli 2019.
9) Kontoleon hat seine private Beziehung zu Dimitriadis gegen�ber dem Untersuchungsausschuss best�tigt. Der neue EYP-Chef hatte seine berufliche Laufbahn bei dem US-Sicherheitsunternehmen Wackenhut und war u.a. f�r die Bewachung der Athener US-Botschaft eingesetzt. Weitere Details in meinem Text „Moderne Zeiten in Griechenland“ vom 29. Oktober 2019.
10) Es handelte sich um die �nderung von Art. 5, � 9 des Gesetzes 2225/1994. Zwischen der Vorlage dieses Zusatzantrags und der Verabschiedung des Gesetzespaketes lagen nur f�nf Stunden. Dabei ist von gro�er Ironie, dass nicht nur die ND-Fraktion, sondern auch die Pasok-Abgeordneten eine Gesetzes�nderung abnickten, die alsbald auch ihren Vorsitzenden Androulakis betreffen sollte.
11) Siehe die ausf�hrliche Darstellung (in Englisch) von Thodoris Chondrogiannos auf der Website govwatch.gr vom 3. Mai 2022.
12) Der rechtspopoulistische ND-Vizechef und Wirtschaftsminister Georgiadis mutma�te, dass hinter der ganzen Aff�re die T�rkei steckten k�nnte. Auch Mitsotakis sprach von „zwielichtigen Kr�ften au�erhalb Griechenlands“, die das Land „destabilisieren“ wollten.
13) Bei zwei Umfragen im August (GOP und Metron Analysis) waren erst 60 Prozent �berzeugt, dass Mitsotakis informiert war.
14) Nach Informationen der EfSyn vom 2. September 2022. Die Formulierung vertr�gt sich nicht mit der von Regierungsseite in die Medien lancierten Behauptung, wonach die rechte Hand von Mitsotakis „keinerlei Beziehung zum Fall Androulakis hatte“ (To Vima vom 5. August 2022).
15) Nach einem Bericht in EfSyn vom 1. September 2022 war Frau Vlachou „die pers�nliche Wahl des Ministerpr�sidenten“ und unterh�lt einen „stets offenen Kommunikationskanal“ mit der Villa Maximos.
16) So schilderte es Vlachou selbst gegen�ber dem Transparenz-Ausschuss des Parlaments (EfSyn vom 2. September 2022). Zahlentabellen �ber die Abh�rantr�ge in einem Text des Juristen Kostas Papadakis, der die griechischen Gesetzeslage differenziert darstellt (EfSyn vom 20. August 2022).
17) Diese „Rechtsmeinung“ haben sowohl der ADAE-Vorsitzende Rammos als auch mehrere Staatsrechtler zur�ckgewiesen (EfSyn vom 20. und 21. September 2022). Inzwischen verstieg sich Vlachou sogar zu der Aussage, selbst die Staatspr�sidentin m�sse abgeh�rt werden, wenn sie nach Ansicht des EYP des nationalen Verrats verd�chtig ist (EfSyn und Kathimerini vom 26. Oktober 2022).
18) Siehe die Erl�uterungen von Xenofontas Kontiadis, Professor f�r �ffentliches Recht (EfSyn vom 2. September 2022).
19) Kontoleon antwortete auf die Frage, welche Belange der „nationalen Sicherheit“ angeblich durch Androulakis und die belauschten Journalisten gef�hrdet waren, das Amtsgeheimnis verbiete ihm, �ber konkrete F�lle zu sprechen (News 24/7 vom 15. September 2022).
20) Die Namen dieser beiden Mitsotakis-Vertrauten im Geheimdienst sind der Zeitung bekannt, werden aber nur mit ihren K�rzeln D.M. und A.L. angegeben.
21) Aus Angst vor Whistleblowern hatte die ND-Regierung bereits eine S�uberung des EYP von „unzuverl�ssigen“ Elementen vorgenommen. Im Dezember 2021 wurden per Rechtsverordnung mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht zum konservativen Lager gez�hlt wurden, in andere Beh�rden versetzt, die meisten davon in den Polizeidienst (EfSyn vom 31. August 2022).
22) Siehe den Abschlussbericht (auf griechisch) der Syriza-Abgeordneten im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, datiert vom 10. Oktober 2022, in dem die Abh�r-F�lle detailliert dargestellt sind.
23) Ausf�hrliche Berichte �ber die Aussagen des AEAD-Vorsitzenden Rammos auf der Nachrichten-Website News 24/7 vom 21. September und bei EfSyn vom 22. September 2022.
24) Siehe die Argumentation des Verfassungsrechtlers Evangelos Venizelos (ehemals Au�enminister und Vize-Ministerpr�sident) vor der Rechtsanwaltskammer Athen (EfSyn vom 15. September 20022), oder die des Staatsrechtlers Xenofondas Kontiadis (EfSyn vom 30. September 2022). Weitere Stellungnahmen juristischer Experten in EfSyn vom 2. September 2022.
25) Der Ausschuss ist nach der Pegasus-Spyware benannt; zu Konstituierung und Aufgabenstellung siehe: https://www.europarl.europa.eu/committees/en/pega/about
26) Dieses Verbot (das zum Beispiel zum Verbot von Vereinen f�hrt, die das Wort „t�rkisch“ im Namen f�hren) widerspricht der Rechtsprechung des Europ�ischen Gerichtshofs f�r Menschenrechte (EGMR), der ethnischen Minderheiten das Recht auf „self-nomination“ zuspricht.
27) Siehe schon EfSyn vom 13. November 2011. Siehe auch den L�nder-Report von Reporter ohne Grenzen /RSF vom 28. M�rz 2022. Wie stark der EYP auf das Feindbild der NGOs fixiert ist, zeigt eine klandestine Operation, die der Geheimdienst im Sommer 2020 gegen Organisationen wie Watch the Med und Mare Liberum unternommen hat. Ziel der Operation war, den Fl�chtlingshelfern „Beihilfe zum Transfer von Migranten und Fl�chtlingen von der T�rkei nach Lesbos“ mittels "illegaler Methoden und Prozeduren“ nachzuweisen und sie vor Gericht zu bringen. Das ist bis heute nicht geschehen. Siehe dazu meinen Blog-Text vom 21. Oktober 2020: „Nach Moria: Zur Lage der Fl�chtlinge, nicht nur auf Lesbos“.
28) Der Erfahrungsbericht von Malichoudis wurde am 17. November 2021 von der griechischen Gruppe Reporters United publiziert, die Teil des „Investigate Europe“-Netzwerks ist.
29) Die Szene ist in einem Youtube-Clip festgehalten; der Wortwechsel �ber Samos beginnt bei 3:30 min. Dabei ging Mitsotakis von der Information aus, dass Beugel dass Lager Samos nach der offiziellen Er�ffnung nicht besucht hatte, w�hrend sich die Journalistin auf ihren Besuch vor der Er�ffnung bezog.
30) Auf der Documento-Liste vom 12. November taucht neben vier Mitgliedern der aktuellen Regierung auch der stellvertretende EYP-Chef Vassilis Grizis auf. Zu den belauschten Medienschaffenden siehe auch den Report von Reporter ohne Grenzen/RSF vom 16. November 2022.
31) Die Beschattung Teloglous durch leibhaftige EYP-Agenten setzte ein, als der Journalist bei Treffen mit seinen Quellen auf sein Mobiltelefon verzichtete, �ber das er geortet werden konnte. Siehe seinen Text f�r die Heinrich-B�ll-Stiftung Athen (auf griechisch); siehe auch den Bericht von Reporter ohne Grenzen/RSF vom 18. November 2022.
32) Zur dubiosen Karriere des Unternehmers Lavranos siehe EfSyn vom 12. November 2011. Weitere Details in To Vima vom 11. November 2011.
33) So die Auskunft von Alexandra Rogakou, der Nachfolgerin von Binis an der Spitze der EAD, vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments. Siehe Inside Story vom 15. November 2022.
34) Insgesamt wurden von Intellexa 42 griechische Domains eingerichtet, siehe die Liste bei Inside Story vom 14. April 2022. Der T�uschungseffekt der Lock-SMS beruhte auf der �hnlichkeit mit existierenden Internetadressen (zum Beispiel: efsyn.online statt efsyn.gr).
35) Ein weiterer Staatsanwalt ist ausschlie�lich mit dem Fall Androulakis befasst; zun�chst war noch ein dritter vorgesehen, der inzwischen mit anderen Aufgaben betraut wurde (Kathimerini vom 14. November 2022).