FREEDOM DAY
Boris Johnsons Plan für „ein Leben mit Covid“
Von Stefanie Bolzen
Korrespondentin
Ab dem 1. April sollen in Großbritannien „Menschen mit Covid-19-Symptomen
Eigenverantwortung übernehmen“. Die Verpflichtung zur Selbstisolation wird
beendet. Premierminister Boris Johnson sagte, wegen der hohen Impfquote könne
Corona künftig wie eine Grippe behandelt werden.
Quelle: WELT
AUTOPLAY
Statt auf Corona-Vorschriften setzt der britische Premier jetzt auf die Eigenverantwortung der
Bürger. Herdenimmunität in Kombination mit der hohen Impfrate sollen künftig vor
Ansteckungen mit dem Virus schützen. Experten halten den Schritt für verfrüht.
D er Geist von Windsor wehte am Montagnachmittag im Unterhaus, als Boris
Johnson den Abgeordneten das Ende aller Corona-Maßnahmen verkündete. Kaum 24
Stunden zuvor hatte der Palast mitteilen müssen, dass die 95-jährige Königin positiv auf
das Virus getestet worden war.
Elizabeth II. habe aber nur milde Symptome und werde daher weiter „leichte Aufgaben“
ausführen, hieß es. Auch ihr wöchentliches Telefonat mit dem Premier werde sie wohl
wahrnehmen, aus dem Homeoffice in Windsor Castle. Keep calm and carry on, wie die
Engländer sagen.
Mit dieser Grundphilosophie erklärte der britische Premier auch seinen Schritt, dass es
nun Zeit sei für das Verantwortungsbewusstsein der Bürger und nicht mehr für Corona-
Vorschriften. Herdenimmunität in Kombination mit der hohen Impfrate seien ab jetzt der
wichtigste Schutz, zumal angesichts der milderen Omikron-Verläufe.
„Der heutige Tag markiert einen Moment des Stolzes nach einer der schwierigsten Zeiten
in der Geschichte unseres Landes, indem wir beginnen zu lernen, mit Covid zu leben“, so
Johnson.
Bereits ab diesem Donnerstag ist es deshalb nur noch eine Empfehlung, nach einem
positiven Corona-Test wie bis dato fünf Tage in häuslicher Isolierung zu bleiben. Die
Pflicht zur Quarantäne fällt weg. Damit ist England die erste Nation Europas, die eine
gesetzliche Pflicht zur häuslichen Isolierung nach einem positiven Corona-Test aufhebt.
Johnson ging noch einen großen Schritt weiter. Die bisher im Vereinigten Königreich
kostenlos per Internet oder in Apotheken erhältlichen Schnell- und PCR-Tests werden
Anfang April abgeschafft. Damit nimmt London gezielt in Kauf, dass wesentlich weniger
Bürger überhaupt wissen, ob sie eine Covid-Infektion haben.
Nur Menschen über 80 Jahre oder mit Vorerkrankungen bekommen die Tests weiter
kostenlos, genau wie der staatliche Gesundheitsdienst National Health Service. Johnson
zufolge kostete die freie Ausgabe der Tests britische Steuerzahler im Januar 2022
umgerechnet 2,2 Milliarden Euro. Auch die Covid-Kontaktverfolgung wird ab April
eingestellt, ebenso das Corona-Krankengeld.
Während die Entscheidung des Premierministers in seiner Tory-Partei auf Beifall
trifft, kritisieren Opposition und Gesundheitsexperten sie heftig. Wales’ Ministerpräsident
Mark Drakeford (Labour) nannte das Streichen kostenfreier Tests „verfrüht und
rücksichtslos“.
Kurz bevor Premier Johnson die letzten Maßnahmen aufheben will, hat sich die
Queen (95) mit Corona infiziert. „Es ist bekannt, dass die Königin dreimal geimpft
worden ist“, berichtet Großbritannien-Korrespondent Arndt Striegler. Dennoch sei die
Sorge um die Monarchin groß.
Quelle: WELT / Fanny Fee Werther
67 führende britische Wissenschaftler warnten Johnson und seine Chefberater in einem
offenen Brief, dass das Aufheben aller Maßnahmen und der Testungen „mit großer
Sicherheit die Verbreitung des Virus erhöht, während zugleich die Sichtbarkeit
bedenklicher neuer Mutationen wegfällt“.
Johnsons „Sage“-Beratergremium habe erst kürzlich festgestellt, dass „eine höhere
globale Verbreitung von Sars-CoV-2 mehr Möglichkeiten viraler Evolution ergibt und
neue Variationen zugleich eine höhere Verbreitung auslösen können“. Es gebe keinen
Anlass für die Annahme, dass künftige Mutationen in jedem Fall milder ausfallen, heißt es
in dem offenen Brief.
81 Prozent der Erwachsenen im Vereinigten Königreich haben bereits
eine Auffrischungsimpfung erhalten. Gesundheitsminister Sajid Javid kündigte am
Montag an, dass über 75-Jährige, Menschen in Altenheimen und mit geschwächtem
Immunsystem sechs Monate nach ihrer Auffrischung eine zweite Booster-Impfung
bekommen.
Schottland, Nordirland und Wales sind in Gesundheitsfragen autonom, folgen Londons
Maßnahmen aber gewöhnlich mit Zeitverzug. Sowohl die Zahl der Infektionen als auch
die von Menschen mit schweren Verläufen sinkt kontinuierlich. Ebenso geht die Zahl der
an Corona Verstorbenen zuruck.
Aus “die Welt” vom 21.02.2022
TV-ANSPRACHE
Putin erkennt Separatisten-Gebiete als
unabhängig an – und stellt Staatlichkeit der
Ukraine infrage
Stand: 21:02
Russlands Präsident Wladimir Putin tritt überraschend vor die Kameras und hält eine Ansprache im russischen
Fernsehen. Sehen Sie seine Erklärung hier.
Quelle: WELT
AUTOPLAY
Russlands Präsident Wladimir Putin erkennt die selbst ernannten Volksrepubliken
Donezk und Luhansk an. In einer Rede bezeichnete er die Ostukraine zudem als
historisch russisches Gebiet. Zuvor hatte ihn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor
einer Anerkennung gewarnt.
D er russische Präsident Wladimir Putin hat die beiden Regionen Luhansk und
Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige „Volksrepubliken“ anerkannt. Der
Kremlchef unterzeichnete am Montag nach einem Antrag der Separatisten ein
entsprechendes Dekret, wie das Staatsfernsehen zeigte.
Putin hatte das Dekret Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem französischen
Präsidenten Emmanuel Macron in einem Telefonat angekündigt, berichtete die russische
Nachrichtenagentur Ria unter Berufung auf die russische Regierung zuvor. Beide hätten
enttäuscht regiert, teilte die Präsidialverwaltung in Moskau mit.
Scholz hatte Putin am Montagnachmittag vor einer Anerkennung der Unabhängigkeit der
selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk gewarnt. In dem Gespräch mit
Putin habe Scholz derartige Pläne verurteilt, erklärte Regierungssprecher Steffen
Hebestreit. Ein solcher Schritt wäre demnach „ein einseitiger Bruch“ der Minsker
Abkommen zur friedlichen Beilegung des Konflikts in der Ostukraine.
Die „Volksrepubliken“ und das russische Parlament hatten zuvor Putin aufgefordert, die
Unabhängigkeit anzuerkennen. Der russische Sicherheitsrat hatte bei einer Sondersitzung
die Anträge mit großer Mehrheit unterstützt.
Bei der Fernsehansprache am Montagabend stellte Putin auch die Staatlichkeit der
Ukraine als Ganzes infrage. Der Kremlchef bezeichnete die Ukraine als einen durch
Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffenen Staat. Die
Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der „Dekommunisierung“, sagte
Putin mit Blick auf die Abschaffung der Überreste des Kommunismus. „Wir sind bereit,
der Ukraine zu zeigen, was eine echte Dekommunisierung ist.“
Die Ukraine habe nie eine „echte Staatlichkeit“ gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert,
sagte Putin. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen – unter den
Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten. Korruption und
Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-
Sowjetrepublik besser gehe. Putin bezeichnete den Osten der Ukraine als historisch
russisches Gebiet. Die Ukraine sei ein integraler Bestandteil der eigenen Geschichte.
Aus “die Welt” vom 21.02.2022
WIRTSC HAFT: BIS WINTERENDE
Regierung schätzt, dass Deutschland ohne
russisches Gas auskommt – wenn es nicht kalt
wird
34 Prozent seines Rohöls bezieht Deutschland aus Russland Beim Erdgas
liegt der Anteil bei 50 Prozent. Das könnte die Bundesrepublik bei einem
Krieg in der Ukraine zum Verhängnis werden, warnt das Ifo-Institut.
Quelle: WELT / Lea Freist
AUTOPLAY
Sogar, wenn Russland die Erdgas-Lieferungen vollständig einstellen würde,
käme Deutschland durch den Winter. Das habe die Regierung berechnet,
heißt es in einem Medienbericht. Die Prognose halte aber nur, wenn es
keinen längeren Kälteeinbruch gebe.
D ie Sorgen der Bundesregierung vor einem Versorgungsengpass bei Erdgas sind
offenbar gesunken. Nach aktuellen Berechnungen dürfte Deutschland voraussichtlich
selbst dann über den Winter kommen, wenn Russland seine Erdgaslieferungen komplett
einstellen würde, berichtete der „Spiegel“ am Montag aus Regierungskreisen. Die
restlichen Vorräte der deutschen Speicher sowie das Flüssiggas, das sich über
Kurzzeitverträge einkaufen lasse, würden ausreichen, um die Versorgung sicherzustellen.
Voraussetzung sei, dass die Temperaturen in etwa im langzeitlichen Durchschnitt lägen,
hieß es weiter. Bei einem länger anhaltenden Kälteeinbruch gelte dieses Szenario
nicht. Gegenüber WELT AM SONNTAG hatten Experten kürzlich prognostiziert, dass
ein kurzfristiges Ersetzen von Energie aus Russland, etwa nach einer Eskalation des
Ukraine-Konflikts, nur schwer bis gar nicht möglich wäre.
Die Versorgungslage am deutschen und europäischen Gasmarkt ist derzeit stark
angespannt. Nach Berechnungen des Branchendienstes S&P Global Platts, die dem
„Spiegel“ vorlagen, hat Russlands Hauptexporteur, der Staatskonzern Gazprom, 2021 nur
knapp 130 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa geliefert. Dies seien rund 31 Prozent
weniger als durchschnittlich in den fünf Jahren davor. Anfang 2022 seien die Lieferungen
sogar noch etwas zurückgegangen.
Nach allem, was bekannt sei, erfülle Gazprom zwar seine langfristigen Lieferverträge,
verkaufe aber anders als sonst kein zusätzliches Gas am Spotmarkt, berichtete das
Magazin weiter. Nach aktuellen Zahlen des europäischen Verbandes Gas Infrastructure
Europe betrage die Füllmenge der deutschen Gasspeicher derzeit noch rund 31 Prozent.
Aus “die Welt” vom 21.02.2022
RUSSLAND-UKRAINE-KRIEG :"WLADIMIR
PUTIN WILL
DIE VÖLKERRECHTSORDNUNG UMDEUTEN"
Interview: Markus Sehl
Olaf Scholz sagt, Russland handle völkerrechtswidrig. Was bringt das, wenn
Putin sich mit Gewalt darüber stellt? Das erklärt die Völkerrechtlerin Hannah
Birkenkötter.
28. Februar 2022, 12:11 Uhr
In seiner Bundestagsrede am Sonntag nannte Bundeskanzler Olaf
Scholz das Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin
beim Angriff auf die Ukraine einen "infamen Völkerrechtsbruch",
der eine Zeitenwende markiert. Rechtswissenschaftlerin Hannah
Birkenkötter erklärt die Grundprinzipien des Völkerrechts. Sie
forscht derzeit am Instituto Tecnológico Autónomo de México
und ist assoziierte wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl
für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr
Forschungsschwerpunkt liegt im Völkerrecht.
ZEIT Campus: Warum ist das Völkerrecht in einem Moment wichtig, der eher
von Gewalt als von Recht geprägt zu sein scheint?
Hannah Birkenkötter: Das Völkerrecht ist das Recht, das grundlegend das
Zusammenleben von Staaten in einer internationalen Gemeinschaft regelt. Die
heutige Völkerrechtsordnung besteht seit rund 75 Jahren; ein Grundpfeiler ist das
allgemeine Gewaltverbot. Der Angriff ist also nicht nur moralisch zu verurteilen,
sondern er verstößt auch gegen fundamentale Grundprinzipien des Völkerrechts.
ZEIT Campus: Was sind diese Grundprinzipien? Und wie unterscheidet sich das
Völkerrecht von nationalem Recht?
Birkenkötter: Neben dem allgemeinen Gewaltverbot gibt es verschiedene Regeln,
die Staaten untereinander vereinbaren. Zu den Grundregeln des Völkerrechts
gehören zum Beispiel das Prinzip der territorialen Unversehrtheit, aber auch
menschenrechtliche Regeln, wie das Folterverbot oder das Verbot der
Diskriminierung von Minderheiten. Also Grundüberzeugungen, nach denen Staaten
miteinander interagieren.
ZEIT Campus: Wie unterscheidet sich das Völkerrecht von nationalem Recht?
Birkenkötter: Es gibt einen wesentlichen Unterschied zu nationalem Recht.
Deutsche Gesetze und Gerichtsurteile gegenüber Bürger:innen werden von der
Staatsgewalt durchgesetzt. Wenn jemand einen Raub begeht, kann sie oder er
festgenommen werden und vor Gericht und dann im Gefängnis landen. Im
Völkerrecht aber gibt es keinen übergeordneten Superstaat oder eine Art
Weltpolizei, die Konflikte entscheidet und Recht durchsetzen kann. Die Staaten
müssen auf der Weltbühne miteinander versuchen, ihre selbst verordneten
völkerrechtlichen Regeln durchzusetzen. Deshalb ist es wichtig, den russischen
Angriff völkerrechtlich zu verurteilen, wie etwa auch Scholz es getan hat.
ZEIT Campus: Wo finden sich diese Regeln des Völkerrechts?
Birkenkötter: Heute steht Völkerrecht vor allem in Verträgen zwischen Staaten.
Das Gewaltverbot steht zum Beispiel in der Charta der Vereinten Nationen. Das ist
ein völkerrechtlicher Vertrag, den 193 Staaten unterzeichnet haben. Es gibt
unzählige multilaterale Abkommen, also Abkommen, die gleich eine ganze Reihe
von Staaten miteinander geschlossen haben. Wichtige Verträge sind neben der
Charta der Vereinten Nationen zum Beispiel die UN-Menschenrechtsabkommen
oder der Atomwaffensperrvertrag. Und es gibt auch noch eine gelebte
Völkerrechtspraxis, also ein Gewohnheitsrecht, wie Staaten miteinander umgehen.
Das Gewaltverbot ist nicht nur vertraglich verankert, sondern ist auch
gewohnheitsrechtlich anerkannt. Auch Staaten, die nicht die Charta der Vereinten
Nationen unterschrieben haben, müssen sich an diesen Grundsatz halten. Es ist
sozusagen doppelt abgesichert, als Grundprinzip des Völkerrechts.
ZEIT Campus: Welche Regeln werden durch den Angriff auf
die Ukraine verletzt?
Birkenkötter: Über das Gewaltverbot haben wir bereits gesprochen. Staaten sollen
gewaltfrei miteinander auskommen und keine fremden Staatsgebiete angreifen oder
besetzen. Sie sollen die territoriale Integrität anderer Staaten achten. Beides steht so
ausdrücklich in der Charta der Vereinten Nationen, die auch Russland und die
Ukraine unterschrieben haben. Der militärisch bewaffnete Angriff Russlands auf
die Ukraine verstößt gegen das Gewaltverbot und gegen das Prinzip der
territorialen Integrität. Jetzt befinden sich Russland und die Ukraine in einem
bewaffneten Konflikt. Hier gelten nun die Regeln des humanitären Völkerrechts.
An diese Regeln müssen sich beide Seiten halten. Eine wichtige Regel des
humanitären Völkerrechts sagt, dass die Zivilbevölkerung in bewaffneten
Konflikten geschützt werden muss. Sie darf nicht gezielt angegriffen werden.
Außerdem sind bestimmte besonders destruktive Waffen verboten und es gibt
Regeln, wie mit gegnerischen Truppen umzugehen ist. Dabei muss die
Menschenwürde gewahrt bleiben.
ZEIT Campus: Putin hat sich in seinen Reden auf Ausnahmen zu diesem
Gewaltverbot berufen, was hat es damit auf sich?
Birkenkötter: Gegen einen Angriff eines anderen Staates darf sich ein Land
verteidigen. Nach allem, was ich aus den Medien erfahre, kann ich keine
Anhaltspunkte erkennen, die darauf schließen lassen, dass die Ukraine Russland
angegriffen hätte. Russland beruft sich darauf, einem unmittelbar bevorstehenden
Angriff der Ukraine zuvorgekommen zu sein. Auch dafür sehe ich wenig
Anhaltspunkte, unabhängig davon, dass die meisten Völkerrechtler:innen eine
solche Theorie der "präemptiven Selbstverteidigung" ablehnen. Auch eine
russische Intervention auf Einladung liegt nicht vor. Die Separatistengebiete
durften Russland nicht zu einem Eingriff völkerrechtlich aufrufen, denn sie sind
keine völkerrechtlich unabhängigen Staaten. Daran ändert die einseitige
Anerkennung durch Russland nichts. Vielmehr war diese Anerkennung selbst
völkerrechtswidrig. Eine humanitäre Intervention, etwa bei einem Genozid, kommt
ebenfalls nicht in Betracht und ist außerdem völkerrechtlich als Angriffsgrund auch
sehr umstritten.
ZEIT Campus: In seiner Rede geht Putin auch auf Interventionen des Westens in
der Vergangenheit ein…
Birkenkötter: Ja, das macht seine völkerrechtliche Argumentation aber besonders
fragwürdig. Er spricht völkerrechtliche Interventionen des Westens in Libyen,
Syrien und im Irak an. Was er damit implizit zu sagen versucht: Weil andere
Staaten gegen Völkerrecht verstoßen haben, darf Russland das jetzt auch. Das ist
ein grundsätzliches Missverständnis, so funktioniert Recht nicht. Wenn mir etwas
gestohlen wird, dann folgt daraus nicht, dass ich jetzt jemandem auch etwas stehlen
darf. Ein Rechtsverstoß kann nicht dadurch geahndet werden, dass ein weiterer
Rechtsverstoß begangen wird.
ZEIT Campus: Welche Konsequenzen haben Verstöße gegen das Völkerrecht?
Birkenkötter: Ein Staat, der durch einen Völkerrechtsverstoß verletzt wurde, darf
Gegenmaßnahmen ergreifen. Und zwar solche, die eigentlich verboten sind, aber
als Gegenmaßnahme dann ausnahmsweise erlaubt sind. Die Ukraine als unmittelbar
betroffener Staat darf sich mit Waffengewalt wehren. Das ist das
Selbstverteidigungsrecht. Der Angriff auf das Land ist aber ein so fundamentaler
Verstoß, dass er alle in der Staatengemeinschaft angeht. Sie alle können
Maßnahmen ergreifen. Die Europäische Union und auch die USA haben sich
entschieden, Sanktionen zu erlassen. Da es keine Weltpolizei gibt, die den
Völkerrechtsverstoß Russlands ahnden könnte, kommt es auf eine
gemeinschaftliche Reaktion der übrigen Staaten an.
ZEIT Campus: Aber die Staaten reagieren ja jeder für sich mit Sanktionen?
Birkenkötter: Die USA und die Europäische Union stimmen sich derzeit eng ab.
Es gibt außerdem noch ein Gremium, das manchmal bei der Diskussion um
kollektive Maßnahmen der Staaten übersehen wird. Das ist die
Generalversammlung der Vereinten Nationen. Hier sitzen alle Mitgliedstaaten der
Vereinten Nationen. In dieser Runde mit mehr als 190 Staaten hat Russland anders
als im Sicherheitsrat kein Veto-Recht. Es könnte also eine Entscheidung nicht
blockieren. Zwar ist es eigentlich Sache des UN-Sicherheitsrates mit den fünf
ständigen Mitgliedern Frankreich, Großbritannien, USA, China und eben auch
Russland Friedensverstöße zu ahnden. Wenn der Sicherheitsrat aber sozusagen
lahmgelegt ist, darf ausnahmsweise auch die Generalversammlung reagieren. Sie
kann den Staaten kollektive Maßnahmen empfehlen, und zwar auch militärische
Maßnahmen. Dafür braucht sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das gab es bisher nur
einmal im Koreakrieg in den Fünfizerjahren. Und es wäre nun wirklich eine große
Sache, ein starkes Zeichen der Staatengemeinschaft. Die Außenministerin
Annalena Baerbock hat sich an alle Staaten gewandt, die an die Charta der
Vereinten Nationen glauben. Das kann man als Aufforderung an die
Staatengemeinschaft verstehen.
Aus der Tageszeitung « Zeit.online » vom 28.02.202
Hausaufgaben :
Lesen Sie die vier Presseartikel sorgfältig und versuchen Sie sie gut zu verstehen.
Für die Studenten des 1.Studienjahres (L1) :
Antworten Sie auf folgende Fragen zum Text « Boris Johnsons Plan… » :
1) Was ist der Plan Boris Johnsons ?
2) Was bedeutet “ein Leben mit Covid”, “die Herdenimmunität” ?
3) Sind die Experten mit diesem Plan einverstanden?
4) Was wird mit “dem Verantwortungsbewußtsein des Bürgers” gemeint?
5) Womit ist England die erste Nation in Europa in dem Umgang mit der
Corona-Pandemie?
Übersetzen Sie ins Französische den Pesseartikel “Regierung schätzt,
dass Deutschland ohne russisches Gas auskommt – wenn
es nicht kalt wird”.
Für die Studenten des 2.Studienjahres (L2):
Antworten Sie auf folgende Fragen zum Text
RUSSLAND-UKRAINE-KRIEG:"WLADIMIR PUTIN WILL
DIE VÖLKERRECHTSORDNUNG UMDEUTEN"
1) Warum hat Putin die Ukraine angegriffen?
2) “In seiner Bundestagsrede am Sonntag nannte
Bundeskanzler Olaf Scholz das Vorgehen des russischen
Präsidenten Wladimir Putin beim Angriff auf die Ukraine
einen "infamen Völkerrechtsbruch", der eine Zeitenwende
markiert” Erklären Sie diesen Satz!
3) Was bedeutet “die Völkerrechtsordnung”, “das Prinzip der territorialen
Unversehrtheit”?
4) Wo finden sich die Regeln des Völkerrechts?
5) Ist der Krieg im 22.Jahrhundert die richtige Lösung für die
internationalen Konflikte?
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