Tabakatlas Deutschland 2009, 1st Edition
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Vorwort von Prof. Dr. Judith Longstaff Mackay
Senior Advisor, World Lung Foundation
Senior Policy Advisor, World Health Organization
Mitherausgeberin der internationalen Tabakatlas-Reihe
Die Atlanten der Gesundheitsreihen sind Handlungsinstrumente
für die Advocacy-Arbeit. Viel zu häufig finden sich Gesundheitssta-
tistiken versteckt in optisch wenig inspirierenden medizinischen
Fachzeitschriften, in Fachbüchern, Berichten und Tabellen, was
weder das Verständnis erhöht noch die Politik beeinflusst.
Ich habe mich für die Atlas-Reihe entschieden, um Tausende von
Statistiken einem größeren Publikum verfügbar zu machen. Ich
habe bereits den ‚Health Atlas’ und den ‚Atlas on Human Sexual
Behaviour’ veröffentlicht, und war fasziniert davon, wie aussagekräftig kreative Grafiken kombiniert mit
wenigen Worten sind. Dies erfuhr ich zum Teil auch dadurch, dass ich in Asien lebte, wo ich mit vielen
Menschen sprach, deren Muttersprache nicht Englisch ist.
Nicht ansteckende Krankheiten waren lange Zeit ein wenig beachtetes Spezialgebiet, während viele Fi-
nanzmittel, viel Regierungsarbeit und große mediale Aufmerksamkeit für ansteckende Krankheiten, wie
HIV/AIDS, Malaria, Tuberkulose und sogar SARS aufgewendet wurden, die alle weit weniger Menschen
töten als Tabak.
Atlanten bieten auch die Möglichkeit, Entwicklungen zu verfolgen. Seit dem ersten Tabakatlas im Jahr
2002 gab es eine Reihe wichtiger Entwicklungen: das WHO-Rahmenabkommen zur Tabakkontrolle
(FCTC), den MPOWER Bericht und Philantropen stellten bedeutende Finanzmittel für wirtschaftlich
schwache Länder bereit. Da mehr Daten als je zuvor verfügbar sind, wächst auch das Wissen um die
Interessen und Strategien der Tabakindustrie. Auch wenn es noch lange nicht ausreichend ist, führen
immer mehr Länder Maßnahmen zur Tabakkontrolle ein: Tabaksteuererhöhungen, Einführung rauch-
freier Bereiche, Verbote von Tabakwerbung, -sponsoring und -promotion, Hilfen bei der Entwöhnung und
bildliche Warnhinweise auf Tabakprodukten.
Ich glaube, dass die Tabakatlas-Reihe dabei geholfen hat, dass die Tabakkontrolle auf viele politische
und soziale Agendas gesetzt wurde.
Inhalt
1 Tabakprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.1 Tabakprodukte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.2 Von der Pflanze zum Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3 Zusatzstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.4 Inhaltsstoffe des Tabakrauchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.5 Verringerung oder Vermeidung von Gesundheitsgefahren? . . . . . . . . . . . 20
2 Tabakkonsum und gesundheitliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.1 Physiologische Wirkungen des Rauchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.2 Tabakabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.3 Entwicklungstrends des Tabakkonsums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.4 Rauchen bei Erwachsenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.5 Rauchen bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.6 Sozialer Status und Rauchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.7 Rauchen bei verschiedenen Berufsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.8 Rauchen in der Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.9 Durch Rauchen bedingte Todesfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.10 Durch Rauchen bedingte Todesfälle - Lungenkrebs. . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.11 Durch Rauchen bedingte Todesfälle - Herzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . 44
3 Passivrauchen und gesundheitliche Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.1 Gesundheitliche Folgen des Passivrauchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
3.2 Passivrauchen bei Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.3 Passivrauchen bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4 Ökonomische Aspekte des Rauchens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.1 Individuelle Kosten des Rauchens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.2 Krankheitskosten infolge des Rauchens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.3 Tabakpreis und Tabaksteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
5 Tabakindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
5.1 Hersteller von Tabakprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
5.2 Tabakanbau in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
5.3 Tabakanbau, Tabakproduktion und deren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
5.4 Vertrieb und Absatz von Tabakprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
5.5 Tabakaußenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
5.6 Illegaler Tabakhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
6 Tabakkontrollpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
6.1 Das Rahmenabkommen zur Tabakkontrolle (FCTC) . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
6.2 Geschichte des Rahmenabkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
6.3 Eindämmung der Einflussnahme der Tabakindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6.4 Tabaksteuererhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
6.5 Rauchfreie Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.6 Produktregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
6.7 Warnhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
6.8 Aufklärung und Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
6.9 Aufklärung und Information – internationale Projekte. . . . . . . . . . . . . . . . 94
6.10 Beteiligung der Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
6.11 Tabakwerbeverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.12 Ausstieg und Entwöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
6.13 Bekämpfung des illegalen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.14 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Literatur- und Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
1 Tabakprodukte
11
Tabakprodukte
1.1 im Überblick
Die ursprünglich in Mittel- und Südamerika heimi- nener Tabak (in ein Deckblatt eingerollter Tabak in
sche Tabakpflanze gehört botanisch zu den Nacht- Strangform) verwendet. Alle diese Produkte werden
schattengewächsen und enthält große Mengen an geraucht. Rauchloser Tabak hingegen wird in fester
Alkaloiden (Nikotin, Nornicotin, Anabasin, Anatabin). Form über Mund oder Nase konsumiert.
Heute wird Tabak weltweit angebaut. Die meisten
Tabaksorten werden aus der rotblühenden Unter- Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts wurde Tabak
gattung Nicotiana tabacum hergestellt, nur die in Europa vorwiegend geschnupft oder in Pfeifen
russische Tabaksorte Machorka wird aus gelbblühen- geraucht, später kamen Zigarren auf. Ab der Mitte
dem Nicotiana rustica gefertigt. Alle Tabakprodukte des 17. Jahrhunderts wurde Tabak auch gekaut
bestehen aus Mischungen verschiedener Sorten und und ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts kamen
werden im Verarbeitungsprozess mit zahlreichen Zigaretten auf den Markt. Nach der Erfindung der
Zusatzstoffen versetzt. Zigarettenrollmaschine im Jahr 1881, welche die
In der Zigarettenproduktion wird der Tabak Massenproduktion von Zigaretten ermöglichte, stieg
befeuchtet, aromatisiert, mit Blattrippen versetzt, der Zigarettenkonsum deutlich an. Heute stellen
gemischt, in 0,75 mm breite Fasern geschreddert Zigaretten weltweit mit 96 % den größten Anteil an
und zu Zigaretten gedreht. Für selbstgedrehte allen Produkten des Tabakmarktes dar – auch in
Zigaretten wird Feinschnitt (auf eine Blattbreite von Deutschland machen sie den weit größten Teil des
0,3 bis 0,65 mm zugeschnittene Tabakmischungen) Tabakabsatzes aus. Rechnet man zu den maschi-
verwendet. Zigarren und die kleineren Zigarillos sind nell gefertigten Zigaretten den Feinschnitt, der zur
Tabakstränge aus unbehandeltem Tabak, die mit Herstellung selbstgedrehter Zigaretten dient, dazu,
einem Deckblatt aus Tabak oder einem Deck- und betragen auch in Deutschland Fertig-Zigaretten und
Umblatt aus homogenisiertem (rekonstituiertem) selbstgedrehte Zigaretten zusammen mehr als 90 %
Tabak umhüllt sein können. Homogenisierter Tabak des Gesamtabsatzes an Tabakprodukten.
besteht aus fein gemahlenem und wieder gebunde- Zigarren und Zigarillos, Pfeifentabak sowie Kau-
nem Rohtabak oder Fabrikationsabfällen. Für Pfeifen und Schnupftabak haben nur einen geringen Markt-
werden Schnitttabak (auf 1,4 bis über 3,5 mm anteil. Seit einigen Jahren kommen auch Wasser-
Blattbreite geschnittene Tabakmischungen), Press- pfeifen zunehmend in Gebrauch.
tabak (in Platten gepresster Tabak) oder gespon-
Absatz verschiedener Tabakprodukte
Stand: 2008
12 Tabakatlas Deutschland 2009
Tabakprodukte sind in jeder
Form gesundheitsschädlich
Tabakprodukte in Deutschland – egal ob geraucht, gekaut,
gelutscht oder geschnupft.
Zigaretten
Handelsübliche
Zigaretten werden maschi-
Feinschnitt
nell gefertigt und bestehen aus
geschreddertem und homogenisiertem Tabak, Selbstgedrehte Zigaretten werden vom
dem Hunderte von Substanzen zur Feuchthal- Konsumenten aus fein geschnittenem, losem
tung und Aromabildung zugesetzt werden. Sie Tabak gefertigt. Dieser wird von Hand in
werden meist mit einem Filter versehen und Zigarettenpapier eingewickelt oder in
sind weltweit das marktbeherrschende fertige Hülsen gestopft.
Tabakprodukt. Hierfür werden
manchmal kleine
Tabakdreh- oder
Tabakstopfmaschinen
eingesetzt.
Zigarren & Zigarillos
Zigarren und Zigarillos
werden aus verschie-
denen Tabaksor-
ten hergestellt.
Pfeifentabak
Bei Zigarren wird eine Pfeifentabak wird in geschnittener,
Einlage aus ganzen, gerissenen
loser Form in Pfeifen gestopft. Meist wird
oder zerkleinerten Tabakblättern von einem
er mit verschiedenen natürlichen und
Umblatt sowie von einem Deckblatt
chemischen Aromen (z.B. Fruchtaromen,
umschlossen. Für Zigarillos wird als Umblatt
Fruchtextrakten, Vanille) sowie
homogenisierter Tabak verwendet.
alkoholischen Getränken
(z.B.
Rum,
Whisky)
aromatisiert.
Wasserpfeifentabak
Bei der Wasserpfeife, u.a. auch Shisha,
Narghileh oder Hookah genannt, werden
feuchte Tabakmischungen auf Kohle
Rauchlose Tabakprodukte
verschwelt. Der Rauch wird zunächst zum Kautabak wird in Rollen, Stangen,
Abkühlen durch ein Wassergefäß geleitet und Würfeln oder Platten produziert und eignet
dann über einen Schlauch inhaliert. Der sich zum Kauen oder Lutschen. Er wird aus
Wasserpfeifentabak besteht aus einer Mischung stark nikotinhaltigen Rohtabaken herge-
von Tabak, Melasse, Glyzerin und Aroma- stellt und mit einer Mischung unterschiedli-
stoffen. Er cher Stoffe (z.B. Fruchtessenzen, Trauben-
unterscheidet sich zucker, Kandiszucker, Lakritze,
von anderen Menthol) versetzt.
Tabakarten durch Schnupftabak ist
einen besonders pulverisierter
hohen Anteil an Tabak, der in
Feuchthaltemitteln, einer Prisengröße
der trotz der von 30 bis 50 mg in die Nase
gesetzlichen eingezogen (geschnupft) wird. In Bayern ist
Begrenzung auf 5 % Schnupftabak auch als „Schmalzler“
bei Importware oft bis bekannt.
zu 30 % betragen kann. Rauchlose Tabakprodukte geben das
Nikotin langsamer ab als gerauchte
Tabakprodukte.
13
Von der Pflanze
1.2 zum Produkt
Bei der Herstellung von Tabakprodukten werden Anbau
sowohl im Anbau als auch bei der Weiterverarbeitung Im Tabakanbau werden häufig große Mengen
des Tabaks (Trocknung, Fermentation, Aufbereitung, Nitratdünger und Pestizide eingesetzt.
Tabakwarenherstellung) zahlreiche Substanzen
eingesetzt, die das Abhängigkeits-
potential der Zigarette sowie deren Folgen der Nitratdüngung
gesundheitsschädigende Wirkung Anbau
erhöhen.
Erhöhung der
Nitratdüngung Nikotinkonzentration
Nitratdünger enthält Stickstoff, Erhöhung des in den Blättern
der Pflanzen als Nährstoff dient. Abhängigkeits-
Bei Tabak erhöht Nitratdünger potentials
vermehrte Umwandlung
aber nicht nur den Ertrag, son- des Nitrats
Freisetzung
dern steigert auch den Nikotin- von Nikotin in Ammonium-
gehalt in der Pflanze. Zudem beim Rauchen verbindungen
werden die Nitrate in der Pflanze
in Ammoniumverbindungen Erhöhung der
umgewandelt. Diese führen beim Konzentration
krebserzeugend
Rauchen der Zigarette zu einer tabakspezifischer
vermehrten Freisetzung von Nitrosamine
Nikotin. Da Nikotin die sucht-
Trocknung &
erzeugende Substanz ist, steigt Fermentation
Verbrennung
dadurch das Abhängigkeits- der Zigarette
potential des Tabakprodukts. krebserzeugende
Erhöhung des
Substanzen
Eine hohe Stickstoffdüngung Nitratgehalts
steigert aber auch die Bildung der der Pflanze
krebserzeugenden tabakspezi-
fischen Nitrosamine, die bei der Nitratdünger
Trocknung und Fermentation des
Tabaks durch Nitrosierung von
Nikotin und anderen Tabakalka- Pestizide
loiden gebildet werden. Darüber (unter anderem Verbindungen,
hinaus entstehen aus dem Nitrat die Krebs erzeugen und
das Nervensystem sowie
bei der Verbrennung der Zigarette
das Fortpflanzungssystem
krebserzeugende Verbindungen. schädigen können)
Pestizide Schädigung
der Tabakbauern
Die eingesetzten Pestizide sollen die Ernte sichern
(Pestizidvergiftungen)
und die Tabakproduktion steigern. Viele dieser Che-
mikalien können aber – insbesondere bei unsach-
gemäßer Anwendung – das Nervensystem und die
Atemwege schädigen. Einige Substanzen stehen im Ernte
Verdacht, dass sie das Risiko für bestimmte Krebser- Tabak wird überwiegend manuell geerntet, wobei
krankungen erhöhen und dass sie bei Ungeborenen die einzelnen Blätter entsprechend ihrem Reifegrad
Missbildungen verursachen können. Eine direkte Ge- von unten nach oben abgenommen werden. Bei
sundheitsgefährdung durch Pestizide besteht für die der selteneren Ganzpflanzenernte werden meist
Arbeiter auf Tabakplantagen. Es wurden aber auch Blätter einzeln vorgeerntet. Anschließend wird die
Rückstände von Pestiziden auf Tabakblättern sowie restliche Pflanze bei einem mittleren Reifegrad als
im Tabakrauch gefunden. Ganzes geerntet.
14 Tabakatlas Deutschland 2009
Trocknung Fermentation
Zweck der Trocknung ist die Reduzierung des Als Fermentation werden die zur Nachreife des
Wassergehaltes auf etwa 20 bis 25 %. Natürliche Tabaks führenden chemischen Veränderungen
Trocknungsverfahren (Luft- und Sonnentrocknung) bezeichnet. Dabei entsteht die typische braune
dauern etwa 30 bis 90 Tage, künstliche Trocknungs- Farbe und es werden Geschmacks- und Aromastof-
verfahren (Heißluft-, Stapel- oder Feuertrocknung) fe gebildet, die das Tabakaroma ausmachen. Die
nur 3 bis 5 Tage. Fermentation dauert je nach Verfahren 4 Wochen
bis 6 Monate.
Polonium-210 krebserzeugend
(Freisetzung
beim Rauchen)
Polonium-210
aus der Luft
Ernte
Trocknung
Fermentation
Polonium-210
im Boden
Aufbereitung und
Tabakwarenherstellung
Erleichterung
Beigabe des Einstiegs
ins Rauchen
von
Pestizidrückstände Zusatz- Erhöhung des
auf den Blättern stoffen Abhängigkeits-
potentials
Schädigung
Erzeugung
Rückstände der Erntehelfer
krebserzeugender
im Tabakrauch (Pestizidvergiftungen)
Substanzen
Aufbereitung & Tabakwarenherstellung Zusatzstoffe
Zur Tabakaufbereitung gehören das Entstauben, Hunderte von Tabakzusatzstoffen dienen der Feucht-
Feuchten, Entrippen, Soßieren, Schneiden, Rösten, haltung, der Verbesserung der Glimmeigenschaften
Aromatisieren, Mischen usw. Diese Arbeiten werden und der Aromatisierung. Sie werden außerdem zur
vollmechanisch durchgeführt. Bei der Herstellung Steigerung der Zugintensität und zur Erhöhung des
der verschiedenen Tabakerzeugnisse wird eine Viel- Abhängigkeitspotentials verwendet.
zahl von Zusatzstoffen beigefügt.
15
Zusatzstoffe
1.3
Die Tabakwarenhersteller fügen ihren Produkten Zu den am häufigsten verwendeten Zusatzstoffen
bis zu 600 Zusatzstoffe hinzu, die über 10 % des gehören Menthol, Zucker, Lakrize und Kakao.
Gesamtgewichts eines Produktes ausmachen In Lebensmitteln unbedenkliche Zusatzstoffe
können. Diese Zusatzstoffe werden dem Rohtabak, können sich in Rauchwaren, die bei bestimmungsge-
der Papierhülle und den Filtern zugefügt. Sie dienen mäßem Gebrauch nicht gegessen, sondern geraucht
unter anderem dazu, den Geschmack, den Geruch werden, teilweise in gesundheitsgefährdende
und die Inhalation für den Raucher so angenehm wie Substanzen umwandeln, denn in den hohen Tempe-
möglich zu gestalten. Zudem haben sie Einfluss auf raturen der Glutzone (600 bis 900°C) verdampfen,
die Abbrenngeschwindigkeit der Zigarette. sublimieren oder verbrennen die Zusatzstoffe. Dabei
Die deutsche Tabakverordnung erlaubt bei der können Dutzende krebserzeugender Verbrennungs-
Herstellung von Tabakprodukten eine Vielzahl von produkte sowie Kohlendioxid, Stickstoffoxide und
Zusatzstoffen, von denen die meisten für Lebens- Schwefeldioxid entstehen. Beim Rauchen werden
mittel genehmigt sind. Gestattet sind demnach diese gesundheitsgefährdenden Verbrennungspro-
sämtliche Aromen der Aromenverordnung, die mehr dukte zusammen mit den anderen Inhaltsstoffen
als 130 Einzelsubstanzen und 30 chemisch nicht des Tabakrauchs inhaliert. Über die Lunge werden
definierte Gemische umfasst. Darüber hinaus sind Gase, flüchtige Substanzen und auch kleine Partikel
durch die Tabakverordnung 120 weitere Einzel- besonders schnell und effektiv aufgenommen.
substanzen und 115 chemisch entweder nur vage
definierte oder völlig undefinierte Gemische erlaubt.
Zugelassene Substanzen bei der Herstellung von Tabakprodukten
16 Tabakatlas Deutschland 2009
Zucker und andere Süßstoffe
• maskieren und neutralisieren die Schärfe des Tabakrauchs,
Entstehung gesundheitsschädlicher • verstärken die Inhalationstiefe und erhöhen dadurch die
Substanzen durch die Umwandlung Nikotinaufnahme,
von Zucker beim Rauchen • erhöhen die Suchtwirkung.
Menthol
• ist der am häufigsten verwendete Zusatzstoff für Tabakprokukte,
• wird fast allen Zigaretten zugesetzt (auch Nicht-Mentholzigaretten),
• erleichtert und vertieft die Inhalation, wirkt schmerzunterdrückend,
mildert das Kratzen im Hals und den Tabakgeschmack und kann so
den Einstieg ins Rauchen erleichtern,
Die Wirkungen von Menthol • kann die Aufnahme von Nikotin und krebserzeugenden
beim Rauchen Substanzen in die Lunge erhöhen.
17
Inhaltsstoffe
1.4 des Tabakrauchs
Tabakrauch ist ein komplexes Gemisch aus über Krebserzeugende Substanzen im Tabakrauch
4.800 Substanzen, darunter zahlreiche giftige und Auf weltweiter Basis wird die Bewertung kanze-
krebserzeugende Stoffe. Diese liegen teils gasför- rogener Risiken verschiedener Stoffe durch die
mig, teils an Tabakrauchpartikel gebunden vor. Die wissenschaftlich unabhängige International Agency
Partikel lösen sich nach dem Einatmen im feuchten for Research on Cancer (IARC) der Weltgesund-
Oberflächenfilm der Lungenbläschen auf, wobei ihr heitsorganisation vorgenommen. In Deutschland
Inhalt in der Feuchtigkeitsschicht aufgeht und von überprüft die MAK-Kommission der Deutschen For-
den Lungenzellen aufgenommen wird. Die Lunge schungsgemeinschaft (DFG) regelmäßig Stoffe, die
nimmt sowohl die Partikel als auch die gasförmigen in Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen und stuft sie
und flüchtigen Substanzen des Tabakrauchs beson- in entsprechende Kategorien ein. Auch in anderen
ders schnell auf, da sie eine große Aufnahmefläche Ländern klassifizieren unabhängige Institutionen
bietet: Ausgebreitet würde sie mit rund 140 Quad- Substanzen nach ihrer Toxizität und Kanzerogenität.
ratmetern die Fläche eines Tennisfeldes abdecken. Bisher wurden von der IARC und der DFG 90 Be-
Zudem begünstigen die dünnen Wände der Lungen- standteile des Tabakrauchs als krebserzeugend
bläschen und der schnelle Blutfluss in der Lunge die oder möglicherweise krebserzeugend eingestuft.
Aufnahme von Substanzen in den Körper. Da jedes Jahr weitere im Tabakrauch enthaltene
Tabakrauch ist besonders gesundheitsschädlich, Substanzen bewertet werden, ist damit zu rechen,
da die zahlreichen, in ihm enthaltenen Substanzen dass in den kommenden Jahren noch weitere Sub-
miteinander in Wechselwirkung treten und sich stanzen aus dem Tabakrauch als krebserzeugend
gegenseitig verstärken können. Die Gesundheits- klassifiziert werden.
gefährdung entsteht daher nicht nur durch die
einzelnen Substanzen, sondern durch das komplexe
Stoffgemisch. Für die zahlreichen im Tabakrauch
enthaltenen krebserzeugenden Substanzen (Kan-
zerogene), gibt es keine Menge, die ungefährlich
wäre. Für Kanzerogene kann kein Schwellenwert Für das aus einer Vielzahl krebserzeugen-
festgelegt werden, unterhalb dessen sie unbedenk- der Substanzen bestehende Stoffgemisch
lich wären, da Kanzerogene bereits in geringsten Tabakrauch kann kein Grenzwert festgelegt
Mengen Krebs erzeugen können. werden, unter dem eine Ungefährlichkeit
anzunehmen ist.
Bedeutende Klassen chemischer Verbindungen
und Anzahl der Einzelsubstanzen im Tabakrauch
Klasse der Einzel- Klasse der Einzel-
chemischen Verbindung substanzen chemischen Verbindung substanzen
Amide, Imide, Lactame 240 Amine 200
Carbonsäuren, Anhydride 240 N-Nitrosamine 22
Lactone 150 N-Heterozyklen 920
Ester 475 Kohlenwasserstoffe 755
(inklusive PAKs)
Aldehyde 110
Nitrile 105
Ketone 520
Saccharide 45
Alkohole 380
Ether 310
Phenole 285
18 Tabakatlas Deutschland 2009
Ausgewählte gesundheitsgefährdende Substanzen im Tabakrauch
Xn
Acetaldehyd T Acrylnitril N
Ammoniak
Zwischenprodukt Produktion von
bei organischen Synthesen Acrylfasern C
in Xi
K N
krebserzeugend; reizt Augen & Atemtrakt; & Plastik Putzmitteln
stört die Selbstreinigung der krebserzeugend;
reizt schon in geringer Konzentration
Lunge durch Lähmung der reizt Schleimhäute; schädigt die Augen;
die Augen & Atemwege; erhöht das
Flimmerhärchen Kopfschmerzen, Schwindel & Übelkeit
Suchtpotential von Zigaretten
Aromatische T Arsen N
Benzol T
Amine, z.B. Anilin
in Rattengift Antiklopfmittel
Ausgangsprodukte
bei Herstellung von krebserzeugend; Inhalation in Benzin
Kunst- & Farbstoffen der Dämpfe verursacht krebserzeugend (Leukämie);
Schleimhautreizung; giftig erbgutschädigend
krebserzeugend
(in Harnblase, Milz und
Bauchhöhle); erbgut- N
Blei 1,3-Butadien
schädigend; giftig in Batterien Grundstoff für Autoreifen;
T krebserzeugend; erbgut- in Autoabgasen
Blausäure
schädigend; bei langfristiger krebserzeugend;
Schädlingsbe- Belastung Schäden an Gehirn,
kämpfung K erbgutschädigend;
Nieren, Nervensystem & an reizt Augen & Atemwege
giftig beim Einatmen; Kopfschmerzen, den roten Blutkörperchen
Schwindel & Erbrechen
N N
Cadmium Formaldehyd Hydrazin
in Batterien
T
Konservierungs- & Raketen- T
Desinfektionsmittel treibstoff p-Hydrochinon
N krebserzeugend; erbgut-
krebserzeugend; erbgut- Entwickler in der
schädigend; giftig;
schädigend; giftig; reizt krebserzeugend; Fotografie
Schädigung der Nieren
Augen & Atemwege giftig
krebserzeugend;
erbgutschädigend;
Kohlenmonoxid Xn
Nickel schädigt Bindehaut &
in Autoabgasen Hornhaut des Auges
in Batterien & Metall-Legierungen
blockiert den Sauerstofftransport im Blut; krebserzeugend; reizt Atemwege;
kann Blutgefäße schädigen verursacht Lungenentzündung; giftig
Nitromethan
Treibstoff für
Phenol Rennmotoren
N-Nitrosamine Polonium-210
Unkraut- krebserzeugend
in gebrauchten
vernichtungsmittel Alpha-Strahler
Motorenölen,
K
in Gummi krebserzeugend; giftig;
stark radiotoxisch;
reizt Haut, Augen
krebserzeugend krebserzeugend
& Schleimhäute
Polyzyklische aromatische K Xn
Toluol
Kohlenwasserstoffe (PAKs), Styrol
Xn z.B. Naphthalin Zusatz in Benzin, Xn
in der Herstellung von Lösungsmittel
in Verbrennungs-
Kunststoffen & -harzen
abgasen & Mottenkugeln reizt obere Atemwege & Augen;
krebserzeugend; Störungen des
Krebserzeugend;
krebserzeugend; führt zu Heiserkeit, Übelkeit, Schwindel
Zentralnervensystems, Kopfschmerzen,
Dämpfeerbgutschädigend
reizen Augen & Atemwege Kopfschmerzen & Schlafstörungen
Erschöpfungszustände & Depressionen
F+ Xn Xi
Gesundheits- Radioaktives
Ätzend Reizend
entzündlich schädlich Element
19