BAS Substitutionsleitfaden 2011 Final 110107
BAS Substitutionsleitfaden 2011 Final 110107
Impressum
Bayerische Akademie Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen
BAS Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
für Sucht- und Landwehrstraße 60-62, 80336 München
Gesundheitsfragen Tel.: 089.530 730-0, Fax: 089.530 730-19, E-Mail: [email protected]
www.bas-muenchen.de
BAS Unternehmergesellschaft
(haftungsbeschränkt) Autoren (1. Auflage)
Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter, Arzt, BKH Haar
Christiane Fahrmbacher-Lutz, Apothekerin, Augsburg
Dr. Ute Höffner, Ärztin, BAS e.V. München
Daniela Zeitler, Dipl.-Psych., BAS e.V. München
Dr. Corinna Bystron, Ärztin, BKH Haar
Dr. Christoph Schwejda, Arzt, BKH Haar
Dr. Hannes Rabe, Arzt, ÄKBV München
Gerhard Eckstein, Dipl.-Psych., Condrobs e.V. München
Stephan Walcher, Arzt, Concept München
Dr. Rainer Musselmann, Arzt, Concept München
Dr. Lothar Schneider, Arzt, Fürth
Prof. Dr. Gerhard Bühringer, Dipl.-Psych., Institut für Therapieforschung München
Dr. Brigitte Mugele, Ärztin, Klinikum am Europakanal Erlangen (†)
Dr. Franz Zilbauer, Arzt, Augsburg
Dagobert Ross, Arzt, Augsburg
Druck
Leitfaden für Ärzte Medienhaus Kastner AG, Schloßhof 2-6, 85283 Wolnzach, www.kastner.de
Aktualisiert von
zur substitutionsgestützten Dr. Beate Erbas (MPH), Ärztin, BAS, München
Christiane Fahrmbacher-Lutz, Apothekerin, Augsburg
Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter, Arzt, Isar-Amper-Klinikum, Klinikum München-Ost
Behandlung Opiatabhängiger Unter Mitarbeit von
2. vollständig überarbeitete Auflage Matthias Bastigkeit, Fachdozent für Pharmakologie, Geschendorf
Dr. Wolf-Dietrich Braunwarth, Arzt, Klinikum Nürnberg Nord
Josef Haberl, Arzt, Bezirkskrankenhaus Augsburg
Dr. Liane Paul, Toxikologin, Institut für Rechtsmedizin, LMU München
Dr. Hannes Rabe, Qualitätskommission KVB, München
Dr. Frank Schaefer, Arzt, Schwerpunktpraxis München
Dr. Werner Tauber, Arzt, Bezirksklinikum Ansbach
Dr. Willi Unglaub, Arzt, Bezirksklinikum Regensburg
Stephan Walcher, Arzt, Concept München
Bertram Wehner, Dipl.-Soz.Päd., mudra Nürnberg
PD Dr. Norbert Wodarz, Arzt, Psychiatrische Universitätsklinik Regensburg
1. Auflage, Dezember 1999 (Auflage 25.000 Stück)
2. vollständig überarbeitete Auflage, Juni 2010 (Auflage 2.000 Stück)
© Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmer-
gesellschaft (haftungsbeschränkt)
Diese Broschüre wird kostenlos abgegeben.
Vorwort zur 2. Auflage 3 4 Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort zur 2. Auflage gesenkt werden kann. Die Substitutionsbehandlung ist die weltweit am
meisten praktizierte Behandlungsform der chronischen Opiatabhängigkeit
Nachdem vor rund 10 Jahren die erste Auflage des Substitutionsleitfadens und konnte auch in Deutschland ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis
erschienen ist und die letzte Aktualisierungsergänzung 2003 gedruckt wur- stellen (Cobra-Studie, Wittchen et al., 2003-2007).
de, war es an der Zeit, das Buch zu überarbeiten und zu ergänzen. Viele
Abstinenz ist das oberste Ziel jeder Behandlung Opiatabhängiger. Die
Leser bevorzugen gedruckte Informationen. Da jedoch Druckversionen zu
Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass zur Erreichung dieses Zieles viele
teuer sind, um bei neuen Erkenntnissen in der Therapie oder bei Gesetzes-
kleine Schritte nötig sind. Substitution ist für viele Patienten eine wichtige
änderungen sofort eine neue Auflage zu veröffentlichen, wird die vorlie-
Hilfe, um überhaupt eine anderweitig notwendige Behandlung zu beginnen
gende Version über die Website der BAS unter der Rubrik Publikationen/
bzw. eine Anbindung an das Suchthilfesystem zu finden und aus dem ver-
Broschüren (www.bas-muenchen.de) in regelmäßig aktualisierter Version
hängnisvollen Kreislauf der Sucht herauszufinden. Die Sicherung des
zum Download hinterlegt.
Überlebens wird im Betäubungsmittelrecht als erster Schritt eines substi-
Seit Mai 2009 besteht in Deutschland die Möglichkeit einer Behandlung mit tutionsgestützten Therapieplans zur Wiederherstellung der Gesundheit und
Diamorphin für schwerstabhängige Patienten, um diese überhaupt in Suchtmittelfreiheiheit akzeptiert. Der Arzt ist nach dem Willen des Gesetz-
Kontakt mit dem Hilfesystem zu bringen. Diese Behandlungsoption wird gebers zwar „Hauptverantwortlicher“ einer substitutionsgestützten Behand-
allerdings nur in wenigen Zentren unter strengen Kriterien angeboten und lung, ebenso deutlich wird aber im BtMG, dass ein multidisziplinärer
wird zunächst nicht weiter beschrieben. Ansatz, also die erforderlichenfalls enge Kooperation mit oder die Hinzu-
Dieses Buch richtet sich in erster Linie an mit der Substitution Opiat- ziehung von psychosozialen Diensten, Psychotherapeuten und Psychia-
abhängiger noch wenig vertraute Ärzte. Es soll ihnen helfen, sich einen tern, integraler Bestandteil eines vom Arzt zu verantwortenden Behand-
Überblick über diese mittlerweile 40 Jahre alte und in Deutschland seit lungskonzeptes ist und keinesfalls die Verabreichung eines
1993 praktizierte Behandlungsmethode und deren anerkannte medizinisch- Substitutionsmittels allein schon eine Behandlung darstellt. Leider ist die
ärztliche Grundsätze zu verschaffen. Der Leitfaden kann nicht die Kostenträgerschaft für die im Rahmen der Substitutionsbehandlung not-
Ausbildung der Ärzte im Umgang mit Opiatabhängigen ersetzen, ebenso wendige psychosoziale Begleitbehandlung und -betreuung immer noch
wenig kann er das notwendige Fachwissen zur Behandlung von Sucht- nicht eindeutig geregelt. Dies führt dazu, dass in vielen Regionen die psy-
patienten umfassend vermitteln. Wir verweisen diesbezüglich auf den von chosoziale Betreuung der Patienten nicht im erforderlichen Umfang ange-
den Ärztekammern angebotenen Qualifikationsnachweis „Suchtmedizini- boten wird und damit auch der Verlauf von Substitutionsbehandlungen
sche Grundversorgung" und auf eine Kooperation mit in dieser Behand- möglicherweise schlechter ist.
lungsmethode erfahrenen Ärzten. Drogenabhängige können schwierige Patienten sein, vor allem zu Beginn
Die Bedeutung einer medizinischen Versorgung Opiatabhängiger zeigt sich einer Behandlung. Dies hat unter anderem mit der diesem Krankheitsbild
u.a. darin, dass sich die Bundesärztekammer zunehmend mit der Behand- verbundenen Psychodynamik zu tun. Nicht selten ist mangelnde Professio-
lung dieser Patienten auseinander setzt und mit der Aufnahme der „Sucht- nalität der Behandler die Ursache für Negativ-Erfahrungen. Drogenab-
medizinischen Grundversorgung" in den Kanon der Weiterbildungs- hängige können gelegentlich den Praxisablauf stören oder beeinträchtigen.
möglichkeiten auch die Basis für ärztliches Handeln in diesem lange Zeit Es gibt jedoch genügend Beispiele niedergelassener Ärzte, in deren
vernachlässigten Bereich geschaffen hat. Es bleibt zu hoffen, dass der Um- Praxen Drogenabhängige wie andere Kranke auch behandelt werden,
gang mit und die Behandlung von Abhängigkeitskranken auf jeden Fall ohne dass dem Arzt daraus Nachteile für seine Praxis entstehen. Oft ste-
zum Standard ärztlicher Ausbildung gehören wird. Ein weiterer Beleg dafür, hen in Ballungsräumen für die Behandlung komplexer, schwerstabhängiger
dass die Behandlung von Drogenabhängigen allmählich weitere Verbrei- und multimorbider Patienten Schwerpunktpraxen und Ambulanzen zur
tung und Akzeptanz findet, ist auch die sichtbar zunehmende Vernetzung Verfügung, die mit interdisziplinären Teams und spezialisierten Behand-
der in diesem Behandlungsfeld tätigen Berufsgruppen sowie die Einrich- lungsangeboten über erweiterte Möglichkeiten verfügen.
tung entsprechender Arbeitskreise an den zuständigen Kammern. Das Scheitern einer Behandlung sollte, wie bei jeder Therapie, von Anfang
Es ist allgemein anerkannt, dass die hohe Morbidität und Mortalität Opiat- an als Möglichkeit in Betracht gezogen werden, denn Abhängigkeit ist eine
abhängiger durch qualifizierte und andauernde Behandlung am besten fast immer chronische, multimodale Erkrankung mit Behandlungsverläufen
Vorwort zur 2. Auflage 5 6 Danksagung zur 2. Auflage
Christiane Fahrmbacher-Lutz
Hinweise für Benutzer 7 8 Inhaltsverzeichnis
I. GRUNDLAGEN 1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu
konsumieren.
1 Was ist Drogenabhängigkeit? 2. Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und
der Menge des Konsums.
Mit dem Begriff „Drogenabhängigkeit" wird im medizinischen Sinne die 3. Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des
Abhängigkeit von illegalen Substanzen bezeichnet. Es handelt sich dabei Konsums, nachgewiesen durch die substanzspezifischen Entzugssymp-
um Opiate und Opioide2, Cannabis, Kokain, Amphetamine und Halluzino- tome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten
gene bzw. um deren Kombination. Für die Substitutionsbehandlung inte- Substanz, um die Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden.
ressiert die Opiatabhängigkeit, die im Sinne des ICD-10 auch wegen der 4. Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen
Abhängigkeit von anderen Substanzen als Polytoxikomanie inklusive erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz hervorzurufen, sind zu-
Heroinabhängigkeit bezeichnet wird. nehmend höhere Dosen erforderlich (eindeutige Beispiele hierfür sind die
Tagesdosen von Alkoholikern und Opiatabhängigen, die bei Konsumenten
Der Konsum psychoaktiver Substanzen war in den traditionellen Gesell-
ohne Toleranzentwicklung zu einer schweren Beeinträchtigung oder sogar
schaften meistens in rituelle Handlungen integriert und führte kaum zu zum Tode führen würden).
medizinischen oder sozialen Problemen. Erst ab Mitte und Ende des
5. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen
19. Jahrhunderts, als es möglich wurde, viele dieser Stoffe in hochkon-
zugunsten des Substanzkonsums; erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz
zentrierter Form herzustellen und massenhaft zu vertreiben, kam es in zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen.
größerem Umfang zu Missbrauchsverhalten und Abhängigkeit.
6. Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher
Missbrauch (nach DSM-IV) bzw. schädlicher Gebrauch (nach ICD-10) ist Folgen wie z.B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive
ein Konsummuster psychotroper Substanzen, das zu einer körperlichen Verstimmungen infolge starken Substanzkonsums oder drogenbedingte
oder seelischen Gesundheitsschädigung führt. Missbrauch in der Definition Verschlechterung kognitiver Funktionen. Es sollte dabei festgestellt
nach DSM-IV bezieht soziale und rechtliche Folgen mit ein und kann in werden, dass der Konsument sich tatsächlich über Art und Ausmaß der
Abhängigkeit (ICD-10, Flx.2) übergehen. Eine substanzbezogene Abhän- schädlichen Folgen im Klaren war oder dass zumindest davon auszu-
gehen ist.
gigkeit äußert sich in einer Steigerung der Toleranz gegenüber hohen
Dosen sowie dem Auftreten von Entzugserscheinungen bei fehlender Das Opiat Heroin ist im Hinblick auf das Abhängigkeitspotential, das physi-
Zufuhr der entsprechenden Substanz sowie dem Kontrollverlust bezüglich sche und psychische Funktionen beeinträchtigt, eine der gefährlichsten
der konsumierten Menge. Das unbezwingbare Verlangen der Person, die bzw. suchtpotentesten Drogen. Die negativen Folgen im körperlichen,
Einnahme der Substanz fortzusetzen, wird auch als „craving" (Suchtdruck) psychischen und/oder sozialen Bereich können bei exzessivem Konsum
bezeichnet. Diesem Verlangen werden alle anderen Bedürfnisse unter- besonders rasch auftreten und haben ein wesentlich größeres Ausmaß als
geordnet, so dass z.B. auch das Begehen von Straftaten zur Geld- bei den meisten anderen Substanzen. Akute Krisen in den verschiedensten
beschaffung in Kauf genommen wird. Bereichen, z.B. Beziehungen, Beruf oder Gesundheit, können therapeu-
tisch nutzbare Anlässe zum Aufbau einer Änderungsmotivation sein.
Im Diagnosesystem ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 2004) wird
Abhängigkeit (Flx.2) definiert als das gleichzeitige Vorliegen von minde- In der Phase der beginnenden Änderungsmotivation ist eine intensive
stens drei der folgenden Kriterien zu einem Zeitpunkt im Laufe des letzten therapeutische Unterstützung angezeigt. Die Motivierung zu einer Ver-
Jahres: haltensänderung oder gar zur Teilnahme an einer Therapie ist allerdings
ein langwieriger Prozess.
2
Der Einfachheit halber verwenden wir im Text stets die Bezeichnung „Opiate“ oder „Opiat“ als
Synonym für Opiate und Opioide
I Grundlagen 13 14 2 Diagnostik
2 Diagnostik bei Drogenkonsumenten Die von abhängigen Patienten benutzten Opiate wirken, abgesehen von
ihren zeitlich unterschiedlichen Wirkungsverläufen, physiologisch sehr
Vor jeder Therapie ist eine umfassende Diagnostik inklusive klinischer ähnlich. Gerade der Zeitablauf des Wirkeintritts (sog. „Kick“) und der
Untersuchung erforderlich, die Vorgeschichte, Ursachen und Folgen der Wirkdauer spielt aber eine große Rolle in der unterschiedlichen Wahrneh-
Suchtentwicklung einbezieht. Bei der Untersuchung drogenabhängiger mung der Wirksubstanzen. Morphin, retardiertes Morphin, Methadon,
Patienten ist zu bedenken, dass diese eventuell versuchen, Symptome vor Buprenorphin, Levomethadon, Codein und Dihydrocodein (DHC) sowie die
sich oder dem Arzt zu verheimlichen oder infolge einer gestörten Selbst- Abbauprodukte des Heroins binden und wirken an Opioid-Rezeptoren (µ-,
wahrnehmung körperliche Veränderungen gar nicht registrieren. Checklis- κ-, σ-), die unter anderem als Schaltstellen im Schmerz- und Belohnungs-
ten helfen, die Diagnostik auf Vollständigkeit hin zu überprüfen und zu system wirken. Wegen der genannten Zeitabläufe und Rezeptoraffinitäten
dokumentieren. Die somatische Diagnostik muss durch eine ausführliche unterscheiden sie sich deutlich in ihren Wirkprofilen.
Suchtanamnese ergänzt werden (siehe Serviceteil „Erfassungsbogen Sub-
Eine akute Opiatintoxikation mit Miosis, Koma und Atemdepression kann
stitution", S. 86).
durch den reinen Opiatantagonisten Naloxon (i.v. oder i.m.) aufgehoben
Bei der Interpretation vorliegender Symptome müssen mögliche Wirkungen werden, der eine deutlich stärkere Affinität zu allen Opiat-Rezeptortypen
der verschiedenen aktuell konsumierten Substanzen sowie daraus resultie- besitzt und daher die meisten Opioide vom Rezeptor verdrängen kann.
rende Intoxikations- bzw. Entzugszeichen berücksichtigt werden. Dabei Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Wirkdauer von Naloxon nur ca.
sind aber überlagernde, teils entgegengesetzte Effekte anderer Suchtmittel 30-60 Minuten beträgt, so dass aufgrund der deutlich längeren Halbwerts-
zu beachten. So führt der Kokainentzug z.B. zu Müdigkeit, Gähnen und zeit der Opiate deren agonistische Wirkung mit den o.a. Symptomen da-
Pupillenverengung, also dem Gegenteil des Opiatentzugs. Zur Übersicht nach wieder auftreten kann.
werden in Tabelle 1 akute Wirkungen und Entzugssymptome der Opiate
Die Schwere des Opiatentzugssyndroms hängt von der regelmäßig ein-
zusammengefasst.
genommenen Dosis und der Dauer der Abhängigkeit ab. Erste Symptome
Tabelle 1: Akute Opiatwirkungen und Entzugssyndrom (nach Bonnet & Gastpar machen sich beim Heroinentzug in der Regel bereits nach 4-6 Stunden
in: Gastpar, Mann & Rommelspacher, 1999, S. 240) bemerkbar, erreichen nach 32-72 Stunden ihren Höhepunkt und verlaufen
phasenhaft über etwa 5 Tage. Buprenorphin- und Methadonentzugs-
Akute Opiatwirkungen Entzugssyndrom
symptome können länger andauern (bis zu 20 Tage) und setzen oft erst
• Atemdepression • Hyperventilation, Gähnen
nach 24-48 Stunden ein. Retardiertes Morphin, DHC und Codein liegen in
• Analgesie • Hyperalgesie
Beginn und Dauer etwa dazwischen. Bei polyvalentem Konsum kann durch
• Euphorie • Dysphorie die gleichzeitige Einnahme von Benzodiazepinen, DHC oder Barbituraten
• Entspannung • Innere Unruhe ein mehrgipfliger Entzug auftreten. Möglicherweise auftretende Entzugs-
• Schlafinduktion • Schlaflosigkeit symptome sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Eine delirante Symptomatik
• Sedierung • Hypervigilanz ist vor allem beim Entzug bei Vorliegen einer Abhängigkeit von Alkohol,
• Anxiolyse • Angst Benzodiazepinen und Gamma-Hydroxybuttersäure bzw. Gamma-Butyro-
• Antiemesis • Emesis lacton (GHB/GBL) möglich. Näheres zu GHB und GBL finden Sie auf ei-
• Hypothermie • Frösteln, Fieber, Kältezittern nem Informationsblatt auf der BAS-Website (www.bas-muenchen.de) unter
• Hypomotorik • Hypermotorik der Rubrik Publikationen/Papiere.
• Miosis • Mydriasis
• Harnretention • Harndrang
• Darmatonie • Bauchkrämpfe, Diarrhoe
• Unterdrückung exokriner Drüsen • Hyperhidrosis, Rhinorrhoe, Niesen,
(trockene Haut, Nase und Augen) Tränen
• Befriedigung • Craving
I Grundlagen 15 16 3 Grundsätzliche Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
3
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
I Grundlagen 17 18 3 Grundsätzliche Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
Tabelle 4: Im Urin nachweisbare Substanzen und ihre Nachweisdauer diese Untersuchung nicht regelmäßig zu empfehlen, zumal daraus nicht
©
• Methadon/ Polamidon 3-5 Tage zwangsläufig therapeutische Konsequenzen erwachsen, es sei denn bei
• EDDP 2-7 Tage Patienten mit speziellen Fragestellungen (z.B. ambulante Therapieauflage)
• Buprenorphin bis zu 5 Tage oder bei „heavy usern“, die z.T. auch „bekifft“ zum Termin erscheinen und
• Heroin u.a. Opiate 1-4 Tage bei denen mittelfristig auch Cannabisabstinenz zu den vereinbarten Zielen
• Kokain 1-4 Tage gehört. Ein anderer Weg wäre, Cannabinoide semiquantitativ zu erfassen
• Benzodiazepine 1-7 Tage, und eine Take-home-Verabreichung vom Ergebnis abhängig zu machen.
Diazepam bis zu 14 Tage Beachtet werden müssen mögliche Manipulationen von Urinproben (siehe
• Barbiturate z.B. sehr unterschiedlich Tabelle 5) zur Verschleierung von Beikonsum. Derartige Manipulations-
Secobarbital 1 Tag versuche können durch ein wachsendes Vertrauensverhältnis im Laufe der
Phenobarbital 1-3 Wochen
Therapie abgebaut werden. Bei Verdacht auf Verdünnung des Urins durch
• (Met-)Amphetamine 1-4 Tage
den Patienten sollten die (semi-)quantitativen Werte des Drogenscreenings
• MDMA 1-3 Tage
auf einen zweiten Wert, z.B. spezifisches Gewicht oder Kreatinin, bezogen
• Phencyclidin 3-7 Tage
werden. Zum Ausschluss der Standardausreden, wie z.B. des angeblichen
• Cannabinoide 24-36 Stunden (nach einmaligem Konsum)
Genusses von Mohnkuchen, der Einnahme codeinhaltigen Hustensaftes
5-30 Tage und länger (regelmäßige Raucher)
oder der Einnahme eines durch Bekannte erhaltenen unbekannten
• Fentanyl 15 Stunden
Schmerzmittels (z.B. wegen Zahnschmerzen) sollte schon zu Beginn der
• Tramadol 2-4 Tage als Metabolit
Therapie, konkret auch im Behandlungsvertrag, darauf hingewiesen wer-
• GHB/GBL 12 Stunden (Spezialtest)
den, dass diese Substanzen vermieden werden müssen.
Falsch positive Testergebnisse mit vermeintlichen Hinweisen auf Bei-
Die Kontrolle von Methadon/Polamidon® dient der Überprüfung von
konsum, die das Verhältnis zwischen Patient und Arzt sehr belasten
Missbrauch (Schwarzmarkt) bzw. Doppelsubstitution. Dabei ist aber die
können, sind möglich bei der Einnahme von:
Untersuchung des Markers EDDP (2-Ethylidin-1,5-Dimethyl-3,3-Diphenyl-
pyrrolidin) wesentlich sinnvoller, weil dieser als Stoffwechselprodukt von • Primidon (Mylepsinum®) falsch positives Testergebnis auf Bar-
Methadon bei Urinfälschungen (z.B. bei Abgabe von Fremdurin mit Zusatz biturate
von Methadon) nicht nachweisbar ist. Da Phencyclidin selten missbraucht • Ephedrinhaltige Nasentropfen falsch positives Testergebnis auf
wird, ist eine Überprüfung nur bei begründetem Verdacht angezeigt. Für Amphetamine
Tilidin gibt es keinen Schnelltest. • Levodopa (Madopar®) falsch positives Testergebnis auf Amphe-
Benzodiazepine stellen die bei weitem wichtigste Beigebrauchssubstanz tamine
dar (cave Atemdepression!) und müssen regelmäßig kontrolliert werden. • Ambroxol falsch positiv auf LSD
Bei Vorliegen einer Benzodiazepin-positiven Eingangs-Urinkontrolle sollte • Trimipramin falsch positives Testergebnis auf Opiate
die Substitution sehr behutsam begonnen werden, da diese Phase ohnehin
durch ein hohes Risiko an Intoxikationen geprägt ist.
Codein und Dihydrocodein (DHC) erscheinen als Opiate im Urin. Wird DHC
verordnet, muss mittels Spezialtest ein differenzierter Nachweis der Opiate
durchgeführt werden, um eine eindeutige Aussage über die eingenom-
menen Substanzen machen zu können. Nach DHC-Tartratgabe darf kein
Codein im Urin erscheinen, da dieses nicht zu Codein abgebaut wird. Nach
der Gabe von Codeinphosphat ist jedoch Codein im Urin nachweisbar.
Wegen der langen Persistenz von Cannabinoiden im Urin und der damit
verbundenen relativ geringen Aussagekraft einer Urinuntersuchung ist
II Die substitutionsgestütze Behandlung 27 28 1 Erstkontakt und Indikationsstellung
1.2 Indikationsstellung Patient zu Behandlungsbeginn sowie mindestens einmal pro Quartal dem
Konsiliarius vorstellt wird. Auch eine Substitutionsbehandlung unter
1.2.1 Gesetzliche Grundlage Mitwirkung eines Konsiliararztes wird weiterhin von den gesetzlichen
Krankenkassen finanziert (Auskunft KVB, April 2010).
Die gesetzlichen Grundlagen für die substitutionsgestützte Behandlung Für eine Finanzierung der Substitution durch die Krankenkasse nach
sind das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), die Betäubungsmittelverschreib- Anlage I der Richtlinie „Methoden vertragsärztlicher Versorgung“ (siehe
ungsverordnung (BtMVV) sowie das Arzneimittelgesetz (AMG). Ergänzend unter 2.1) gelten die oben beschriebenen Indikationen. Zudem ist der
sind die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitu- Qualifikationsnachweis „Suchtmedizinische Grundversorgung" der zustän-
tionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger zu berücksichtigen. digen Landesärztekammer erforderlich. Dieser kann durch eine von der
Die substitutionsgestützte Behandlung ist eine therapeutische Möglichkeit, Landesärztekammer angebotene Fortbildung erworben werden.
um bei Opiatabhängigen, die bisher mit anderen Mitteln nicht erfolgreich
behandelt werden konnten, ein möglichst gesundes Überleben zu sichern. 1.2.2 Therapeutische Überlegungen
Vorher fehlgeschlagene Behandlungen der Opiatabhängigkeit müssen
dokumentiert werden, da nach § 13 BtMG Opiate generell nur dann ver- Ist die Opiatabhängigkeit gesichert?
wendet werden dürfen, wenn die Behandlung mit anderen Mitteln keinen Dazu gehören der Nachweis von Opiat im Urin, Beobachtung von subjekti-
Erfolg hatte. ven und objektiven Entzugssymptomen, Einstichstellen, Anamnese und,
Für einen Patienten darf der Arzt nach § 5 Abs. 1 BtMVV ein Substitutions- wenn möglich, auch fremdanamnestische Angaben wie z.B. Überwei-
mittel für folgende Bestimmungszwecke verschreiben: sungsschein oder Arztbrief nach Entlassung aus einer Entzugs- oder
1. Behandlung der Opiatabhängigkeit mit dem Ziel der schrittweisen Entwöhnungstherapie.
Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich der
Welche Therapieversuche sind bislang unternommen worden?
Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes,
Es muss abgeklärt werden, ob schon stationäre Entzugs- oder Entwöh-
2. Unterstützung der Behandlung einer neben der Opiatabhängigkeit
nungstherapien durchgeführt wurden. Ist dies nicht der Fall, ist die Vermitt-
bestehenden schweren Erkrankung oder
lung an eine Beratungsstelle oder Fachambulanz zur Einleitung einer
3. Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während einer Entwöhnungstherapie mit vorherigem stationärem Entzug vorzuziehen.
Schwangerschaft und nach der Geburt. Besteht ein nachvollziehbarer Therapiewunsch, kann bis zum Antritt der
Derzeit darf nur derjenige Arzt eine Substitutionsbehandlung vornehmen, stationären Entzugsbehandlung eine substitutionsgestützte Therapie zur
der die „Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation Überbrückung (wie in der BtMVV ausdrücklich vorgesehen) sinnvoll sein. In
erfüllt, welche von den Ärztekammern nach dem allgemein anerkannten diesem Falle sollten Vereinbarungen über den Zeitraum der „Überbrü-
Stand der medizinischen Wissenschaft festgelegt werden." Ausnahmen ckung" getroffen werden. Eine Überbrückungssubstitution sollte im Einzel-
stellen die weiter unten beschriebene Konsiliararztregelung sowie die Mög- fall mit dem Patienten abgestimmt werden.
lichkeit einer Urlaubsvertretung durch einen Arzt ohne suchttherapeutische Es gibt Patienten, bei denen die substitutionsgestützte Therapie von vorn-
Qualifikation (siehe unter 4.8.2) dar. herein auch längerfristig Mittel der Wahl sein kann. Dazu gehören z.B.
Die Substitutionsbehandlung wird von den gesetzlichen Krankenkassen Borderline-Patienten mit vielen Heim- oder psychiatrischen Klinikaufenthal-
erstattet, sofern die fachliche Befähigung des Arztes gegenüber der ten, bei denen psychische Störungen eine Drogenabstinenz erschweren.
Kassenärztlichen Vereinigung nachgewiesen und eine Genehmigung zur Des Weitern können dies Patienten sein, bei denen ein langfristiger statio-
Substitution erteilt wurde. närer Aufenthalt, z.B. durch Verlust des Arbeitsplatzes, zur sozialen Desin-
Nach § 5 Abs. 3 BtMVV kann ein Arzt ohne Fachkundenachweis tegration führen würde. Zudem kann dies bei Vorliegen schwerer somati-
Substitutionsmittel verschreiben, solange er nicht mehr als drei Patienten scher Erkrankungen indiziert sein, insbesondere dann, wenn eine belas-
gleichzeitig substituiert und zuvor die Behandlung mit einem Konsiliararzt tende Behandlung geplant ist (z.B. Interferon oder Ribaverin bei Hepatitis
abgestimmt hat. Dabei muss der behandelnde Arzt sicherstellen, dass sein C), die wegen entzugsähnlicher Beschwerden einen Rückfall induzieren
II Die substitutionsgestütze Behandlung 31 32 1 Erstkontakt und Indikationsstellung
kann. Diese Fälle sollten sorgfältigst geprüft und dokumentiert werden. Liegt Gewalt oder Schwerkriminalität vor?
Justizielle Probleme aufgrund von BtM-Delikten oder kleinere Beschaf-
Welchen Beikonsum hat der Patient?
fungskriminalität sind häufig und sprechen meist nicht gegen eine
In der Anfangsphase der Substitution weisen fast alle Patienten Bei- substitutionsgestützte Behandlung. Liegt aber eine Verstrickung in ein
gebrauch auf. Beigebrauch stellt prinzipiell eine Gefährdung dar, dennoch schwer kriminelles Milieu vor, ist fraglich, ob der Patient in der Praxis
kann nicht erwartet werden, dass der Drogenabhängige dieses geübte therapiert werden kann.
Konsummuster sofort aufgeben kann. Vital gefährdender Beikonsum muss
Eine Neigung zu Gewalttätigkeit kommt oft, insbesondere bei Beikonsum
möglichst schnell beendet werden (siehe unter 4.4.4). Modalitäten der
von Kokain oder Alkohol vor, verringert sich jedoch häufig in der ersten
Reduktion des Beikonsums sind Bestandteil der Behandlungsvereinbarung.
Phase der Substitution. Bei diesen Patienten ist das Vereinbaren und kon-
Erscheint der Patient deutlich intoxikiert zum Erstgespräch, sollte ein neuer
sequente Einfordern bestimmter Verhaltensregeln besonders wichtig.
Termin vereinbart werden, zu dem der Patient ansprechbar erscheinen
muss. Schlägt diese Vereinbarung fehl, sollte aus Sicherheitsgründen zu Sollen Partner gleichzeitig in einer Praxis behandelt werden
einer stationären Behandlung mit Abklärung und ggf. Einstellung auf ein
Patienten, bei denen der Partner ebenfalls drogenabhängig ist, können den
Substitutionsmittel geraten werden.
behandelnden Arzt in eine ungünstige Dreierkonstellation einbinden und
Wie sieht die Motivation des Patienten aus? versuchen, ihre Beziehungsprobleme auf diese Weise auszutragen. Dro-
genabhängige Partner sollten deshalb, sofern möglich, getrennt substituiert
Die Ambivalenz bezüglich Abstinenz und Weiterkonsum ist der Abhängig-
bzw. von verschiedenen Therapeuten der gleichen Einrichtung betreut und
keit immanent. Entsprechend stark kann die Motivation der Patienten
Partnerprobleme in einer psychosozialen Betreuung besprochen werden.
phasenweise schwanken, v.a. bei erneutem Szenekontakt. Patienten mit
Es sollten jedoch unbedingt beide Partner therapiert werden, um den Erfolg
realistischen Zielen in Richtung Ausstieg aus der Szene und intrinsischer
einer substitutionsgestützten Behandlung nicht von vornherein in Frage zu
Motivation bieten die größte Chance für eine erfolgreiche substitutions-
stellen.
gestützte Behandlung. Die zu Grunde liegende Motivation ist beim Erst-
kontakt oft nicht klar erkennbar, lässt sich aber durch den Umgang des Falls beide Partner aus bestimmten Gründen doch in einer Praxis oder
Patienten mit den Behandlungsvereinbarungen später meistens klären. Die Psychiatrischen Institutsambulanz oder vom gleichen Therapeuten
psychosoziale Beratung bietet die Möglichkeit, diese Ambivalenzen und behandelt werden, sollte darauf geachtet werden, dass im Arztgespräch
Motivationsschwankungen zu bearbeiten. Außerdem empfiehlt sich hier die nicht einer bevorzugt über den anderen redet. Sofern beide Partner
Motivierende Gesprächsführung. betreffende Themen anstehen, können solche Gespräche anlassbezogen
auch zu dritt erfolgen.
Liegen ausgeprägte psychische Störungen vor?
Sind Sie als Arzt ausreichend auf eine Substitution vorbereitet?
Hat der Patient eine deutlich ausgeprägte psychische Störung (z.B. Psy-
chose, schwere Depression, posttraumatisches Belastungssyndrom u.a. Zur erfolgreichen Behandlung drogenabhängiger Patienten sind spezielle
infolge von Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen, rezidivierende Kompetenzen des Arztes erforderlich, um der Psychodynamik suchtkranker
Suizidalität ggf. auf dem Boden einer schweren Persönlichkeitsstörung), Patienten begegnen zu können (vgl. auch Gölz, 1995):
muss eine psychiatrische Mitbetreuung erfolgen oder an eine spezialisierte • Akzeptanz und Empathie
Ambulanz oder Schwerpunktpraxis mit Erfahrung in der Behandlung von • klare Vorstellungen über therapeutische Ziele
Patienten mit derartigen Doppeldiagnosen und Kapazitäten für intensive
psychiatrische, psychotherapeutische und psychosoziale Betreuung über- • Grenzen setzen und aufrechterhalten
wiesen werden. Ist dies auf Grund regionaler Gegebenheiten schwierig, • Aushalten narzisstischer Wut
sollte im Sinne des Patienten nach praktikablen Alternativen gesucht • Selbstwertgefühl aus professionellem Handeln schöpfen
werden, z.B. durch Einbindung niedergelassener Fachärzte.
• aus therapeutischer Distanz Nähe und Einfühlung aufrechterhalten
• keine Fixierung auf schnelle Erfolgserlebnisse
II Die substitutionsgestütze Behandlung 33 34 1 Erstkontakt und Indikationsstellung
• frei von Angst und Wut auf Anspruchshaltung reagieren werden können. Die aus polyvalentem Missbrauch resultierenden Wirkun-
• Offenheit und Wertschätzung gegenüber Patienten gen auf das ungeborene Kind, insbesondere auf das Gehirn, sind kaum zu
prognostizieren. Der ungeregelte, gesundheitswidrige Lebensstil bei illega-
• Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit ler Drogenabhängigkeit wirkt sich besonders negativ auf die Schwanger-
• Transparenz des therapeutischen Handelns schaft aus. Stress bei Drogenbeschaffung, Fehl- und Unterernährung,
Spritzenabszesse, Rauchen, Alkoholkonsum, Prostitution und Infektionen
Sie sollten genau überlegen, ob Sie mit einem Patienten langfristig zu- können zu folgenden Komplikationen führen:
sammenarbeiten können oder ob Sie ihn u.U. besser an einen anderen • intrauterinem Kindstod
Kollegen oder eine Substitutionsambulanz vermitteln sollten. Prinzipiell gilt:
Patienten dürfen auch abgelehnt werden. Die Ablehnung sollte jedoch für • Virusinfektionen
den Patienten nachvollziehbar sein und Behandlungsalternativen sollten • Wachstumsretardierung
vorgeschlagen werden, um die Motivation des Patienten zur Änderung • geistigen und motorischen Entwicklungsstörungen
seiner Lebenssituation aufrecht zu erhalten.
• vorzeitigen Wehen und Frühgeburt
Der Entscheidungsprozess, ob eine Substitution indiziert und der Patient
für eine Substitution in Ihrer Praxis geeignet ist, kann, die bereits genann- Da Opiate plazentagängig sind, kommt es bei dauerndem Gebrauch zur
ten Untersuchungen einbezogen, durchaus 2-3 Wochen dauern. Lassen behandlungsbedürftigen Abhängigkeit des Kindes. Die Kinder leiden unter
Sie sich nicht vom Patienten unter Druck setzen. Beziehen Sie auch einem mehrwöchigen Neugeborenen-Entzugssyndrom, das oft unerkannt
unterstützend die psychosoziale Beratungsstelle vor Ort mit ein. Sie und deshalb in der Folge unbehandelt bleibt, weil Schwangere ihre Drogen-
bestimmen den für einen Behandlungsbeginn günstigen Zeitpunkt. abhängigkeit aus Angst vor Repressionen (Angst vor Einschränkung des
Die Patientenzahl sollte langsam aufgebaut werden und in den ersten elterlichen Sorgerechts) verschweigen bzw. die Klinik vor Auftreten der
Jahren möglichst 15-20 Fälle nicht überschreiten. Um eine qualifizierte Entzugssymptome beim Kind (nach 2-3 Tagen) schon verlassen haben.
Substitutionsbehandlung mit dem Praxisalltag störungsfrei zu vereinbaren, Schwangerschaft stellt bei Opiatabhängigen eine Indikation zur Substitution
sollte die Patientenzahl auf maximal 50 begrenzt werden. dar (siehe § 5 Abs. 1 Satz 3 BtMVV), um die Risiken für das Kind zu mini-
Finanzielle Motive dürfen für die Durchführung der Substitutions- mieren. Schwangere sollen so schnell wie vertretbar in die Substitutions-
behandlung nicht entscheidend sein. Jeder kassenversicherte Patient hat behandlung aufgenommen werden. Gesundheitszustand und Lebensstil
grundsätzlich Anspruch auf eine kassenfinanzierte Regelleistung. Deshalb der Schwangeren lassen sich durch Substitution innerhalb von Wochen
ist eine Substitution auf Selbstzahlerbasis die Ausnahme und sollte auch und Monaten oft erheblich verbessern (Raschke, 1994). Eine Substitution
aus Gründen der Finanzierbarkeit durch den Patienten vermieden werden. kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft begonnen werden. Die
Die Gründe, warum nicht zu Lasten der Krankenkasse substituiert werden Substitution in der Schwangerschaft führt zu regelmäßigem ärztlichen Kon-
konnte, sollten in diesem Fall genau dokumentiert werden. Es ist auch zu takt mit der Patientin und bietet die Chance einer Anbindung an eine
bedenken, dass sich dabei das psychologische Beziehungsverhältnis Schwangerenvorsorge und dadurch zu Früherkennung geburtshilflicher
zwischen Arzt und Patient ändert: Der Patient wird Kunde. Risiken wie vorzeitiger Wehen oder Wachstumsstörung. Genitale Infektio-
nen können erkannt und behandelt werden Die Patientinnen sollten nach
Schwangerschaft und Drogenabhängigkeit Möglichkeit an ein für die Behandlung opiatabhängiger Schwangerer
Drogenabhängigkeit erfordert immer eine Palette spezifischer medika- spezialisiertes Zentrum überwiesen werden.
mentöser, psycho- und sozialtherapeutischer Behandlungskonzepte; dies Ausreichende Substitution erhöht die Chance auf einen normalen
gilt besonders während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. Schwangerschafts- und Geburtsverlauf. Das Kind wird allerdings opiat-
Bedingt durch die bei vielen drogenabhängigen Frauen vorkommende abhängig geboren und entwickelt je nach eingesetztem Substitutionsmittel
Oligo-/Amenorrhoe wird eine Schwangerschaft oft erst spät (12.-20. Wo- ein über zwei bis acht Wochen dauerndes zu behandelndes Entzugs-
che) bemerkt. Drogenabhängige Schwangere kommen häufig nicht zu den syndrom,. Derzeit wird Buprenorphin zur Behandlung Schwangerer emp-
Vorsorgeuntersuchungen, so dass Komplikationen nicht rechtzeitig erkannt fohlen, dabei sind die Ergebnisse aber nicht wesentlich anders als bei
II Die substitutionsgestütze Behandlung 35 36 2 Abklärung der Finanzierung
§ 3 Indikation
(1) Die Substitution kann nur als Bestandteil eines umfassenden Therapie-
konzeptes durchgeführt werden zur
1. Behandlung einer manifesten Opiatabhängigkeit mit dem Ziel der schritt-
weisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich
der Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes,
2. Unterstützung der Behandlung einer neben der Opiatabhängigkeit beste-
henden schweren Erkrankung oder
3. Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während einer Schwan-
gerschaft und nach der Geburt.
(2) Bei Vorliegen einer manifesten Opiatabhängigkeit ist eine Substitution dann
indiziert, wenn die Abhängigkeit seit längerer Zeit besteht und
1. wenn Abstinenzversuche unter ärztlicher Kontrolle keinen Erfolg erbracht
haben oder
2. wenn eine drogenfreie Therapie derzeit nicht durchgeführt werden kann
oder
II Die substitutionsgestütze Behandlung 37 38 2 Abklärung der Finanzierung
3 Einleitung der substitutionsgestützten Behandlung oder erst nach einer Latenzzeit deutlich werden, sollte sich diese „Behand-
lungsvereinbarung" zuerst über einen sehr begrenzten Zeitraum (z.B.
3.1 Behandlungsvereinbarung drei Monate) erstrecken. Im Vertrag sollten Abgabemodalitäten, Abbruch-
gründe, individuelle Zielsetzung und Form der psychosozialen Betreuung
Zu Beginn der substitutionsgestützten Behandlung muss eine schriftliche und/oder der psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung
Behandlungsvereinbarung getroffen werden, wie in Anlage I der „Richtlinie sowie die Therapieoptionen somatischer Erkrankungen (v.a. HCV, HBV
Methoden vertragsärztlicher Versorgung“ unter § 3 Absatz 4 Punkt 8 und HIV) festgelegt und dokumentiert werden. Die im Rahmen der Aufklä-
erwähnt. Dem Patienten muss verdeutlicht werden, dass die alleinige Ver- rung über die Behandlung besprochenen wesentlichen Punkte werden
abreichung eines Substitutionsmittels ohne Einbettung in ein medizinische ebenfalls in den Behandlungsvertrag aufgenommen. Sinnvoll ist in diesem
und psychosoziale Aspekte umfassendes Behandlungskonzept nach dem Zusammenhang nicht nur eine Schweigepflichtsentbindung für die
Betäubungsmittelrecht nicht zulässig ist. Kommunikation mit der psychosozialen Beratungsstelle, sondern auch für
Die Richtlinien der Bundesärztekammer (www.bundesaerztekammer.de/ die beteiligten Apotheken. Ansonsten wäre es einem Apotheker untersagt,
downloads/rl-substitution_19-februar-2010.pdf) sehen vor, dass der Patient den substituierenden Arzt über ein möglicherweise die Substitutions-
in die geplanten Therapiemaßnahmen ausdrücklich einwilligen muss. Dies behandlung gefährdendes Verhalten des Patienten zu informieren (z.B.
gilt auch für Patienten, die als Selbstzahler substituiert werden. gleichzeitig mit dem Take-home-Rezept erfolgende Einlösung von
Rezepten mit psychoaktiv wirksamen Medikamenten). Ein Beispielvertrag
Über folgende Punkte der geplanten Behandlung muss aufgeklärt werden:
findet sich im Serviceteil (siehe S. 102).
• Anzuwendende Substitutionsmittel und mögliche Neben- und
Nach dem festgelegten Zeitraum sollten die bisherigen Ergebnisse bespro-
Wechselwirkungen,
chen, die Ziele aktualisiert und der modifizierte Vertrag verlängert werden.
• Organisation der täglichen Verabreichung sowie der Verabrei-
Werden die Ziele nicht erreicht, stellt sich die Frage, ob sie realistisch
chung und Versorgung an Wochenenden, Feiertagen und in
waren oder angepasst werden müssen. Auch bei realistischer Zielsetzung
Urlaubszeiten,
sind „Rückschritte“ im Behandlungsverlauf ein der Diagnose Opiat-
• Take-home-Regelungen,
abhängigkeit innewohnender normaler Bestandteil. Sie stellen für den
• Einnahme unter Sicht, Patienten eine starke psychische Belastung dar. Versagensgefühle und
• Verzicht auf Konsum anderer Stoffe, die den Zweck der Substituti- Demotivation könnten die Behandlung gefährden. Die Möglichkeit eines
on sowie die Gesundheit gefährden, Rückfalls und der Umgang damit sollten deshalb gleich zu Beginn der
• Kontrollen auf den Konsum weiterer Substanzen einschließlich Al- Behandlung mit dem Patienten besprochen und im Therapiekonzept
kohol, z.B. mit Urinscreening, Atemalkoholtest, berücksichtigt werden. Ein Therapieabbruch sollte nur bei schwerwiegen-
• Vereinbarung von Therapiezielen, den Verstößen gegen die im Therapievertrag genannten Verhaltensregeln
• Abbruchkriterien, erwogen werden.
• Erforderliche psychosoziale Betreuung,
• Aufklärung über eine eventuelle Einschränkung des Reaktions- 3.2 Dokumentation
vermögens und Fahruntüchtigkeit,
• Erforderlichkeit einer Schweigepflichtsentbindung gegenüber den Auf der Grundlage des bestehenden Berufsrechts, der BtMVV und der
beteiligten Institutionen (z.B. Ärztekammer, Kassenärztliche Ver- speziellen Anforderungen an die substitutionsgestützte Behandlung Opiat-
einigung, psychosoziale Betreuungsstelle, Apotheke, vorbehan- abhängiger ist die Dokumentationspflicht unumgänglich. Wichtig ist, dass
delnde Stellen), der Arzt Beginn und Beendigung einer Substitutionsbehandlung unverzüg-
• Zentrale Meldeverpflichtung in codierter Form zur Verhinderung lich der zuständigen KV und Krankenkasse (neben der obligatorischen
von Doppelverabreichungen. Meldung an das Substitutionsregister auch für Selbstzahler) zu melden hat.
Bei der Einleitung der Substitution sind folgende Inhalte zu dokumen- Als Substitutionsmittel darf der Arzt nur Zubereitungen von Levomethadon,
tieren: Methadon und Buprenorphin bzw. Buprenorphin/Naloxon verschreiben. In
• Ausführliche (Sucht-)Anamnese begründeten Ausnahmefällen kann Codein oder Dihydrocodein oder Dia-
• Befunde der körperlichen Untersuchung inkl. Urin- bzw. Beigebrauchs- morphin als zur Substitution zugelassenes Arzneimittel oder ein anderes
diagnostik, Abklärung auch hinsichtlich möglicher Suchtbegleit- bzw. Sucht- zur Substitution zugelassenes Arzneimittel verschrieben werden.
folgeerkrankungen, Diagnose
• Bestätigung einer Suchtberatungsstelle über Aufnahme oder Fortführung 3.3.1 Methadon und Levomethadon
einer psychosozialen Betreuung bzw. Bestätigung über derzeit nicht vorhan-
denen Beratungsbedarf Methadon ist ein vollsynthetisch hergestelltes Racemat, das zu gleichen
• Erstellung eines individuellen Therapieplans, der Therapieziele zeitlich und Teilen aus rechts- und linksdrehenden Enantiomeren besteht. Nur die
qualitativ beschreibt, Auswahl und Dosierung des Substitutionsmittels angibt, linksdrehende Form (Levomethadon) ist für die Substitution relevant.
ein Dosierungsschema festlegt und psychosoziale Betreuungsmaßnahmen Levomethadon ist in Deutschland als i.v./i.m. injizierbare und als oral
bzw. notwendige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungs- verabreichbare Lösung in Tropfenform (L-Polamidon®) erhältlich. 10 mg
maßnahmen dokumentiert. Methadon (= 1 ml Methadon-Racemat 1 %) entsprechen in der Wirkung
Weiterhin müssen folgende Punkte dokumentiert werden: 5 mg Levomethadon (= 1 ml L-Polamidon®).
• Meldung des Patienten in anonymisierter Form an das zentrale Substitutions- Racemisches Methadon wird von den Apotheken zur Herstellung von
register individuell dosierten Substitutionslösungen verarbeitet. Methadon ist auch
• Häufigkeit und Ergebnisse des Drogenscreenings und der Beigebrauchs- als Tablette zur Substitution in verschiedenen Stärken im Handel. Die Sub-
kontrollen stanz besitzt eine hohe enterale Resorption. Die Bioverfügbarkeit beträgt
• Jeweils personengebundene Schweigepflichtsentbindung durch den dann 70-95%. Da Methadon gut fettlöslich ist, überwindet es schnell die
Patienten Bluthirnschranke und lagert sich stark im Gewebe, besonders in Leber,
• Aufklärung des Patienten über Gefahren und Nebenwirkungen zusätzlich Niere, Milz und Lunge sowie in Muskel- und Fettgewebe ein. Abgebaut wird
gebrauchter psychotroper Substanzen es durch das Leberenzym P450, was die Interaktion mit anderen Medika-
• Aufklärung über eine mögliche Fahruntauglichkeit und über eine mögliche menten (siehe auch unter 4.5.3 und Tabelle 13, S. 73) erklärt. Durch die
Einschränkung beim Bedienen von Maschinen und schwerem Gerät lange Halbwertszeit von 15-60 Stunden reicht eine einmalige tägliche Gabe
• Art, Dosis und Verabreichungsmodalitäten des Substitutionsmittels im Fall zur Substitution aus. Repetitive Applikationen von Methadon führen zur
der Take-home-Verordnung, Begründung und Stand der erreichten Behand-
Kumulation. Methadon ist dem Morphin äquianalgetisch, besitzt aber eine
lung, der eine Take-home-Verordnung zulässt sowie Dokumentation des Auf-
wesentlich geringere sedative Wirkung. Bei ausreichender
klärungsgesprächs mit dem Patienten und ggf. Gründe für eine vorzeitige
Take-home-Regelung Methadondosierung führt eine Heroininjektion wegen der großen Affinität
• Ausstellung des Behandlungsausweises des Methadon zu den Opiatrezeptoren nicht mehr zum „Kick". Da
• Im Fall des Abbruchs der Behandlung die Begründung (möglichst in Zusam- Methadon parenteral (i.v.) verabreicht eine höhere Bioverfügbarkeit und
menarbeit mit der für die psychosoziale Betreuung zuständigen Stelle) und somit größere Wirksamkeit aufweist, muss sichergestellt werden, dass
Inhalte des Aufklärungsgesprächs mit dem Patienten Methadonzubereitungen ausschließlich oral verwendet werden können. Die
• Gesundheitszustand des Patienten bei Beendigung der Behandlung sowie nach parenteraler Gabe zu beobachtende euphorisierende Wirkung
ggf. eingeleitete weitere Maßnahmen („Kick") ist nach oraler Gabe so gut wie nicht vorhanden. Beschrieben wird
von den Patienten allerdings ein „Anflutgefühl".
3.3 Medikamente zur Substitution Lösungen aus Methadon werden in den Apotheken als Rezeptur her-
gestellt. Es empfiehlt sich generell eine 1%ige-Methadon-HCI-Lösung zu
Pharmakologische Grundkenntnisse über Wirkungen, Nebenwirkungen und
rezeptieren (am besten Rezepturvorschrift NRF 29.1), da dies die
Entzugssymptomatik von Opiaten und anderen psychoaktiven Substanzen
gebräuchlichste Form ist und in diesem Falle 1 ml Methadon in seiner Wir-
sind Voraussetzung für die Behandlung opiatabhängiger bzw. poly-
kung 1 ml des ebenfalls häufig verwendeten L-Polamidon® entspricht.
toxikomaner Patienten (siehe auch Tabelle 1, S. 13).
II Die substitutionsgestütze Behandlung 43 44 3 Einleitung der substitutionsgestützten Behandlung
Methadon-Tabletten und Levomethadon-Lösung sollten bei der Verab- 3.3.2 Levacetylmethadol (LAAM)
reichung unter Sichtkontrolle aufgelöst bzw. mit Wasser verdünnt werden,
um ein Herausschmuggeln (aus der Praxis) zu vermeiden. Bei Verordnung LAAM (Orlaam®), als lang wirksames und damit nur alle 2-3 Tage zu verab-
von Take-home-Dosen sollte auch Polamidon® in einer die Injektion reichendes Methadonderivat entwickelt, wurde auf Empfehlung der europä-
erschwerenden Form, d.h. mit höherer Viskosität und gefärbt, rezeptiert ischen Arzneimittelbehörde EMEA vom 19. April 2001 wegen nicht vorher-
werden (z.B. nach Rezeptur NRF 29.4). sehbarer schwerer Kardiotoxizität wie Herzrhythmusstörungen bis
Torsades de pointes und Herzstillstand die Zulassung entzogen.
In seltenen Fällen kann die Gabe von Methadon/Levomethadon zu einer
QT-Zeit-Verlängerung führen. Deshalb wird vor der Einstellung auf
Methadon sowie im weiteren Verlauf nach Dosisfindung eine EKG-
3.3.3 Buprenorphin
Kontrolle empfohlen. Buprenorphin ist ein mehr als 100-fach stärkeres Opioid-Analgetikum im
Besonders komplikationsträchtig ist die Dosisfindung zu Beginn einer Sub- Vergleich zu Morphin. Wegen seines ausgeprägten First-Pass-Effektes ist
stitutionsbehandlung (siehe hierzu auch unter 3.6.1). Hier gilt es zwischen Buprenorphin nur sublingual oder parenteral ausreichend bioverfügbar.
dem häufig sehr drängenden Wunsch des Patienten nach möglichst hoher Buprenorphin ist ein Partialagonist mit teilweise antagonistischer Wirkung.
Dosierung und den notwendigen Vorsichtsmaßnahmen besonders sorgfäl- An den µ-Rezeptoren wird u.a. ausgelöst
tig abzuwägen. Einerseits möchte der Patient unbedingt die zwar subjektiv • Analgesie
quälenden, aber objektiv nicht vital bedrohlichen Entzugssymptome ver- • Hyperalgesie
meiden, andererseits besteht immer das Risiko einer vital bedrohlichen • Anticraving
Überdosierung, falls die Opiattoleranz beim Patienten doch nicht so hoch • Atemdepression
ist, wie der Patient ggf. selber glauben machen möchte. Deshalb gilt hier
• Euphorie
besonders, dass sich der Behandler keinesfalls vom Patienten unter Druck
setzen lassen sollte. Ein Vollagonist wie Methadon oder Heroin greift an allen (Unter-)Arten des
µ-Rezeptors mit voller Kraft ein. Ein Partialagonist wie Buprenorphin
Zu Beginn einer Substitution sollte die Verabreichung am ersten Tag auf
besetzt zwar die Rezeptoren, löst jedoch nicht die volle agonistische
30 mg Methadon-Racemat bzw. 15 mg Levomethadon begrenzt bleiben.
Wirkung (Signalstärke) aus. Die Folge ist, dass Buprenorphin zwar
Der maximale Plasmaspiegel wird in der Regel nach 2-3 Stunden erreicht.
Anticraving und Analgesie auslöst, bei sachgerechter, sublingualer Gabe
Dann können das Ausmaß der verbleibenden Entzugssymptome bzw.
jedoch keine Atemdepression oder Euphorie. Am К-Opioidrezeptor wird
einer übermäßigen Sedierung valide beurteilt werden. Bei eindeutigen
Sedierung und Dysphorie vermittelt. Da Buprenorphin hier als Antagonist
Entzugssymptomen kann eventuell noch einmal 20 mg Methadon bzw.
wirkt, bleiben diese unerwünschten Wirkungen aus.
10 mg Levomethadon nachgegeben werden.
Im Folgenden werden noch einige Besonderheiten des Buprenorphin dar-
Auf engen Arzt-Patienten-Kontakt ist wegen der langen Halbwertszeit und
gestellt:
Kumulation von Methadon mit der Gefahr von Überdosierungen in den
ersten drei bis vier Tagen besonders zu achten. • Buprenorphin wird in mehreren Verteilungsräumen (Plasma, Muskel-
und Knochengewebe, Fettgewebe) des Körpers deponiert. Wegen
Methadon wird als reiner Agonist an µ- und К-Rezeptoren deutlich stärker
seiner extrem hohen Lipophilie verbleibt es für lange Zeit im tiefen
wahrgenommen als Buprenorphin. Damit wirken und fühlen sich die Patien-
Kompartiment des Fettgewebes und wird von dort aus wieder in das
ten deutlich sedierter, was es für eher abschirmbedürftige Patienten als
zentrale Kompartiment (Plasma) abgegeben. Daraus ergibt sich eine
geeigneter erscheinen lässt. Besonders sei auf die gefährliche Kombination
dosisabhängige (!) Wirkdauer von bis zu 72 h.
mit Benzodiazepinen und Alkohol hingewiesen, was neben einer möglichen
Kumulation der Hauptgrund für eine letale Atemdepression ist. • Aufgrund der daraus resultierenden langen Wirkdauer kann Buprenor-
phin auch alternierend jeden 2. oder 3. Tag verabreicht werden. Dies
Ausführliche Informationen zur Dosisfindung bei Beginn einer Substituti-
kann beispielsweise an Wochenenden oder vor Feiertagen von Vorteil
onsbehandlung finden sich unter 3.6.1.
sein. Dabei erfolgt die Einmalgabe von bis zu zwei oder drei Tages-
II Die substitutionsgestütze Behandlung 45 46 3 Einleitung der substitutionsgestützten Behandlung
dosen (z.B. erhält der Patient täglich 8 mg = alternierende Gabe von 3.3.4 Codein/Dihydrocodein (DHC)
16 mg jeden zweiten Tag oder 24 mg jeden dritten Tag).
Gemäß BtMVV sind Codein/DHC als Substitutionsmittel nur für nicht
• Ein Vorteil der kurzen Plasmahalbwertszeit ist u.a. die geringe Inter-
anders behandelbare Ausnahmefälle zugelassen. Es empfiehlt sich, diese
aktionsgefahr mit anderen Pharmaka. Außerdem bindet es sich an
Ausnahmefälle besonders sorgfältig zu diagnostizieren und zu dokumen-
Proteine, die von anderen Pharmaka nicht belegt werden und wird
tieren! Die üblicherweise in den Apotheken hergestellte Lösung aus DHC-
über vergleichsweise wenig CYP-Untereinheiten metabolisiert.
Tartrat zur oralen Verabreichung muss aufgrund der kurzen Halbwertszeit
Buprenorphin alleine bringt wegen seines nur partiellen Agonismus am für eine stabile Substitution meistens alle 6-8 Stunden eingenommen wer-
µ-Opioidrezeptor nicht die Gefahr einer vital bedrohlichen Atemdepression den.
mit sich. In Kombination mit anderen zentraldämpfenden Substanzen wie
z.B. Benzodiazepinen oder Alkohol kann es dennoch zu lebensbedroh- 3.4 Anforderungen an Substitutionsmittel
lichen Atemdepressionen kommen.
Vor allem Patienten mit einer langen Abhängigkeitsvorgeschichte und Sub- Alle Substitutionsmittel besitzen unterschiedliche pharmakokinetische und
stitutionserfahrung kommen zum Teil nicht mit der subjektiv geringeren pharmakodynamische Eigenschaften. Bei der Auswahl eines Substi-
Reizabschirmung unter Buprenorphin im Vergleich zu Methadon zurecht. tutionsmittels sollten Konsumgewohnheiten, Organfunktionen, Psyche,
Hierauf sollte bereits bei der Aufklärung hingewiesen werden. Begleiterkrankungen, Zuverlässigkeit und Ziele (z.B. eventueller Kinder-
wunsch) des Patienten berücksichtigt werden.
Buprenorphin + Naloxon Das ideale Substitutionsmittel sollte eine Vielzahl von Anforderungen erfül-
Wegen vermehrtem i.v. oder intranasalem Missbrauch und zunehmendem len wie die nachfolgende Tabelle zeigt.
Schwarzmarkthandel von Subutex® wurde Buprenorphin mit dem Opiat-
antagonisten Naloxon in einem Verhältnis von 4:1 (Suboxone®) kombiniert. Tabelle 6: Anforderungen an ein ideales Substitutionsmittel
• Bei sublingualer Einnahme wird Naloxon nur zu maximal 10% resor- • Entzugserscheinungen und Craving wirksam unterdrücken
biert und baut somit keinen ausreichend pharmakologisch wirksamen • die Atmung so wenig wie möglich beeinflussen
Spiegel auf. • eine große therapeutische Breite besitzen
• Bei i.v. Konsum oder Sniefen des Präparates wird eine ausreichende • die Steady State-Dosierung rasch erreichen
• eine ausreichend lange Wirkdauer besitzen
Menge Naloxon aufgenommen, so dass diese bei opioidabhängigen
• geringes Nebenwirkungs- und Interaktionsspektrum
Personen mit großer Wahrscheinlichkeit ein zeitlich befristetes
• einfache und sichere Handhabung
Entzugssyndrom auslösen wird. Durch diese Negativerfahrung soll der
• kreislaufneutral sein
Patient davon abgehalten werden, den Missbrauch des Medikamentes
• das Reaktionsverhalten nicht negativ beeinflussen
zu wiederholen.
• kostengünstig sein
Als kompetitiver Antagonist verdrängt Naloxon bei nasaler oder • einfache Nachweisbarkeit in Urin und Blut
intravenöser Applikation alle anderen Opiate/Opioide vom Rezeptor. Sind • Libido und Potenz so gering wie möglich beeinflussen
die Rezeptoren mit Naloxon belegt, kann kein anderes Opiat andocken. • kein Suchtpotenzial besitzen
Naloxon hat im Vergleich zu anderen Opiaten jedoch eine kurze • nicht stigmatisierend wirken
Eliminationshalbwertszeit. Nachdem Naloxon von den Rezeptoren
diffundiert ist, werden diese wieder vom applizierten Opiat belegt.
Weitere Unterschiede der beiden Substanzen finden sich in der
Da Buprenorphin eine im Vergleich zu anderen Opiaten höhere nachfolgenden Tabelle.
Rezeptoraffinität hat, lässt es sich von anderen Opiaten auch nicht vom
Rezeptor verdrängen. Eine nachträgliche Injektion von Heroin, Methadon
oder Morphin führt zu keiner Wirkung.
Näheres zur Dosisfindung siehe unter 3.6.2.
II Die substitutionsgestütze Behandlung 47 48 3 Einleitung der substitutionsgestützten Behandlung
Verzicht auf viskositätserhöhende Zusätze, Farbstoffe und Konservierungs- Dosis sollte am Vormittag, möglichst zu Wochenbeginn, verabreicht wer-
mittel sollte nur nach Abklärung einer Allergie erfolgen; bei nachgewiesener den. Vorsichtsmaßnahmen können eine Überwachung des Patienten über
Allergie sollte der Rezepturbestandteil gegen eine geeignete andere 2-3 Stunden oder eine Aufteilung der Dosis (Gabe morgens und nachmit-
Rezeptursubstanz ausgetauscht werden (Rücksprache mit der Apotheke). tags) sein. Zwei bis drei Stunden nach Einnahme sind die höchsten
Allergische Reaktionen auf ein bestimmtes Opiat sind selten, häufiger sind Methadonspiegel erreicht. Insbesondere in der Einstellungsphase sollte
Unverträglichkeiten bzw. Nebenwirkungen (z.B. Kopfschmerzen, Erbre- Methadon nie abends gegeben werden, da dann eine möglicherweise ein-
chen, Schweißausbrüche). In diesem Fall kann eine andere Substanz aus tretende Atemdepression, insbesondere im Falle von Beigebrauch mit
dem zugelassenen Spektrum gewählt werden. Alkohol und/oder Benzodiazepinen, aufgrund des einsetzenden Nacht-
schlafs nicht bemerkt werden kann.
3.6 Dosisfindung
10 mg Methadon = 1 ml Methadon-Racemat 1%
Angaben der Patienten bezüglich der bisher konsumierten Menge illegaler entspricht in der Wirkung
Opiate sind als Hinweis dienlich, müssen aber durch weitere Informationen
ergänzt werden, da die Konzentration der wirksamen Bestandteile extrem 5 mg Levomethadon = 1 ml L-Polamidon®
starken Schwankungen unterliegt (bei Heroin auf dem Schwarzmarkt je
An den folgenden Tagen wird die Methadondosis um 6 mg bis maximal
nach Verschnitt zwischen ca. 5% und 50%). Hat der Patient Heroin nur
12 mg Methadon pro Tag gesteigert. Durch die lange Halbwertszeit kann
geraucht oder gesnieft, muss von einer geringeren Opiattoleranz als bei
die Dosis in den ersten Tagen (vor allem am zweiten und dritten Tag) der-
i.v.-Applikation ausgegangen werden. Da Opiattoleranz und Opiatverstoff-
art kumulieren, dass die Toleranzschwelle überschritten wird. Eine eventu-
wechselung individuell stark variieren, erfolgt die Dosiseinstellung unter
elle Überdosierung zeigt sich an Symptomen wie Schwindelgefühl, Kon-
Berücksichtigung der Kumulation und der Gefahr der Atemdepression
zentrationsstörungen und „leerer Kopf“. In diesem Fall sollte das Methadon,
schrittweise.
dem klinischen Bild entsprechend, wieder schrittweise reduziert werden.
Ansonsten wird die Methadondosis gesteigert, bis der Patient keine Ent-
3.6.1 Einstellung/Umstellung auf Methadon zugserscheinungen mehr hat. Neben Angaben des Patienten werden
Da bei fehlender Opiattoleranz die mittlere letale Methadondosis zwischen objektivierbare Symptome wie z.B. Pupillenweite, Schwitzen, Gänsehaut
1 und 1,5 mg/kg Körpergewicht liegt, vereinzelt allerdings auch Todesfälle und Unruhe beobachtet. Erhaltungsdosen werden unter Berücksichtigung
nach einer Applikation von 30 mg Methadon beschrieben wurden, empfeh- des Substitutionsverlaufs auf den Patienten abgestimmt. Es gibt Patienten,
len wir im Folgenden relativ niedrige Dosierungen. Der Patient muss darü- die mit einer sehr niedrigen Dosis (30-50 mg) stabil substituiert werden
ber aufgeklärt werden, dass in der Einstellungsphase während der ersten können, aber auch solche, die dauerhaft eine hohe Dosis benötigen
Tage latenter Opiathunger und Entzugserscheinungen auftreten können (120 mg und mehr).
und unkontrollierter Beigebrauch zur Milderung der Entzugssymptomatik Seit 2009 wird Methadon auch als 0,5%-ige Eptadone®-Lösung angeboten.
lebensbedrohlich sein kann. Nach der Einstellungsphase fortgesetzter Aufgrund der Konzentration ist eine Verwendung dieser Lösung möglicher-
Heroinkonsum kann ein Hinweis auf eine zu geringe, Kokainkonsum auf weise problematisch, da es zu Verwechslungen und Falschdosierungen
eine zu hohe Methadondosierung sein, deren „Nebenwirkungen" (Müdig- kommen kann. In bayerischen Qualitätszirkeln wurde daher von der
keit, Verlangsamung, Libidoverlust) auf diese Weise von den Patienten Anwendung 0,5%-iger Methadonlösungen abgeraten.
bekämpft werden. Besonders in der Anfangsphase ist ein enger Kontakt
zwischen Arzt und Patienten u.a. zum Erkennen des individuellen 5 mg Methadon = 1 ml Eptadone® Lösung 0,5%
Opiatbedarfs dringend erforderlich. entspricht in der Wirkung
Bei Übernahme aus Substitutionsbehandlung mit Substitutionsbescheini- 2,5 mg Levomethadon = 0,5 ml L-Polamidon®
gung kann die zuletzt verwendete Dosierung fortgeführt werden.
Aus den oben genannten Gründen sollte die Erstdosis von 30 mg
Methadon oder 15 mg L-Polamidon® nicht überschritten werden. Diese
II Die substitutionsgestütze Behandlung 51 52 3 Einleitung der substitutionsgestützten Behandlung
Bei einigen wenigen Patienten kann eine forcierte Metabolisierung des 3.7 Fahrtauglichkeit
Methadons (sog. fast metabolizer) vorliegen, die eine deutlich höhere
Dosierung (120 mg und mehr) erforderlich macht. In diesen Fällen ist die Der Arzt ist zur Aufklärung und Beratung des Patienten über Wirkungen
Bestimmung der Serumkonzentration vor und 3-5 Stunden nach der Metha- und Risiken des Substitutionsmittels, Kumulationsgefahr und die extremen
doneinnahme hilfreich. Bei forcierter Metabolisierung von Methadon kann Gefahren unkontrollierten Beigebrauchs, insbesondere in Kombination mit
eine Umstellung auf L-Polamidon® oder Buprenorphin sinnvoll sein. Alter- Benzodiazepinen und Alkohol (siehe unter 4.4.4), verpflichtet.
nativ kommt eine fraktionierte Verabreichung (CAVE bei später Verabrei- Zusätzlich muss der Patient über eine mögliche Beeinträchtigung der Fahr-
chung der abendlichen Dosis – Gefahr einer nächtlichen Atemdepression) tauglichkeit sowie bei der Bedienung von Maschinen informiert werden.
in Frage. Bei unklaren Fällen empfiehlt sich eine stationäre Diagnostik mit Noch immer ist es für Opiatabhängige, die substituiert werden und
Genotypbestimmung und der Einstellung auf die fraktionierte Dosis. beigebrauchsfrei sind, schwierig bis unmöglich, den Führerschein (zurück)
Auch ein beschleunigter Abbau des Methadons durch Enzyminduktion (z.B. zu erlangen. „Besonders widersprüchlich ist, dass bei Methadonsubstitution
durch gleichzeitige Verabreichung von Carbamazepin) sollte überprüft und den inzwischen angelaufenen Heroinvergabeprojekten nach den Be-
werden. gutachtungsleitlinien Kraftfahrt und Verkehr ein anderer Maßstab angelegt
wird. Grundsätzlich handelt es sich dabei um ordnungsgemäße Behand-
lung mit zugelassenen Medikamenten, die – wie bei vielen anderen Medi-
3.6.2 Einstellung/Umstellung auf Buprenorphin
kationen auch – Abhängigkeit und gewisse Leistungsminderungen impli-
Wegen der pharmakodynamischen Eigenschaften von Buprenorphin (siehe ziert. Obwohl diese Leistungsminderungen bei Medikamenten nicht ohne
unter 3.3.3) muss auf einen ausreichenden zeitlichen Abstand bei der weiteres die Eignung ausschließen, wird bei Substitutionsbehandlung und
ersten Einnahme geachtet werden, wenn der Patient zuvor Opiate vom Typ Heroinvergabe ein einjähriger Abstinenznachweis verlangt, wodurch ganz
der Vollagonisten (z.B. Heroin, Methadon, Morphin, DHC) konsumiert hat allgemein die Rehabilitationschancen erheblich gemindert werden."
und hiervon eine körperliche Abhängigkeit besteht. (Böllinger, 2002, S. 542).
Richtwerte: mindestens 6-8 Stunden bei Heroin Nach Böllinger hat der Arzt eine umfassende Aufklärungspflicht hinsichtlich
mindestens 24-36 Stunden bei Methadon der Straßenverkehrsrisiken im Falle von Noncompliance. Er hat aber
Achtung: Die Zeiten können individuell stark variieren. Damit bei der normalerweise keine Erfolgsabwendungspflicht, wenn er erfährt, dass ein
Einstellung auf Buprenorphin keine schweren Entzugssymptome ausgelöst Methadonpatient ein Kfz führen will. Nach einer Entscheidung des Bundes-
werden (induzierter Entzug), muss der Patient zum Zeitpunkt der ersten gerichtshofes beginnt eine Erfolgsabwendungspflicht erst, wenn der Patient
Einnahme bereits erstgradige, objektiv feststellbare Entzugserscheinungen den Eindruck vermittelt, nicht mehr eigenverantwortlich handeln zu können
aufweisen. Diese können sein: Mydriasis, tränende Augen, laufende Nase, (erheblicher Beigebrauch mit äußerlich sichtbaren Bewusstseinstrübun-
ununterdrückbares Gähnen. Grundsätzlich sollte bei der Einstellung auf gen). „Sollte ein uneinsichtiger Patient trotz offenkundiger Fahruntüchtigkeit
Buprenorphin mit einer Testdosis von 2 mg begonnen werden. Wird diese Anstalten machen, gleichsam unter den Augen des behandelnden Arztes
Dosis vom Patienten innerhalb von 60 Minuten gut vertragen und werden ein Kfz zu führen, so wäre es nicht strafbar, wenn der Arzt dies der Polizei
keine Entzugssymptome ausgelöst, kann nacheinander in 2 mg oder 8 mg meldet. Der sonst nach § 203 Abs.1 Nr.1 StGB strafbare Verstoß gegen die
Schritten, bis zu max. 24 mg Buprenorphin aufdosiert werden. Es sollte berufliche Schweigepflicht wäre nach § 34 StGB wegen Notstandes ge-
mindestens eine Tagesdosis von 8 mg, besser 16 mg angestrebt werden. rechtfertigt. Der Arzt ist jedoch zu einer solchen Meldung nicht verpflichtet."
(Böllinger, 1999, S. 394-395).
Die Umstellung von Buprenorphin (Subutex®) auf Buprenorphin mit Na-
loxon (Suboxone®) kann 1:1 erfolgen. Bei der Neueinstellung von Heroin- Der Bericht zur BAS-Tagung „Substitution und Fahrerlaubnis" (2001) gibt
konsumenten auf Buprenorphin mit Naloxon, der Umstellung von Metha- einen ausführlichen Überblick über die rechtliche Situation, indem diese
don/Levomethadon auf Buprenorphin mit Naloxon bzw. die Rückumstellung Thematik aus straf- und straßenverkehrsrechtlicher, gutachterlicher,
von Buprenorphin mit Naloxon auf Methadon/Levomethadon gelten die medizinisch-wissenschaftlicher und psychologischer Sicht dargestellt wird.
gleichen Empfehlungen wie für Buprenorphin. Die Tagungsdokumentation kann über die Website der BAS unter der Rub-
rik Publikationen/Tagungsdokumentationen heruntergeladen werden.
II Die substitutionsgestütze Behandlung 53 54 3 Einleitung der substitutionsgestützten Behandlung
Die derzeitigen Regelungen zur Gewährung der Fahrerlaubnis unter lau- Tabelle 8: Behandlungsphasen der Substitution
fender Substitutionsbehandlung sind regional sehr unterschiedlich. Es wäre
Akutphase Dauer: Tage bis Monate
sinnvoll, wenn die Führerscheinbehörden bei der Frage der Fahreignungs-
• Diagnostik
beurteilung die psychosozialen Beratungsstellen einbeziehen würden.
• Dosisfindung des Substitutes
Die Aufklärung muss in einer für den Patienten verständlichen Form erfol-
• Zieldefinition
gen. In einem abschließenden Gespräch sollte überprüft werden, ob der
• Stabilisierung/Reduzierung des illegalen Drogenkonsums
Patient die zentralen Punkte verstanden hat. Immer sollte ein Protokoll
unterschrieben werden.
Stabilisierungsphase Dauer: Monate bis Jahre
• Weitgehend stabile Substitutdosis
3.8 Behandlungskonzept • Einschränkung des Beikonsums
„Eine Opiatabhängigkeit wird in der Regel von psychischen und somati- • Medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation nach klarer
schen Erkrankungen sowie psychosozialen Problemlagen begleitet. Sie Zieldefinition
erfordert daher für ihre Behandlung die Vorhaltung sowie Einbeziehung • Rückfallbearbeitung
entsprechender Maßnahmen.“ (aus den Richtlinien der Bundesärzte- • Bei psychiatrischer Komorbidität: psychiatrische und/oder
kammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiat- psychotherapeutische Mitbehandlung
abhängiger, 2010).
Supportive Behandlungsphase Dauer: Monate bis einige Jahre
Das Behandlungskonzept muss individuell abgestimmt sein, wobei eine • Voraussetzung: Erreichen der individuell angepassten Rehabilitationsziele,
gute Koordinierung zwischen ärztlicher Behandlung, Psychotherapie und ausreichende psychosoziale Stabilität
psychosozialer Betreuung hilfreich ist. Möglicherweise vorhandene körper- • Weitgehende Beikonsumfreiheit
liche und psychiatrische Erkrankungen sollen behandelt werden. Die psy- • Phase reduzierter Betreuungs- und Behandlungsintensität
chosoziale Betreuung soll sich nach von der Drogenhilfe festgelegten • Vermehrt Take-home-Verordnungen
Standards richten, die flächendeckende Verfügbarkeit entsprechender • Anpassung der weiteren Ziele, ggf. kann vollständige Abstinenz erwogen
Angebote muss durch die Kostenträger sichergestellt werden. werden
Mögliche Phasen, die im Rahmen einer Substitutionsbehandlung durchlau-
Medizinische Erhaltungstherapie Dauer: evtl. über Jahre
fen werden, sind in Tabelle 8 aufgeführt.
• stabile Methadon-Erhaltungstherapie bei ausreichendem psychosozialen
Zur Beschreibung des klinischen Verlaufs der Substitution gibt es bisher Funktions- und Lebensqualitätsniveau
keine verbindlichen Beurteilungsskalen, die sowohl praktikabel als auch
wissenschaftlich abgesichert sind. In Tabelle 9 wird ein Orientierungs- Abdosierungs- und Nachsorgephase
schema dargestellt, das sich auf die Beurteilungskategorien der Evalu- • schrittweise Abdosierung von Methadon und Übergang in eine
ationsstudie der Methadon-Substitution von Raschke & Verthein (1994) methadonfreie Nachsorgephase bei stabilen sozialen Verhältnissen und
stützt. Die vorgeschlagenen Kategorien werden dabei nach Intensität, Beigebrauchsfreiheit
Qualität bzw. Häufigkeit mit Werten von 0 bis 3 beurteilt. Es könnte auch • Cave: Zunächst ist hier eine intensivere medizinische und psychosoziale
eine Art „Belastungsscore" als Summe gebildet werden. Es kann nützlich Betreuung der „Nulldosis-Patienten“ notwendig
sein, dieses Schema z.B. monatlich oder auch quartalsmäßig auszufüllen, • Naltrexon-Behandlung eine Woche nach Beendigung für drei Monate
um ggf. Fortschritte oder auch Rückschritte im Verlauf nachvollziehbar zu
Rückfälle
dokumentieren.
II Die substitutionsgestütze Behandlung 55 56 3 Einleitung der substitutionsgestützten Behandlung
Tabelle 9: Orientierungsschema zur Beurteilung des klinischen Verlaufs. 3.9 Komplettierung der Diagnostik
Beobachtungen im letzten Monat
0 1 2 3 3.9.1 Komplettierung der Anamnese
nicht gering mittel sehr Um die Indikation zur substitutionsgestützten Behandlung zu prüfen, wur-
vorhanden stark den bereits während der ersten Kontakte genaue Angaben zur Vorge-
Somatische Komplikationen schichte und zur aktuellen Lebenssituation des Patienten erhoben. Diese
(Begleiterkrankungen) Anamnese sollte im Laufe der Folgetermine durch folgende Angaben kom-
Psychische Auffälligkeiten plettiert werden:
(z.B. Angst, Depression, Wahn)
• Lebenssituation (Wohnen, Ausbildung, Beruf)
Schulden
• Familiäre Situation
Justizielle Belastung • Schulden, Vorstrafen und Delikte
Delinquenz
Drogenabhängige leiden häufig unter frühen seelischen Störungen. Die
0 1 2 3 damit verbundenen Abwehrmechanismen können eine erhebliche Rolle im
sehr gut schlecht sehr persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient spielen und eine maßgeb-
gut schlecht
liche Indikation für Art und Ausmaß der begleitenden psychiatrischen,
Kooperation in der Substitution psychotherapeutischen oder psychosozialen Behandlungs- und Betreu-
(z.B. regelmäßiges Erscheinen) ungsmaßnahmen sein.
Allgemeines Erscheinungsbild
Die psychiatrische Anamnese sollte sowohl den aktuellen psychiatrischen
(z.B. Hygiene, Ernährungs-
Befund als auch mögliche psychiatrische Begleiterkrankungen berück-
zustand)
sichtigen. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen wie z.B. aus-
Beziehung zur Familie geprägten Depressionen, Ängsten, Zwängen, einer Borderlinestörung oder
Partnersituation eines adulten ADHS sollte ein Psychiater hinzugezogen werden.
Ausbildungs-/Arbeitssituation Die Tabelle 10 gibt einen Überblick über die psychischen und somatischen
Wohnsituation Befunde, die zur Komplettierung der Anamnese beachtet werden sollten.
Freizeitgestaltung
0 1 2 3
nicht selten häufig sehr
vorhanden häufig
Beigebrauch
• Benzodiazepine
• Alkohol
• Heroin
• Amphetamine/Kokain
• Sonstige
Hinweise auf Notfallintervention
in der Folge von Überdosierung
Summe (Max = 54)
II Die substitutionsgestütze Behandlung 57 58 4 Praktische Durchführung der Behandlung
Tabelle 10: Psychischer und somatischer Befund 4 Praktische Durchführung der Behandlung
Psychischer Befund Somatischer Befund
• Bewusstseinsstörungen • Schlaf- und Vigilanzstörungen 4.1 Rezeptierung
• Orientierungsstörungen • Appetenzstörungen
• Aufmerksamkeits- und • Gastrointestinale Störungen Jedes Substitutionsmittel muss grundsätzlich auf einem dreiteiligen
Gedächtnisstörungen • Kardio-respiratorische Betäubungsmittelrezept verordnet werden und mit dem Buchstaben S
• Formale Denkstörungen Störungen gekennzeichnet werden. Die auf dem BtM-Rezept laut Betäubungsmittel-
• Befürchtungen und Zwänge • Andere vegetative Störungen Verschreibungsverordnung (BtMVV) vorgeschriebenen Angaben sind im
• Wahn • Weitere Störungen Serviceteil (S. 117) erläutert. Das BtM-Rezept darf maschinell ausgefüllt
• Sinnestäuschungen • Neurologische Störungen werden. Die Unterschrift muss per Hand erfolgen.
• Ich-Störungen Das Rezept für den Sichtbezug von Substitutionsmittel darf nicht dem
• Störungen der Affektivität Patienten ausgehändigt werden, vielmehr muss es vom Arzt, seinem
• Antriebs- und ärztlichen Vertreter oder dafür autorisiertem Personal in der Apotheke
psychomotorische Störungen
eingelöst werden (vgl. BtMVV § 5 Abs. 5, S. 108).
• Circadiane Besonderheiten
• Andere Störungen (z.B. Kritik Jedes korrekt ausgestellte Rezept, das in der Apotheke vorgelegt wird,
und Urteilsfähigkeit, Adhärenz) muss unverzüglich beliefert werden. Das bedeutet, dass der Apotheker
keine Wahlfreiheit hat, ob er es beliefern möchte oder nicht. Es bedeutet
aber auch, dass fälschlicherweise dem Patienten ausgehändigte Rezepte
3.9.2 Komplettierung der Untersuchungen
für den Sichtbezug (s.o.) ebenfalls dem Überbringer des Rezeptes
Zusätzlich zu den erhobenen Befunden können die in Tabelle 11 aufge- ausgehändigt werden. Der Vermerk „tägliche Abgabe" auf einem für
führten Untersuchungen notwendig werden. mehrere Tage ausgestelltem Take-home-Rezept ist nicht zulässig und
kann in der Apotheke nicht umgesetzt werden. Wenn ein Patient noch nicht
Tabelle 11: Zusatzuntersuchungen so zuverlässig ist, dass ihm die eigenverantwortliche Einnahme über
Bei allen Patienten: mehrere Tage zugetraut werden kann, kommt allenfalls eine Take-home-
Verschreibung für einen oder zwei Tage in Frage, während er an den
• Blutbild • Harnstoff
anderen Tagen zum Sichtbezug einbestellt werden muss.
• Hepatitis- und Lues-Serologie • Harnsäure
• Leberwerte (GOT, γ-GT, GPT, CHE) • Kreatinin Hat der Arzt Zweifel an der Zuverlässigkeit seines Patienten im Umgang
Bei Frauen: mit Take-home-Rezepten, dann ist dieser Patient (noch) nicht für eine
Take-home-Verordnung geeignet.
ggf. Schwangerschaftstest
Die Zusendung von Take-home-Rezepten an eine Apotheke ist nicht zu-
Bei V.a. TBC:
lässig. Dies wäre – anders als bei Verabreichung unter Sicht in der Apo-
Bluttest (Interferon-Gamma Test) mit hoher Spezifität
theke, wo der Arzt durchaus mit einem Apotheker seiner Wahl zusammen-
arbeiten kann – eine unzulässige Zusammenarbeit.
Weiterführende diagnostische Maßnahmen, wie z.B. spezifische Labor-
Die vom pharmazeutischen Personal überwachte Einnahme (Sichtbezug)
untersuchungen bei HIV-Infektion, sollten, ebenso wie die Überweisung zu
in der Apotheke ist eine freiwillige Leistung. Wird diese gewünscht, dann
Fachärzten, bei Auftreten von oder Verdacht auf Begleiterkrankungen
kann – nach entsprechender Abklärung mit der Apotheke – das Rezept für
großzügig und rechtzeitig erfolgen. Bei der Dosierung des Substitutions-
die bis zu einem Monat benötigte Menge des Substitutionsmittels an die
mittels ist eine mögliche Veränderung der Wirkung durch eine vorhandene
Apotheke gesandt oder durch den Arzt bzw. Praxispersonal überbracht
Begleiterkrankung und/oder durch eine Begleitmedikation zu beachten
werden. Der bloße Zusatz „tgl. unter Sicht einzunehmen" entspricht nicht
(siehe auch unter 4.5.3).
den Anforderungen an eine Delegation der Substitutionsmittel-
II Die substitutionsgestütze Behandlung 59 60 4 Praktische Durchführung der Behandlung
verabreichung an einen Apotheker und ist daher nichtig. Wird für einzelne Auch bei Delegation der Substitutionsmittelverabreichung an die oben
Tage gewünscht, dass ein Patient, der in der Apotheke täglich sein genannten Personen muss der Arzt den Patienten in der Regel mindestens
Substitutionsmittel einnimmt, das Substitutionsmittel eigenverantwortlich einmal wöchentlich sehen (BtMVV § 5 Abs. 2 Nr. 5, S. 108). Dem Arzt
einnehmen soll, dann muss dem Patienten für diese Tage ein Take-home- obliegt in jedem Falle die alleinige Verantwortung, auch wenn die
Rezept im Rahmen der ärztlichen Konsultation ausgehändigt werden. Der tägliche Verabreichung in der Apotheke oder in einer Einrichtung der
Zusatz auf dem gleichen Rezept, dass eine Verabreichung unter Sicht an Suchthilfe erfolgt. Aus Gründen der Absicherung empfiehlt es sich, für
bestimmten Tagen stattfinden soll und für andere Tage dem Patienten das jeden Patienten eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arzt und den
Substitutionsmittel mitgegeben werden soll, ist unzulässig. von ihm beauftragten Personen zu schließen. Einen Vorschlag von der
Bei einer Take-home-Verordnung (§ 5 Abs. 8 BtMVV) erlaubt der Arzt Bayerischen Landesapothekerkammer für solch eine Vereinbarung finden
dem Patienten für 1-7 Tage die eigenverantwortliche Einnahme unter Sie im Serviceteil auf S. 102. Diese Vereinbarung kann auch von jedem
engen Voraussetzungen (siehe unter 4.7.1). Das Rezept muss dem Apotheker in Bayern von der Homepage der Apothekerkammer herunter-
Patienten im Rahmen einer ärztlichen Konsultation vom Arzt oder seinem geladen und ausgedruckt werden.
ärztlichen Vertreter ausgehändigt werden. Der Patient löst dieses in einer Folgende Punkte sollten geregelt werden:
Apotheke seiner Wahl ein. • Namentliche Nennung des Patienten und der Vertragspartner
Take-home-Verordnung zur Sicherstellung der Kontinuität der (Arzt, Apotheker oder pharmazeutisches Personal; jede Person,
Substitutionsbehandlung die die Substitutionsmittelverabreichung übernimmt, muss einzeln
genannt werden)
Mit der 23. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung hat sich eine
• Benennung des Ortes, an dem die Verabreichung erfolgt
neue Rezeptierungsmöglichkeit für Patienten ergeben, für die eine Behand-
lung im entsprechenden Zeitraum nicht anderweitig (z.B. anderer Arzt, • Zeitraum des Vertrages
Apotheke) gewährleistet werden kann. In diesem Fall darf der Arzt dem • Telefonnummer des Arztes für Rückfragen
Patienten innerhalb einer Woche ein Rezept für maximal 2 Tage aushändi- • Feststellung, dass die Therapieverantwortung beim Arzt liegt
gen. Dieses Rezept muss zusätzlich mit Z gekennzeichnet sein. Wichtig ist • Erklärung, dass das vergebende Personal über die Grundzüge der
hier genau zu dokumentieren, dass die Behandlung im betreffenden Zeit- Substitution informiert ist
raum nicht durch einen qualifizierten Vertreter durchgeführt werden kann. • Die Bezahlung der an der Verabreichung beteiligten Personen
sollte einvernehmlich geregelt werden, da es zurzeit noch keine
4.2 Tägliche Verabreichung des Substitutionsmittels einheitlichen Regelungen gibt.
Es empfiehlt sich sowohl für den Arzt als auch für den Apotheker, die Dele-
4.2.1 Zur Verabreichung berechtigte Personen
gation schriftlich bei der Haftpflichtversicherung zu melden und sich dafür
In der Phase der Dosisfindung sollte die Verabreichung des eine Deckungszusage geben zu lassen. Für alle offenen Fragen in diesem
Substitutionsmittels ausschließlich durch den Arzt erfolgen. Nach erfolgter Zusammenhang wenden Sie sich bitte an die zuständige Landesärzte-
Einstellung kann das Substitutionsmittel vom Arzt selbst oder durch von kammer.
ihm beauftragtes medizinisches, pharmazeutisches oder in staatlich aner-
kannten Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe tätiges und dafür ausgebilde-
tes Personal zum unmittelbaren Verbrauch vergeben werden. Der Arzt
weist die von ihm beauftragten Personen ein und kontrolliert sie. Da der
Arzt gerade bei weiteren Entfernungen kaum in der Lage sein dürfte, das
zuständige Apothekenpersonal persönlich einzuweisen, kann dies auch
über regionale Schulungen (Möller & Lander, Punkt 14, 2001) oder in praxi
auch über zuzusendendes Infomaterial geschehen. Ein persönliches Ge-
spräch ist immer sinnvoll.
II Die substitutionsgestütze Behandlung 61 62 4 Praktische Durchführung der Behandlung
durch Namenszeichnung und Prüfdatum zu bestätigen (§ 13 Abs. 2 Einnahme des Substitutionsmittels und der Behandlung.
BtMVV). Sie müssen außerdem für drei Jahre nach dem letzten Eintrag - Nach Abschluss der Behandlung sollten die Patienten daher die
aufbewahrt werden (§ 13 Abs. 3 BtMVV). Auch im Falle der Verabreichung Praxis verlassen.
des Substitutionsmittels außerhalb der Arztpraxis ist der Arzt für die BtM- - Auch im Umfeld der Praxis sollten die Patienten nicht in Gruppen
Nachweisführung verantwortlich. Sofern dies schwer praktikabel ist, wäre zusammenstehen, da dies sehr schnell Ziel eines Substanzaus-
dringend anzuraten, sich am besten wöchentlich von der Apotheke eine tausches werden kann.
Tabelle zufaxen zu lassen, auf der sich Substitutdosis, Ausgabezeitpunkt - Hunde und andere patientenbegleitende Haustiere haben in und
mit Datum und Uhrzeit, ausgebende Person und Unterschrift des Patienten vor einer Arztpraxis nichts verloren.
befinden (Dokumentationsbogen siehe Serviceteil S. 106). - Sichtlich unter Drogeneinfluss stehende Patienten haben die Pra-
xis sofort zu verlassen.
4.3 Tipps für die Praxisorganisation - Empfehlenswert ist auch ein Kontrollsystem, um festzustellen,
• Das Substitutionsmittel muss gesondert aufbewahrt und gegen unbe- welcher Patient nicht zum vereinbarten Termin erschienen ist so-
fugte Entnahme gesichert sein. Die Substanz ist in einem vom Publi- wie für diesen Fall ein entsprechender Maßnahmenkatalog.
kum nicht einsehbaren Bereich in einem Stahlschrank oder Tresor auf-
zubewahren. Näheres hierzu regeln die „Richtlinien über Maßnahmen 4.4 Im Therapieverlauf wiederholt abzuklärende Punkte
zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten bei Erlaubnisinhabern Gemäß BtMVV sind folgende Punkte immer wieder abzuklären:
nach § 3 Betäubungsmittelgesetz (Stand 1.1.2007)“.
• Eignung des Patienten
• Die Einnahme sollte an einem anderen, vom Publikum nicht einsehba-
• Kontrolle von Doppelsubstitution bzw. zusätzlichem Gebrauch von
ren Ort erfolgen.
Schwarzmarkt- oder fremdverschriebenen Medikamenten (v.a. Benzo-
• Rezepte sowie psychoaktive Substanzen müssen unter Verschluss
diazepinen)
aufbewahrt werden.
• Inanspruchnahme der indizierten begleitenden Behandlungs- und
• Bei mehr als zehn Substitutionspatienten empfiehlt sich die Vergabe Betreuungsmaßnahmen
von Einnahmeterminen oder Verabreichungszeiträumen.
• Kontrolle von Beikonsum
• Die Verabreichung darf nur durch erfahrenes, in die Substitution
eingearbeitetes Praxispersonal erfolgen. Persönliche Beziehungen
4.4.1 Eignung des Patienten
zwischen Praxispersonal und Patienten sollten aufmerksam beobach-
tet werden, um Unregelmäßigkeiten bei der Substitutionsmittel- Behandlungsindikation, -motivation und -zielsetzung müssen im Verlauf der
verabreichung vorzubeugen. Behandlung immer wieder thematisiert und überprüft werden und die
• Am besten wird sofort bei der Verabreichung auf einem individuellen notwendigen Konsequenzen (Änderung des Behandlungsvertrages/-kon-
Patientenbogen die verabreichte Menge mit Datum, Uhrzeit und even- zeptes) umgesetzt werden. Ebenso muss im Falle einer Take-home-
tuell Auffälligkeiten dokumentiert. Verordnung die Zuverlässigkeit bzw. Eignung des Patienten regelmäßig
• Am Monatsende müssen die BtM-Bestände mit der Dokumentation geprüft und dokumentiert werden.
verglichen und geprüft werden. Diese Prüfung muss auf dem Doku-
mentationsbogen vom Arzt abgezeichnet werden. 4.4.2 Kontrolle von Doppelsubstitution –
• Substituierte sollten möglichst nicht alleine am Tresen oder im Sprech- Substitutionsregister
zimmer warten. Ein Wartebereich oder Aufenthaltsraum sollte unter
Die 15. BtMÄndV beschreibt in § 5a die Einzelheiten zum Substitutions-
steter Sichtkontrolle des Praxispersonals stehen.
register. Um Doppelsubstitutionen zu vermeiden, müssen seit dem 1. Juli
• In einer Hausordnung können Verhaltensregeln erstellt werden, z.B.: 2002 alle Patienten, die Substitutionsmittel verschrieben bekommen, dem
- Die Praxis darf nicht mit mehreren Bekannten betreten werden. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet wer-
Sie ist kein erweiterter Szene-Treffpunkt, sondern dient nur der
II Die substitutionsgestütze Behandlung 65 66 4 Praktische Durchführung der Behandlung
den. Das Meldeformular und die Erläuterungen zum Ausfüllen sind bei psychosoziale Betreuung nicht möglich ist.“ (Richtlinien der BÄK)
der Bundesopiumstelle/Substitutionsregister, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3,
53175 Bonn oder unter www.bfarm.de erhältlich. Unter dieser Adresse 4.4.4 Beikonsum
findet sich auch das zwölfseitige Informationsblatt „Organisatorische Fest-
legungen zur Führung des Substitutionsregisters“, das Fragen zur prakti- Bei Patienten, die aus der Szene in Substitution kommen, stellt Beikonsum
schen Umsetzung erläutert. Das Meldeformular ist im Serviceteil auf ein normales Phänomen dar, das erst im längeren Verlauf der Substitution
S. 115/116 abgedruckt. zurückgeht.
Das BfArM vergleicht jedes neue Patienten-Kryptogramm mit den bereits Opiatbeikonsum sowie der Einsatz verschiedenster auf der Szene erhältli-
vorhandenen. Bei Übereinstimmungen werden die betroffenen Ärzte un- cher Pharmaka und Alkohol bergen v.a. zu Beginn der Behandlung wegen
verzüglich vom BfArM informiert, um zu klären, ob es sich um den gleichen vielfältiger Interaktionen mit dem Substitutionsmittel ein erhebliches Risiko
Patienten handelt bzw. wer die Substitutionsbehandlung in Zukunft fortfüh- für den Patienten und müssen deshalb ausführlich besprochen werden.
ren wird. Um Mehrfachsubstitutionen zu unterbinden, unterrichtet das Unangekündigte Urinkontrollen liefern wichtige Hinweise auf den Verlauf
BfArM außerdem die zuständigen Überwachungsbehörden der betroffenen der Substitution und sollten Grundlage sein für ein Gespräch mit dem Pati-
Ärzte. enten über das weitere therapeutische Vorgehen und eventuell entspre-
chende Dosisänderungen.
Das BfArM teilt seit dem 1. Januar 2003 den zuständigen Überwachungs-
behörden der Länder zweimal jährlich folgende Informationen mit: Für den Verlauf der Substitution werden zwei bis vier Urinproben pro Monat
empfohlen, die GKV finanziert aber nur vier pro Quartal bzw. in der An-
• Namen der substituierenden Ärzte
fangsphase der Substitutionsbehandlung für zwei Quartale maximal die
• Anzahl der substituierten Patienten doppelte Zahl. Bei stabiler Substitution reichen bei manchen Patienten
• Art und Anteil der verschriebenen Substitutionsmittel 2 oder 3 unangekündigte Urinproben (unter Sichtkontrolle) pro Quartal.
Häufigere Urinproben können die klinische Beurteilung und Risikoabwä-
4.4.3 Inanspruchnahme der indizierten begleitenden gung nicht ersetzen und sind aus Kostengründen nicht zu empfehlen. Über
Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen die im Urin nach klinischer Maßgabe kontrollierbaren Substanzen informiert
Tabelle 4, S. 25.
Da laut BtMVV die Verabreichung des Substitutionsmittels bei entspre-
chender Indikation in ein umfassendes Therapiekonzept eingebunden sein Es sollte aber auch auf den Beikonsum von Substanzen geachtet werden,
muss, hat der Arzt auf die Inanspruchnahme der erforderlichen begleiten- die derzeit noch nicht mit Routineuntersuchungen im Urin nachgewiesen
den psychiatrischen, psychotherapeutischen und/oder psychosozialen werden können wie z.B. Methylphenidat, Tilidin, Tramadol. In geeigneten
Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen hin zu wirken und diese zu Labors sind entsprechende Nachweise aus Urin möglich.
überprüfen (Berichts- bzw. Protokollbogen zum Austausch zwischen Arzt Benzodiazepine
und psychosozialer Betreuung siehe Serviceteil S. 100/101). Im Allgemeinen ist die Anwendung von Benzodiazepinen bei Abhängigen
In den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substituti- kontraindiziert. Der gleichzeitige Konsum von Substitutionsmitteln und
onsgestützten Behandlung Opiatabhängiger (2010) ist festgelegt, dass sich Benzodiazepinen stellt möglicherweise eine vitale Gefährdung dar, v.a.
Art und Umfang der psychosozialen Betreuung nach der individuellen Situ- wenn die Dosierung nicht im Rahmen einer die Substitution einschließen-
ation und dem Krankheitsverlauf des Patienten richten. den Therapie erfolgt. Die unkritische Verordnung von Pharmaka birgt ne-
Falls sowohl die Beratungsstelle als auch der behandelnde Arzt darin über- ben einer vitalen Gefährdung des Patienten auch die Gefahr, dass damit
einstimmen, dass derzeit kein Bedarf an psychosozialer Betreuung besteht, der Schwarzmarkt bedient wird.
so soll dies schriftlich dokumentiert werden. In allen anderen Fällen sollen Erscheint während der Substitution die Verordnung von Benzodiazepinen
psychosoziale Maßnahmen und ärztliche Behandlung kontinuierlich koordi- wegen psychiatrischer Beschwerden angezeigt, dann sollte der Patient
niert werden. „Zur Abwehr akuter gesundheitlicher Gefahren kann die Sub- zunächst einem Psychiater vorgestellt werden. In folgenden seltenen Ein-
stitution ausnahmsweise auch dann erfolgen, wenn und solange eine zelfällen kann die Verordnung von Benzodiazepinen indiziert sein:
II Die substitutionsgestütze Behandlung 67 68 4 Praktische Durchführung der Behandlung
• Behandlung zur Stabilisierung des Konsummusters und Reduktion Tabelle 12: Äquivalenzdosen von in Deutschland handelsüblichen Benzodiazepinen
des Konsums unter ärztlicher Aufsicht innerhalb eines klar definier- Substanz (Firmenname) Äquivalenz- Begründung der
ten Zeitrahmens dosis Äquivalenzdosis
• Kurzzeitige Krisenintervention bei der Behandlung von Angst- Alprazolam (Tafil®) 1 (0.5)
zuständen, depressiven Zuständen oder Schlafstörungen. Die An- Bromazepam (Lexotanil®) 6
gaben des Patienten bezüglich entsprechender Symptome sollten
Brotizolam (Lendormin®) 0,5
jedoch kritisch geprüft werden.
Chlordiazepoxid (Librium®) 20 (25)
Befragungen von Patienten und substituierenden Ärzten zeigen, dass der Clobazam (Frisium®) 20
Benzodiazepin-Beikonsum sowohl zur Dämpfung von Entzugssymptomen
Clonazepam (Rivotril®) 2 (0,5)
als auch zur Modifikation der Heroinwirkungen erfolgt (Raschke, Chorzelski
und Brinkmann, 1998). Folgende Motive des Benzodiazepin-Beikonsums Clotiazepam (Trecalmo®) 5
sind besonders bedeutsam (vgl. auch BAS e.V.: Methadonsubstitution: Diazepam 10 Standardsubstanz
Zur Problematik der zusätzlichen Verordnung von Benzodiazepinen, 1999, (Faustan®,Valium®)
S. 50 unter der Rubrik Publikationen/Broschüren auf www.bas- Dikaliumclorazepat 20 Metabolit Nordazepam
muenchen.de) (Tranxilium®)
Flunitrazepam (Rohypnol®) 0,5 (1,0)
• Konsum zur Kompensation insuffizienter Opiat-Dosierungen
Flurazepam (Dalmadorm®) 30 (15-30) Metabolit Desm.-Flur.
• Konsum aufgrund unbehandelter Benzodiazepinabhängigkeit
• Konsum mit Rauschmotiven Halazepam (in Deutschland 40
nicht auf dem Markt)
• Konsum zur Selbstmedikation psychischer Belastungen oder
Ketazolam (Contamex®) 30
Störungen
• Konsum zur Schlafregulierung Loprazolam (Sonin®) 1,5 (1)
Lorazepam (Tavor®) 2 (1)
Selbst wenn der Patient einen Konsum von etwa 80 mg oder mehr Diaze- Lormetazepam (Noctamid®) 1
pam-Dosisäquivalenten (siehe Tabelle 12) angibt, ist eine rasche Reduzie-
Medazepam (Rudotel®, früher 20
rung der Menge und Einstellung des Patienten auf ca. 30 mg Diazepam-
Nobrium®)
Dosisäquivalente vertretbar und ohne Risiken möglich, z.B. durch tägliche
Metaclazepam (Talis®) 10
Reduktion um bis zu 20% der Tagesdosis bis zum Erreichen einer Dosie- ®
rung von ca. 30 mg Diazepam-Dosisäquivalent. Danach sollte die Redukti- Midazolam (Dormicum ) 7,5
on, individuell mit dem Patienten abgestimmt, langsamer erfolgen. Günstig Nitrazepam (Mogadan®, 5
kann die Verwendung eines nicht-szeneüblichen Benzodiazepins wie Radedorm®)
Clonazepam sein, das bei starker antiepileptischer Wirkung weniger sediert Nordazepam (Tranxilium N®) 20
und bei Dosierungen bis 2 mg pro Tag in der Regel keine Benzodiazepine Oxazepam (Adumbran®) 30 (20-40)
in der Urinkontrolle anzeigt. Die tägliche Benzodiazepindosis sollte dem Oxazolam (Tranquit®) 30
Patienten ebenso wie andere Psychopharmaka im Rahmen der täglichen
Prazepam (Demetrin®) 20 Metabolit Nordazepam
Verabreichung des Substitutionsmittels ausgehändigt werden. Dem Patien-
ten dürfen keinesfalls Rezepte mit größeren Mengen von Benzodiazepinen Temazepam (Planum®, 20
zur selbsttätigen Einnahme überlassen werden. Remestan®)
Tetrazepam (Musaril®) 20 Metabolit Nordazepam
®
Triazolam (Halcion ) 0,5
Quelle : AWMF-Leitlinien Medikamentenabhängigkeit (2006):
http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/
II Die substitutionsgestütze Behandlung 69 70 4 Praktische Durchführung der Behandlung
Wichtig bleibt bei allem eine Aktivierung der Eigenressourcen zum 4.5.1 Fehltage
erfolgreichen Umgang mit den individuellen Risikosituationen. Dazu sollten
anhand individueller Risikosituationen alternative Bewältigungsstrategien (statt Erscheint ein Patient nicht regelmäßig oder wie vereinbart zur Sub-
Drogenkonsum) entwickelt werden. stitutionsmitteleinnahme, müssen die Ursachen vor der nächsten
Verabreichung geklärt werden. Nach mehreren Fehltagen ist nach der
Ein wichtiger Baustein dazu kann die Analyse früherer Strategien zur
möglicherweise eingetretenen Adaption an eine geringere Dosis eine
Bewältigung von Risikosituationen liefern, die dazu führten, dass kein
Dosisreduktion, z.B. um 10% pro gefehltem Tag, zu empfehlen. Nach mehr
Drogenkonsum notwendig wurde. Nach der Identifizierung solcher Ereignisse
als fünf Tagen ohne kontrollierte Opiateinnahme kann nicht mehr von einer
können folgende Schlüsselfragen weiter helfen: „Was haben Sie damals
Opiattoleranz ausgegangen werden, so dass eine Neueinstellung erforder-
gemacht?“ und „Was davon könnte auch in Ihrer jetzigen Situation
lich ist (siehe unter 3.6).
funktionieren? Wie könnte das ablaufen?“
Für eine ausführliche Darstellung des Vorgehens und die Arbeit erleichternde 4.5.2 Intoxikation
Checklisten sei auf das Behandlungsmanual zur psychosozialen Behandlung
von Drogenabhängigen unter Substitution verwiesen (Küfner & Ridinger, Bei erheblich intoxikiertem Zustand muss die Dosis des Substitutionsmittels
2008). reduziert oder die Verabreichung unter Umständen ganz verweigert wer-
Eine weitere Möglichkeit des Rückfallmanagements könnte auch in der den. Hierbei sind alle psychotropen Substanzen zu berücksichtigen. Der
Vermittlung von Strategien zum kontrollierten Beikonsum liegen: Entzug von Opioiden durch Verweigerung der Verabreichung des Substitu-
Selbstkontrollierter Substanzkonsum liegt dann vor, wenn eine Person ihren tionsmittels hat keine lebensbedrohlichen Folgen, auch keine rechtlichen
Konsum an einem zuvor festgelegten Konsumplan ausrichtet. In Bayern im Sinne des unmittelbaren Vorwurfs der unterlassenen Hilfeleistung. Im
werden über psychosoziale Beratungsstellen Programme zum kontrollierten Gegenteil, die vitale Bedrohung bei Verabreichung des Substituts an einen
Beikonsum, z.B. KISS (Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum), intoxikierten Patienten ist hoch.
angeboten, in denen die Patienten lernen sollen, den Konsum der Besonders Alkohol und Benzodiazepine verstärken die atemdepressive
verschiedenen Substanzen jeweils für eine Woche im Voraus zu planen. Dabei Wirkung des Substitutionsmittels. Bei offensichtlicher Alkoholintoxikation
sind die Anzahl der konsumfreien Tage, die tägliche maximale Konsummenge wird zunächst kein Substitutionsmittel ausgegeben. Gegebenenfalls kann
und der maximale Gesamtkonsum pro Woche festzulegen. 10-30% der der Patient nach einigen Stunden erneut in die Praxis kommen, um dann in
Teilnehmer von KISS-Gruppen entscheiden sich mittelfristig im Verlauf dann klinisch deutlich besserem Zustand bzw. bei gesunkenem Alkoholspiegel
auch für eine Abstinenz. sein Substitut einzunehmen. Grundsätzlich ist eine Verabreichung nur bei
0,0‰ zu empfehlen.
4.5 Dosisanpassung und Verweigerung der Opiatabgabe Bei Kontrollmöglichkeit mittels Alkometer:
• bis 0,5‰: Abgabe der halben Methadondosis
Auch bei längeren und stabilen Substitutionsverläufen sollte die Dosis von Zeit
• über 0,5‰ : keine Methadonabgabe für diesen Tag.
zu Zeit überprüft werden, z.B. bei Patienten mit Take-Home-Verordnung
Verabreichung mit Sichtbezug für einige Tage. Dosisveränderungen bzw.
-anpassungen sind im Verlauf einer substitutionsgestützten Behandlung aus 4.5.3 Veränderungen des Opiatbedarfs
verschiedensten Gründen immer wieder notwendig. Die aktuelle Dosierung Veränderungen des Opiatbedarfs können entstehen durch (Gölz, 1999):
des Substitutionsmittels sollte dem Patienten immer bekannt, ggf. auch in
• entzündliche Erkrankungen
einem aktualisierbaren Substitutionsausweis vermerkt sein. Gerade in der aus-
schleichenden ambulanten Entgiftung besteht nach einiger Zeit der langjährige • fortschreitende Leberzirrhose
Schutz vor Überdosierungen nicht mehr; alle Patienten – besonders die • psychosoziale Stresssituationen
„Ausstiegswilligen“ – sollten darüber aufgeklärt sein. Bei Rückfällen besteht so • Interaktionen mit Medikamenten (siehe Tabelle 13)
zumindest die Chance, dass vom Patienten nicht durch Unkenntnis der • Beikonsum von Barbituraten
verminderten Toleranz eine tödliche Überdosierung illegaler Opiate erfolgt.
II Die substitutionsgestütze Behandlung 73 74 4 Praktische Durchführung der Behandlung
Um zu vermeiden, dass der Patient unter latentem Opiathunger leidet, oxymeter, Sauerstoffflasche mit Druckminderer und Insufflationsmaske,
sollte die Dosis, dem klinischen Bild entsprechend, angepasst werden. Ambubeutel mit drei Maskengrößen, drei Wendltuben und drei
Oropharyngealtuben. Besser sind komplett ausgerüstete Notfallkoffer mit
Tabelle 13: Möglicher Einfluss verschiedener Pharmaka auf die Opiatwirkung transportablem O2-Gerät (sog. Ulmer Koffer). Regelmäßige Fortbildungen
Verstärkung Abschwächung in basic life support (BLS), wie sie KVen und Ärztekammern anbieten, sind
in solchen Situationen hilfreich und müssen spätestens bei der
• Alkohol • Antimykotika • Rifampicin
Zertifizierung nachgewiesen werden.
• Antiarrhythmika • Phenothiazine • Phenytoin
Grundlegend ist rasch zu klären, ob die persönliche ärztliche Erfahrung und
• Clonidin • Benzodiazepine • Phenobarbital die situativen Voraussetzungen ausreichen, um die gegebene Problemlage
• ß-Blocker • Antidepressiva • Carbamazepin des Patienten ohne Hinzuziehung eines Notarztes zu behandeln. Im Leit-
• Chinidin • SSRI (Fluvoxamin, • Antiretrovirale
faden zur Prävention von Drogentod der BAS findet sich ein ausführliches
Kapitel über Erste Hilfe sowie den Einsatz von Naloxon (Halbwertszeit ca.
• Cumarine Paroxetin®) • Therapie 70 Minuten nach i.v.-Applikation) im Drogennotfall. Der Verdacht auf eine
• Cimetidin • Zytostatika (z.B. Ritonavir/ Opiatüberdosierung kann gemäß der Symptome in Tabelle 14 überprüft
• Kontrazeptiva Norvir®) werden. Ein Therapieschema für solche Fälle zeigt Tabelle 15.
4.7 Take-home-Verordnung medizinische Notwendigkeit besteht. Wichtig ist es, auch die Gründe für die
Take-home-Verordnung und die Notwendigkeit und Zulässigkeit der Wei-
4.7.1 Indikation terbehandlung zu dokumentieren.
Die Take-home-Verordnung stellt eine Ausnahmeform der Behandlung dar Wenn die Kontinuität der Substitutionsbehandlung anderweitig nicht ge-
und unterliegt besonders strengen Anforderungen. Nach den Vorschriften währleistet ist (z.B. an Wochenenden oder Feiertagen), eröffnet die
der BtMVV ist mindestens sicher zu stellen, dass das Risiko der Selbst- 23. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung auch die Möglichkeit
und Fremdgefährdung (Kinder) ausgeschlossen ist und Untersuchungen des Take-home für diejenigen Patienten, die dies sonst nicht erhalten (vgl.
des Arztes keine Erkenntnisse darüber erbracht haben, dass der Patient dazu 4.1).
1. Stoffe konsumiert, die ihn zusammen mit der Einnahme des Sub-
stitutionsmittels gefährden, 4.7.2 Rezeptierung (§ 5 Abs. 7 BtMVV) und Procedere
2. unter Berücksichtigung der Toleranzentwicklung noch nicht auf
Bei der „Take-home-Verordnung" wird dem Patienten im Rahmen einer
eine stabile Dosis eingestellt worden ist oder
persönlichen ärztlichen Konsultation ein Rezept über die für bis zu sieben
3. Stoffe missbräuchlich konsumiert.
Tage benötigte Menge des Substitutionsmittels ausgehändigt. Er löst es in
Die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substituti- einer Apotheke seiner Wahl ein. Eine Mitgabe von Betäubungsmitteln aus
onsgestützten Behandlung Opiatabhängiger (2010) definieren darüber der Arztpraxis ist nach § 13 BtMG eine Straftat. Neben den für Sub-
hinaus den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft stitutionsmittel üblichen Angaben (siehe Serviceteil S. 118) muss bei einem
und regeln die Bedingungen für Take-home-Verordnungen sehr ausführ- Take-home-Rezept die Reichdauer des Substitutionsmittels in Tagen (am
lich. Für eine Take-home-Verordnung müssen derzeit folgende Vorausset- besten mit Angabe des Datums: von ... bis...) vermerkt werden. Wird das
zungen erfüllt sein: Methadon nach NRF 29.1 oder Polamidon® nach NRF 29.4 rezeptiert, so
• Die Dosiseinstellung ist abgeschlossen. wird in der Apotheke nach einer vom Zentrallabor entwickelten und stan-
dardisierten Rezeptur gearbeitet, bei der die Methadonlösung eingedickt,
• Der bisherige Verlauf der Behandlung hat zu einer klinischen Sta-
eingefärbt, konserviert und in kindersichere Einzeldosen verpackt wird.
bilisierung des Patienten geführt.
• Risiken der Selbstgefährdung sind soweit wie möglich ausge- Auch im Rahmen einer Take-home-Verordnung muss der Arzt den Sub-
schlossen worden. stitutionspatienten mindestens einmal wöchentlich sehen und sich verge-
• Der Patient konsumiert stabil keine weiteren Substanzen, die zu- wissern, dass eine Weiterführung der Take-home-Regelung möglich ist.
sammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels zu einer ge- Dabei sollte eine Take-home-Dosis nach den Richtlinien der Bundesärzte-
sundheitlichen Gefährdung führen können. kammer unter Sichtkontrolle in der Praxis eingenommen werden, um eine
• Der Patient hat die erforderlichen Kontakte zum Arzt und zur PSB selbständige Abdosierung (oder den Verkauf eines Teils des Substitutions-
wahrgenommen. mittels) zu verhindern.
• Die psychosoziale Reintegration ist fortgeschritten. Die Apotheke muss die verordneten Take-home-Dosen einzeln und in
• Für eine Fremdgefährdung durch Weitergabe des Substitutionsmit- kindergesicherter Verpackung konfektionieren. Der Zusatz „EDO“ bei Ver-
tels bestehen keine Hinweise. ordnung von flüssigen, abgeteilten Substitutionsmitteln ist hilfreich.
Sinnvollerweise wird mit einer Take-home-Regelung für einen kürzeren
Zeitraum begonnen und diese langsam auf sieben Tage gesteigert. Bei
psychotischen Störungen kann eine Take-home-Regelung kontraindiziert
sein.
Bei der Verordnungsdauer ist zu beachten, dass die Ausschöpfung des
vollen zeitlichen Rahmens (bis zu sieben Tage) nur auf Fälle beschränkt
bleiben soll, bei denen eine eindeutige berufliche, familiäre, soziale oder
II Die substitutionsgestütze Behandlung 77 78 4 Praktische Durchführung der Behandlung
Lebensgefahr besteht bei der (Selbst-)Verabreichung hoher Dosen von 5.2.2 Therapieabbruch durch den Patienten
Opiaten bzw. Opioiden, da dann die antagonistische Wirkung von Naltre-
xon durchbrochen werden kann. Erscheint ein Patient unangekündigt nicht mehr in der Substitutionspraxis,
so sollte nach Möglichkeit der Grund dafür erkundet werden. Oft können
5.2 Therapieabbruch hier auch die Drogenberatungsstellen behilflich sein. In manchen Regionen
gibt es auch die Möglichkeit, dass Mitarbeiter der Jugendhilfe versuchen,
Therapieabbrüche sollten, um das Leben des Patienten nicht zu gefährden, den Patienten bei sich zu Hause aufzusuchen („home reach“), um die
vermieden werden. Ein möglicher Therapieabbruch und die Gründe hierfür Gründe für den Therapieabbruch und Maßnahmen zu besprechen.
sollten mit dem Patienten schon bei Behandlungsbeginn besprochen wer-
Gründe für einen Therapieabbruch durch den Patienten können sein:
den.
• Arztwechsel
5.2.1 Therapieabbruch durch den Arzt • Rückkehr zur „Szene“
• Inhaftierung (ggf. Kooperation mit Polizei und Justiz)
Da Therapieabbrüche zur vitalen Gefährdung des Patienten führen können,
sollten zuerst Alternativen wie z.B. Dosisreduktion, Fortsetzung der
Therapie in einer anderen Einrichtung, andere Behandlungsformen oder
Sanktionen in Erwägung gezogen werden.
Abgebrochen werden sollte die Substitution, wenn:
• die in den Behandlungsverträgen getroffenen Vereinbarungen
wiederholt beziehungsweise schwerwiegend gebrochen werden.
• es zu Androhung oder Ausübung von Gewalt in der Praxis kommt.
• der Patient illegale Drogen in der Praxis konsumiert oder diese
weiterverkauft (dealt).
• trotz wiederholter Gespräche und ausreichender Dosierung des
Substitutionsmittels ein die Substitution gefährdender Beigebrauch
besteht.
In jedem Falle müssen dem Patienten die Gründe für einen Abbruch und
ggf. das weitere Procedere verständlich gemacht werden. Idealerweise
kann er kognitiv und emotional nachvollziehen, warum eine Weiterführung
der Therapie zu diesem Zeitpunkt in der Praxis nicht sinnvoll ist. Eine Wei-
tervermittlung des Patienten ist erforderlich.
Ein Therapieabbruch durch den Arzt sollte möglichst erst nach einer ange-
kündigten Frist (z.B. 2 Wochen) erfolgen, um dem Patienten Gelegenheit
für einen Arztwechsel zu geben. Hat der Patient in dieser Zeit keinen ande-
ren Arzt gefunden, erfolgt ein gezieltes Herunterdosieren z.B. um 20 mg
Methadon jeden zweiten Tag oder 10 mg täglich.
Wird die Therapie sofort aufgrund eines die Praxis gefährdenden Verhal-
tens des Patienten abgebrochen, so sollte der Patient in eine Entzugsklinik
eingewiesen werden.
Die Gründe für einen Therapieabbruch sowie die getroffenen Maßnahmen
sollten genau dokumentiert werden.
III Literaturverzeichnis 83 84 Literaturverzeichnis
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IV Serviceteil 85 86 1 Erfassungsbogen Substitution
Periode O regelmäßig
Name: Vorname: Größe: Gewicht: O keine
O unregelmäßig
Allgemein O kräftig Schlafstörung O keine O Hormopräparat (Pille/ 3-Monatsspritze)
O ständig müde O Einschlafstörungen O letzte Periode wann? ………………….
O kraftlos O Durchschlafstörungen
O Schwitzen Sexualität ja Kondome
in letzten 6 Monaten kein Sex O
Ernährung O Untergewicht Zähne: O in Ordnung fester Sexualpartner O O
O normal O Karies wechselnde Partner O O
O Übergewicht O Ruinen Prostitution O O
O Essattacken O Gebiss
O Erbrechen Operationen
O Diäten Welche?
O unregelmäßiges Essen ………………………………………………………………………………………………………………
………………………………………………………….…………………………………………………..
Haut: O in Ordnung O Ausschläge
O Abszesse O Parasiten (Läuse, Krätze u.ä.) Sonstige aktuelle Krankheiten:
………………………………………………………………………………………………………………
Infektionen O keine ………………………………………………………………………………………….…………………..
Name: Name:
Cannabis erster Konsum mit …….. Jahren Aktueller Konsum (ohne die während der Substitution verabreichten Medikamente)
heutiger Konsum O nie
O gelegentlich x-mal/Tag x-mal/Woche x-mal/Monat ungefähre Menge
O regelmäßig
(bitte ungefähre Zahl eintragen)
Opiate erster Konsum mit …….. Jahren Zigaretten ………… ……..……… ……..……… …………….………
O unregelmäßig von ………….. bis ………….. Bier ………… ……..……… ……..……… …………….………
O regelmäßig von ………….. bis …………..
Wein ………… ……..……… ……..……… …………….………
geschnupft seit …….. gespritzt seit …….. abhängig seit ……..
Schnaps/Wodka ………… ……..……… ……..……… …………….………
Codein erster Konsum mit …….. Jahren Flunitrazepam ………… ……..……… ……..……… …………….………
(Saft/Tabletten)
Diazepam ………… ……..……… ……..……… …………….………
O unregelmäßig von ………….. bis …………..
O regelmäßig von ………….. bis ………….. Benzodiazepine ………… ……..……… ……..……… …………….………
(Sonstige)
Methadon erster Konsum mit …….. Jahren Doxepin ………… ……..……… ……..……… …………….………
O unregelmäßig von ………….. bis …………..
Trimipramin ………… ……..……… ……..……… …………….………
O regelmäßig von ………….. bis …………..
geschluckt seit …….. gespritzt seit …….. abhängig seit …….. Antidepressiva ………… ……..……… ……..……… …………….………
(Sonstige)
Buprenorphin erster Konsum mit …….. Jahren
Luminal ………… ……..……… ……..……… …………….………
O unregelmäßig von ………….. bis …………..
O regelmäßig von ………….. bis ………….. Barbiturate ………… ……..……… ……..……… …………….………
gelutscht seit …….. geschnupft seit …….. (Sonstige)
gespritzt seit …….. abhängig seit …….. Cannabis ………… ……..……… ……..……… …………….………
Heroin ………… ……..……… ……..……… …………….………
Kokain erster Konsum mit …….. Jahren
O unregelmäßig von ………….. bis ………….. Codein ………… ……..……… ……..……… …………….………
O regelmäßig von ………….. bis ………….. Methadon ………… ……..……… ……..……… …………….………
geschnupft seit …….. gespritzt seit …….. abhängig seit ……..
Buprenorphin ………… ……..……… ……..……… …………….………
Amphetamine O Speed O Crystal Kokain ………… ……..……… ……..……… …………….………
erster Konsum mit …….. Jahren Speed ………… ……..……… ……..……… …………….………
O unregelmäßig von ………….. bis …………..
Crystal ………… ……..……… ……..……… …………….………
O regelmäßig von ………….. bis …………..
abhängig seit …….. Ecstasy ………… ……..……… ……..……… …………….………
LSD ………… ……..……… ……..……… …………….………
Ecstasy erster Konsum mit …….. Jahren
Andere ………… ……..……… ……..……… …………….………
O unregelmäßig von ………….. bis …………..
O regelmäßig von ………….. bis …………..
abhängig seit ……..
Name: Name:
Arzt Angstzustände
O keine O erstmals mit ……….. Jahren
Menge Zeitraum derzeit O ständig O oft O selten O gar nicht
Methadon/Polamidon®
Ich habe Angst vor
Subutex®/Suboxone® ………………………………………………………………………….
Codein/DHC …………………………………………...……………………………..
O der Zukunft O Krankheiten
Suchtberatung
O meine Arbeit zu verlieren O keine Arbeit mehr zu finden
Wo Suchtberater(in)
O meine Eltern/ meinen Partner/ meine Kinder zu enttäuschen
Wie oft letzter Kontakt
O die Anforderungen der Substitutionsbehandlung/ einer späteren Entgiftung/
Grund für letzten Rückfall Entwöhnung nicht zu schaffen
Name: Name:
Wohnen Lebensunterhalt
O Mietwohnung O Lohn aus Angestelltentätigkeit O Selbständige Tätigkeiten
O Wohngemeinschaft O Gelegenheitstätigkeiten O Unterstützung durch Angehörige
O Untermiete O ALG I O ALG II/ Hartz IV
O Verwandtschaft/Eltern O Sozialhilfe O Krankengeld
O Notschlafstelle
O Pension Schulden
O ohne festen Wohnsitz O keine O Bankschulden O Sonstige Schulden O Privatinsolvenz
O Notunterkunft bei Freunden/Bekannten
Höhe der Monatsmiete ……… Euro O unter 2500,-Euro O 2500 - 5.000 Euro
O 5.000 - 10.000 Euro O über 10.000 Euro
Ausbildung derzeitiger Beruf
O Hauptschule O als Angestellter tätig Strafen
O Qualifizierter Abschluss O Beamter
O Lehre O Selbständig Anzahl Vorstrafen ………
O abgebrochen O arbeitslos gemeldet Anzahl Haftstrafen ……… letzter Aufenthalt JVA von …….…….. bis ……….…..
O beendet O Umschulung Haftdauer insgesamt: ………
O Mittlere Reife O Sozialhilfe- oder ALG II-Empfänger offene Strafen O laufende Verfahren
O (Fach-)Abitur O in Schule O Haft
O Studium O in Berufsausbildung O Bewährung Bewährungshelfer: …………………………………..…..
O abgebrochen O bekomme Krankengeld O Bewährungsauflagen: …………………………………………………….
O beendet O habe Job ( ohne Sozialhilfe)
O ohne Job O Betreuungspflegschaft Name: ……………..…………………………………………………..
Name: Name:
Persönliche Pläne, Wünsche, Ziele für die Substitutionsbehandlung Was für Ziele haben Sie sonst noch im Rahmen Ihrer Substitutionsbehandlung?
Möglichst hohe Dosis, um "satt" zu sein und keinen Beigebrauch zu haben Beziehungen …………….....................................................................
O ja O nein O weiß nicht
Freizeitgestaltung …………….....................................................................
Möglichst niedrige Dosis, um "nicht noch abhängiger" zu werden
O ja O nein O weiß nicht Ausbildung/Arbeitsplatzsituation …………….....................................................................
Welche Dosierung glauben Sie zu benötigen? ...............mg oder .............. ml Justiz/Kriminalität/Delinquenz …………….....................................................................
Dauerhafte Substitution, um Erreichtes nicht zu gefährden und "wackelig" zu werden Schuldenabbau …………….....................................................................
Überwindung des Beigebrauchs von persönliche Erläuterungen hierzu und sonstige eigene Ziele/Wünsche:
Heroin O ja O kein Thema O weiß nicht
Codein O ja O kein Thema O weiß nicht ..............................................................................................................................................
Benzodiazepinen O ja O kein Thema O weiß nicht
Amphetamine O ja O kein Thema O weiß nicht ..............................................................................................................................................
Cannabis O ja O kein Thema O weiß nicht
Alkohol O ja O kein Thema O weiß nicht ..............................................................................................................................................
Längerfristige Substitutionsbehandlung
O ja O nein O weiß nicht ..................................................................................
wenn ja, über welchen Zeitraum? .............................. (Unterschrift des/der Patienten/in)
Was soll geändert werden? Wie soll vorgegangen Zeitlicher Folgende Vereinbarungen werden getroffen zwischen:
werden? Rahmen
Patient: _____________ Arzt: ____________ und Berater:___________
Kooperation in der Substitution
O regelmäßiges Erscheinen Ab dem _______ wird mit dem Ersatzstoff _________________substituiert.
O Pünktlichkeit Die Substitution ist zunächst auf den Zeitraum von ______ Monaten
O Umgang
begrenzt. Nach ______Monaten werden am _________ in einem Team-
Allgemeines Erscheinungsbild gespräch Fortsetzung und Art und Weise der Substitution besprochen.
O Hygiene
O Ernährungszustand Das Substitutionsmittel wird täglich in den Praxisräumen unmittelbar nach
Ausgabe unter Aufsicht eingenommen. Die Mitgabe von Substitutions-
Gesundheitszustand
mitteln ist gesetzlich nicht erlaubt.
Psychischer Zustand
Ausgabezeiten:
Angst/Depression/Wahn/Sonstiges Montag bis Freitag von ______ bis_____ Uhr in den Praxisräumen
Samstag / Sonntag von ______bis_____ Uhr
Beigebrauch
O Benzodiazepine in:_______________________________________
O Alkohol Eine gleichzeitige Substitutionsbehandlung bei anderen Ärzten oder in
O Heroin
O Amphetamine/ Kokain einer Substitutionsambulanz ist gesetzlich verboten und kann gesundheits-
O Sonstige gefährdend bzw. tödlich sein.
Beziehungen Bestandteile der Substitution sind Vergabe des Substitutionsmittels und
O Partner psychosoziale Betreuung in Form lebenspraktischer und therapeutischer
O Kinder Unterstützung. Die aktive Mitarbeit des Patienten ist für eine Substitution
O Familie
O Freunde unbedingt erforderlich.
O ohne Drogenkonsum Die psychosoziale Betreuung erfolgt durch:
O mit Drogenkonsum
O Sonstige ____________________________________________________________
4) Verstöße gegen die Hausordnung, insbesondere Gewaltanwendung, Berichtsbogen zur psychosozialen Betreuung
Androhung von Gewalt, Diebstahl, Drogenkonsum und Alkoholkonsum
in der Einrichtung führen zum unverzüglichen Ausschluss aus der Datum:
Substitution. Dies gilt auch für gezielte Handlungen gegen die Inter-
Nach § 5 der BtMVV ist der Arzt bei Verschreibung eines Substitutionsmittels verpflichtet, auf
essen von Patienten und Team. Der Patient wurde über die Hausord- erforderliche Behandlungs- und Betreuungsmassnahmen hin zu wirken und deren Inanspruch-
nung informiert. Berater und Arzt haben uneingeschränktes Hausrecht nahme nachzuweisen. Darüber hinaus wäre eine Kooperation zwischen Arzt und
innerhalb der Praxis/ Einrichtung. Ihren Anordnungen ist unbedingt psychosozialer Betreuung zur Verbesserung des Behandlungskonzeptes wünschenswert.
Folge zu leisten.
5) Frau/Herr__________________ wurde von _____________________ Frau/Herr ____________ wird in unserer Einrichtung psychosozial betreut.
über Risiken, Neben- und Wechselwirkungen des Substitutionsmittels,
die Gefahren von Beigebrauch sowie alternative Behandlungs- Die Betreuung findet regelmäßig statt. Bei Beendigung der Betreuung wer-
möglichkeiten eingehend informiert. den wir Sie informieren.
6) Austausch von Patienteninformationen:
• Das Team der an der Substitution beteiligten Therapeuten ist für den ___________________________ ___________________________
Zeitraum der Behandlung von der Schweigepflicht untereinander und
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der KV-Kommis- Einrichtung Ansprechpartner
sion, dem Gesundheitsamt, den in die Substitution eingebundenen
Apotheken und den Kostenträgern befreit. Dies gilt auch für Ziele der Betreuung:
Anfragen bei anderen Ärzten hinsichtlich einer Doppelsubstitution.
Alle Daten werden streng vertraulich behandelt. ____________________________________________________________
• Der Patient ist damit einverstanden, dass die Mitarbeiter der Substi- ____________________________________________________________
tutionspraxis, soweit es eine bestimmte Situation erfordert und es im ____________________________________________________________
Interesse des Behandelten liegt, Informationen auch an behandelnde ____________________________________________________________
Ärzte, ein behandelndes Krankenhaus, Apotheken oder an eine ____________________________________________________________
psychosozial beratende Institution weiterleiten dürfen. ____________________________________________________________
• Der Patient ist einverstanden, dass die Mitarbeiter einer Apotheke,
soweit es eine Situation erfordert und im Interesse der Sicherheit des Dieser Bogen wird spätestens am jeweiligen Quartalsende, zu Anfang der Therapie
Behandlungsverlaufs liegt, Informationen auch an behandelnde und bei gravierenden Änderungen wöchentlich ausgetauscht.
Ärzte oder ein behandelndes Krankenhaus weiterleiten dürfen.
• Der Patient ist damit einverstanden, dass erforderliche persönliche
Daten und Informationen aus der Substitutionsbehandlung in einer
Akte festgehalten bzw. mittels EDV gespeichert werden. Eine
Weitergabe der Daten erfolgt ausschließlich in anonymisierter Form
und unter Wahrung der Datenschutzbestimmungen.
7) Zusätzliche Vereinbarungen:
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
Patient: ____________________
Arzt: ____________________ Berater: ____________________
IV Serviceteil 101 102 5 Vereinbarung zwischen Arzt und Apotheker
Eine Take-home-Regelung besteht nicht / besteht für _______Tage wird folgende Vereinbarung getroffen:
1) Der Patient ________________________________________________
Name, Vorname, Geburtsdatum
Der Patient erschien regelmäßig 1x/ Woche / Monat/ bzw. zu folgenden ________________________________________________
Terminen bei uns zur psychosozialen Betreuung: Anschrift
Datum /Betreuer der vom Arzt im Rahmen der Substitutionstherapie folgende Arzneimittel
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
Dieser Bogen wird spätestens am jeweiligen Quartalsende, zu Anfang der Therapie regelmäßig verordnet bekommt, wird vom __________bis _________
und bei gravierenden Änderungen wöchentlich ausgetauscht. in der ________________-Apotheke ________________ täglich in der Zeit
Name Anschrift
von _______ bis ________ mit dem Substitutionsmittel _______________
zum unmittelbaren Verbrauch im Auftrag des obigen Arztes versorgt.
Die Vergabe am Wochenende/Feiertagen findet _________________ statt
Ort, Einrichtung
IV Serviceteil 103 104 5 Vereinbarung zwischen Arzt und Apotheker
1) Der Patient hat sich entsprechend auszuweisen. 12) Der Arzt kann sich in Anwesenheit des Apothekenleiters jederzeit von der
2) Der Arzt beauftragt den Apothekenleiter, die Vergabe in der Apotheke vorzu- ordnungsgemäßen Vergabe des Substitutionsmittels überzeugen.
nehmen. Die Vergabe kann auch durch einen Angehörigen des pharmazeuti- 13) Für die Qualität des zu vergebenden Arzneimittels haftet der Apotheker im
schen Personals der Apotheke erfolgen, soweit er in diese Vereinbarung aus- Rahmen der Betriebshaftpflicht. Für die Substitutionstherapie und die damit
drücklich einbezogen wurde und im Vordruck der Anlage 1 dazu persönlich verbundenen Maßnahmen haftet der Arzt.
aufgeführt wird (Vergabepersonal). 14) Der Apothekenleiter erhält vom Arzt*) / Patient*) folgende Vergütung:
3) Der Arzt verpflichtet sich, den Apothekenleiter und das Vergabepersonal ein- *) Nicht Zutreffendes bitte streichen
zuweisen (§ 5 Abs. 6 BtMVV). Die Einweisung beinhaltet beispielhaft Hand- 15) Meinungsverschiedenheiten bei der Durchführung dieser Vereinbarung sollen
lungsanweisungen für die Vergabe des Substitutionsmittels sowie für die Ver- einvernehmlich zwischen Arzt und Apothekenleiter geregelt werden.
weigerung der Vergabe, z.B. bei alkoholisierten Patienten bzw. bei Verdacht
16) Die Vereinbarung endet, wenn
auf übermäßigen Beikonsum, des Weiteren Handlungsanweisungen für mögli-
che Notfallsituationen. Die Einweisung ist Bestandteil dieses Vertrages und soll • die Therapie abgebrochen wird (in diesem Fall ist die Apotheke unverzüglich
in schriftlicher Form erstellt werden. Sie ist vom Arzt und den mit der Vergabe zu benachrichtigen)
Beauftragten zu unterschreiben. • der Patient in eine stationäre Therapie zur Wiederherstellung der Betäu-
4) Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient liegt dem Apotheker in bungsmittelabstinenz überwiesen wird.
Kopie vor. Über wesentliche Änderungen der darin zwischen Arzt und Patient 17) Eine Kündigung dieser Vereinbarung muss schriftlich erfolgen. Die Kündi-
festgesetzten Modalitäten werden der Apothekenleiter und das Vergabeperso- gungsfrist beträgt beiderseits 2 Wochen. Nach Beendigung des Vertrags-
nal unverzüglich vom Arzt unterrichtet. verhältnisses sind alle gegenseitigen Ansprüche innerhalb einer Frist von
5) Eine Erklärung des Patienten, die den Arzt, den Apothekenleiter und das mit 3 Monaten schriftlich geltend zu machen. Bei Nichteinhaltung der Frist sind die
der Vergabe beauftragte Apothekenpersonal von der Schweigepflicht entbindet Ansprüche verfallen.
und zum Austausch substitutionsrelevanter Informationen berechtigt, liegt vor.
6) Der Apothekenleiter verpflichtet sich, zur Qualitätssicherung an speziellen
Fortbildungsveranstaltungen der Bayerischen Landesapothekerkammer teilzu- Arzt ____________________________________________________
nehmen und das mit der Vergabe beauftragte Apothekenpersonal zur Teilnah- Ort Datum Unterschrift
me anzuhalten.
7) Die Unterzeichner bestätigen das Vorhandensein ausreichender Haftpflichtver-
sicherungen für sich und ihr Personal, die auch die Vergabe des Substitutions- Apothekenleiter ____________________________________________________
mittels umfassen. Ort Datum Unterschrift
8) Dem Patienten ist nicht mehr als die Tagesdosis durch den Apothekenleiter
bzw. sein Personal zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen.
9) Im Falle des Verschreibens von Codein oder Dihydrocodein kann dem Patien-
ten nach der Überlassung jeweils einer Dosis zum unmittelbaren Verbrauch die
für einen Tag zusätzlich benötigte Menge des Substitutionsmittels in abgeteil-
ten Einzeldosen ausgehändigt und ihm dessen eigenverantwortliche Einnahme
gestattet werden, wenn dem Arzt keine Anhaltspunkte für eine nicht bestim-
mungsgemäße Verwendung des Substitutionsmittels durch den Patienten vor-
liegen.
10) Der Apothekenleiter meldet dem Arzt das Nichterscheinen bzw. Verhaltenswei-
sen des Patienten, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Substitutions-
behandlung gefährden.
11) Der Apothekenleiter übernimmt die personenbezogene Nachweisführung nach
§ 13 Abs. 1 Satz 4 BtMVV. Diese Dokumentation wird dem Arzt wöchentlich zur
Verfügung gestellt.
IV Serviceteil 105 106 6 Muster einer patientenbezogenen Vergabe-Dokumentation
c) Stoffe gebraucht, deren Konsum nach Art und Menge den Zweck der onsmittels ist neben den Vorschriften dieser Verordnung der allgemein anerkannte
Substitution gefährdet oder Stand der medizinischen Wissenschaft maßgebend. Für die Verschreibung von
d) das ihm verschriebene Substitutionsmittel nicht bestimmungsgemäß Diamorphin nach Satz 2 Nummer 3 gelten die Absätze 6 bis 8 nicht.
verwendet, (5) Der Arzt, der ein Substitutionsmittel für einen Patienten verschreibt, darf die
5. der Patient im erforderlichen Umfang, in der Regel wöchentlich, den Verschreibung außer in den in Absatz 8 genannten Fällen nicht dem Patienten
behandelnden Arzt konsultiert und aushändigen. Die Verschreibung darf nur von ihm selbst, seinem ärztlichen
6. der Arzt Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation Vertreter oder durch das in Absatz 6 Satz 1 bezeichnete Personal der Apotheke
erfüllt, die von den Ärztekammern nach dem allgemein anerkannten Stand der vorgelegt werden. Der Arzt, der Diamorphin verschreibt, darf die Verschreibung nur
medizinischen Wissenschaft festgelegt werden. einem pharmazeutischen Unternehmer vorlegen.
Für die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach den Nummern 1, 2 und 4
Buchstabe c ist der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft (6) Das Substitutionsmittel ist dem Patienten vom behandelnden Arzt, seinem
maßgebend. ärztlichen Vertreter in der Praxis oder von dem von ihm angewiesenen oder
beauftragten und kontrollierten medizinischen, pharmazeutischen oder in staatlich
(3) Ein Arzt, der die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 6 nicht erfüllt, darf anerkannten Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe tätigen und dafür ausgebildeten
für höchstens drei Patienten gleichzeitig ein Substitutionsmittel verschreiben, wenn Personal zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen. Der behandelnde Arzt hat
1. die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 für die Dauer der sicherzustellen, dass das Personal nach Satz 1 fachgerecht in das Überlassen
Behandlung erfüllt sind, eines Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch eingewiesen wird. Im Falle
2. dieser zu Beginn der Behandlung diese mit einem Arzt, der die des Verschreibens von Codein oder Dihydrocodein kann dem Patienten nach der
Mindestanforderungen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 erfüllt (Konsiliarius), Überlassung jeweils einer Dosis zum unmittelbaren Verbrauch die für einen Tag
abstimmt und zusätzlich benötigte Menge des Substitutionsmittels in abgeteilten Einzeldosen
3. sichergestellt hat, dass sein Patient zu Beginn der Behandlung und ausgehändigt und ihm dessen eigenverantwortliche Einnahme gestattet werden,
mindestens einmal im Quartal dem Konsiliarius vorgestellt wird. wenn dem Arzt keine Anhaltspunkte für eine nicht bestimmungsgemäße
Wird der Arzt nach Satz 1 durch einen Arzt vertreten, der die Voraussetzungen nach Verwendung des Substitutionsmittels durch den Patienten vorliegen.
Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 ebenfalls nicht erfüllt, so gelten Satz 1 Nummer 1 und 2
für den Vertreter entsprechend. (7) Das Substitutionsmittel ist dem Patienten in der Praxis eines Arztes, in einem
Ein substituierender Arzt gemäß Absatz 2 soll grundsätzlich von einem anderen Krankenhaus oder in einer Apotheke oder in einer hierfür von der zuständigen
Arzt, der die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 erfüllt, vertreten Landesbehörde anerkannten anderen geeigneten Einrichtung oder, im Falle einer
werden. Gelingt es dem substituierenden Arzt nicht, einen Vertreter nach Satz 3 zu ärztlich bescheinigten Pflegebedürftigkeit, bei einem Hausbesuch zum
bestellen, so kann er von einem Arzt, der die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz unmittelbaren Verbrauch zu überlassen. Der Arzt darf die benötigten
1 Nummer 6 nicht erfüllt, für einen Zeitraum von bis zu vier Wochen und längstens Substitutionsmittel in einer der in Satz 1 genannten Einrichtungen unter seiner
insgesamt 12 Wochen im Jahr vertreten werden. Verantwortung lagern; die Einwilligung des über die jeweiligen Räumlichkeiten
Der vertretende Arzt gemäß Satz 4 stimmt die Substitutionsbehandlung vor Verfügungsberechtigten bleibt unberührt. Für den Nachweis über den Verbleib und
Vertretungsbeginn mit dem vertretenen Arzt ab. Wird während der Vertretung eine Bestand gelten die §§ 13 und 14 entsprechend.
unvorhergesehene Änderung der Substitutionstherapie erforderlich, stimmt sich der (8) Der Arzt oder sein ärztlicher Vertreter in der Praxis darf abweichend von den
Vertreter gemäß Satz 4 erneut mit dem vertretenen Arzt ab. Ist eine rechtzeitige Absätzen 5 bis 7 dem Patienten, dem ein Substitutionsmittel nach Absatz 6 zum
Abstimmung nicht möglich, bezieht der vertretende Arzt gemäß Satz 4 einen unmittelbaren Verbrauch überlassen wird, in Fällen, in denen die Kontinuität der
anderen Arzt, der die Voraussetzungen gemäß Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 erfüllt, Substitutionsbehandlung nicht anderweitig gewährleistet werden kann, ein
konsiliarisch ein. Substitutionsmittel in der bis zu zwei Tagen benötigten Menge verschreiben und ihm
Notfallentscheidungen bleiben in allen Vertretungsfällen unberührt. dessen eigenverantwortliche Einnahme gestatten, sobald der Verlauf der
Über die vorstehend genannte Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Arzt Behandlung dies zulässt, Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung soweit wie
und dem Konsiliarius sowie dem vertretenen und dem vertretenden Arzt gemäß den möglich ausgeschlossen sind sowie die Sicherheit und Kontrolle des
Sätzen 2 und 4 ist der Dokumentation nach Absatz 10 der diesbezügliche Betäubungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werden. Innerhalb einer Woche darf
Schriftwechsel beizufügen. der Arzt dem Patienten nicht mehr als eine Verschreibung nach Satz 1
aushändigen. Diese Verschreibung ist, unbeschadet des Absatzes 4 Satz 1, von
(4) Die Verschreibung über ein Substitutionsmittel ist mit dem Buchstaben „S" zu dem Arzt zusätzlich mit dem Buchstaben „Z“ zu kennzeichnen.
kennzeichnen. Als Substitutionsmittel darf der Arzt nur Sobald und solange sich der Zustand des Patienten stabilisiert hat und eine
1. Zubereitungen von Levomethadon, Methadon und Buprenorphin, Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nicht mehr
2. in begründeten Ausnahmefällen Codein oder Dihydrocodein, erforderlich ist, darf der Arzt dem Patienten eine Verschreibung über die für bis zu
3. Diamorphin als zur Substitution zugelassenes Arzneimittel oder sieben Tage benötigte Menge des Substitutionsmittels aushändigen und ihm
4. ein anderes zur Substitution zugelassenes Arzneimittel dessen eigenverantwortliche Einnahme erlauben. Die Aushändigung einer
verschreiben. Die in Satz 2 Nummer 1, 2 und 4 genannten Substitutionsmittel dürfen Verschreibung nach Satz 4 ist insbesondere dann nicht zulässig, wenn die
nicht zur parenteralen Anwendung bestimmt sein. Für die Auswahl des Substituti- Untersuchungen und Erhebungen des Arztes Erkenntnisse ergeben haben, dass
IV Serviceteil 111 112 8 Auszüge aus der BtMVV
der Patient 2. bei dem Patienten eine seit mindestens fünf Jahren bestehende Opiatab-
1. Stoffe konsumiert, die ihn zusammen mit der Einnahme des hängigkeit, verbunden mit schwerwiegenden somatischen und psychi-
Substitutionsmittels gefährden, schen Störungen bei derzeit überwiegend intravenösem Konsum vorliegt,
2. unter Berücksichtigung der Toleranzentwicklung noch nicht auf eine stabile 3. ein Nachweis über zwei erfolglos beendete Behandlungen der Opiatab-
Dosis eingestellt worden ist oder hängigkeit, davon eine mindestens sechsmonatige Behandlung gemäß
3. Stoffe missbräuchlich konsumiert. den Absätzen 2, 6 und 7 einschließlich psychosozialer Betreuungsmaß-
Für die Bewertung des Verlaufes der Behandlung durch den substituierenden Arzt nahmen, vorliegt und
ist im Übrigen der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft 4. der Patient das 23. Lebensjahr vollendet hat.
maßgebend. Im Falle eines Auslandsaufenthaltes des Patienten, dem bereits
Substitutionsmittel nach Satz 4 verschrieben werden, kann der Arzt unter (9b) Die Behandlung mit Diamorphin darf nur in Einrichtungen durchgeführt werden,
Berücksichtigung aller in diesem Absatz genannten Voraussetzungen zur denen eine Erlaubnis durch die zuständige Landesbehörde erteilt wurde. Die Er-
Sicherstellung der Versorgung diesem Verschreibungen über eine Menge des laubnis wird erteilt, wenn
Substitutionsmittels für einen längeren als in Satz 4 genannten Zeitraum 1. nachgewiesen wird, dass die Einrichtung in das örtliche Suchthilfesystem
aushändigen und ihm dessen eigenverantwortliche Einnahme erlauben. Diese eingebunden ist,
Verschreibungen dürfen in einem Jahr insgesamt die für bis zu 30 Tage benötigte 2. gewährleistet ist, dass die Einrichtung über eine zweckdienliche personelle
Menge des Substitutionsmittels nicht überschreiten. Sie sind der zuständigen und sachliche Ausstattung verfügt,
Landesbehörde unverzüglich anzuzeigen. Jede Verschreibung nach den Sätzen 1, 3. eine sachkundige Person, die für die Einhaltung der in Nummer 2 genann-
4 oder 8 ist dem Patienten im Rahmen einer persönlichen ärztlichen Konsultation ten Anforderungen, der Auflagen der Erlaubnisbehörde sowie der Anord-
auszuhändigen. nungen der Überwachungsbehörde verantwortlich ist (Verantwortlicher),
benannt worden ist.
(9) Patienten, die die Praxis des behandelnden Arztes zeitweilig oder auf Dauer (9c) Diamorphin darf nur innerhalb der Einrichtung nach Absatz 9b verschrieben,
wechseln, hat der behandelnde Arzt vor der Fortsetzung der Substitution auf einem verabreicht und zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden. Diamorphin darf
Betäubungsmittelrezept eine Substitutionsbescheinigung auszustellen. Auf der nur unter Aufsicht des Arztes oder des sachkundigen Personals innerhalb dieser
Substitutionsbescheinigung sind anzugeben: Einrichtung verbraucht werden. In den ersten sechs Monaten der Behandlung müs-
1. Name, Vorname und Anschrift des Patienten, für den die Substitutions- sen Maßnahmen der psychosozialen Betreuung stattfinden.
bescheinigung bestimmt ist, (9d) Die Behandlung mit Diamorphin ist nach jeweils spätestens zwei Jahren Be-
2. Ausstellungsdatum, handlungsdauer daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Behand-
3. das verschriebene Substitutionsmittel und die Tagesdosis, lung noch gegeben sind und ob die Behandlung fortzusetzen ist. Die Überprüfung
4. Beginn des Verschreibens und der Abgabe nach den Absätzen 1 bis 7 und erfolgt durch Einholung einer Zweitmeinung durch einen Arzt, der die Qualifikation
gegebenenfalls Beginn des Verschreibens nach Absatz 8, gemäß Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 besitzt und der nicht der Einrichtung angehört.
5. Gültigkeit: von/bis, Ergibt diese Überprüfung, dass die Voraussetzungen für die Behandlung nicht mehr
6. Name des ausstellenden Arztes, seine Berufsbezeichnung und Anschrift gegeben sind, ist die diamorphingestützte Behandlung zu beenden.
einschließlich Telefonnummer,
7. Unterschrift des ausstellenden Arztes. (10) Der Arzt hat die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den vorstehenden
Die Substitutionsbescheinigung ist mit dem Vermerk "Nur zur Vorlage beim Arzt" zu Absätzen sowie nach § 5a Abs. 2 und 4 im erforderlichen Umfang und nach dem
kennzeichnen. Teil I der Substitutionsbescheinigung erhält der Patient, Teil II und III allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zu dokumentieren.
verbleibt bei dem ausstellenden Arzt. Nach Vorlage des Teils I der Substitutionsbe- Die Dokumentation ist auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde zur Einsicht
scheinigung durch den Patienten und Überprüfung der Angaben zur Person durch und Auswertung vorzulegen oder einzusenden.
Vergleich mit dem Personalausweis oder Reisepass des Patienten kann ein anderer (11) Die Bundesärztekammer kann in Richtlinien den allgemein anerkannten Stand
Arzt das Verschreiben des Substitutionsmittels fortsetzen; erfolgt dies nur zeitweilig, der medizinischen Wissenschaft für
hat der andere Arzt den behandelnden Arzt unverzüglich nach Abschluss seines 1. die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1, 2
Verschreibens schriftlich über die durchgeführten Maßnahmen zu unterrichten. und 4 Buchstabe c,
2. die Auswahl des Substitutionsmittels nach Absatz 4 Satz 4 und
(9a) Zur Behandlung einer schweren Opiatabhängigkeit kann das Substitutionsmittel 3. die Bewertung des bisherigen Erfolges der Behandlung nach Absatz 8 Satz 1
Diamorphin zur parenteralen Anwendung verschrieben werden. Der Arzt darf Dia- und 4
morphin nur verschreiben, wenn feststellen sowie Richtlinien zur Dokumentation nach Absatz 10 erlassen. Die
1. er selbst eine suchttherapeutische Qualifikation im Sinne des Absatz 2 Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft
Satz 1 Nummer 6 erworben hat, die sich auf die Behandlung mit Diamor- wird vermutet, wenn und soweit die Richtlinien der Bundesärztekammer nach den
phin erstreckt, oder er im Rahmen des Modellprojektes „Heroingestützte Nummern 1 bis 3 beachtet worden sind.
Behandlung Opiatabhängiger" mindestens sechs Monate ärztlich tätig war,
(12) Die Absätze 2 bis 10 sind entsprechend anzuwenden, wenn das
Substitutionsmittel aus dem Bestand des Praxisbedarfs oder Stationsbedarfs zum
unmittelbaren Verbrauch überlassen oder nach Absatz 6 Satz 3 ausgehändigt wird.
IV Serviceteil 113 114 8 Auszüge aus der BtMVV
§ 5a Substitutionsregister Patienten zuzuordnen ist. Wenn dies zutrifft, haben sie sich darüber abzustimmen,
(1) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bundesinstitut) führt für wer künftig für den Patienten Substitutionsmittel verschreibt, und über das Ergebnis
die Länder als vom Bund entliehenes Organ ein Register mit Daten über das das Bundesinstitut unter Angabe des Patientencodes zu unterrichten. Wenn dies
Verschreiben von Substitutionsmitteln (Substitutionsregister). Die Daten des nicht zutrifft, haben die Ärzte darüber ebenfalls das Bundesinstitut unter Angabe des
Substitutionsregisters dürfen nur verwendet werden, um Patientencodes zu unterrichten. Das Substitutionsregister ist unverzüglich
1. das Verschreiben eines Substitutionsmittels durch mehrere Ärzte für entsprechend zu bereinigen. Erforderlichenfalls unterrichtet das Bundesinstitut die
denselben Patienten und denselben Zeitraum frühestmöglich zu verhindern, zuständigen Überwachungsbehörden der beteiligten Ärzte, um das Verschreiben
2. die Erfüllung der Mindestanforderungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 und der von Substitutionsmitteln von mehreren Ärzten für einen Patienten zu unterbinden.
Anforderungen nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 zu überprüfen sowie (5) Die Ärztekammern haben dem Bundesinstitut zum 31. März und 30. September
3. das Verschreiben von Substitutionsmitteln entsprechend den Vorgaben nach die Namen und Adressen der Ärzte zu melden, die die Mindestanforderungen nach
§ 13 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe e des Betäubungsmittelgesetzes statistisch § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 erfüllen. Das Bundesinstitut unterrichtet unverzüglich die
auszuwerten. zuständigen Überwachungsbehörden der Länder über Name und Adresse
Das Bundesinstitut trifft organisatorische Festlegungen zur Führung des 1. der Ärzte, die ein Substitutionsmittel nach § 5 Abs. 2 verschrieben haben und
Substitutionsregisters. 2. der nach Absatz 2 Nr. 6 gemeldeten Konsiliarien,
(2) Jeder Arzt, der ein Substitutionsmittel für einen Patienten verschreibt, hat dem wenn diese die Mindestanforderungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 nicht erfüllen.
Bundesinstitut unverzüglich schriftlich oder kryptiert auf elektronischem Wege (6) Das Bundesinstitut teilt den zuständigen Überwachungsbehörden zum 30. Juni
folgende Angaben zu melden: und 31. Dezember folgende Angaben mit:
1. den Patientencode, 1. Namen und Adressen der Ärzte, die nach § 5 Abs. 2 Substitutionsmittel
2. das Datum der ersten Verschreibung, verschrieben haben,
3. das verschriebene Substitutionsmittel, 2. Namen und Adressen der Ärzte, die nach § 5 Abs. 3 Substitutionsmittel
4. das Datum der letzten Verschreibung, verschrieben haben,
5. Name und Adresse des verschreibenden Arztes sowie 3. Namen und Adressen der Ärzte, die die Mindestanforderungen nach § 5 Abs.
6. im Falle des Verschreibens nach § 5 Abs. 3 Name und Anschrift des 2 Satz 1 Nr. 6 erfüllen,
Konsiliarius. 4. Namen und Adressen der Ärzte, die nach Absatz 2 Nr. 6 als Konsiliarius
Der Patientencode setzt sich wie folgt zusammen: gemeldet worden sind, sowie
a) erste und zweite Stelle: erster und zweiter Buchstabe des ersten Vornamens, 5. Anzahl der Patienten, für die ein unter Nummer 1 oder 2 genannter Arzt ein
b) dritte und vierte Stelle: erster und zweiter Buchstabe des Familiennamens, Substitutionsmittel verschrieben hat.
Die zuständigen Überwachungsbehörden können auch jederzeit im Einzelfall vom
c) fünfte Stelle: Geschlecht ("F" für weiblich, "M" für männlich),
Bundesinstitut entsprechende Auskunft verlangen.
d) sechste bis achte jeweils letzte Ziffer von Geburtstag, -monat und -jahr. und
Stelle: -jahr. (7) Das Bundesinstitut teilt den obersten Landesgesundheitsbehörden für das
Es ist unzulässig, dem Bundesinstitut Patientendaten uncodiert zu melden. Der Arzt jeweilige Land zum 31. Dezember folgende Angaben mit:
hat die Angaben zur Person durch Vergleich mit dem Personalausweis oder 1. die Anzahl der Patienten, denen ein Substitutionsmittel verschrieben wurde,
Reisepass des Patienten zu überprüfen. 2. die Anzahl der Ärzte, die nach § 5 Abs. 2 Substitutionsmittel verschrieben
(3) Das Bundesinstitut verschlüsselt unverzüglich den Patientencode nach Absatz 2 haben,
Satz 1 Nr. 1 nach einem vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik 3. die Anzahl der Ärzte, die nach § 5 Abs. 3 Substitutionsmittel verschrieben
vorgegebenen Verfahren in ein Kryptogramm in der Weise, dass er daraus nicht haben,
oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand zurückgewonnen werden 4. die Anzahl der Ärzte, die die Mindestanforderungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr.
kann. Das Kryptogramm ist zusammen mit den Angaben nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 6 erfüllen,
bis 6 zu speichern und spätestens sechs Monate nach Bekanntwerden der 5. die Anzahl der Ärzte, die nach Absatz 2 Nr. 6 als Konsiliarius gemeldet
Beendigung des Verschreibens zu löschen. Die gespeicherten Daten und das worden sind, sowie
Verschlüsselungsverfahren nach Satz 1 sind durch geeignete 6. Art und Anteil der verschriebenen Substitutionsmittel.
Sicherheitsmaßnahmen gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verwendung zu Auf Verlangen erhalten die obersten Landesgesundheitsbehörden die unter
schützen. Nummer 1 bis 6 aufgeführten Angaben auch aufgeschlüsselt nach Überwachungs-
bereichen.
(4) Das Bundesinstitut vergleicht jedes neu gespeicherte Kryptogramm mit den
bereits vorhandenen. Ergibt sich keine Übereinstimmung, ist der Patientencode
unverzüglich zu löschen. Liegen Übereinstimmungen vor, teilt dies das
Bundesinstitut jedem beteiligten Arzt unter Angabe des Patientencodes, des
Datums der ersten Verschreibung und der Adressen der anderen beteiligten Ärzte
unverzüglich mit. Die Ärzte haben zu erklären, ob der Patientencode demselben
IV Serviceteil 115 116 9 Meldeformular Substitutionsregister
IV Serviceteil 117 118 10 BtM-Rezeptbeispiele
1
2
2 3
4 8
5
3
4 8 7 9
6 11
5
9
6
1
2
2
3
4 8
3 5
8 9
10
6
6 9
Anmerkung: Hier
ier ist an den anderen Tagen die Einnahme beim Arzt geplant; diese
Verordnungsweise wird nur gewählt, um dem Patienten die mehrmalige Rezeptgebühr bei
Hinweis: Bei Praxen mit Selbstzahlern ist es auch möglich, die Substitutionsmittel für die Ver- Einzelverordnung zu sparen. – Cave: 7-Tagesfrist
Tagesfrist beachten
abreichung unter Sicht als privaten Sprechstundenbedarf zu verordnen. Es dürfen bis zu drei
BtM für den Bedarf für zwei Wochen auf einem Rezept verordnet werden. Nachweisführung
des Verbrauchs muss patientenbezogen erfolgen..
IV Serviceteil 119 120 10 BtM-Rezeptbeispiele
3.3 3.5
1 1
2 2
3 3 4
4 8
8 5
5
11 9 11 9
6
6
Anmerkung: Hier muss der Apotheker aus zwei verschiedenen Packungen jeweils zwei
Tabletten auseinzelnen. Diese Verschreibung gilt auch sinngemäß für andere
3.4 Substitutionsmittel in Tablettenform.
4. Substitutionsbescheinigung
1
2
3 2
4 8
11 13 8
9
12
6
14 9
15
IV Serviceteil 121 122 11 Bescheinigung über das Mitführen von Betäubungsmitteln
Literaturempfehlungen
Diese Liste umfasst lediglich eine kleine Auswahl empfehlenswerter Literatur zum
Thema Sucht.
Einführende Werke
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Landsberg: Ecomed.
• Fuchtmann E. (Hrsg.). (1994): Ambulante Suchttherapie. Freiburg: Lambertus.
• Gastpar M., Heinz W., Poehlke Th., Raschke P. (Hrsg.) (1998): Substitutionstherapie bei
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• Gastpar M., Mann K., Rommelspacher H. (Hrsg.) (1999): Lehrbuch der Suchterkrankungen.
Stuttgart: Thieme.
• Gerlach R., Stöver H. (2005): Vom Tabu zur Normalität. 20 Jahre Substitution in
Deutschland. Zwischenbilanz und Aufgaben für die Zukunft.Freiburg: Lambertus.
• Nowak M., Schifman R., Brinkmann, R. (1996): Drogensucht. Entstehungsbedingungen und
therapeutische Praxis. Stuttgart: Schattauer.
• Seidenberg A., Honegger U., (Hrsg.) (1998): Methadon, Heroin und andere Opiate. Bern:
Huber.
• Tretter F. (2000): Suchtmedizin - Der suchtkranke Patient in Klinik und Praxis, Stuttgart:
Schattauer.
Epidemiologie Der Leitfaden wurde von in der Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger
• DHS (Hrsg.) (2009): Jahrbuch Sucht 09. Geesthacht: Neuland. erfahrenen Spezialisten komplett überarbeitet und aktualisiert. Damit dient
• Bundesministerium für Gesundheit (2009): Drogen- und Suchtbericht 2009
er im Praxisalltag sowohl als knappes Nachschlagewerk als auch als
Pharmakologie
Handreichung für Neueinsteiger in die Abläufe der substitutionsgestützten
• Julien R. M. (1997): Drogen und Psychopharmaka. Heidelberg: Spektrum.
Behandlung.
Prävention & Behandlung
• Backmund M. (2008): Heroinabhängigkeit – Hepatitis C – HIV. Bedeutung in der Das Buch beinhaltet im Einzelnen:
Substitution. Landsberg: Ecomed.
• Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS), Bundeszentrale für gesundheitliche
• Grundlagen der medizinischen Behandlung Opiatabhängiger unter
Aufklärung (BZgA): Amphetamine – Die Sucht und ihre Stoffe. Köln: BZgA. Berücksichtigung der aktuellen Gesetzeslage
• Fuchs R., Rainer L., Rummel M. (Hrsg.) (1998): Betriebliche Suchtprävention. Göttingen:
Hogrefe. • Systematische Anleitungen zur Einleitung und Durchführung einer
• Gastpar M., Heinz W., Poehlke Th., Raschke P. (2005): Glossar: Substitutionstherapie bei substitutionsgestützten Behandlung
Drogenabhängigkeit. 2. Auflage, korr. Nachdruck Berlin: Springer.
• Harten R., (Hrsg.) (1994): Normal + Süchtig. Geesthacht: Neuland. • Praktische Hilfen zur Organisation des Behandlungsablaufes in der
• Körkel J. (Hrsg) (2008): Praxis der Rückfallbehandlung. Lüdenscheid: Blaukreuz. ärtzlichen Praxis
• Tretter F. (Hrsg.) (2008): Suchtmedizin kompakt. Suchtkrankheiten in Klinik und Praxis.
Stuttgart: Schattauer. Der Serviceteil enthält kopierbare Bögen, die auch dem in der Substitution
• Uchtenhagen A., Zieglgänsberger W. (Hrsg.) (2000): Suchtmedizin – Konzepte, Strategien noch unerfahrenen Arzt Planung, Durchführung und Dokumentation einer
und therapeutisches Management. München: Urban & Fischer.
umfassenden Therapie in einfacher Form ermöglichen. Übersichtlich
Drogenpolitik/Drogenrecht/Führerschein/Gesundheitsökonomie
• Brieler P., Weber K. (2008): Führerscheinentzug. Frankfurt: Fachhochschulverlag.
gestaltete Schemata mit Angaben zu Substanzen, Dosierungen und
• Eberth A. (Hrsg.). (1996). Drogenrecht. Geesthacht: Neuland. diagnostischem Vorgehen sowie „Insider-Tipps“ bezüglich der Besonder-
• Fachverband Drogen und Rauschmittel (FDR). (Hrsg.). (1994): Sucht macht Angst. heiten im Umgang mit diesen Patienten machen dieses Buch zu einer
Geesthacht: Neuland.
• Scheerer S., Vogt I. (Hrsg.). (1989): Drogen und Drogenpolitik. Frankfurt: Campus.
wertvollen Hilfe besonders für die Ärzte, deren Hauptklientel nicht aus
• Tretter F., Erbas B., Sonntag G. (Hrsg.) (2004): Ökonomie der Sucht und Suchttherapie. drogenabhängigen Patienten besteht.
Lengerich: Pabst.
ISBN 978-3-9807296-4-2