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GEM Report 202223

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GLOBAL ENTREPRENEURSHIP MONITOR

Bericht zur Lage des Unternehmertums in Österreich

2022/2023
Impressum

© 2023 Verlag der FH JOANNEUM Gesellschaft mbH


Alte Poststraße 149
A-8020 Graz
www.fh-joanneum.at

ISBN: 978-3-903318-18-2

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-
wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim-
mung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti-
gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung
in elektronischen Systemen, außer es ist eine entsprechende CC Lizenz angeführt.

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0
International Lizenz.

Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0

Autorinnen und Autoren:


Mag. Dr. Christian Friedl, MSc; Dr. Bernadette Frech, Mag. (FH) Lisa
Mahajan, Mag. Rene Wenzel (FH JOANNEUM, Institut für
Internationales Management und Entrepreneurship)

MMag. Eric Kirschner (JOANNEUM RESEARCH,


Institut für Wirtschafts- und Innovationsforschung)

Der Bericht basiert auf GEM-Daten, die Interpretation und Darstellung liegt jedoch in
der alleinigen Verantwortung der Autorinnen und Autoren. Alle Abbildungen, sofern

nicht anders gekennzeichnet, sind eigene Darstellungen.

Gestaltung: Malanda-Buchdesign, Andrea Malek-Rappitsch


Druck: Druck Styria GmbH & Co KG

Erscheinungsort und -datum: Graz, April 2023

Online unter: www.gemaustria.at

Kontakt:
Mag. Dr. Christian Friedl, MSc
Institut für Internationales Management
FH JOANNEUM
Eggenberger Allee 11
8020 Graz
Austria – Europe
Tel. +43 (0)316 54536818
Email: [email protected]
Inhaltsverzeichnis

Vorwörter ........................................................................................................................................................ 4
Kurzfassung / Executive Summary ................................................................................................................... 6
Der Global Entrepreneurship Monitor .............................................................................................................. 12
Adult Population Survey (APS) ............................................................................................................... 14
National Expert Survey (NES) ................................................................................................................ 15
Kontextualisierung und Rahmenbedingungen ......................................................................................... 16
Aufbau des Reports ............................................................................................................................... 17
GEM Insight 1: Dynamiken .............................................................................................................................. 18
1.1 Unternehmerische Aktivität .................................................................................................................. 20
1.2 Unternehmerische Aktivität im Bundesländervergleich .......................................................................... 26
1.3 Beschäftigungs- und Wachstumserwartungen ....................................................................................... 29
1.4 Internationalisierung ............................................................................................................................ 32
GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image ........................................................................................... 34
2.1 Gründungspotenziale ........................................................................................................................... 36
2.2 Motive und Sustainable Development Goals .......................................................................................... 40
2.3 Image und Bild zum Unternehmertum in der öffentlichen Wahrnehmung ............................................... 45
2.4 Soziokulturelle Normen ........................................................................................................................ 49
GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure........................................................................................................ 52
3.1 Altersverteilung ................................................................................................................................... 54
3.2 Geschlechterverteilung ......................................................................................................................... 56
3.3 Bildungsgrad ........................................................................................................................................ 60
3.4 Entrepreneurship Education .................................................................................................................. 62
GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) .......................................................................... 68
4.1 FTI-Intensität ....................................................................................................................................... 70
4.2 Forschung und Unternehmertum............................................................................................................ 72
4.3 Technologie und Unternehmertum ......................................................................................................... 75
4.4 Innovation und Unternehmertum .......................................................................................................... 79
GEM Insight 5: Umfeld ................................................................................................................................... 84
5.1 Finanzierung ........................................................................................................................................ 86
5.2 Regierungspolitik und staatliche Förderprogramme ............................................................................... 89
5.3 Infrastruktur und interne Marktoffenheit .............................................................................................. 92
5.4
Handlungsempfehlungen ............................................................................................................................... 96

Literaturverzeichnis ...................................................................................................................................... 104


Danksagung ................................................................................................................................................. 107
Vorwörter

„Der Unternehmergeist lässt sich nicht unterkriegen,


das zeigt auch der neue GEM. Nach den schwierigen
Covid-Jahren hat die unternehmerische Aktivität in
Österreich wieder zugelegt – sowohl insgesamt als
auch bei Jungunternehmen. Erfreulich ist auch, dass
das Unternehmertum in Österreich einen hohen Stel­
lenwert genießt. Über 78% der Befragten bringen
„Der Global Entrepreneurship Monitor zeigt jedes
erfolgreichen Gründungen große Wertschätzung und
Jahr die unternehmerischen Entwicklungen in
Respekt entgegen. Sehr positiv ist auch der stei­
unterschiedlichen Ländern auf. Bei vielen Schlüs­
gende Frauenanteil bei Gründungen auf fast 45%,
selindikatoren liegt Österreich bereits wieder auf
Tendenz steigend. Nichtsdestotrotz gibt es hier noch
Vor-Covid-Niveau. Im europäischen Vergleich
Handlungsbedarf, zum Beispiel bei der besseren Ver­
schätzt die Bevölkerung vor allem die Stabilität
einbarkeit von Beruf und Familie.“
ihrer Unternehmen. Besonders Gründungen mit
umwelt- oder sozialen Aspekten wird als erstre­ Mag. Amelie Groß,
Vizepräsidentin der
benswerte Karriereoption gesehen.“
Wirtschaftskammer Österreich
Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher,
Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

„Der Global Entrepreneurship Monitor liefert der Politik seit 1999 wichtige Hinweise zur Ent­
wicklung des Unternehmeri:nnentums. Es freut mich, dass der Monitor für 2022/2023 erstmals
eine Spezialauswertung zum Thema „Sustainable Development Goals“ durchgeführt hat. Die
Ergebnisse zeigen, dass fast 40% der österreichischen Jungunternehmen zu den „Impact Start­
ups“ zählen. Sie haben gegründet, um die Welt zu verbessern. Umweltschutz ist mehr als zwei
Drittel der Startups ein wichtiges Anliegen und wird in Geschäftsentscheidungen berücksich­
tigt. Die Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung sind groß. Umso wichtiger sind
dieser Wille zur Veränderung und die Innovationen
und Beiträge der österreichischen Jungunternehmen.“
Leonore Gewessler, BA, Bundesministerin für Klimaschutz,
Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

„Der Stiftungszweck der B&C Privatstiftung ist die Förderung


des österreichischen Unternehmertums. Mit der Unterstüt­
zung der eXplore!­Forschungsinitiative verfolgen wir das Ziel,
„Der aktuelle Global Entrepreneurship Monitor
Wirtschaft und Wissenschaft näher zusammenzubringen. Der
zeigt überdurchschnittliches Gründungspotenzial in
Global Entrepreneurship Monitor liefert dabei umfassende und
der Hauptstadt. Jede/r zehnte Wiener/in plant eine
wertvolle Erkenntnisse zum Wirtschaftsstandort Österreich. Der
Unternehmensgründung in den kommenden Jahren.
aktuelle Report zeigt hierzulande eine positive Entwicklung in
Auch die Rate an Jungunternehmerinnen und Jung­
Bezug auf die Bereitschaft, Unternehmen zu gründen. Durch
unternehmern in Wien befindet sich im Spitzenfeld
frühzeitige Wirtschaftsbildung, die die B&C fordert und auch
unter den Bundesländern. Ein klares Zeichen für
aktiv fördert, kann dieser Trend noch verstärkt werden.“
die Beständigkeit der Wiener Wirtschaft, auch in
Dr. Wolfgang Hofer, Krisenzeiten.“
Vorstand der B&C Privatstiftung
DI Walter Ruck, Präsident
Wirtschaftskammer Wien

4
„Mit der eXplore!-Initiative wollen wir das Un­
ternehmertum in Österreich aktiv fördern und
mit der Wissenschaft enger verbinden. Der
Global Entrepreneurship Monitor verdeutlicht,
dass sich immer mehr Menschen in Österreich
zutrauen, ein Unternehmen zu gründen. Mit
dem GEM-Report zeigen wir die dazu not­
wendigen Verbesserungspotenziale für den
heimischen Wirtschaftsstandort auf.“
DDr. Michael Tojner,
industrieller Entrepreneur „Der GEM 2022/23 zeigt, dass for­
schungsbasierte Unternehmen auch
multiplen Krisen gegenüber resili­
enter sind. Dass ihr Anteil wächst,
ist ein positives Signal. Allerdings
intensiviert sich der globale Kon­
kurrenzdruck, fällt es forschenden
„Öffentliche Förderungsangebote sind für junge Unternehmen doch schwerer, Wett­
Unternehmen eine wichtige Unterstützung, um bewerbsvorteile aus Innovationsak­
Finanzierungshürden zu meistern. Wie die vorlie­ tivitäten zu generieren. Der Erfolg
gende Studie zeigt, ist Österreich hier auf Platz solcher Unternehmen ist aber für die
eins und schafft so den nötigen Rahmen für nach­ grüne Transformation ohne Alterna­
haltige Unternehmensgründungen. Die aws als tive. Die FTI-Politik muss hier also
Förderbank des Bundes trägt mit ihren gezielten auch weiterhin wachsam bleiben und
Angeboten wesentlich zur positiven Entwicklung aktiv unterstützen.“
des Standorts bei und unterstützt Innovations-
Univ.-Prof. Dr. Sylvia Schwaag-Serger,
und Investitionspläne. Besonderer Schwerpunkt
Vorsitzende des Rates für Forschung und
liegt dabei auf der Finanzierung von Startups. Ein Technologieentwicklung
Drittel des Finanzierungsvolumens des aws Kern­
geschäfts von rund einer Milliarde Euro wird für
diese Unternehmen verwendet.“
Edeltraud Stiftinger und
Bernhard Sagmeister,
aws Geschäftsführung

„Österreich nimmt nun seit 2012


regelmäßig am Global Entre­
preneurship Monitor teil. Diese
standardisierte, wiederkehrende Er­
„Als FFG fördern wir Entrepreneurship bei jungen Gründerinnen hebung ermöglicht das Monitoring
und Gründern und Spin-offs im technologischen und akademischen von längerfristigen Trends und Ent­
Bereich. Allein 2022 konnten wir Startups mit mehr als 82 Millionen wicklungen – von der Gründungs­
Euro unterstützen. Ein Rekordwert! Der Global Entrepreneurship dynamik bis hin zu Image, Werten
Monitor zeigt, dass das heimische Förderangebot als sehr positiv und Normen. Wir freuen uns, hier
wahrgenommen wird. Im internationalen Vergleich erreichen wir hier als FH JOANNEUM einen Beitrag für
laut aktuellem Monitor sogar Rang 1.“ den Wirtschaftsstandort Österreich
leisten zu können.“
Dr. Henrietta Egerth und Dr. Klaus Pseiner,
Geschäftsführung der Österreichischen em. o. Univ.-Prof. DI Dr. Karl P. Pfeiffer,
Forschungsförderungsgesellschaft FFG wissenschaftlicher Geschäftsführer &
Mag. Martin Payer, MBA, kaufmännischer
Geschäftsführer der FH JOANNEUM

5
Kurzfassung
Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ist die größte internationale Vergleichsstu-
die zum Unternehmertum, an welcher Österreich seit 2012 regelmäßig teilnimmt. Der
vorliegende Länderbericht für das Jahr 2022/2023 analysiert die Dynamik der heimischen
Unternehmenslandschaft, die Gründungsaktivität, die Einstellung der Bevölkerung zum
Unternehmertum, spezielle Charakteristika von Entrepreneuren und die erforderlichen
Rahmenbedingungen. Die quantitative Erhebung des GEM Österreich basiert auf einer
repräsentativen Umfrage der erwerbsfähigen Bevölkerung (n = 4.602), dazu ergänzend
bewerten 37 Expertinnen und Experten den Zustand des unternehmerischen Ökosystems.
Ländervergleiche und die Analyse der nun seit zehn Jahren in regelmäßigen Abständen
erhobenen Daten resultieren in entsprechenden Handlungsempfehlungen.

01.
Dynamiken:
gebremste Erholung
» Die Rate der Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer steigt auf einen An-
teil von 6,8% der erwerbsfähigen Bevölkerung und erholt sich langsam vom
Rückgang im Zuge der Pandemie; die stärker vom Tourismus abhängigen Bun-
desländer können die Rückgänge von 2020 kompensieren.
» Andere Schlüsselindikatoren wie die Rate der etablierten Unternehmen (länger
als 3,5 Jahre aktiv) erreichen bereits wieder das Vor-Pandemie-Niveau.
» Die gesamte unternehmerische Aktivität nimmt gegenüber 2020 wieder zu und
liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld.
» Die Beschäftigungs- und Wachstumserwartungen von Österreichs Jungunter-
nehmen sind derzeit zurückhaltend, die Unternehmensausstiege nehmen auf
niedrigem Niveau wieder zu; Österreichs Jungunternehmen agieren wieder ver-
stärkt international, frühere Internationalisierungsgrade werden jedoch noch
nicht erreicht.

02.
Möglichkeiten, Motive
und Image:
wir könnten, müssen aber nicht
» Die österreichische Bevölkerung sieht wieder verstärkt Gründungsmöglichkei-
ten, übersetzt diese aber nur selten in konkrete Gründungsvorhaben. Für etwa
ein Drittel hat die Pandemie neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet.
» Insgesamt wird in Österreich aufgrund von Möglichkeiten, nicht aus Notwen-
digkeit gegründet. Mehr als zwei Drittel der Jungunternehmen berücksichtigen
Umwelt- oder soziale Aspekte bei Unternehmensentscheidungen.

6
» Im europäischen Vergleich hat Unternehmertum mittlerweile einen hohen Sta-
tus in Österreich und Gründen wird als Karriereoption erstrebenswerter.
» Die soziokulturellen Normen in Österreich werden von den Expertinnen und Ex-
perten zwar erneut als wenig gründungsfördernd eingeschätzt, allerdings ent-
wickelt sich aus Sicht der Bevölkerung die Angst vor dem unternehmerischen
Scheitern positiv.

03.
Akteurinnen und Akteure:
Bildung als Treiber
unternehmerischer Aktivität
» Ein hoher Bildungsgrad ist erneut Treiber unternehmerischer Aktivität: der Aka-
demikeranteil bei Unternehmerinnen und Unternehmern ist europaweit deutlich
höher als jener der Gesamtbevölkerung.
» Das Durchschnittsalter von Österreichs Unternehmerinnen und Unternehmern
nimmt geringfügig zu – sowohl bei den Jungunternehmen als auch bei den eta-
blierten, wobei es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt.
» Der Frauenanteil bei Gründungen steigt auf 44,8%, geht jedoch mit steigender
Technologieintensität zurück. Darüber hinaus sind 28,7% der Gründungsteams
rein männlich. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei
den wahrgenommenen Kompetenzen, Möglichkeiten und im Risikoverhalten.
» Die Expertinnen und Experten bewerten die Entrepreneurship Education in den
Schulen, Hochschulen und der Berufsbildung weiterhin unterdurchschnittlich,
wobei es Unterschiede zwischen diesen Bereichen gibt. Im Gegensatz dazu
schätzt die Bevölkerung die eigene Gründungskompetenz positiver ein.

04.
Forschung, Technologie
und Innovation (FTI):
trotz verstärkter Forschungs-
und Entwicklungsanstrengungen
weniger Wettbewerbsvorteile
» Die FTI-Intensitätsgrade von vor 2020 werden noch nicht erreicht, es gibt aber
Unterschiede zwischen den einzelnen FTI-Subindikatoren sowie den unter-
schiedlichen Phasen des Unternehmertums.
» Der Forschungsindikator zeigt eine erfreuliche Entwicklung, besonders auf For-
schung gestützte Geschäftstätigkeit und Spin-off-Aktivitäten nehmen zu. Das
Niveau des Wissens- und Technologietransfers bleibt konstant und liegt im eu-
ropäischen Mittelfeld.

7
» Die Technologieintensität ist unter Österreichs Jungunternehmen höher als
bei den etablierten, die Nutzung von Technologien über dem Branchenniveau
nimmt jedoch ab. Bei der Digitalisierung liegen Österreichs Jungunternehmen
im europäischen Mittelfeld.
» Der Innovationsgrad steigt nur leicht an: trotz zunehmender Produktentwick-
lung und verstärktem geistigen Eigentumsschutz können weniger erfolgreich
Wettbewerbsvorteile realisiert werden. Auch die Intrapreneurship-Aktivitäten
sind rückläufig.

05.
Unternehmerisches Umfeld:
stabil in Krisenzeiten oder
veränderungsresistent?
» Die Gesamtbewertung des unternehmerischen Ökosystems bescheinigt Ös-
terreich sowohl im europäischen als auch im internationalen Vergleich erneut
einen Platz im Mittelfeld, mit wenig Veränderung bei den einzelnen Rahmenbe-
dingungen zu den letztmaligen Erhebungen.
» Das finanzielle Umfeld wird in Österreich durchschnittlich bewertet. Die sich
verändernden makroökonomischen Bedingungen machen es den Unternehmen
jedoch zunehmend schwieriger an Finanzierungen zu kommen. Die informellen
Investitionen steigen.
» Das heimische Förderangebot zur Unterstützung junger Unternehmen wird als
sehr positiv wahrgenommen und erreicht im internationalen Vergleich Rang 1.
Die unternehmensbezogene Regierungspolitik erhält durchschnittliche Bewer-
tungen.
» Die physische, Wirtschafts- und Dienstleistungsinfrastruktur wird im euro-
päischen Vergleich positiv bewertet, die interne Marktdynamik unterdurch-
schnittlich.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich Österreichs Gründungsland-


schaft langsam von der Pandemie erholt und bei einzelnen Schlüsselindikatoren wieder
das Vor-Covid-Niveau erreicht. Vor allem die Bevölkerung nimmt wieder verstärkt
Möglichkeiten zum Gründen wahr, diese resultieren derzeit aber noch zu selten in
entsprechenden Gründungsvorhaben. Das dafür notwendige Ökosystem ist intakt, im
internationalen Vergleich aber nur Mittelmaß, und steht durch neue (Poly-)krisen vor
zusätzlichen Herausforderungen. Aus den GEM-Ergebnissen 2022/23 werden daher
Handlungsempfehlungen in den Bereichen soziokulturelle Normen, Entrepreneurship
Education, Female Entrepreneurship, Finanzierung und zum Ökosystem insgesamt
vorgeschlagen.

8
Executive Summary
The Global Entrepreneurship Monitor (GEM) is the largest international comparative
study on entrepreneurship, in which Austria has regularly participated since 2012.
This country report for the year 2022/2023 analyses the dynamics of the domestic
entrepreneurial landscape, founding rates and business activities, the attitude of the
population towards entrepreneurship, special characteristics of entrepreneurs and the
necessary framework conditions. The empirical research of GEM Austria is based on
a representative survey of the working-age population (n = 4,602), supplemented by
37 experts assessing the state of the entrepreneurial ecosystem. Country comparisons
and the analysis of the data, which has now been collected at regular intervals for ten
years, result in corresponding recommendations for action.

01.
Dynamics:
slowed recovery
» The rate of early-stage entrepreneurs rises to a share of 6.8% of the work-
ing-age population and slowly recovers from the pandemic decline; the more
tourism-dependent provinces are able to compensate for the 2020 declines.
» Other key indicators such as the rate of established businesses (active for
more than 3.5 years, thus including startups as well) are already returning to
pre-pandemic levels.
» Total entrepreneurial activity is increasing again compared to 2020 and is in
the middle range in international comparison.
» The employment and growth expectations of Austria’s entrepreneurs are cur-
rently cautious, business exits are rising at a low level; our entrepreneurs are
increasingly serving international customers, but earlier pre-pandemic levels of
internationalisation are not reached yet.

02.
Opportunities, motives
and image:
we could, but we don’t have to
» The Austrian population perceives more founding opportunities after a sharp
decline in 2020, but rarely translates them into concrete intentions to start a
business. For about one third, the pandemic has opened up new business op-
portunities.
» Overall, entrepreneurs in Austria start businesses because of opportunities, not
out of necessity. More than two-thirds of entrepreneurs take environmental or
social aspects into account when taking business decisions.

9
» In a European comparison, entrepreneurs have a high status in Austria and
starting a business is becoming more desirable as a career option.
» From the experts´ perspective, the socio-cultural norms in Austria are
once again assessed as not very conducive to entrepreneurship, but from
the perspective of the population, the fear of entrepreneurial failure is
declining and thus developing positively.

03.
Actors:
Education as a driver
of entrepreneurial activity
» Education is again a driver of entrepreneurial activity: the share of uni-
versity graduates among female and male entrepreneurs is significantly
higher than that of the population as a whole across Europe.
» The average age of Austria’s entrepreneurs is increasing slightly – both
among early-stage entrepreneurs and established businesses, with differ-
ences between gender.
» The share of women in early-stage businesses rises to 44.8%, but declines
with increasing technology intensity. Furthermore, 28.7% of founding
teams are still all-male. There are clear differences between women and
men in perceived competencies, opportunities and risk-taking behavior.
» The experts continue to rate entrepreneurship education below average,
especially in schools and for vocational training. In contrast, the popula-
tion assesses its own entrepreneurial competences more positively since
2018.

04.
Research, technology and
innovation (RTI):
declining competitive advan-
tage despite increasing research
and development efforts
» The RTI intensity levels of pre-2020 are not yet reached, but there are dif-
ferences between the individual RTI sub-indicators as well as the different
phases of entrepreneurship.
» The research indicator shows a positive development, especially as re-
search-based business and spin-off activities are increasing. The level of
research & technology transfer remains constant and lies within the Euro-
pean midfield.

10
» The technology intensity is higher among Austria’s early-stage businesses than
among the established ones, but the use of technologies above industry level is
declining overall. In terms of digitalization, Austria’s entrepreneurs are in the
European midfield.
» The degree of innovation is increasing only slightly: despite increasing product
development and stronger intellectual property protection, competitive advan-
tages can be realized less successfully. Intrapreneurship activities are declining
as well.

05.
Entrepreneurial environment:
stable in times of crisis or
resistant to change?
» The overall assessment of the entrepreneurial ecosystem once again places
Austria in the middle of the field in both European and international compari-
sons, with little change in the individual framework conditions compared to the
last surveys.
» The financial environment for entrepreneurship in Austria is rated as average.
However, the changing macroeconomic conditions are making it increasingly
difficult for companies to obtain financing. Informal investments are on the rise.
» The funding programs to support entrepreneurs are perceived as very positive
and rank first in the international GEM comparison, while government policies
receive average ratings.
» The physical, professional and commercial infrastructure are rated positively
in a European comparison, but internal market dynamics score below average.

In summary, it can be stated that the entrepreneurial landscape in Austria is slowly


recovering from the pandemic and returning to pre-Covid levels for some key indicators.
Above all, the population perceives increasing opportunities to start a business, but
this rarely translates into corresponding founding intentions and rates. The ecosystem
is intact, but only mediocre by international standards, and faces additional challen-
ges due to new (poly)crises. The 2022/23 GEM results as well as the 10-year-analysis
suggest policy recommendations in the areas of socio-cultural norms, entrepreneurship
education, female entrepreneurship, financing, and the ecosystem as a whole to tackle
these challenges.

11
Der Global Entrepreneurship Monitor

Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) erhebt seit 1999 als welt-
weit größte Studie zum Thema Entrepreneurship die unternehmerische
Aktivität sowie die Einstellung der Bevölkerung zum Unternehmertum
in einzelnen Ländern und führt ein internationales Benchmarking durch.
An der aktuellen Erhebung 2022/23 beteiligen sich 51 Länder, darunter
21 aus Europa. Österreich nimmt seit dem Jahr 2005 teil, seit 2012 im
Zwei-Jahres-Rhythmus.

Aus dem methodischen Ansatz ergeben sich besondere Vorteile und


Alleinstellungsmerkmale der Studie:
» Erfassung auf individueller Ebene: Nicht nur bereits registrierte Un-
ternehmen werden erfasst, sondern auch Personen, die sich etwa in
der Unternehmensgründung befinden oder auch Aussteigerinnen
und Aussteiger. Der GEM dient somit als ein Frühwarnsystem.

» Erfassung von Motiven, Einstellungen und Image des Unternehmer-


tums: Daten wie Informationen zu den Gründungsmotiven und dem
Innovationsgrad der Unternehmen sind Teil des GEM. Darüber hin-
aus werden durch die Befragung von Nicht-Unternehmerinnen und
Nicht-Unternehmern Einstellungen und Image in Bezug auf Unter-
nehmertum in der Bevölkerung erhoben. GEM erfüllt hier die Funkti-
on eines Stimmungsbarometers.

» Langfristige internationale und regionale Vergleichbarkeit: Um ein


umfassendes Benchmarking zu gewährleisten, wird die Befragung in
allen teilnehmenden Ländern zeitgleich mit dem gleichen Instrument
von professionellen Umfrageinstituten durchgeführt – und das seit
vielen Jahren. GEM ist somit gleichzeitig Benchmarking-Instrument
und Trendindikator.

12
+
-
Grundvoraussetzungen
» Institutionen
» Infrastruktur
» Makroökonomische Stabilität
» Gesundheitsversorgung und Bildung

Effizienzsteigernde Faktoren
» Hochschulbildung und Training
» Markteffizienz auf Faktor-
und Gütermärkten
» Größe des Marktes
» Technologiebereitschaft

Innovation und Unternehmertum +


» 9 Rahmenbedingungen
-

Abbildung 1: GEM Modell 2022 (Quelle: Eigene


Darstellung auf Basis von Bosma & Kelley, 2019)

Die drei wichtigsten Zielsetzungen der Studie sind


» die internationale Vergleichbarkeit unternehme-
rischer Aktivität,
» die Analyse von zentralen Faktoren, die unter-
nehmerische Aktivität beeinflussen und
» die Ableitung von länderspezifischen Hand-
lungsempfehlungen zur Stärkung der unterneh-
merischen Aktivität.

Der Begriff „unternehmerische Aktivität“ wird im


Rahmen von GEM im Kontext sozialer, kultureller,
politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
betrachtet (siehe Abbildung 1). Soziale Werte und
individuelle Attribute (wie etwa Wahrnehmung von
Möglichkeiten, von Fähigkeiten oder die Angst vor dem
Scheitern) spielen gleichermaßen eine Rolle. Output der
unternehmerischen Aktivität sind beispielsweise neue
Jobs, neue Produkte oder zusätzliche Wertschöpfung,
welche wiederum die sozioökonomische Entwicklung
treiben und auf die unternehmerischen Rahmenbe-
dingungen wirken.

13
Key Facts zur Erhebung

In der Erhebung kommt ein gemischt-methodischer Ansatz zur Anwen-


dung. Zwei zentrale Erhebungsinstrumente ermöglichen einen detaillierten
Befund über die Entwicklung des Unternehmertums eines Landes: Adult
Population Survey (APS) und National Expert Survey (NES).

Adult Population Survey (APS)

Im Rahmen der Adult Population Survey (APS) wurden in Österreich im


Zeitraum von Mai bis Juli 2022 4.602 Personen im Alter zwischen 18 und
64 Jahren befragt. Die Stichprobe ist repräsentativ, erhoben werden die
unterschiedlichen Phasen der unternehmerischen Aktivität. Im Sample
befinden sich 313 Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer sowie
384 etablierte Unternehmerinnen und Unternehmer. Die gewonnenen
Informationen durchlaufen eine dreistufige Qualitätskontrolle der Global
Entrepreneurship Research Association.

Abbildung 2: Phasen der unternehmer-


ischen Aktivität im Global Entrepreneur-
ship Monitor (Quelle: Eigene Darstellung
auf Basis von Bosma & Kelley, 2019).

14
Unternehmerinnen und Unternehmer durchlaufen in ihrer Entwicklung
mehrere Phasen (siehe Abbildung 2) – von der Vorgründung über die
Gründung und Wachstum bis zu einem etwaigen Ausstieg.

Die „Rate der Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer“, oder auch


die „Total Early-Stage Entrepreneurial Activity" (TEA) – einer der zentralen
Indikatoren des GEM, beinhaltet:

» Vorgründerinnen und Vorgründer (bis 3 Monate): Personen, die


bereits konkret an der Gründung eines Unternehmens arbeiten
oder dies kürzlich gegründet haben (wobei das Unternehmen jün-
ger als drei Monate ist);

» Neue Unternehmerinnen und Unternehmer: alle unternehmerisch


aktiven Personen in Unternehmen, welche zwischen 3 Monaten
und 3,5 Jahren aktiv sind.

Ist ein Unternehmen älter als 3,5 Jahre, handelt es sich um etablierte
Unternehmerinnen und Unternehmer. Diese Gruppe kann daher ebenso
Startups enthalten. Als Aussteigerinnen und Aussteiger werden bei GEM
jene Personen definiert, welche in den letzten zwölf Monaten aus einem
Unternehmen ausgestiegen sind und bei denen das Unternehmen nicht
fortgeführt wurde (und nicht von jemand anderem übernommen wurde).

National Expert Survey (NES)

Ergänzt wird die Adult Population Survey durch eine


semi-strukturierte, qualitative Befragung von nationa-
len Expertinnen und Experten zu vorherrschenden unter-
nehmerischen Rahmenbedingungen. Zusätzlich wird
der sogenannte „National Entrepreneurship Context
Index“ (NECI) als Bewertungsmaß des Gesamtzustandes
des nationalen Gründungsökosystems ermittelt. Die
Expertinnen und Experten sind in den unterschiedli-
chen Themenfeldern tätig und werden von der Global
Entrepreneurship Research Association evaluiert und
bestätigt. In Österreich wurden so für die diesjährige
Erhebung insgesamt 37 Expertinnen und Experten
aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Forschung
ausgewählt (Erhebungszeitraum Mai–Juli 2022) – dabei
wurden gemäß GEM-Empfehlung 18, also in etwa die
Hälfte der Expertinnen und Experten im Vergleich zur
letztmaligen Erhebung 2020 ausgetauscht.

Eine detaillierte Darstellung der GEM-Methodik ist


unter www.gemaustria.at abrufbar.

15
Kontextualisierung und Rahmenbedingungen

Für eine Kontextualisierung und bessere Interpretation der Ergebnisse des


Global Entrepreneurship Monitors 2022/23 sind folgende Rahmenbedin-
gungen zu berücksichtigen:

» Erhebungszeitraum und Kontextualisierung: Die Umfragen zur dies-


jährigen GEM-Erhebung (APS und NES) wurden im Zeitraum Mai bis
Juli 2022 durchgeführt. Einzelne Fragen dieser Erhebungsinstru-
mente zielen bewusst auf sich veränderte Rahmenbedingungen oder
zukünftige Gründungsmöglichkeiten, -potenziale und -intentionen
ab. Die Konsequenzen, die sich aus dem russischen Angriffskrieg
in der Ukraine, den steigenden Energiepreisen sowie der Zinswen-
de ergeben (neben bestehenden Herausforderungen wie Folgen der
Covid-19-Pandemie, dem Fachkräftemangel oder der Lieferketten-
problematik), waren bereits zum Zeitpunkt der Erhebung erkennbar
(IMD, 2022). Weitreichendere Konsequenzen mit Auswirkungen auf
Material-, Miet- und Lohnkosten manifestierten sich erst ab dem
dritten Quartal 2022, wie etwa
• ein eingebremstes Wirtschaftswachstum (im vierten Quartal 2022
gab es eine Abnahme des heimischen BIP um 0,7% gegenüber dem
3. Quartal 2022; Statistik Austria, 2023),
• ein Rückgang bei Finanzierungen/Investitionen und beim Konsu-
mentenverhalten (Atomico, 2022) oder
• eine sprunghaft gestiegene Inflationsrate (ab September 2022 wurde
ein Anstieg auf über 10% verzeichnet, welcher auch 2023 weit
» Aggregation von Datenreihen: Der Global Entre-
oberhalb des EZB-Zielwertes erwartet wird; Statistik Austria, 2023).
preneurship Monitor wird in Österreich seit dem
Jahr 2012 regelmäßig im Zwei-Jahres-Rhythmus
Um den Befund vom Juli 2022 vor dem Hintergrund der Entwicklungen
durchgeführt. Es liegen daher Datensätze über
im zweiten Halbjahr 2022 einordnen zu können, wurden die Ergebnisse
einen Zeitraum von zehn Jahren vor. Um die Les-
daher mit den jüngsten Statistiken und Erhebungen kontextualisiert und im
barkeit und Verständlichkeit der Ergebnisse im
Jänner 2023 weitere Expertinnen/Experten und Entrepreneure konsultiert,
aktuellen Bericht zu gewährleisten, wurden bei
um den Handlungsbedarf (im abschließenden Kapitel) zu reflektieren.
allen Indikatoren die Ergebnisse von 2012, 2014,
2016 und 2018 im Sinne eines durchschnittlichen
Vor-Pandemie-Vergleichswertes zusätzlich ag-
gregiert ausgewertet und den Ergebnissen der
aktuellen Erhebungen (2022 und 2020) gegen-
übergestellt.

» Länderfokus: Die GEM-Erhebung wurde 2022/23


in 51 Ländern durchgeführt. Der Global Entrepre-
neurship Monitor Österreich legt aus Gründen der
Vergleichbarkeit einen Fokus auf Mitgliedsländer
der Europäischen Union sowie Schweiz, Norwe-
gen und dem Vereinigten Königreich (UK). 21
Länder konnten gemäß dieser Definition 2022/23
im NES für den europäischen Vergleich herange-
zogen werden, 20 im APS (Italien fehlt hier).

16
Aufbau des Reports

Im vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse des Global Entrepreneurship


Monitor 2022/23 für Österreich in fünf inhaltlichen Schwerpunkten – den
sogenannten „GEM Insights“ – mit jeweils vier Unterkapiteln zusam-
mengefasst und eine Auswahl der über 200 Indikatoren präsentiert. Das
erste Kapitel „Dynamiken“ analysiert die unternehmerische Aktivität in
Österreich über die unterschiedlichen Phasen – von der Vorgründung
bis zu einem etwaigen Ausstieg sowie weitere Aspekte wie Internatio-
nalisierungsgrad oder Beschäftigungs- und Wachstumserwartungen. Im
zweiten Abschnitt werden „Motive und Chancen“ anhand von Indikatoren
wie Gründungsmöglichkeiten und -motiven (inkl. der Einstellungen zu
den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen der UN), dem Image des Unter-
nehmertums sowie soziokulturelle Normen präsentiert. Das dritte Insight
„Akteurinnen und Akteure“ wirft einen detaillierten Blick auf Demografie
und Bildungsstand von Österreichs Entrepreneuren und deren unter-
nehmerische Aus- und Weiterbildung. Der österreichische GEM enthält
seit 2014 eine vertiefende Analyse zu „Forschungs-, Technologie- und
Innovationsbasierten“ (FTI) Unternehmen (Insight 4). Im fünften GEM
Insight werden Finanzierung, Regierung und Politik, Förderprogramme,
Infrastruktur und Marktoffenheit untersucht sowie eine Gesamtbewer-
tung des unternehmerischen Umfelds in Österreich vorgenommen. Die
aus den Ergebnissen der diesjährigen GEM-Erhebung resultierenden und
aufbauenden Handlungsempfehlungen runden den Report ab.

17
01.
Dynamiken
Das erste Kapitel „Dynamiken“ untersucht die unternehmerische Aktivität in
Österreichs Bevölkerung. GEM ermöglicht dabei eine Analyse der unterschiedlichen
Phasen des Unternehmertums und erfasst damit nicht nur bereits registrierte
Unternehmen. Konkret werden Vorgründungen (bis 3 Monate), neue Unternehmen
(3 Monate bis 3,5 Jahre aktiv), etablierte Unternehmen (älter als 3,5 Jahre)
und Ausstiege (das Unternehmen wurde dabei nicht fortgeführt) erhoben, um
Trends und Herausforderungen für jede Phase zu identifizieren. Personen in der
Vorgründungs- und neuen Unternehmensphase werden zusätzlich in der Rate
der Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer – einer der zentralen
GEM-Faktoren – zusammengefasst. Beschäftigungs- und Wachstumserwartungen
sowie Internationalisierungsgrade von Österreichs Entrepreneuren ermöglichen
zusätzliche Einblicke in die vorherrschende Dynamik unter schwierigen
makroökonomischen Rahmenbedingungen.

18
Zentrale Ergebnisse

» Die Rate der Jungunternehmerinnen und » Die Beschäftigungs- und Wachstumserwartungen


Jungunternehmer erholt sich langsam vom von Österreichs Jungunternehmen sind derzeit
Einbruch im Zuge der Pandemie, auch im zurückhaltend, die Unternehmensausstiege
europäischen Vergleich. nehmen auf niedrigem Niveau wieder zu.
» Andere Schlüsselindikatoren wie die Rate der » Frühere Internationalisierungsgrade werden noch
etablierten Unternehmen erreichen bereits wieder nicht erreicht; Österreichs Jungunternehmen
das Vor-Pandemie-Niveau und die stärker vom agieren jedoch wieder verstärkt international,
Tourismus abhängigen Bundesländer können die auch im europäischen Vergleich.
Rückgänge von 2020 kompensieren.
» Die gesamte unternehmerische Aktivität nimmt
gegenüber 2020 um 1,1 Prozentpunkte zu und
liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld.

Key Facts

1. 2.
Unternehmerische Aktivität Unternehmerische Aktivität insgesamt
von Jungunternehmen » Leichter Anstieg auf 14,8%, Rang 12 im
europäischen Vergleich
» Langsame Erholung auf 6,8% Anteil an der
erwerbsfähigen Bevölkerung
» Der Anteil etablierter Unternehmen steigt
auf das Vor-Covid-Niveau
» Rang 16 von 20 Ländern im europäischen Vergleich
» Höchste Rate innerhalb Österreichs in Vorarlberg
» Rang 5 im europäischen Vergleich beim Anteil
etablierter Unternehmen

3. 4.
Beschäftigungs- und Internationalisierung
Wachstumserwartungen » Österreichs Jungunternehmen agieren wieder stärker
international
» 11,3% der Jungunternehmen haben hohe
Wachstumserwartungen
» Im europäischen Vergleich auf Rang 7 verbessert
» Aufholbedarf im europäischen Vergleich mit
» Europaweit niedrigere Internationalisierungsgrade als
vor der Pandemie
Rang 15
» Zunahme der Unternehmensausstiege

19
1.1
Unternehmerische
Aktivität
Während sich die Rate der Jungunternehmerinnen
und Jungunternehmer und die gesamte unterneh- Spotlight Deutschland
merische Aktivität nur langsam erholen, erreicht der Deutschland nimmt seit über 20 Jahren an der
Anteil an etablierten Unternehmerinnen und Unter- GEM-Erhebung teil und verzeichnet im Jahr 2022
nehmern bereits wieder das Vor-Covid-Niveau. die bis dato höchste TEA-Rate mit einem Anteil
von 9,1% an der erwerbsfähigen Bevölkerung.
Die TEA-Rate liegt damit zwar nur im Mittelfeld
Die „Total Early Stage Entrepreneurial Activity“-Rate der teilnehmenden europäischen Länder, ist aber
(TEA) ist einer der wesentlichen Indikatoren des Global insofern bemerkenswert, da in den meisten dieser
Entrepreneurship Monitors. Sie erfasst den Anteil der Länder das TEA-Niveau von vor der Pandemie
sogenannten „Jungunternehmerinnen und Jungunter- noch nicht erreicht werden konnte. Zu diesem
nehmer“ gemessen an der erwerbsfähigen Bevölkerung. deutlichen Anstieg trugen insbesondere Grün-
Diese setzt sich aus Vorgründerinnen und Vorgründern dungspersonen mit Migrationshintergrund bei,
(Personen, die bereits konkret an der Gründung eines deren TEA-Rate gegenüber dem Vorjahr stärker
Unternehmens arbeiten oder dies kürzlich gegründet anstieg als jene der übrigen Gründungen. Die
haben, wobei das Unternehmen jünger als drei Monate Einschätzung der gründungsbezogenen Rahmen-
ist) sowie neuen Unternehmerinnen und Unternehmern bedingungen aus Sicht der Expertinnen und
(alle unternehmerisch aktiven Personen in Unterneh- Experten liegt dabei in den Jahren 2021 und 2022
men, welche zwischen 3 Monaten und 3,5 Jahren aktiv auf dem gleichen Niveau und im europäischen
sind) zusammen. Mittelfeld (siehe dazu Kapitel 5.4). Ähnlich wie
in Österreich zeigt sich das unternehmerische
Im Untersuchungsjahr 2022 erholt sich die österrei- Umfeld in der Pandemie daher als resilient und
chische TEA-Rate leicht und verzeichnet einen Anstieg stabil, die dynamische Gründungsentwicklung
von 0,6 Prozentpunkten gegenüber dem Vergleichsjahr in Deutschland scheint zu einem Teil auf die
2020, in welchem unmittelbar in der ersten Phase Diversifizierung der Gesellschaft durch Migration
der Covid-19-Pandemie erhoben wurde (siehe Abbil- zurückzuführen zu sein.
dung 3). Die TEA-Rate erreicht aber noch nicht das Prof. Dr. Rolf Sternberg, Leibniz University
Vor-Pandemie-Niveau, wo ein Durchschnittswert von Hannover und Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer,
9,7% gemessen wurde. Im europäischen Vergleich fällt RKW Kompetenzzentrum (GEM Deutschland)
Österreich bei der TEA-Rate auf Rang 16 zurück (siehe
Abbildung 4). Wie auch 2020 führt Lettland diesen
Vergleich an. Deutschland, bei der Erhebung 2020 noch
hinter Österreich, weist 2022 die höchste TEA-Rate seit
Erhebung des GEM in Deutschland auf und verbessert
sich auf einen Rang im Mittelfeld (siehe Spotlight).

Eine vertiefende Analyse der TEA-Rate nach dem Anteil an Ein-Perso-


nen-Unternehmen (EPU) zeigt ein differenziertes Bild: Während in Österreich
die Hälfte der TEA-Rate den EPU zuzuordnen ist, beträgt dieser Anteil in
Deutschland, Schweden oder Slowakei mehr als 50%. In anderen Ländern
wie Litauen oder den Niederlanden ist dieser Anteil deutlich geringer, daher
würden diese Länder (gemeinsam mit Lettland) in einer von EPU-berei-
nigten TEA die höchsten Werte aufweisen. Die Bereinigung um EPU ist
interessant, weil GEM wie andere vergleichbare Erhebungen (etwa die
WKO Gründungsstatistik) in der TEA auch den Bereich der selbstständigen
Personenbetreuung miterfasst. Anzumerken ist, dass diese jedoch weniger
zu Wachstums- und Beschäftigungseffekten beitragen. Zudem belegen die
GEM-Daten, dass die Intensität von Forschung, Technologie und Innova-
tion (FTI) und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens mit der Größe
des Gründungsteams zunimmt (siehe dazu Kapitel 4). Dennoch würde es
zu kurz greifen, eine TEA-Rate ausschließlich ohne EPU zu vergleichen,
da 32% der österreichischen EPU planen, zukünftig Mitarbeitende zu
beschäftigen (WKO, 2022a) und beispielsweise im Jahr 2019 rund 31,9
Milliarden Euro an Umsatzerlösen (mit einer Bruttowertschöpfung von
7,9 Milliarden Euro) erwirtschaftet haben (BMDW, 2021).

GEM Insight 1: Dynamiken 20


12%
10,9%

9,9%
9,6% 9,6%
10%
8,7% 8,8%
8,3%
7,6% 7,8%
8%
6,5% 6,8%
6,0% 6,2%
6% 5,3%

3,8%
4%

2,4%
2%
Abbildung 3: Anteil der Jungunterneh-
merinnen und Jungunternehmer
0% sowie der etablierten Unternehmerinnen
2005 2007 2012 2014 2016 2018 2020 2022 und Unternehmer (Quelle: APS)

Abbildung 4: Anteil der Jungunterneh-


merinnen und Jungunternehmer im
europäischen Vergleich mit Darstellung
des EPU-Anteils (Quelle: APS)

GEM Insight 1: Dynamiken 21


Betrachtet nach Wirtschaftssektoren zeigt sich, dass
Österreichs Jungunternehmen unterschiedlich stark von
den schwierigen Rahmenbedingungen betroffen sind. Die
Bereiche Extraktion (das verarbeitende Gewerbe, der Bau,
Verkehr und Großhandel) und Transformation (Land- und
Forstwirtschaft, Fischerei und Bergbau) steigen leicht
an, während sich bei den endverbraucher­orientierten Bei der Analyse der unternehmerischen Aktivität in
(minus 2,2 Prozentpunkte) und unternehmensorien- Österreich nach den einzelnen Gründungsphasen
tierten Dienstleistungen (minus 1,7 Prozentpunkte) zeigen sich folgende Unterschiede (siehe Abbildung
die absteigende Tendenz von 2020 weiter fortsetzt. 5): Die Anteile an Vorgründerinnen und Vorgründern
Detaillierter nach den einzelnen ISIC-Wirtschaftszweigen (Anstieg auf 4,6%) und an neuen Unternehmerinnen
betrachtet, bringt das Jahr 2022 im Handel, Tourismus und Unternehmern (Anstieg auf 2,4%) nehmen wie die
und Gastronomie gegenüber 2020 eine leichte Erho- TEA-Rate im Vergleich zu 2020 leicht zu. Heimische
lung für das Jungunternehmertum in Österreich und Gründungsstatistiken zeigten für das Jahr 2021 einen
Zuwächse bei freiberuflichen, wissenschaftlichen und Zuwachs gegenüber 2020 (etwa die WKO Gründungs-
technischen Dienstleistungen. Relative Rückgänge im statistik 2021), für 2022 scheint sich dieses Wachstum
Vergleich zu 2020 gibt es im Kredit-, Finanzwesen aber eingebremst zu haben bzw. rückläufig gegenüber
und der Immobilienwirtschaft sowie im Bereich der 2021 zu entwickeln (siehe dazu Dun & Bradstreet, 2022;
persönlichen Dienstleistungen. Insgesamt bleibt die WKO, 2023). Das relativ niedrige Niveau an Vorgrün-
Balance der Wirtschaftssektoren aber relativ stabil und dungen in den GEM-Daten deutet darüber hinaus auf
wenig verändert gegenüber dem Vergleichsjahr 2020. eine weiterhin eingebremste Dynamik hin (wie auch die
vergleichsweise niedrigen Gründungsabsichten für die
kommenden drei Jahre in Österreich; siehe Kapitel 2.1).

Europa Europa DACH


2022 2020 2012–2018 Δ2020 Δ2012–2018
2022 2020 2022

Anteil Vorgründerinnen
4,6% 4,1% 6,1 % 14 11 3
und Vorgründer

Anteil neuer
Unternehmerinnen 2,4% 2,2% 3,4 % 15 14 2
und Unternehmer
Anteil Jung-
unternehmerinnen und 6,8% 6,2% 9,3 % 16 12 3
Jungunternehmer
Anteil etablierter
Unternehmerinnen 8,3% 7,8% 8,8 % 5 4 1
und Unternehmer
Gesamte
unternehmerische 14,8% 13,7% 17,8 % 12 10 2
Aktivität*

Abbildung 5: Unternehmerische Aktivität in Österreich nach


Gründungsphasen (Quelle: APS)
* Die gesamte unternehmerische Aktivität berechnet sich aus
der Summe der Einzelindikatoren abzüglich Überschneidungen
(zum Beispiel kann eine Vorgründerin gleichzeitig auch eine
etablierte Unternehmerin sein).

GEM Insight 1: Dynamiken 22


Der Anteil an etablierten Unternehmerinnen und Unternehmern – das sind
Unternehmen, die länger als 3,5 Jahre aktiv sind und das können daher
ebenso Startups sein – entwickelt sich erfreulicher, dieser steigt weiter auf
8,3% an. Diese Rate erreicht wieder das Vor-Pandemie-Niveau (Durch-
schnittswert 8,2%). Im Gegensatz zu den anderen Phasen des Unterneh-
mertums liegt Österreich im Erhebungsjahr 2022 bei der Rate der etablierten
Unternehmen im europäischen Vergleich im vorderen Feld auf Rang 5 und
in der DACH-Region auf Rang 1 (siehe Abbildung 6). Es zeigt sich, dass
die umfangreichen Hilfsmaßnahmen der Pandemiejahre die etablierten
Unternehmen in Österreich erreicht haben, negative Auswirkungen konnten
abgefedert werden. Des Weiteren wurde in Österreich vor der Pandemie
eine breitere Basis an unternehmerischem Nachwuchs geschaffen (siehe
die vergleichsweise hohen TEA-Raten der Jahre 2012–2018), welche sich
– kombiniert mit der niedrig gehaltenen Rate an Unternehmensausstiegen
der letzten Jahre (siehe Kapitel 1.3) – auf eine stabile Rate an etablierten
Unternehmen auszuwirken scheint.
Abbildung 6: Anteil der
etablierten Unternehmerin-
nen und Unternehmer im
europäischen Vergleich
(Quelle: APS)

Zusammengefasst nimmt die gesamte unternehmerische (von insgesamt 51 an der GEM-Erhebung im Jahr 2022
Aktivität (über alle Phasen des Unternehmertums) in teilnehmenden Ländern) bzw. auf Rang 22 bei den
Österreich gegenüber 2020 um 1,1 Prozentpunkte zu, einkommensstarken Ländern (und Rang 12 unter den
liegt aber noch unter dem Durchschnitt der Erhebungen teilnehmenden europäischen Ländern). Das schwierige
2012–2018, insbesondere aufgrund der gebremsten Umfeld (siehe Kontextualisierung im Einleitungskapitel)
Erholung der TEA-Rate (siehe Abbildung 5). Im inter- stellt somit Österreichs – bzw. Europas Entrepreneure
nationalen Vergleich (siehe Abbildung 7) hat Öster- wie der internationale Vergleich zeigt –, vor neue
reich bei der gesamten unternehmerischen Aktivität Herausforderungen.
in etwa das Niveau der Schweiz und liegt auf Rang 30

GEM Insight 1: Dynamiken 23


Gesamte unternehmerische Aktivität im internationalen Vergleich

Abbildung 7: Gesamte unternehmerische


Aktivität im internationalen Vergleich,
getrennt betrachtet nach Ländern mit nied-
rigem (links), mittlerem (Mitte) und hohem
(rechts) Einkommensniveau (Quelle: APS)

Als Hauptgrund für den Unternehmensausstieg wird in


Österreich im Jahr 2022 die Pension (28%) angeführt. Es
folgen familiäre bzw. persönliche Umstände (17%), die
Covid-19-Pandemie (11%), eine fehlende Finanzierung
Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Unterneh- (10%) sowie eine andere Beschäftigungsmöglichkeit oder
mensausstiegen. Bei GEM werden Aussteigerinnen und Geschäftschance (9%). Weniger ausschlaggebend als
Aussteiger als jene Personen definiert, welche in den im Vergleichsjahr 2020 sind die Nicht-Profitabilität des
letzten zwölf Monaten aus einem Unternehmen ausge- Unternehmens (6%; 2020 war das noch der Hauptgrund
stiegen sind und bei denen das Unternehmen aufgelöst mit 19%). Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass
wurde (und nicht von jemand anderem übernommen in Österreich im Jahr 2022 Unternehmensausstiege
wurde). Der Anteil dieser Unternehmensausstiege ist im aufgrund von Covid-19 – wie in den meisten einkom-
Vergleich zu 2020 auf 2,3% angestiegen (siehe Abbil- mensstarken Ländern – eine vergleichsweise geringere
dung 8) und liegt wieder auf Vor-Pandemie-Niveau. Rolle spielen (GEM, 2023).
Der Rate der Aussteigerinnen und Aussteiger ist bei
Jungunternehmen traditionell höher (in der diesjährigen
Erhebung bei 7,1%) als bei etablierten Unternehmen
(3,2%), wobei die Ausstiegsrate für etablierte Unter-
nehmen sogar über das Vor-Pandemie-Niveau klettert.
Im europäischen Vergleich befindet sich Österreich bei
den Unternehmensausstiegen mit Rang 11 im Mittelfeld.

GEM Insight 1: Dynamiken 24


Europa DACH
2022 2020 2012–2018 Δ2020 Δ2012–2018
2022 2022

Jungunternehmerinnen und
7,1% 5,9% 7,0 % 11 2
Jungunternehmer

Etablierte Unternehmerinnen
3,2% 3,0% 2,3 % 11 2
und Unternehmer

Gesamtstichprobe 2,3% 2,1% 2,3 % 11 2

Abbildung 8: Unternehmensausstiege
nach Gründungsphasen (Quelle: APS)
Insgesamt spiegelt dieser Befund auch die Entwicklung der österreichi-
schen Insolvenzstatistik wider (Creditreform, 2023). Die Unternehmens­
insolvenzen sind in Österreich im Jahr 2022 um rund 60% gegenüber
dem Vorjahr angestiegen, in etwa auf das Niveau von vor der Pandemie.
Dies wird vordergründig mit einem Aufholeffekt nach dem Auslaufen der
Covid-19-Hilfsmaßnahmen begründet (diese Hypothese stützt auch die
stärker gestiegene Ausstiegsrate bei den etablieren Unternehmen, welche
Hilfsmaßnahmen stärker in Anspruch genommen haben; siehe Friedl et al.,
2021). Zusätzlich haben aufgrund von Vermögenslosigkeit abgewiesene
Insolvenzanträge stark zugenommen (Creditreform, 2023) und es wird mit
einer Verschärfung der Situation im Jahr 2023 gerechnet (Creditreform,
2023; AKV, 2022; KSV1879, 2022).

GEM Insight 1: Dynamiken 25


1.2
Unternehmerische
Aktivität im
Bundesländervergleich Burgenland 2022 2020 Δ2020

Die stärker vom Wintertourismus abhängigen Bundes- Jungunternehmerinnen


und Jungunternehmer
5,8% 8,6%
länder konnten die Rückgänge von 2020 kompensieren:
Die höchste gesamte unternehmerische Aktivität und Vorgründerinnen
und Vorgründer
4,5% 6,6%
der höchste Anteil an Jungunternehmen werden im Jahr
Neue Unternehmerinnen
2022 in Vorarlberg gemessen. Tirol hält den Spitzenrang und Unternehmer
1,7% 2,0%

beim Anteil etablierter Unternehmen. Etablierte Unternehmerinnen


und Unternehmer
8,0% 7,5%

Gesamte
Unternehmerische Aktivität
13,6% 15,5%

Kärnten 2022 2020 Δ2020 Niederösterreich 2022 2020 Δ2020

Jungunternehmerinnen Jungunternehmerinnen
und Jungunternehmer
5,7% 5,2% und Jungunternehmer
6,2% 6,0%

Vorgründerinnen Vorgründerinnen
und Vorgründer
2,8% 2,8% und Vorgründer
4,3% 3,7%

Neue Unternehmerinnen Neue Unternehmerinnen


und Unternehmer
3,0% 2,4% und Unternehmer
2,1% 2,3%

Etablierte Unternehmerinnen Etablierte Unternehmerinnen


und Unternehmer
9,7% 7,0% und Unternehmer
8,9% 8,1%

Gesamte Gesamte
Unternehmerische Aktivität
15,2% 11,8% Unternehmerische Aktivität
15,0% 13,9%

Oberösterreich 2022 2020 Δ2020 Salzburg 2022 2020 Δ2020

Jungunternehmerinnen Jungunternehmerinnen
und Jungunternehmer
5,1% 6,9% 7,3% 6,3%
und Jungunternehmer
Vorgründerinnen Vorgründerinnen
und Vorgründer
3,0% 4,2% 5,3% 4,6%
und Vorgründer
Neue Unternehmerinnen Neue Unternehmerinnen
und Unternehmer
2,4% 3,0% 2,3% 2,0%
und Unternehmer
Etablierte Unternehmerinnen Etablierte Unternehmerinnen
und Unternehmer
7,4% 6,5% 7,2% 6,0%
und Unternehmer
Gesamte Gesamte
Unternehmerische Aktivität
12,4% 13,1% 14,5% 11,7%
Unternehmerische Aktivität

GEM Insight 1: Dynamiken 26


Steiermark 2022 2020 Δ2020 Tirol 2022 2020 Δ2020

Jungunternehmerinnen Jungunternehmerinnen
und Jungunternehmer
6,9% 5,6% und Jungunternehmer
8,6% 6,1%

Vorgründerinnen Vorgründerinnen
und Vorgründer
5,7% 3,6% und Vorgründer
4,6% 4,3%

Neue Unternehmerinnen Neue Unternehmerinnen


und Unternehmer
1,2% 1,9% und Unternehmer
4,3% 1,7%

Etablierte Unternehmerinnen Etablierte Unternehmerinnen


und Unternehmer
9,8% 10,0% und Unternehmer
12,0% 8,0%

Gesamte Gesamte
Unternehmerische Aktivität
16,1% 15,2% Unternehmerische Aktivität
20,1% 13,8%

Vorarlberg 2022 2020 Δ2020 Wien 2022 2020 Δ2020

Jungunternehmerinnen Jungunternehmerinnen
und Jungunternehmer
11,4% 3,9% 7,1% 6,6%
und Jungunternehmer
Vorgründerinnen Vorgründerinnen
und Vorgründer
6,3% 2,0% 5,3% 4,8%
und Vorgründer
Neue Unternehmerinnen Neue Unternehmerinnen
und Unternehmer
5,4% 1,9% 2,0% 1,8%
und Unternehmer
Etablierte Unternehmerinnen Etablierte Unternehmerinnen
und Unternehmer
9,9% 10,3% 6,0% 7,3%
und Unternehmer
Gesamte Gesamte
Unternehmerische Aktivität
20,8% 14,2% 12,9% 13,8%
Unternehmerische Aktivität

Abbildung 9: Rate der Jungunternehmerinnen und


Jungunternehmer im Bundesländervergleich (Quelle: APS)

GEM Insight 1: Dynamiken 27


wieder wettmachen können. Wien, vor der Pandemie noch
klar auf Rang eins beim Anteil der Jungunternehmen
gelegen, kann in der GEM-Erhebung 2022/23 lediglich
bei den Vorgründerinnen und Vorgründern einen Rang
im Spitzenfeld erreichen. Kärnten liegt bei den neuen
Unternehmen (zwischen 3 Monaten und 3,5 Jahren
aktiv) auf Rang drei.
Die vorderen Ränge entlang der unterschiedlichen Unter-
nehmensphasen nehmen in der GEM-Erhebung 2022/23 Bei den etablierten Unternehmen (älter als 3,5 Jahre)
Vorarlberg und Tirol ein (siehe Abbildungen 9 und 10). liegt Tirol mit 12% an erster Stelle, gefolgt von Vorarl­
Mit einem Anteil von 11,4% führt Vorarl­berg etwa das berg (9,9%) und der Steiermark (9,8%). Eine ähnli-
Ranking der Jungunternehmerinnen und -unternehmer che Reihenfolge ergibt sich daraus bei der gesam-
(TEA) vor Tirol (8,6%) und Salzburg (6,8%) an. Das – ten unternehmerischen Aktivität (siehe Abbildung
relativ betrachtet – hohe unternehmerische Potenzial 10): Vorarlberg und Tirol liegen fast gleichauf an der
in Vorarlberg spiegelt sich auch im höchsten Anteil Spitze, die Steiermark mit Abstand auf Rang drei. Bei
an Vorgründerinnen und Vorgründern (6,3%) wider: der vorläufigen Gründungsstatistik des Jahres 2022
darunter befinden sich Personen, die konkret an der (WKO, 2023) verzeichnen Tirol, Vorarlberg und Wien
Gründung eines Unternehmens arbeiten, aber noch nicht Zuwächse gegenüber 2020 bei der Zahl an Neugründun-
in offiziellen Gründungszahlen abgebildet werden. In gen, während diese in Niederösterreich, Oberösterreich
der GEM-Erhebung 2020 zeigte sich das westlichste und im Burgenland sinken.
Bundesland mit engen wirtschaftlichen Beziehungen zu
den angrenzenden Nachbarländern noch besonders stark
durch die Pandemie-Einschränkungen betroffen (siehe
Friedl et al., 2021) – es scheint, als hätten Vorarlberg
und die westlichen Bundesländer (vor allem Tirol) im Jahr
2022 diesen Rückgang in der wirtschaftlichen Intensität

Jungunternehmerin- Neue Etablierte Gesamte


Vorgründerinnen
nen und Jung- Unternehmerinnen Unternehmerinnen unternehmerische
und Vorgründer
unternehmer (TEA) und Unternehmer und Unternehmer Aktivität

Rang 1 Vorarlberg 11,4% Vorarlberg 6,3% Vorarlberg 5,4% Tirol 12,0% Vorarlberg 20,8%

Rang 2 Tirol 8,6% Steiermark 5,7% Tirol 4,3% Vorarlberg 9,9% Tirol 20,1%

Salzburg &
Rang 3 Salzburg 7,3% 5,3% Kärnten 3,0% Steiermark 9,8% Steiermark 16,1%
Wien

Abbildung 10: Top 3 Bundes­


länder in den einzelnen Grün-
dungsphasen

1
2 3

GEM Insight 1: Dynamiken 28


1.3
Beschäftigungs- und
Wachstumserwartungen
Die Beschäftigungs- und Wachstumserwartungen
entwickeln sich positiv gegenüber dem Vergleichsjahr
2020 und dem Vor-Covid-Niveau. Im europäischen Abseits der prominenten Beispiele aus dem Startup-Be-
Vergleich besteht aber noch Aufholbedarf. reich scheinen Österreichs Jungunternehmen eine
größere Resilienz bzw. Stabilität aufgebaut zu haben.
Der Anteil an Jungunternehmen, welche derzeit über
zwanzig unselbstständig Beschäftigte zählen, beträgt
Jungunternehmen sind Motoren für Beschäftigung und im Erhebungszeitraum 4% (siehe Abbildung 11). Dieser
Wachstum. Der State of the European Tech Report Wert hat im Vergleich zu 2020 um 2,1 Prozentpunkte
(Atomico, 2022) schätzt beispielsweise, dass 2,6 Milli- zugenommen und befindet sich wieder annähernd auf
onen Personen bei europäischen Startups angestellt dem Vor-Covid-Niveau. Ebenso steigt der Anteil an EPU
sind, in Österreich wird von rund 25.000 Beschäftigten um 5 Prozentpunkte auf 38,2%. Diese Entwicklungen
ausgegangen (ASM, 2022). Die Daten der GEM-Er- bedingen Rückgange bei den übrigen Kategorien im
hebung 2022/23 machen deutlich, dass Beschäfti- Vergleich zu 2020: der Anteil an Jungunternehmen
gungserwartungen hierzulande mit der FTI-Intensität mit „6–19 Beschäftigten“ sinkt um einen Prozentpunkt
deutlich zunehmen (siehe Kapitel 4.1) und auch mit auf 8,6%, bei „1–5 Beschäftigten“ fällt der Wert von
der Größe des Gründungsteams steigen: etwa haben 55% auf 49,3%.
nur 3,4% der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) hohe
Wachstumserwartungen, bei Gründungsteams mit zwei Ein ähnlicher Befund ergibt sich für die Beschäftigungs-
Personen steigt dieser Wert bereits auf 11,6% an. Die erwartungen für den Zeitpunkt „in fünf Jahren“ (also für
schwierigen Rahmenbedingungen (siehe Einleitungska- das Jahr 2027): Hier geben 8,4% der Jungunternehmen
pitel) führen im Jahr 2022 allerdings auch zu größeren an, mehr als 20 Personen in fünf Jahren beschäftigen
Entlassungswellen, insbesondere im Tech-Startup-Be- zu wollen (siehe Abbildung 11). In der letztmaligen
reich. Das betrifft auch österreichische Unicorns wie Erhebung im Jahr 2020 inmitten der Pandemie ging
Bitpanda und GoStudent. dieser Wert gegen null, im Vor-Covid-Vergleichszeit-
raum (2012–2018) wurde dieser Wert aber mit 15,3%
deutlich optimistischer eingeschätzt. Ein positiveres
Ergebnis zeigt sich in der Kategorie „6-19 Beschäftigte“:
in dieser Kategorie befinden sich im Jahr 2022 deutlich
mehr Jungunternehmen als in der Erhebung von 2020
(21,0% vs. 5,3%) und auch den durchschnittlich errech-
neten 16,8% des Vergleichszeitraumes 2012–2018.

Abbildung 11: Aktuelle Anzahl an Beschäftigten und erwartete 2022   2027


Beschäftigungsanzahl in 5 Jahren für Österreichs Jungunterneh-
merinnen und Jungunternehmer (Quelle: APS)

GEM Insight 1: Dynamiken 29


Spotlight Luxemburg
Luxemburg ist eine kleine, offene Volkswirtschaft und auf Finanzdienstleistungen
spezialisiert – es werden rund 25% der Bruttowertschöpfung im Finanzsektor
erwirtschaftet. Einen hohen Anteil der TEA machen unternehmensorientierte
Dienstleistungen aus (40% bzw. 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt
anderer europäischer Länder, welche an GEM teilnehmen). Darüber hinaus
haben 25,7% der Jungunternehmen im Jahr 2022 hohe Beschäftigungserwar-
tungen; das ist der höchste Wert seit 2014 und fast doppelt so hoch wie der
Zusammengefasst zeigt sich die Beschäfti- europäische Durchschnitt. Der Internationalisierungsgrad von Luxemburgs
gungserwartung unter Österreichs Jungun- Jungunternehmen liegt seit 2014 ebenfalls deutlich über dem europäischen
ternehmen also verbessert gegenüber 2020. Durchschnitt (und ist 2022 fast doppelt so hoch). Diese Entwicklung scheint
Hier gilt anzumerken, dass es nach wie vor vor allem von bestimmten Branchen getragen zu werden: dem Gastgewerbe,
trotz niedriger Arbeitslosenquote (Eurostat, dem Immobiliensektor und dem Finanz- und Versicherungswesen. Das Ende der
2022) für Unternehmen schwierig ist, geeig- Pandemie, die Reduktion der pandemiebedingten Telearbeit und die dadurch
netes Fachpersonal auf allen Ebenen zu bedingte Rückkehr der „cross-border“-Arbeitskräfte nach Luxemburg (etwa
finden (Dornmayr & Rechberger, 2020). 50% der Arbeitskräfte überqueren für die Arbeit die Grenze) scheinen zu
Erschwerend hinzu kommen die herausfor- diesen positiven Entwicklungen beizutragen.
dernde konjunkturelle Lage (OECD, 2022) Dr. Maxime Pettinger, Dr. Francesco Sarracino und Dr. Chiara Peroni, STATEC
sowie steigende Gehaltskosten aufgrund Research (GEM Luxemburg)
der hohen Inflation.

Abbildung 12: Hohe Beschäfti-


gungserwartungen von Jung­
Für den europäischen Vergleich wird bei GEM der Indikator „hohe Beschäf- unternehmen im europäischen
tigungserwartungen“ berechnet, welcher sich aus einem Anstieg der Vergleich (Quelle: APS)
Beschäftigungszahl um 10 oder mehr Beschäftigte ergibt, wobei dieser
Zuwachs innerhalb der nächsten 5 Jahre mehr als 50 Prozent der derzeit
Beschäftigten betragen muss. Hier zeigt sich, dass die Erholung bei den
Beschäftigungszahlen auch im europäischen Vergleich stattfindet, wenn
auch relativ langsam (siehe Abbildung 12). Bildete Österreich bei der
letztmaligen Erhebung von 2020 bei diesem Indikator gemeinsam mit
Italien noch das Schlusslicht, kann sich Österreich im Jahr 2022 auf Rang
15 von 20 teilnehmenden Ländern zumindest geringfügig verbessern. Die
Spitzenposition wird dabei von Luxemburg eingenommen (siehe Spotlight).

GEM Insight 1: Dynamiken 30


2022 2020 Δ2020 Europa DACH

Viel höher 5,2% 5,0%


20 3
Etwas höher 18,3% 10,6%

Etwa gleich 31,5% 24,9%

Etwas niedriger 28,6% 32,0%

Viel niedriger 16,5% 27,5% Abbildung 13: Bewertung der


Wachstumserwartungen von
Ø auf einer Skala von 1 bis 5 3,3 3,7 Jungunternehmen im Vergleich
zum Vorjahr (Quelle: APS)

Gefragt nach dem erwarteten Beschäftigungswachs- Für 41% der befragten Jungunternehmen stellt sich das
tum im Vergleich zu der Situation noch vor einem Gründen eines Unternehmens im Erhebungszeitraum
Jahr (also Juli 2022 vs. Juli 2021) ergibt sich folgender 2022 etwas oder viel schwieriger als noch vor einem
Befund: während 24% der Jungunternehmen höhere Jahr dar (siehe Abbildung 14). Auch dieser Wert hat
Wachstumserwartungen haben, gehen 45% von einem sich gegenüber der Erhebung im Jahr 2020 verbessert:
(etwas oder viel) geringeren Wachstum aus (siehe hier fanden inmitten der Pandemie noch über die Hälfte
Abbildung 13). Im Vergleich zur letztmaligen Erhebung (55%) der Befragten eine Unternehmensgründung
(2020 vs. 2019) ist dies eine Verbesserung: damals schwieriger als im Jahr zuvor. Im europäischen sowie
gaben noch 60% der Jungunternehmen an, geringere im DACH-Vergleich liegt Österreich bei diesem Indi-
Wachstumserwartungen zu haben. Im europäischen kator sowohl bei den Jungunternehmen als auch den
Vergleich sind Österreichs Jungunternehmen dennoch etablierten Unternehmen im Mittelfeld. Insgesamt zeigt
auch 2022 noch sehr pessimistisch (Schlusslicht mit sich also, dass sich auch die Wachstumserwartungen
Rang 20). Die etablierten Unternehmen in Österreich in Österreich langsam erholen, es im europäischen
haben durchwegs positivere Wachstumserwartungen Vergleich aber vor allem bei den Jungunternehmen
und schneiden auch im europäischen Vergleich mit Aufholbedarf gibt.
Rang 8 deutlich besser ab.

(20 Länder)
2022 2020 Δ2020 Europa DACH
-  +

Viel weniger schwierig 3,6% 4,7%


12 3
Etwas weniger schwierig 11,2% 3,6%

Etwa gleich schwierig 44,0% 37,1%

Etwas schwieriger 25,0% 28,9%

Viel schwieriger 16,3% 25,7% Abbildung 14: Bewertung der


Schwierigkeit der Unternehmens-
Ø auf einer Skala von 1 bis 5 3,4 3,7 gründung von Jungunternehmen im
Vergleich zum Vorjahr (Quelle: APS)

GEM Insight 1: Dynamiken 31


1.4
Internationalisierung
Österreichs Jungunternehmen agieren wieder verstärkt
international, erreichen aber noch nicht die Inter­
nationalisierungsgrade von vor 2020. Im europäischen
Vergleich gelingt eine Verbesserung auf Rang 7.

Kleine Volkswirtschaften wie Österreich sind stark von wirtschaftlichen


Beziehungen mit dem Ausland geprägt. Jeder zweite Arbeitsplatz ist in
Österreich direkt oder indirekt mit vom Export abhängig (AA, 2022) – die
Reise- und Warenverkehrsbeschränkungen im Zuge der Pandemie wirk-
ten sich jedoch stark auf den Internationalisierungsgrad von Österreichs
Jungunternehmen in der 2020er-GEM-Erhebung aus. In der Erhebung 2022
zeigt sich bei den Internationalisierungsgraden eine Erholung. So geben
11,6% der Jungunternehmen an, dass mehr als 75% ihrer Kundschaft aus
dem Ausland kommt (siehe Abbildung 15). Das bedeutet einen Anstieg
um 4,8 Prozentpunkte gegenüber 2020. Allerdings sinkt im Jahr 2022
der Anteil jener Jungunternehmen ohne Auslandskundinnen und -kunden
nur um 8,2 Prozentpunkte auf 62,2% – im Vor-Covid-Vergleichszeitraum
2012–2018 lag dieser Wert deutlich niedriger bei 29,6%. Die Internati-
onalisierungsgrade von Österreichs Jungunternehmen haben daher noch
nicht das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Nach der Beendigung von
Reisebeschränkungen kommen neue Exporthemmnisse (etwa aufgrund des
russischen Angriffskrieges) hinzu, und auch die längerfristigen Auswirkungen
des Brexits dürfen nicht übersehen werden. Es wird von einer weiterhin
positiven, aber eingebremsten Dynamik für Österreichs Exportmärkte
ausgegangen (AA, 2022).

2022 2020 2012-2018 Δ2020 Δ2012–2018

Keine 62,2% 70,4% 29,6%

<25% 14,9% 12,3% 38,7%

25–75% 11,4% 10,5% 17,5%

>75% 11,6% 6,8% 14,2%

Abbildung 15: Anteil an ausländischen


Kundinnen und Kunden von österreichi-
schen Jungunternehmen im Jahresvergleich
(Quelle: APS)

GEM Insight 1: Dynamiken 32


Abbildung 16: Anteil von Jung­
unternehmen mit mehr als 50%
ausländischer Kundinnen und
Kunden im Jahr 2022 im europäi-
schen Vergleich (Quelle: APS)
Dass diese Entwicklungen nicht nur Österreich betreffen, lässt sich in euro-
paweit deutlich niedrigeren Internationalisierungsgraden im Vergleich zu
vor der Pandemie beobachten. In Abbildung 16 werden Jungunternehmen
mit mehr als 50% ausländischer Kundschaft verglichen. Alle teilnehmenden
Länder verzeichnen sinkende Anteile gegenüber den GEM-Erhebungen vor
2020. Etwa Luxemburg, lange klar auf Rang 1 mit dem höchsten Interna-
tionalisierungsgrad im europäischen Vergleich, fällt von knapp 30% im
Jahre 2018 auf 17% in den 2020er- bzw. 2022er-Erhebungen zurück (liegt
aber immer noch unter den Top 3 im europäischen Vergleich). Österreich
verbessert sich 2022 immerhin von Rang 11 auf Rang 7, lag aber im Jahr
2018 schon auf Rang 2 dieses Vergleiches. Erfreulicher für Österreich
ist hingegen der Indikator „Jungunternehmen, die mindestens 25% des
Umsatzes von Kundschaft aus dem Ausland generieren“: im internationalen
Vergleich der einkommensstarken Länder liegt Österreich hier auf Rang
4. Beim Globalisierungsindex-Ranking der ETH Zürich (2022) reiht sich
Österreich auf Rang 7 ein, bei den Pro-Kopf-Exporten liegt Österreich im
EU-Vergleich auf Rang 6 (AA, 2022). Es wird für Österreich – und ganz
Europa – entscheidend sein, wie sich Liefer- und Wertschöpfungsketten
sowie die grenzüberschreitende Mobilität weiterhin entwickeln. Darüber
hinaus müssen Österreichs Unternehmen dem drohenden Rückgang an
internationaler Wettbewerbsfähigkeit entgegenwirken (siehe Kapitel
4.4, oder auch Peneder et al., 2022). Wie Österreichs Bevölkerung ihre
Gründungsmöglichkeiten in diesem herausfordernden Umfeld einschätzt,
wird im folgenden Kapitel behandelt.

GEM Insight 1: Dynamiken 33


02.
Möglichkeiten,
Motive und Image
Bevor es zur Unternehmensgründung kommt, kann das zugrundeliegende Gründungs­
potenzial über wahrgenommene Chancen, Motive und Image des Unternehmertums
erfasst werden. Das zweite Kapitel analysiert daher, welche Gründungsmöglichkeiten
derzeit in Österreich wahrgenommen werden und wie viele davon in konkrete Gründ­
ungsabsichten münden. In diesem Kontext ist auch zu berücksichtigen, aus welcher
Motivation heraus gegründet wird (Möglichkeit vs. Notwendigkeit). Zusätzlich erhebt
GEM die soziokulturellen Normen in Bezug auf das Unternehmertum sowie die öffent­
liche Wahrnehmung von Entrepreneuren, welche eine zusätzliche Rolle für Unterneh­
mensgründungen bzw. deren Nicht-Gründung spielen.

34
Zentrale Ergebnisse

» Die österreichische Bevölkerung sieht wieder » Im europäischen Vergleich hat Unternehmertum


verstärkt Gründungsmöglichkeiten, übersetzt diese hierzulande mittlerweile einen hohen Status und
aber nur selten in konkrete Gründungsabsichten. Gründen wird als Karriereoption erstrebenswerter.
» Insgesamt wird in Österreich aufgrund von » Die soziokulturellen Normen in Österreich werden
Möglichkeiten, nicht aus Notwendigkeit gegründet. von den Expertinnen und Experten zwar erneut
Nachhaltige Aspekte werden berücksichtigt, die als wenig gründungsfördernd eingeschätzt, die
Sustainable Development Goals (SDGs) sind jedoch erwerbsfähige Bevölkerung bewertet diese aber
weniger stark verbreitet. zunehmend unternehmensfreundlicher.

Key Facts

1. 2.
Gründungspotenziale Gründungsmotive
» 49,5% der Bevölkerung sehen gute » Das Hauptmotiv Sicherstellung des Lebens-
Gründungsmöglichkeiten (Rang 10 in Europa) unterhalts nimmt im Vergleich zu 2020 ab
» Nur 8,5% haben allerdings konkrete » 69% der Jungunternehmen beziehen Sozial-
Gründungsabsichten (Rang 18 in Europa) oder Umweltaspekte bei Unternehmens-
» Für 35% der Jungunternehmen hat die Pandemie entscheidungen mit ein
neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet » Die SDGs sind jedoch nur 30% der Jung-
unternehmen bekannt

3. 4.
Image des Unternehmertums Soziokulturelle Normen
» Für 50% ist Gründen eine erstrebenswerte » Aus Sicht der Expertinnen und Experten nur
Karriereoption Rang 16 in Europa
» Für 78% hat Unternehmertum einen hohen Status » Aus Sicht der Bevölkerung positiver, vor allem
» Rang 4 im europäischen Vergleich in Bezug auf Image und Risikoverhalten
bei der wahrgenommenen, positiven » 43,7% haben Angst vor dem Scheitern, im
Medienberichterstattung europäischen Vergleich ist das der sechst-
niedrigste Wert

35
Success

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 36


2022 2020 2012-2018 Δ2020 Δ2012–2018

Wahrgenommene
49,5% 31,2% 45,6% 10 1
Gründungsmöglichkeiten

Gründungsabsichten in den
8,5% 7,0% 12,9% 18 3
nächsten drei Jahren

Gründungen im
50,9% 53,9% 38,4% 10 2
persönlichen Umfeld

Abbildung 17: Wahrgenommene


Gründungsmöglichkeiten, zu-
künftige Gründungsabsichten und
wahrgenommene Gründungen im
persönlichen Umfeld (Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 37


2022 2020 Δ2020

Gründungsmöglichkeiten 41,0% 31,3%

Burgenland Gründungsabsichten 8,3% 7,4%

Gründungen im persönlichen Umfeld 48,9% 53,3%

Gründungsmöglichkeiten 48,4% 28,0%

Kärnten Gründungsabsichten 4,6% 7,1%

Gründungen im persönlichen Umfeld 50,8% 53,7%

Gründungsmöglichkeiten 43,6% 24,1%

Niederösterreich Gründungsabsichten 8,6% 4,9%

Gründungen im persönlichen Umfeld 51,2% 54,0%

Gründungsmöglichkeiten 54,9% 36,7%

Oberösterreich Gründungsabsichten 6,0% 7,1%

Gründungen im persönlichen Umfeld 49,7% 55,6%

Gründungsmöglichkeiten 52,2% 33,8%

Salzburg Gründungsabsichten 10,1% 7,2%

Gründungen im persönlichen Umfeld 55,9% 53,1%

Gründungsmöglichkeiten 45,9% 32,1%

Steiermark Gründungsabsichten 8,4% 7,6%

Gründungen im persönlichen Umfeld 53,8% 54,9%

Gründungsmöglichkeiten 47,1% 26,9%

Tirol Gründungsabsichten 10,4% 8,2%

Gründungen im persönlichen Umfeld 54,3% 53,8%

Gründungsmöglichkeiten 61,3% 34,0%

Vorarlberg Gründungsabsichten 9,7% 4,8%

Gründungen im persönlichen Umfeld 54,7% 51,5%

Gründungsmöglichkeiten 52,8% 33,3%

Wien Gründungsabsichten 9,8% 7,9%

Gründungen im persönlichen Umfeld 46,6% 52,7%

Abbildung 18: Wahrgenommene Gründungsmöglichkeiten, zu-


künftige Gründungsabsichten und wahrgenommene Gründungen
im persönlichen Umfeld nach Bundesländern (Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 38


2022 2020 Δ2020

Stimme überhaupt nicht zu 21,2% 30,3% Europa DACH

Stimme nicht zu 22,8% 18,9%


14 3
Stimme weder zu noch nicht zu 21,1% 14,3%

Stimme zu 24,1% 24,6%

Stimme voll zu 10,8% 11,9%

Ø auf einer Skala von 1 bis 5 2,8 2,7

2022 2020 Δ2020

Stimme überhaupt nicht zu 35,3% 40,8% Europa DACH

Stimme nicht zu 23,0% 24,7%


11 2
Stimme weder zu noch nicht zu 13,3% 11,8%

Stimme zu 14,1% 15,9%

Stimme voll zu 14,3% 6,8%

Ø auf einer Skala von 1 bis 5 2,5 2,2

Abbildung 19: Grad der Zustimmung, dass die


Covid-19-Pandemie neue Geschäftsmöglichkeiten
für das Unternehmen eröffnet hat (Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 39


2.2
Motive und Sustainable
Development Goals
Die Sicherstellung des Lebensunterhalts ist das
vorherrschende Gründungsmotiv in Österreich.
Mehr als zwei Drittel der Jungunternehmen
beziehen soziale Aspekte oder Umweltaspekte bei
Unternehmensentscheidungen mit ein. Die
Sustainable Development Goals sind jedoch nur
einem Drittel bekannt.

Unternehmen werden aus unterschiedlichen Motiven heraus gegründet,


jeder Mensch hat eigene Ziele, Träume und Bedürfnisse. So kann Unab-
hängigkeit ein zentrales Motiv sein, eine mögliche hohe Rendite, die
Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts, aber auch die Chance, einen
positiven Einfluss auf die Gesellschaft und Umwelt auszuüben.

Im Erhebungsjahr 2022 ist das häufigste Gründungsmotiv der österreichi-


schen Jungunternehmen die Sicherstellung des Lebensunterhalts (46,0%;
siehe Abbildung 20), allerdings ist dieses Motiv im Vergleich zu 2020 leicht
rückläufig (minus 3,3 Prozentpunkte). Bei dieser Fragestellung sind Mehr-
fachnennungen möglich – immerhin 15,1% der Jungunternehmen wählen
jedoch dieses Lebensunterhaltsmotiv als das Einzige aus den Auswahlmög-
lichkeiten aus, was als Gründen aus dem Notwendigkeitsmotiv interpretiert
werden könnte. Im europäischen Vergleich ist dieser Wert gering (Rang
16 von 20). Das zweithäufigste Ziel ist – wie schon im Erhebungsjahr
2020 – „Gründen, um die Welt zu verändern“ (37,9%), allerdings knapp
gefolgt von Gründungen zur Erreichung von Wohlstand oder eines hohen
Einkommens (37,4% bzw. plus 4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2020).

2022 2020 Δ2020

Um die Welt zu verändern 37,9% 39,0% 15 3

Um großen Wohlstand oder


37,4% 33,4% 17 2
sehr hohes Einkommen zu erreichen

Um eine Familientradition fortzuführen 19,1% 21,1% 16 2

Um den Lebensunterhalt zu verdienen,


46,0% 49,3% 16 3
weil Arbeitsplätze selten sind

Abbildung 20: Gründungsmotive


von Jungunternehmerinnen und
Jungunternehmern in Österreich
(Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 40


Abbildung 21: Einbeziehung
sozialer und Umweltaspekte bei
Unternehmensentscheidungen;
Priorisierung sozialer und
Umwelteffekte (Quelle: APS)

Jungunternehmen und etablierte Unternehmen geben


im Erhebungszeitraum auf ähnlich hohem Niveau an,
Im europäischen Vergleich relativiert sich dieses Streben soziale und ökologische Aspekte in ihre Unternehmens­
nach ökonomischem Wohlstand durch Unternehmertum, entscheidungen miteinzubeziehen (siehe Abbildung
Österreich belegt hier lediglich Rang 17 von 20. Zuletzt 21): knapp 70% der Jungunternehmen berücksichtigen
wurde noch von 19,1% die Fortführung einer Famili- soziale Aspekte, während dieser Wert bei Umweltaspek-
entradition als Motiv angegeben – auch diesem Motiv ten um etwa 2 Prozentpunkte geringer ist. Etablierte
erteilen andere europäische Jungunternehmen höhere Unternehmen messen diesen Aspekten geringfügig
Zustimmungsgrade (Rang 16 von 20). Die GEM-Daten weniger Bedeutung bei. Sowohl junge und etablierte
zeigen also, dass in Österreich weiterhin eher nicht Unternehmen charakterisiert allerdings, dass weniger als
aus der Notwendigkeit heraus gegründet werden muss die Hälfte soziale und ökologische Aspekte gegenüber
und mehr als ein Drittel der Gründenden auch einen Profitabilität und Wachstum auch tatsächlich priori-
positiven Beitrag zur Veränderung der Welt schaffen sieren. Im internationalen Vergleich zeigt sich bei den
möchte. Daher widmet sich der diesjährige GEM-Report einkommensstarken Ländern ein durchwegs ähnliches
im Folgenden dem Thema Nachhaltigkeit und Unter- Bild. Einzig in Norwegen (siehe Spotlight) und Litauen
nehmertum in Österreich. scheinen etablierte Unternehmen Nachhaltigkeitsziele
häufiger als Jungunternehmen zu verfolgen (GEM, 2023).
Die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sind eine globale
Agenda, in dem systematisch alle Dimensionen der
nachhaltigen Entwicklung berücksichtigt werden, um
Armut, soziale Ungerechtigkeit und den Klimawandel
bis 2030 zu bekämpfen. Sie bieten Unternehmen einen
Leitfaden, um ihre Geschäftstätigkeiten und Aktivitäten
so zu gestalten, dass sie zur Erreichung dieser Ziele
beitragen und ihrer sozialen und umweltgerechten
Verantwortung nachkommen. Zudem können Unter-
nehmen auch von der Umsetzung der SDGs profitieren,
indem sie sich auf neue, nachhaltigkeitsorientierte
Geschäftsmodelle konzentrieren und so neue Märkte
erschließen.

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 41


Spotlight Norwegen

Die Hintergründe für den Fokus auf soziale und


nachhaltige Entwicklung liegen in Norwegen bereits
Eine Betrachtung des aktiven Beitrags zur Erreichung länger zurück. Bereits im Jahr 1987 wurde unter
der SDGs durch die Unternehmen zeigt, dass 57,5% Leitung der norwegische Ministerpräsidentin
der etablierten Unternehmen Maßnahmen zur Mini- Gro Harlem Brundtland im Auftrag der UN der
mierung von ihren Umweltauswirkungen treffen (siehe einflussreiche Brundtland-Bericht für nachhal-
Abbildung 22 links). Demgegenüber stehen 51,3% tige Entwicklung veröffentlicht. In weiterer Folge
der Jungunternehmen. Geringer fällt der Beitrag zur nahm Norwegen mit der Implementierung einer
Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens für beide nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (2002) und
Unternehmenstypen aus (siehe Abbildung 22 rechts): einem entsprechenden nationalen Aktionsplan
etwas weniger als die Hälfte (45% der Jungunterneh- (2003) eine Vorreiterrolle ein. Dadurch wurde
men, 44% der etablierten Unternehmen) versuchen das Thema Nachhaltigkeit im Laufe der Jahre
auch ihren gesellschaftlichen Beitrag zu maximieren. zu einem fixen Bestandteil des norwegischen
Das ist insofern interessant, weil etwa zwei Drittel Diskurses: die SDGs wurden in Bildungs- und
der Unternehmen angeben, soziale Aspekte in ihre Regierungsprogrammen integriert und erreichen
Unternehmensentscheidungen einzubeziehen, diese somit auch jüngere Generationen. Die Agentur
aber anscheinend nur zum Teil aktiv verfolgen. Diese „Innovation Norway“ beispielsweise erwartet von
Diskrepanz ist in Bezug auf die Minimierung der Umwelt­ Entrepreneuren, dass sie bei ihren Einreichungen
aspekte weniger stark ausgeprägt, allerdings noch die potenziellen Folgen ihres unternehmerischen
immer deutlich zu beobachten. Der GEM-Befund deutet Handelns in Bezug auf die SDGs einschätzen, und
hier auf ungenütztes Potenzial zwischen Zielsetzung auch private Investorinnen und Investoren berück-
und aktiver Zielumsetzung hin, welches durch mehr sichtigen zunehmend SDG-Aspekte. Dennoch stellt
Bewusstseinsschaffung für entsprechende Umset- die Abhängigkeit Norwegens von der Öl- und
zungsmaßnahmen besser erschlossen werden könnte. Gasindustrie ein Paradoxon für die Förderung der
ökologischen Nachhaltigkeit dar. Darüber hinaus
ist das Gründen in einem der reichsten Länder der
Welt stark chancen-orientiert, was es Entrepre-
neuren leichter macht, sich über das finanzielle
Überleben hinaus sozial oder ökologisch orientierte
Ziele zu setzen.
Prof. Marta Lindvert, Nord University Business
School (GEM Norwegen)

Abbildung 22: Maximierung sozialer Effekte


und Minimierung von Umwelteffekten
(Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 42


Abbildung 23: Bekanntheit
und Priorisierung der SDGs
(Quelle: APS)

Diese Ergebnisse unterstreichen zum einen, dass es


wichtig ist, die SDGs einem noch größeren Kreis von
Unternehmen und in der österreichischen Bevölkerung
bekannt zu machen, und zum anderen, dass diese bei
Weiterführend wurde erhoben, inwieweit die 17 Nach- der Umsetzung/Priorisierung weiter unterstützt werden
haltigkeitsziele den Befragten bekannt sind. Nur müssen, um das vorhandene Potenzial besser zu akti-
30,4% der Jungunternehmen und sogar nur ein Viertel vieren. Eine zeitgerechte, nachhaltige Ausrichtung des
(25,7%) der etablierten Unternehmen konnten dies Unternehmens stellt keine Zusatzleistung mehr dar,
bejahen (siehe Abbildung 23 links), allerdings ist das sondern wird immer mehr zur Voraussetzung für die
im EU-Vergleich ein durchschnittlicher Wert. Spit- weitere Teilnahme im europäischen Wettbewerb. Das
zenreiter ist bei diesem Indikator Norwegen (siehe wird auch durch die am 14. Dezember 2022 erlassene
Spotlight), wo über 60% der Jungunternehmen und Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung der
über 50% der etablierten Unternehmen Kenntnis von Europäischen Union deutlich (EUR-Lex, 2022), welche
den SDGs haben (GEM, 2023). Allerdings wurde dieser es für Unternehmen unerlässlich macht, sich mit den
Indikator nur auf freiwilliger Basis und daher nicht Auswirkungen der eigenen unternehmerischen Aktivität
in allen teilnehmenden Ländern erhoben. Bei einer auf das soziale und ökologische Umfeld auseinander-
tiefergehenden Analyse der Situation in Österreich zusetzen. Ab 2024 ist es für große Unternehmen mit
zeigt sich, dass nur knapp die Hälfte (51,6%) der mehr als 250 Angestellten verpflichtend, nicht nur
Jungunternehmen, denen die Nachhaltigkeitsziele die organisationsbezogenen Auswirkungen offenzu-
bekannt sind, diese auch priorisieren. Bei etablierten legen, sondern auch die der zuliefernden Betriebe
Unternehmen ist dieser Wert mit 39,8% noch geringer und Abnehmerinnen/Abnehmer entlang der gesam-
(siehe Abbildung 23 rechts). ten Wertschöpfungskette. Börsennotierte Klein- und
Mittelunternehmen (KMU) werden – unter Berück-
sichtigung der zumutbaren Anforderungen – ab 2026
in die Auskunftspflicht miteingeschlossen. Da es den
Nationalstaaten obliegt, die Auswirkungen der Richtlinie
auf eventuelle Benachteiligungen für KMUs zu prüfen,
ist auch die österreichische Politik gefordert, keine
zusätzlichen Hürden für die Umsetzung entstehen zu
lassen (WKO, 2022b).

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 43


Stellt man diesen Ergebnissen die Einschätzung der Insgesamt konnten bei der Befragung der Expertinnen
Experten und Expertinnen gegenüber, zeigt sich ein und Experten bei allen Indikatoren im europäischen
durchwegs positiveres Bild (siehe Abbildung 24). Diese Vergleich Werte im Spitzenfeld erzielt werden, welches
sehen eine größere Priorisierung der SDGs in neuen von Norwegen, Litauen und Lettland angeführt wird.
und wachsenden Unternehmen, vor allem im Bereich Einzig dem Stellenwert der Nachhaltigkeit für die Regie-
guter Umweltpraktiken. Hier befindet sich Österreich im rung in Bezug auf neue und wachsende Unternehmen
Vergleich der DACH-Länder sogar auf Rang 1. Die Gründe wird ein etwas schlechteres Zeugnis ausgestellt. Das
für diese differenzierte, optimistischere Wahrnehmung bietet Chancen, den Dialog mit allen Teilnehmenden
könnte in einer allgemein positiven Einschätzung von des Startup-Ökosystems zu suchen, um gemeinsam
jungen und wachsenden Unternehmen durch die Exper- an Lösungen zu arbeiten, insbesondere im Zuge der
ten und Expertinnen liegen, aber auch in der generellen Implementierung der Nachhaltigkeitsberichtserstat-
zukunftsorientierten Wertehaltung von Unternehmen, tungs-Richtlinie oder zur Setzung von weiteren Impulsen
die soziale und ökologische Nutzen miteinschließt, ohne im Green-Tech-Bereich.
direkt auf die Kategorisierung der SDGs einzugehen.

Zustimmung auf einer


Skala von 1 bis 10
Europa DACH Spitzenreiter

Priorisierung des sozialen Beitrags 5,8 6 2 Norwegen


in neuen und wachsenden Unternehmen 1 10

Priorisierung der wirtschaftlichen Leistung 5,7 7 2 Litauen


in neuen und wachsenden Unternehmen 1 10

Priorisierung guter Umweltpraktiken 6,5 5 1 Lettland


in neuen und wachsenden Unternehmen 1 10

Stellenwert der Nachhaltigkeit in neuen 7,0 3 1 Norwegen


und wachsenden Unternehmen 1 10

Stellenwert der Nachhaltigkeit für die Regierung 5,0 11 2 Norwegen


für neue und wachsende Unternehmen 1 10

Abbildung 24: Einschätzung der Expertinnen und


Experten zum Stellenwert der SDGs in Öster-
reichs neuen und wachsenden Unternehmen
bzw. der Regierung auf einer Skala von 1 bis 10
(Quelle: NES)
Aufgrund der globalen Anwendbarkeit und der unumstrittenen Notwendig-
keit nachhaltig zu wirtschaften, stellen die SDGs einen wichtigen Beitrag
zur Förderung von nachhaltigem Wohlstand dar. Es ist folglich im Interesse
jedes Unternehmens, Möglichkeiten zu identifizieren und Profitabilität mit
sozialen und Umweltagenden in Einklang zu bringen. Handelnde im Nach-
haltigkeitsökosystem sind daher angehalten, noch stärkeres Bewusstsein
und relevante (Weiter-)Bildungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Übernahme
sozialer und ökologischer Verantwortung kann für Unternehmen auch neue
Geschäftsmöglichkeiten, Wachstum und Jobs generieren (Schneider et
al., 2020). So steigt auch das Interesse von Seiten der Investorinnen und
Investoren, nachhaltig wirkende Unternehmen zu unterstützen. Im Jahr
2022 weist in Österreich bereits jede sechste Finanzierung einen Bezug
zu Nachhaltigkeit auf und immerhin 3% des Risikokapitals (31 Millionen
Euro) wurden bewusst an Startups mit Nachhaltigkeits-Fokus vergeben (EY
Austria, 2022). Es ist wünschenswert, diesen Trend weiter zu verstärken,
um eine breitere, positivere Wirkung auf die österreichische Gesellschaft
zu erzielen.

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 44


2.3
Image und Bild des Unternehmertums
Gründen als Karriereoption wird wieder erstre-
benswerter. Unternehmertum hat einen hohen
Status und erfährt eine immer positivere Bericht-
erstattung. Im europäischen Vergleich befindet
sich Österreich im vorderen Feld.

Ein positives öffentliches Image und ein hoher Status


von Entrepreneuren erhöht die Akzeptanz und das
Vertrauen von Bevölkerung und Institutionen in Unter-
nehmertum, was in weiterer Folge Vorbildwirkung, Erfolgreiches Gründen genießt ein weiterhin hohes
Aufmerksamkeit, aber auch leichteren Zugang zu Finan- Ansehen in Österreich: über 78% der Befragten sind der
zierungen, Ressourcen und Märkten eröffnen kann. Eine Meinung, dass eine erfolgreiche Unternehmensgründung
Unternehmensgründung wird in Österreich wieder als mit einem hohen sozialen Status und entsprechendem
eine erstrebenswertere Karriereoption angesehen als Respekt für die Gründerin bzw. den Gründer einher-
noch vor zwei Jahren. Für knapp die Hälfte der Befrag- gehen. Innerhalb Österreichs (siehe Abbildung 27)
ten trifft diese Aussage zum Erhebungszeitpunkt zu genießt Unternehmertum im Erhebungszeitraum den
(plus 4,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2020; siehe höchsten Stellenwert in Oberösterreich, Vorarlberg und
Abbildung 25). Im europäischen Vergleich ist das zwar der Steiermark (über 80%). Im europäischen Vergleich
nur ein Platz im hinteren Mittelfeld (Rang 14 von 20), liegt Österreich bei diesem Indikator auf dem 6. Rang
allerdings lag Österreich 2020 noch an letzter Stelle. und auch international im besseren Mittelfeld (siehe
Die Rangfolge wird bei diesem Indikator von Rumänien Abbildung 26). Darüber hinaus sind bereits 75,6%
und Zypern mit Werten um die 80% angeführt. Inner- der Befragten (ein Anstieg von 5,6 Prozentpunkten
halb Österreichs (siehe Abbildung 27) wird vor allem in gegenüber 2020) der Meinung, dass in Österreich häufig
der Steiermark, dem Burgenland und Tirol (Werte um Berichte über erfolgreiche neue Unternehmerinnen und
55%) eine Unternehmensgründung relativ gesehen am Unternehmer in den Medien zu finden sind. Hier liegt
erstrebenswertesten wahrgenommen. Österreich sogar auf dem 4. Rang im Vergleich mit den
teilnehmenden europäischen Ländern, in der DACH-Re-
gion auf Rang 1 und im internationalen Vergleich im
vorderen Drittel (siehe Abbildung 26).

2022 2020 2018 Δ2020 Δ2018

Gründen als erstrebenswerte


49,2% 44,5% 50,2% 14 2
Karrierewahl

Hoher Status erfolgereicher


78,1% 79,8% 75,3% 6 2
Unternehmerinnen und Unternehmer

Häufige Berichterstattung über


75,6% 70,0% 64,6% 4 1
erfolgreiche Unternehmensgründung

Abbildung 25: Image und Bild


des Unternehmertums (Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 45


Spotlight Slowenien

Slowenien nimmt bereits seit 2002 am GEM teil. Diese verdoppelt. Dieser Wert liegt 2022 bei knapp 55% – ein
20-Jahre-Retrospektive ermöglicht es, die Entwicklung vergleichsweise hoher Wert in Europa. Diese externen
von langfristigen Indikatoren, wie etwa die Entwicklung Faktoren beeinflussen Gründungsabsichten, welche aber
soziokultureller Normen, zu dokumentieren. Slowenien auch von Persönlichkeitsmerkmalen, Charaktereigen-
hat dabei einen positiven Wandel zu einem deutlich schaften und wahrgenommen Fähigkeiten abhängen.
unternehmensfreundlicheren Umfeld vollzogen. Die All diese Indikatoren haben sich in Slowenien ebenso
Menschen in Slowenien schätzen erfolgreiches Unter- positiv entwickelt – mit Ausnahme des Risikoverhaltens:
nehmertum und erkennen unternehmerische Erfolge die Angst vor dem unternehmerischen Scheitern steigt
an. Das hängt auch mit einer positiven Medienbericht- 2022 sogar auf über 50% an und diese Entwicklung
erstattung zusammen, welche von mehr als 85% der dürfte für die eingebremste Gründungsdynamik in
Bevölkerung wahrgenommen wird – das ist Rang 1 im Slowenien mitverantwortlich sein (TEA-Rate 8%; Rang
europäischen Vergleich. Zudem hat sich der Anteil an 13 von 20 in Europa).
Menschen, welche vielversprechende Geschäftsmög- Prof. Dr. Karin Širec, University of Maribor (GEM
lichkeiten sehen, in den letzten 20 Jahren beinahe Slowenien)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 46


Abbildung 26:
Internationaler
Vergleich, getrennt
betrachtet nach Län-
dern mit niedrigem
(links), mittlerem
(Mitte) und hohem
(rechts) Einkom-
mensniveau, Status
(oben) und Berichter-
stattung (unten)
(Quelle: APS)

Im Bundesländervergleich (siehe Abbildung 27) führt klar Vorarlberg


(84,5%), vor Oberösterreich (80,9%) und Kärnten (79,6%), während
das Burgenland bei der wahrgenommenen Medienberichterstattung – wie
auch beim Status des Unternehmertums – den vergleichsweise niedrigsten
Wert aller Bundesländer aufweist. Zusammengefasst lässt sich ableiten,
dass trotz negativer Einschätzung der soziokulturellen Normen durch die
Expertinnen und Experten (siehe Kapitel 2.4), sich die öffentliche Wahrneh-
mung und Einstellung zum Thema Entrepreneurship in Österreich langsam
zum Positiven verändert und eine ähnlich erfreuliche Entwicklung wie in
Slowenien (siehe Spotlight) vollzogen wird.

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 47


2022 2020 Δ2020

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 55,6% 38,4%

Burgenland Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 74,3% 80,6%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 71,6% 68,6%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 47,2% 45,3%

Kärnten Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 76,9% 76,5%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 79,6% 71,7%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 47,9% 44,2%

Niederösterreich Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 76,3% 79,2%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 71,7% 68,1%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 50,7% 45,6%

Oberösterreich Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 83,1% 82,3%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 80,9% 76,2%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 52,6% 48,0%

Salzburg Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 78,1% 81,8%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 73,8% 70,7%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 56,5% 48,1%

Steiermark Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 80,9% 81,7%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 75,6% 73,9%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 55,2% 48,4%

Tirol Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 77,4% 81,4%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 77,7% 69,7%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 54,0% 44,4%

Vorarlberg Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 81,4% 81,9%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 84,5% 72,4%

Gründen als erstrebenswerte Karrierewahl 39,0% 40,1%

Wien Hoher Status erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer 74,6% 76,1%

Häufige Berichterstattung über erfolgreiche Unternehmensgründung 72,1% 63,4%

Abbildung 27: Image und Bild des


Unternehmertums im Bundesländer-
vergleich (Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 48


2.4
Soziokulturelle Normen
Die soziokulturellen Normen in Österreich werden von
den Expertinnen und Experten auch 2022 als wenig
gründungsfördernd eingeschätzt, allerdings nimmt die
Bevölkerung diese zumindest in Bezug auf Image und
Risikoverhalten mittlerweile deutlich unternehmens-
freundlicher wahr.

Die Unternehmensgründung kann zwar als eine sehr Die einzelnen Teilbereiche innerhalb dieses Themenfel-
persönliche Entscheidung betrachtet werden, wird des zeigen unterschiedliche Bewertungen und Entwick-
aber entscheidend von den vorherrschenden soziokul- lungen. Noch am positivsten werden die vorherrschen-
turellen Normen beeinflusst. Diese Normen in Bezug den Werte und Normen zur Erreichung individuellen
auf das Unternehmertum werden von den befragten Erfolgs durch eigene, persönliche Anstrengungen (2,9)
Expertinnen und Experten in Österreich für das Jahr und die landesweite Kultur zur Förderung von Krea-
2022 erneut unterdurchschnittlich eingeschätzt (2,5 tivität und Innovativität (2,8) bewertet. Negativer
Punkte auf einer Skala von 1 bis 5; siehe Abbildung 28) eingeschätzt werden die Förderung der Verantwortung
und liegen damit in etwa auf dem Niveau der früheren des Einzelnen (2,5) und von Selbstständigkeit, Auto-
Vergleichsjahre. Das ist im europäischen Vergleich nur nomie und Eigeninitiative (2,4). Am negativsten wird
Rang 16 (siehe Abbildung 29). Diese Rangfolge wird von den Expertinnen und Experten die Förderung zur
in diesem Jahr von Litauen mit 3,7 Punkten angeführt Übernahme unternehmerischen Risikos gesehen (2,0).
(siehe dazu auch Spotlight in Kapital 5.4), welches Dieses Ergebnis der Expertenbefragung (NES) ist inso-
die Niederlande auf Rang zwei verdrängt. Erwäh- fern interessant, weil die erwerbsfähige Bevölkerung
nenswert ist, dass die Einschätzung der Expertinnen in der APS-Erhebung die soziokulturellen Normen
und Experten zu den soziokulturellen Normen in nur mittlerweile etwas positiver einschätzt (siehe dazu
wenigen europäischen Ländern positiv ist, und dass im Folgenden bzw. auch die Entwicklungen bei Image,
sich das Mittelfeld relativ eng im Bereich 2,5 bis 3,0 Status und Möglichkeiten in vorigen Kapitel 2.3).
unter dem Skalenmittelpunkt zusammenschiebt. Die
negative Bewertung der soziokulturellen Normen
scheint daher wie in vergangenen Erhebungen ein
europäisches Problem darzustellen – internationale
Spitzenreiter wie die Vereinigten Arabischen Emirate
(4,3) oder die USA (3,9) liegen hier deutlich über dem
europäischen Schnitt.

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 49


2022 2020 2012–2018 Europa DACH Spitzenreiter

Soziokulturelle Normen 2,5 2,6 2,4 16 3 Litauen (3,7)

Abbildung 28: Einschätzung der


Expertinnen und Experten zum
Einfluss soziokultureller Normen
auf Unternehmertum in Österreich
(Quelle: NES)

Abbildung 29: Einschätzung


der Expertinnen und Experten
zum Einfluss soziokultureller
Das zeigt auch die Einschätzung der erwerbsfähigen Normen auf Unternehmertum
im europäischen Vergleich
Bevölkerung zur Angst vor dem unternehmerischen
(Quelle: NES)
Scheitern, welche trotz unsicherer Zeiten in den letz-
ten Jahren eine stabile bzw. leicht sinkende Tendenz
aufweist: so geben im Erhebungsjahr 2022 43,7% der
befragten Österreicherinnen und Österreicher an, Angst
vor dem Scheitern zu haben (siehe Abbildung 30).

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 50


2022 2020 2012-2018 Δ2020 Δ2012–2018

Angst vor dem


43,7% 44,5% 44,5% 6 2
unternehmerischen Scheitern

Abbildung 30: Angst vor dem unter-


nehmerischen Scheitern (Quelle: APS)

2022 2020 Δ2020

Dieser Wert sinkt leicht seit 2016, was insofern


beachtlich ist, da soziokulturelle Normen von Burgenland 39,7% 46,4%
gesamtgesellschaftlichen Änderungen abhängig
sind, sich in der Regel stabiler als andere Indika-
toren halten und auch durch die krisenbehafteten
Kärnten 40,0% 47,0%
Zeiten zumindest in Österreich nicht beeinträchtigt
werden konnten. Das ist im europäischen Vergleich
bereits der sechstniedrigste Wert. Dieser Indika-
tor sinkt in Österreich sogar noch weiter auf ein Niederösterreich 40,1% 40,8%
Drittel, wenn nur jene befragt werden, die gute
Bedingungen für die Gründung eines Unterneh-
mens sehen – das ist international ein Rang unter Oberösterreich 40,4% 45,1%
den Top 10 (der neuntniedrigste unter den 51
teilnehmenden Ländern). Innerhalb Österreichs
(siehe Abbildung 31) finden sich die Personen mit Salzburg 42,0% 40,9%
der geringsten Angst vor dem unternehmerischen
Scheitern in Kärnten, gefolgt von Salzburg und
Vorarlberg: in diesen Ländern geben rund 40%
Steiermark 42,2% 43,3%
an, Angst vor dem unternehmerischen Scheitern
zu haben. In Burgenland (48,5%), Oberösterreich
(47,4%) und Wien (46,7%) liegt dieser Wert im
Jahr 2022 deutlich höher. Tirol 46,7% 49,3%

Es zeigt sich durch die längerfristige Erhebung der


GEM-Daten eine positive, wenn auch langsame Vorarlberg 47,4% 42,5%
Entwicklung hin zu unternehmensfreundlicheren
Normen in Österreich aus der Perspektive der
erwerbsfähigen Bevölkerung – hier im Sinne des
Wien 48,5% 39,3%
Risikoverhaltens, aber auch beim Image und Bild
des Unternehmertums (siehe Kapitel 2.3). Es wird
interessant, ob ein vergleichbarer Wandel auch von
den Expertinnen und Experten in den kommenden Abbildung 31: Angst vor dem unternehme-
GEM-Erhebungen wahrgenommen wird. rischen Scheitern im Bundesländervergleich
(Quelle: APS)

GEM Insight 2: Möglichkeiten, Motive und Image 51


03.
Akteurinnen
und Akteure
Das dritte Kapitel widmet sich der Demografie und dem Bildungsstand von
Österreichs Entrepreneuren – inwieweit unterscheiden sich diese von der
restlichen Bevölkerung, gibt es geschlechterspezifische Unterschiede und wie
wichtig ist das Bildungsniveau für die Gründungsaktivität? Des Weiteren er­
hebt GEM die Qualität der Entrepreneurship Education im Schul-, Hochschul-
und Berufsbildungsbereich sowie die in der Bevölkerung wahrgenommenen
Gründungskompetenzen.

52
Zentrale Ergebnisse

» Das Durchschnittsalter von Österreichs » Ein hoher Bildungsgrad ist erneut europaweit
Unternehmerinnen und Unternehmern steigt Treiber von unternehmerischer Aktivität. Die
leicht an, wobei es Unterschiede zwischen den Bedeutung von Bildung zeigt sich auch bei
Geschlechtern gibt. der FTI-Intensität in Unternehmen und deren
» Der Frauenanteil bei Gründungen nimmt weiter zu, Wachstumserwartungen.
geht jedoch mit steigender Technologieintensität » Die Expertinnen und Experten bewerten die
zurück. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Entrepreneurship Education hierzulande
Frauen und Männern bei den wahrgenommenen weiterhin unterdurchschnittlich. Im Gegensatz
Kompetenzen, Möglichkeiten und im dazu schätzt die Bevölkerung die eigenen
Risikoverhalten. Gründungskompetenzen zunehmend positiver ein.

Key Facts

1. 2.
Altersverteilung Geschlechtsverteilung
» Der Altersschnitt der Jungunternehmerinnen und » Der Frauenanteil steigt auf 44,8%, dennoch sind
Jungunternehmer steigt von 37,1 auf 39,3 Jahre 28,7% der Gründungsteams rein männlich
» Österreichs Jungunternehmerinnen sind im » Österreich belegt bei der Jungunternehmerinnen-
Schnitt etwas älter als die Jungunternehmer Rate im europäischen Vergleich Rang 13 von 20
» Der Altersschnitt der etablierten » 46% der Frauen schätzen ihre eigenen
Unternehmerinnen und Unternehmer steigt von Gründungsfähigkeiten positiv ein, gegenüber 61%
41 auf 42,5 Jahre bei den Männern

3. 4.
Bildung Entrepreneurship Education
» Der Akademikeranteil bei Unternehmerinnen » Im Schul- und Weiterbildungsbereich erneut
und Unternehmern ist deutlich höher als in der unterdurchschnittlich bewertet (Rang 19 bzw. 21 in
Gesamtbevölkerung Europa)
» Der Akademikeranteil der Jungunternehmerin- » Im Hochschulbereich positiver bewertet (Rang 10
nen und Jungunternehmer liegt bei 21,9% in Europa)
» Beim Akademikeranteil unter Jungunternehmen » Bei der Selbsteinschätzung der
liegt Österreich auf Rang 8 im europäischen Gründungsfähigkeiten auf Rang 7 in Europa
Vergleich verbessert

53
3.1
Altersverteilung
Das Durchschnittsalter von Österreichs Unternehmerinnen
und Unternehmern steigt leicht an – sowohl bei den
Gründenden als auch bei den etablierten Unternehmerin-
nen und Unternehmern, wobei es Unterschiede zwischen
den Geschlechtern gibt.

Die allgemeine Wahrnehmung in Bezug auf Alter und


Gründungsneigung geht von stereotypischen Mustern
aus. Jüngeren Menschen wird mehr Enthusiasmus,
eine höhere Kenntnis von neuen Trends und Tech-
nologien sowie eine größere Risikobereitschaft fürs
Gründen attestiert, während ältere Menschen über
mehr Erfahrung, Ressourcen und größere Netzwerke Dennoch ist die Gründungsrate (TEA) auch in Österreich
verfügen sollen. Allerdings ist dieses Zusammenspiel nach wie vor von jüngeren Alterskohorten geprägt. Die
durchaus komplexer, wie der internationale Vergleich TEA-Rate der 18-34-Jährigen ist höher als jene der
der GEM-Erhebung demonstriert (GEM, 2023). Für 35-64-Jährigen, allerdings wird der Unterschied kleiner.
Österreich zeigen die GEM-Daten einen leichten Anstieg In der Schweiz und in Luxemburg, welche vergleichbare
des Gründungsalters: insgesamt nimmt das Durch- TEA-Raten bei den jüngeren Kohorten aufweisen, ist
schnittsalter der österreichischen Jungunternehmerinnen die Rate der Kohorte 35-64 Jahre bereits höher als
und Jungunternehmer im Vergleich zu 2020 um 2,2 jene der 18-34-Jährigen. In den meisten europäischen
Jahre auf 39,3 Jahre zu. Den größten relativen Zuwachs Ländern wie Schweden, Slowenien, Niederlande, Litauen
verzeichnet die Alterskohorte 35-44 Jahre mit plus 6,2 oder Deutschland (mit einem höheren Anteil an Grün-
Prozentpunkten, welche im Erhebungszeitraum auf denden mit Migrationshintergrund; siehe Spotlight in
einen Anteil von 29,1% kommt (siehe Abbildung 32). Kapitel 1.1) wird die TEA jedoch nach wie vor von den
Diese Kohorte löst damit die in den vorangegangenen 18-34-Jährigen dominiert.
Erhebungen am stärksten repräsentierte Alterskohorte
von 25-34 Jahren ab – im Jahr 2022 beträgt deren Getrennt nach Geschlechtern betrachtet ist die öster-
Anteil 23,5%. Bei den übrigen Alterskohorten gibt es reichische Jungunternehmerin im Schnitt 40,4 Jahre
nur kleinere Veränderungen. alt, der österreichische Jungunternehmer 38,6 Jahre.
Ebenso steigt bei den etablierten Unternehmerinnen
und Unternehmern der Altersschnitt im Erhebungs-
zeitraum auf 42,5 Jahre an (plus 1,5 Jahre im Vergleich
zu 2020), wobei die etablierten Unternehmerinnen im
Schnitt etwas jünger als etablierte Unternehmer sind
(41,7 vs. 42,9 Jahre).

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 54


2022 2020 2012–2018 Δ2020 Δ2012–2018

18–24 11,3% 13,7% 13,1%

25–34 23,5% 34,3% 29,3%

35–44 29,1% 22,9% 26,1%

45–54 23,4% 19,2% 23,5%

55–64 12,7% 9,8% 8,0%

Altersschnitt 39,3 37,1 38,1

Abbildung 32: Jungunternehmerin-


nen und Jungunternehmer nach
Alterskohorten (Quelle: APS)

Insgesamt steigt das Durchschnittsalter seit der letzt-


maligen Erhebung im Jahr 2020 stärker als jenes der
österreichischen Bevölkerung im gleichen Zeitraum an
(plus 0,3 Jahre; Statistik Austria 2022). Es scheint, als
würden die derzeitigen herausfordernden Rahmen-
bedingungen in Österreich Entrepreneure mit mehr
Erfahrung, Ressourcen, Netzwerken, Wissen begüns-
tigen. Das ist etwas gegenläufig zum europäischen
Trend – allerdings im Tech Startup-Bereich –, wo der
Anteil von Gründenden mit Berufserfahrung unter 10
Jahren zunimmt (Atomico, 2022).

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 55


3.2
Geschlechterverteilung
Der Frauenanteil bei Gründungen steigt auf 44,8%, geht
jedoch mit steigender Technologieintensität stark zu-
rück. Darüber hinaus sind 28,7% der Gründungsteams
rein männlich. Bei der Jungunternehmerinnen-Rate liegt
Österreich im europäischen Vergleich auf Rang 13. Es gibt
deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei
den wahrgenommenen Kompetenzen, Möglichkeiten und
im Risikoverhalten.

Der Frauenanteil in der österreichischen Gründungs- verdeutlicht allerdings ein differenziertes Bild: Zunächst
szene entwickelt sich auf den ersten Blick erfreulich: sinkt der Frauenanteil mit zunehmender FTI-Intensivität
Der Anteil der Jungunternehmerinnen erreicht mit und Technologienutzung (siehe dazu auch Kapital 4.1)
44,8% einen neuen Höchststand (siehe Abbildung 33). und so beträgt dieser bei FTI-intensiven Unternehmen
Auch im europäischen Vergleich liegt Österreich beim nur mehr knapp 35%. Zudem geben deutlich weniger
Geschlechterverhältnis Frau/Mann mit einem Wert von Unternehmerinnen an, in den nächsten Jahren digitale
0,82 bereits an dritter Stelle. Eine nähere Betrachtung Technologien in ihrem Unternehmen einsetzen zu wollen
(35,2%) als Unternehmer (45,8%). Des Weiteren sind
Frauen in Gründungsteams – ähnlich wie im Startup-Be-
reich (ASM, 2022; 2023; beispielsweise wurden auch
alle österreichischen Unicorns von Männern gegründet;
Atomico, 2022) – unterdurchschnittlich stark repräsen-
tiert: so sind 28,7% der Gründungsteams ausschließlich
männlich besetzt, nur 9,3% sind reine Frauenteams
(siehe Abbildung 34). Darüber hinaus haben die meis-
ten Gründungsteams (61,9%) einen Frauenanteil von
weniger als 50%. Zuletzt sinkt der Frauenanteil bei den
etablierten Unternehmen im Vergleich zur letztmaligen
Erhebung um 1,5 Prozentpunkte auf 36,3%.

2022 2020 2012–2018 Δ2020 Δ2012–2018


Abbildung 33: Jungunter-
nehmerinnen und Jungun-
ternehmer nach Geschlecht männlich 55,2% 57,4% 60,9%
(Quelle: APS)

weiblich 44,8% 42,6% 39,1%

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 56


Im europäischen Vergleich (siehe Abbildung 35) liegt
Österreich bei der Frauen-TEA-Rate (Rate der Jungun-
ternehmerinnen) auf Rang 13 von 20 teilnehmenden
Ländern. Der Unterschied zur Männer-TEA-Rate (Rate
Spotlight UK
der Jungunternehmer) ist in Österreich zwar verhält-
nismäßig gering, insgesamt befinden sich aber beide Nach einem Rückgang im Zuge der Pandemie
Gründungsraten hierzulande auf einem vergleichsweise stieg die Rate der Jungunternehmerinnen und
niedrigen Niveau. Polen hat als einziges europäisches Jungunternehmer (TEA) im Vereinigten König-
Land eine höhere Frauen- als Männer-TEA-Rate, aller- reich wieder stark an und liegt 2022 über dem
dings gleichzeitig auch mit 1,6% die niedrigste TEA-Rate Vor-Covid-Niveau. Der Anteil an Jungunterneh-
im gesamten Vergleich. Die höchste Jungunterneh- merinnen nahm dabei stärker zu als jener der
merinnen-Rate im europäischen Vergleich hat UK mit Jungunternehmer, sodass sich deren Verhältnis
10,7% (siehe Spotlight). von 1,7 im Jahr 2019 auf 1,4 in 2022 verbes-
serte. Das ist zwar immer noch ein erheblicher
geschlechtsspezifischer Unterschied, allerdings
ist die Frauen-TEA-Rate in UK mittlerweile
die höchste im europäischen Vergleich. Eine
Entwicklung kann in diesem Zusammenhang
besonders hervorgehoben werden: 2019 berich-
tete das einflussreiche „Allison Rose Review of
Female Entrepreneurship“ über die anhaltenden
geschlechtsspezifischen Unterschiede in der TEA
und weiteren GEM-Indikatoren. Als Reaktion
darauf hat die Regierung angekündigt, die Zahl
der Unternehmerinnen bis 2030 um die Hälfte
zu erhöhen, was fast 600.000 zusätzlichen
Unternehmerinnen entspricht und Programme
wie den „Investing in Women Code“ für einen
besseren Zugang zu Ressourcen und finanziellen
Mitteln für Unternehmerinnen implementiert.
Seitdem steigt die Zahl der Institutionen, die den
Kodex unterschreiben und sich zu geschlechts-
spezifischer Transparenz bei der Mittelvergabe
verpflichten, kontinuierlich an. Neben dieser
positiven Entwicklung sollte jedoch auch ange-
merkt werden, dass insbesondere seit der Pande-
mie Frauen in UK häufiger aus der Notwendigkeit
Abbildung 34: Frauenanteil in Gründungsteams gründen als Männer.
mit mehr als 2 Gründenden und mindestens einer
Dr. Anastasia Ri und Dr. Neha Prashar, Aston
Person in Beschäftigung (Quelle: APS)
Business School (GEM Team UK)

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 57


Darüber hinaus zeigt die GEM-Erhebung auch geschlech-
terspezifische Unterschiede in der Kompetenzeinschät-
zung, der Wahrnehmung von Möglichkeiten und dem
Risikoverhalten (siehe Abbildung 36), welche auch Zudem gibt es bei den Gründungsmotiven Unterschiede
schon in vergangenen GEM-Erhebungen in Österreich zwischen Frauen und Männern (siehe Abbildung 37):
gemessen wurden (Friedl et al., 2019): Nur 45,6% der So ist bei Gründerinnen die Sicherstellung des Lebens-
befragten Frauen trauen sich im Erhebungszeitraum unterhaltes um 4 Prozentpunkte stärker verbreitet
zu, über das notwendige Wissen und die erforderli- (kann auch als Gründen aus der Notwendigkeit heraus
chen Fähigkeiten zur Gründung eines Unternehmens interpretiert werden), dafür steht die Fortführung
zu verfügen. Männer schätzen ihre Fähigkeiten hier einer Familientradition weniger im Vordergrund als
deutlich besser ein (60,6%). Darüber hinaus nehmen bei Gründern.
Frauen im Befragungszeitraum weniger Gründungs-
möglichkeiten wahr als Männer (47,2% vs. 51,5%).
Auch die Angst vor dem Scheitern ist bei Frauen mit
48,1% deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern
(39,3%). Das führt konsequenterweise auch zu niedri-
geren Gründungsabsichten bei Frauen als bei Männern
(7,2% vs. 9,7%).

Abbildung 35: Verhältnis und Höhe der Rate


der Jungunternehmerinnen (TEA Frauen) und
der Rate der Jungunternehmer (TEA Männer)
(Quelle: APS)

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 58


Frauen Männer Δ

Wahrgenommene Gründungskompetenzen 45,6% 60,6%

Wahrgenommene Gründungsmöglichkeiten 47,2% 51,5%

Angst vor dem unternehmerischen Scheitern 48,1% 39,3%

Abbildung 36: Wahrgenommene


Gründungskompetenzen, Möglich-
keiten, Angst vor dem unternehme-
rischen Scheitern nach Geschlecht
(Quelle: APS)

Jungunternehmerinnen Jungunternehmer Δ

Um die Welt zu verändern 35,5% 39,6%

Um eine Familientradition fortzuführen 13,3% 23,9%

Um den Lebensunterhalt zu verdienen,


48,1% 44,1%
weil Arbeitsplätze selten sind

Abbildung 37: Gründungsmotive


nach Geschlecht (Quelle: APS)

Der noch immer niedrige Anteil an Frauen in der Gründungslandschaft


kann daher auf verschiedene, wechselseitige Faktoren zurückgeführt
werden, die sich unter anderem aus der spezifischen Lebenssituation von
Frauen zu ergeben scheinen. Diese reichen von der Kindheit (etwa durch
vorgelebte Rollenbilder), über die Aus- und Weiterbildung (siehe dazu
Kapitel 3.3 und 3.4) bis ins Berufsleben (die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie ist eine Herausforderung und trifft Frauen allgemein, im Speziellen
aber Gründerinnen – ein hohes Maß an Flexibilität und unregelmäßige,
lange Arbeitszeiten sind erforderlich). Dies belegen auch die diesjährigen
GEM-Auswertungen zur Auseinandersetzung mit Unterstützungsleistun-
gen (siehe dazu auch Kapitel 5.2): Der Anteil an Frauen, welche bessere
Unterstützungsmöglichkeiten bei der Familienbetreuung fordern, ist um
50% höher als bei Männern. Zusätzlich scheint das existierende Förder-
angebot stärker Jungunternehmer anzusprechen und wird mit 63,1% von
diesen stärker als von Jungunternehmerinnen genutzt (54,3%).

Die GEM-Erhebung zeigt, dass der Anteil an Jungunternehmerinnen in


Österreich in der Breite zunimmt. Diese Entwicklung gilt es verstärkt in
den FTI-Bereich, bei Teamgründungen und in weiterer Folge in etablierte
Unternehmen zu übertragen – die Analyse der GEM-Ergebnisse spricht vor
allem für mehr Initiativen im Bereich der Bildung, Aus- und Weiterbildung,
der soziokulturellen Normen und zielgerichtetere Unterstützungsleistungen.

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 59


3.3
Bildungsgrad
Ein hoher Bildungsgrad ist erneut Treiber von un-
ternehmerischer Aktivität: auch im Jahr 2022 haben
Österreichs Unternehmerinnen und Unternehmer
einen höheren Akademikeranteil als die Gesamt­
bevölkerung. Die Bedeutung von Bildung zeigt sich
zudem bei der FTI-Intensität in Unternehmen und
deren Wachstumserwartungen.

Im Rahmen der GEM-APS-Erhebung wird auch der höchste abgeschlossene


Bildungsgrad für unterschiedliche Gruppen abgefragt und gegenüber-
gestellt. Ein Hochschulabschluss beispielsweise kann einerseits durch
höheres Selbstvertrauen, vertiefende unternehmerische Bildung, Wissen
oder verbesserten Zugang zu Netzwerken bei der Gründung eines neuen
Unternehmens unterstützend wirken. Auf der anderen Seite verdienen
Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen in der Regel besser
und könnten dadurch weniger Anreiz sehen, zu gründen.

Die GEM-Daten zeigen, dass der Anteil der Hochschulabschlüsse bei


Jungunternehmerinnen und Jungunternehmern in Österreich im Befra-
gungszeitraum bei 21,9% und in etwa auf dem Niveau der letztmaligen
Erhebungen liegt (siehe Abbildung 38), aber deutlich über jenem der
gesamten erwerbsfähigen Bevölkerung (15,9%; siehe Abbildung 39). Die
größte Gruppe sind erneut Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer
mit Sekundarabschluss (Matura, Berufs- oder Lehrabschluss): deren Anteil
liegt im Jahre 2022 bei 57,1%, aber unter jenem der gesamten erwerbsfä-
higen Bevölkerung (64,1%). Bei den anderen Bildungsabschlüssen gibt es
nur geringfügige Unterschiede zwischen Jungunternehmerinnen/Jungun-
ternehmern und der gesamten erwerbsfähigen Bevölkerung.

Abbildung 38: Höchster


abgeschlossener Bildungsgrad
Jungunternehmerinnen und
Jungunternehmer (Quelle: APS)

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 60


Abbildung 39: Gegenüberstellung
des höchsten abgeschlossenen
Bildungs­grades 2022 (Quelle: APS)

Bei den etablierten Unternehmerinnen und Unternehmern zeigt sich ein


ähnliches Bild: mehrheitlich verfügen diese über einen Sekundarabschluss
(60,7%), der Anteil an Personen mit Hochschulabschluss beträgt in jener
Gruppe 20%, und ist somit deutlich höher als in der gesamten erwerbsfä-
higen Bevölkerung. Darüber hinaus steigt der Anteil von Akademikerinnen
und Akademikern mit der FTI-Intensivität des Unternehmens (siehe dazu
auch Kapitel 4) und beträgt bei FTI-intensiven Unternehmen 25%.

Im internationalen Vergleich (GEM, 2023) wird die Bedeutung von Bildung


für verstärkte Gründungsaktivität noch einmal deutlicher. In allen an GEM
teilnehmenden europäischen Ländern liegt die Rate der Jungunternehmerin-
nen und Jungunternehmer (TEA) mit Hochschul- oder postsekundärem
Abschluss klar über jener der gesamten erwerbsfähigen Bevölkerung.
Besonders groß ist dieser Unterschied in Luxemburg, Rumänien oder
Zypern mit einer mehr als doppelt so hohen Gründungsrate von Personen
mit Hochschul- oder postsekundärem Abschluss. Auch in Österreich ist
diese Rate mit 9,4% deutlich höher und liegt klar über jener der gesamten
erwerbsfähigen Bevölkerung (6,8%). Beim Verhältnis „TEA Hochschul-
abschluss/TEA gesamt“ liegt Österreich auf Rang 8 (von 20 teilnehmen-
den europäischen Ländern). Zusätzlich zeigen Korrelationsanalysen des
GEM2022-Datensatzes einen mittelstarken positiven linearen statistischen
Zusammenhang (Wert von 0,43) zwischen TEA Hochschulabschluss und
hohen Wachstumserwartungen für alle europäische Länder. Bildung ist
also einmal mehr Treiber für verstärkte Gründungsaktivität und entspre-
chendem Wachstum.

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 61


3.4
Entrepreneurship Education
Die Expertinnen und Experten bewerten die unter-
nehmerische Aus- und Weiterbildung in den Schulen,
Hochschulen und der Berufsbildung weiterhin unter-
durchschnittlich, wobei es Unterschiede zwischen diesen
Bereichen gibt. Im Gegensatz dazu schätzt die Bevölke-
rung die eigene Gründungskompetenz positiver ein.

Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen und entsprechende Motive zu haben


sind wichtige Gründungsvoraussetzungen, ebenso die Überzeugung, dass
es möglich ist, ein Unternehmen zu gründen. Anzumerken ist, dass selbst
diese Voraussetzungen nicht hinreichend sein müssen, wenn der Glaube in
die eigenen Fähigkeiten fehlt, um ein Unternehmen zu gründen. Entrepre-
neurship Education soll dabei Menschen die Fähigkeiten, Kenntnisse und
Einstellungen vermitteln, um erfolgreich ein Unternehmen zu gründen und
zu führen. Das kann die Entwicklung von Geschäftsideen, das Verständnis
von Finanzen und Marketing, die Fähigkeit zur Teamarbeit und Problem-
lösung sowie die Förderung von Risikobereitschaft und Unternehmer-
tum umfassen und Menschen ermutigen, ein Unternehmen zu gründen.
Gemäß einer Umfrage der WKO (2019) gründen zwischen 15% und 20%
der Schülerinnen und Schüler später ein eigenes Unternehmen, welche in
der Sekundarstufe an einem Schülerfirmenprojekt teilgenommen haben.

Weniger erfreulich liest sich – erneut – der Befund der Expertinnen und
Experten zur Entrepreneurship Education in Österreich (siehe Abbildung 40).
In der Primär- und Sekundarstufe wird die unternehmerische Ausbildung
seit Jahren negativ eingeschätzt und als ein zentrales Handlungsfeld für
das Gründungsökosystem in Österreich identifiziert. Dieses Thema wird
hier über Einschätzungen zur Förderung von Kreativität, Selbstständigkeit
und Eigeninitiative, der Vermittlung von marktwirtschaftlichen Kenntnis-
sen und der Präsenz von Unternehmertum im Lehrplan erfasst (siehe dazu
die Subindikatoren in Abbildung 40) und auch im Erhebungsjahr 2022 mit
1,8 Punkten auf einer Skala von 1 bis 5 (wobei 5 die beste Bewertung ist)
negativ bewertet.

Allerdings stellt die unternehmerische Erziehung in der Primär- und Sekun-


darstufe eine europaweite, wenn nicht sogar globale Herausforderung dar
(siehe Abbildung 41): Alle teilnehmenden europäischen und die Mehrheit
der anderen teilnehmenden Länder werden in der GEM-Erhebung (mit
wenigen Ausnahmen; in Europa sind das heuer Lettland und die Nieder-
lande) unterdurchschnittlich eingeschätzt. Im europäischen Vergleich
kann im Jahr 2022 Österreich das Schlusslicht zumindest an Polen und
Kroatien (siehe Spotlight) abgeben. Die niederländische Regierung hat
beispielsweise bereits im Jahr 2008 ein Programm zur Förderung der
unternehmerischen Bildung in den Schulen auf nationaler Ebene umgesetzt,
welches nach einer längeren Anlaufphase bis heute erfolgreich nachwirkt
(Friedl et. al, 2021). Dies zeigt, dass Veränderungen im Bildungssystem
ein längerfristiges Vorhaben sind und erst mit entsprechender Verzö-

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 62


2022 2020 Europa DACH Spitzenreiter

Unternehmerische Erziehung
1,8 1,7 19 3 Lettland (3,3)
in Primär-und Sekundarstufe

Die Primär- und Sekundarstufe regt Kreativität,


2,1 1,9 16
Selbstständigkeit und Eigeninitiative an.

Die Primär- und Sekundarstufe vermittelt


ausreichend Kenntnisse über das Funktionieren 1,7 1,7 20
einer Marktwirtschaft.
Die Primär- und Sekundarstufe schenkt Entrepreneurship
und Unternehmensgründungen ausreichende 1,7 1,6 20
Aufmerksamkeit.

Unternehmerische Aus- und Weiterbildung


2,5 2,7 19 3 Niederlande (3,4)
im Hochschul- und Berufsbildungsbereich

Fachhochschulen und Universitäten bieten eine gute und


angemessene Vorbereitung für die Gründung und das 2,8 2,3 10
Wachstum neuer Unternehmen.
Die praxisnahe Wirtschafts- und Managementaus­
bildung, bezogen auf die Qualität und Quantität des
3,0 2,7 11
verfügbaren Angebots, bereitet angemessen auf die
Gründung und das Wachstum neuer Unternehmen vor.
Die berufliche Aus-, Weiter- und Fortbildung bietet eine
gute und angemessene Vorbereitung für die Gründung 1,7 3,0 21
und das Wachstum neuer Unternehmen.

Abbildung 40: Einschätzung der Expertin-


nen und Experten zur unternehmerischen
Aus- und Weiterbildung inklusive der
jeweiligen Subindikatoren (Quelle: NES)

gerungen Wirkung entfalten. Auf nationaler Ebene


wurden beispielsweise die Lehrpläne für Volks- und
Mittelschulen sowie AHS-Unterstufen überarbeitet
und sollen ab 2023/24 mit einer stärkeren Verankerung
der Bereiche Finanz- und Wirtschaftsbildung in Kraft
treten (BMBWF, 2023). Da der Entwicklungsprozess
der Lehrpläne knapp fünf Jahre in Anspruch genommen
hat, soll dieser in Zukunft flexibler und entkoppelter
für Anpassungen in Teilbereichen stattfinden. Diese
Anpassungen sollten auch die Wünsche der Jugendli-
chen berücksichtigen, die sich in aktuellen Umfragen
wie des YEP Jugendberichts zur Wirtschaftsbildung
(2022) mehrheitlich dafür aussprechen, Kompetenzen
zur Selbstständigkeit, unterstützt durch praktische
und experimentelle Elemente, zu erlernen (YEP, 2022).
Daneben gibt es weitere Initiativen im Schulbereich
wie etwa die Landkarte Entrepreneurship Education
in Kooperation mit BMAW, BMBWF und IFTE (2020),
die Junior Company Austria oder die Youth Entrepre-
neurship Woche.

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 63


Im Hochschul- und Berufsbildungsbereich (siehe Abbildung 40) fällt die Einschätzung
der Expertinnen und Experten differenzierter aus. Insgesamt sinkt die Beurteilung auf
der Skala von 1 bis 5 im Jahr 2022 leicht auf 2,5 und im europäischen Vergleich bedeutet
dies nur den 19. Rang (bei 21 teilnehmenden Ländern). Zwischen dem Hochschul- und
dem Berufsbildungsbereich gibt es allerdings erhebliche Unterschiede: während der
österreichische Hochschulbereich bezogen auf Entrepreneurship Education deutlich
positiver als 2020 eingeschätzt wird und sich auch im europäischen Vergleich zumin-
dest ins Mittelfeld vorschiebt (siehe dazu die Subindikatoren in Abbildung 40), fällt der

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 64


Berufsbildungsbereich stark ab. Die Bewertung sinkt
von 3,0 im Jahr 2020 auf 1,7 im Jahr 2022, was den
letzten Platz im europäischen Vergleich bedeutet. Es
wird zu beobachten sein, ob diese negative Bewertung
des Berufsbildungsbereichs ein einmaliger Ausreißer
ist, oder sich in kommenden Erhebungen bestätigt. Abbildung 41: Einschätzung der
Die GEM-Erhebung zeigt jedenfalls auch, dass Unter- Expertinnen und Experten zur
nehmen insbesondere eine bessere und zielgerichtete unternehmerischen Aus- und
Unterstützung für Gründende in Österreich im Bereich Weiterbildung im internationalen
Vergleich, getrennt betrachtet
der Aus- und Weiterbildung fordern (siehe Kapitel 5.2).
nach Ländern mit niedrigem
(links), mittlerem (Mitte) und ho-
hem (rechts) Einkommensniveau
(Quelle: NES)

GEM Insight 3: Akteurinnen und Akteure 65


Die unterschiedliche Einschätzung der Expertinnen
und Experten zur heimischen Entrepreneurship Educa-
Ein interessanter Kontrast zum negativen GEM-NES-Ex- tion und der wahrgenommenen Kompetenzen der
pertenbefund der Entrepreneurship Education scheint Bevölkerung ist bemerkenswert. Ähnliche Ergebnisse
sich seit der GEM-APS-Erhebung des Jahres 2020 zu werden in den letzten Jahren in mehreren europäischen
entwickeln und fortzusetzen. Hier wird die erwerbsfä- Ländern in der GEM-Erhebung festgestellt, insbesondere
hige Bevölkerung zu ihrer Selbsteinschätzung in Bezug Kroatien sticht hierbei hervor (siehe Spotlight). Eine
auf das Wissen und die erforderlichen Fähigkeiten mögliche Erklärung ist, dass Gründungskompetenzen
zur Gründung eines Unternehmens befragt und diese verstärkt außerhalb des formalen Aus- und Weiterbil-
entwickelt sich positiver als die kritische Einschätzung dungssystems erworben werden (über non-formelle/
der Expertinnen und Experten zur unternehmerischen formale Wege) – hier sind insbesondere sogenannte
Aus- und Weiterbildung in Österreich (siehe Abbildung soziale Kompetenzen von hoher Relevanz, etwa die
42). Im Jahr 2022 geben erneut mehr als 53% der Fähigkeit, komplexe Aufgaben lösen zu können, oder
Befragten an, über die erforderlichen Kompetenzen Verhandlung- und Problemlösungsfähigkeiten etc. Auch
zur Gründung eines Unternehmens zu verfügen. Dieser unterscheiden sich die Voraussetzungen für Unterneh-
Wert liegt mit plus 4,1 Prozentpunkten deutlich über
dem Durchschnittswert zur Selbsteinschätzung der
Gründungskompetenzen in den Vergleichsjahren vor
2020. Auch im internationalen (siehe Abbildung 43)
sowie europäischen Vergleich (Rang 7 von 21) verbessert
sich Österreich bei der Kompetenzeinschätzung ins
Mittelfeld und in der DACH-Region sogar auf Rang 1.

2022 2020 2012-2018 Δ2020 Δ2012–2018

Wahrgenommene
53,2% 53,3% 49,1%
Gründungskompetenzen

Abbildung 42: Wahrgenommene


Gründungskompetenzen (Quelle: APS)

GEM Insight 3:
2: Akteurinnen und Akteure 66
Spotlight Kroatien
Die hohe Gründungsaktivität bringt Kroatien bei
der TEA-Rate im Jahr 2022 ins Spitzenfeld im
europäischen Vergleich (siehe Kapitel 1.1), aber
es wird überwiegend aus Notwendigkeitsmotiven
heraus gegründet, selten aufgrund wahrgenom-
mener Möglichkeiten. Dabei spielt das Bildungs-
niveau eine Rolle: Menschen ohne Sekundarab-
mensgründungen und den dafür benötigten Fähigkeiten schluss haben die niedrigste TEA-Rate (5,4%)
(beispielsweise ist der EPU-Anteil in der TEA sowohl und die Gründungsaktivität steigt mit dem
in Österreich und Kroatien relativ hoch). Eine weitere Bildungsniveau (TEA von 10,8% und 16,2% für
Erklärung könnte sein, dass die öffentliche Meinung und die Sekundar- bzw. Tertiärstufe). Dies triff auch
Experteneinschätzung durch die jahrelange negative bei anderen Indikatoren zu: Die Angst vor dem
Bewertung und Berichterstattung über Entrepreneurship Scheitern nimmt mit dem Bildungsniveau ab,
Education in Österreich zu einem gewissen Grad beein- während die wahrgenommenen Geschäftsmög-
flusst werden, in der Bevölkerung mittlerweile aber ein lichkeiten, die unternehmerischen Kompeten-
Wandel einsetzt (ein ähnlicher Schluss könnte bei der zen und Gründungsabsichten stark zunehmen
Experteneinschätzung zu den soziokulturellen Normen – nicht nur im Jahr 2022, sondern auch in den
und der Bewertung von Status, Image und Fehlerkultur Jahren davor. Es erscheint, als ob Menschen
durch die Bevölkerung gezogen werden; siehe Kapitel mit geringerer Bildung in der sogenannten
2.3 und Kapitel 2.4). Zuletzt stellt sich auch die Frage "dreaming phase" unternehmerischer sind,
nach dem Auftrag von Entrepreneurship Education, ob aber in der Realisierungsphase höhere Bildung
dadurch Gründungen in erster Linie quantitativ erhöht der Schlüssel zur Umsetzung ist. Diese Muster
(Stimulation) oder qualitativ verbessert (erfolgreicher, zeigen sich stabil über die Jahre und senden
beispielweise kann auch eine Nicht-Gründung Ziel sein) wichtige Botschaften an das Bildungssystem,
werden sollen. welches als die schwächste Komponente unter
den unternehmerischen Rahmenbedingungen
Unabhängig von der Ausrichtung der Entrepreneurship in Kroatien bewertet wird. Daher wird über
Education unterstreichen die GEM-Daten auch in der eine stärkere Verankerung unternehmerischer
diesjährigen Erhebung, dass eine Maßnahmensetzung Kompetenzentwicklung in den Lehrplänen disku-
in allen Aus- und Weiterbildungsbereichen dringend tiert, insbesondere eine stärkere Orientierung
notwendig ist, um die erwerbsfähige Bevölkerung zum projektbasierten Lernen.
in ihrer positiven Selbsteinschätzung zu bestärken Prof. Slavica Singer, Ph.D., UNESCO Chair in
sowie Gründungsdenken tiefergehend in soziokulturelle Entrepreneurship Education, J.J. Strossmayer
Normen einzubetten und dem erfolgreichen Beispiel University Osijek (GEM Kroatien)
der Niederlande zu folgen.

GEM Insight 3:
2: Akteurinnen und Akteure 67
04.
Forschung,
Technologie und
Innovation (FTI)
Im Rahmen einer Zusatzauswertung analysiert GEM seit 2014 die
Entwicklung der FTI-Intensität der heimischen Unternehmensland-
schaft. FTI-intensive Unternehmen antizipieren stärker neue
Geschäftsmöglichkeiten, treiben Beschäftigung und Wachstum und
stellen einen entscheidenden Faktor zur Sicherung der Wettbewerbs-
und Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes dar. Neben der
Analyse der FTI-Intensität für junge und etablierte Unternehmen
ermöglicht GEM zudem eine getrennte und detaillierte Betrachtung
der einzelnen FTI-Faktoren.

68
Zentrale Ergebnisse

» Die FTI-Intensität von vor 2020 wird noch nicht » Die Technologieintensität ist unter Österreichs
erreicht: leichten Zuwächsen bei den FTI-intensiven Jungunternehmen höher als bei den
Unternehmen stehen Rückgänge bei den FTI- etablierten, die Nutzung von Technologien
basierten gegenüber. über dem Branchenniveau nimmt jedoch ab.
» Der Forschungsindikator zeigt eine erfreuliche Bei der Digitalisierung liegen Österreichs
Entwicklung: besonders auf Forschung gestützte Jungunternehmen im europäischen Mittelfeld.
Geschäftstätigkeit und Spin-off-Aktivitäten » Der Innovationsgrad nimmt nur leicht zu:
nehmen zu. Das Niveau des Wissens- und trotz zunehmender Produktentwicklung und
Technologietransfers liegt konstant im europäischen verstärktem geistigen Eigentumsschutz können
Mittelfeld. Wettbewerbsvorteile weniger erfolgreich realisiert
werden. Auch die Intrapreneurship-Aktivitäten
sind rückläufig.

Key Facts

1. 2.
Forschung, Technologie und Innovation Einzelindikator Forschung
» Anstieg der FTI-intensiven Unternehmen » Zunahme bei auf Forschung gestützter
gegenüber 2020 um 1,9 Prozentpunkte Geschäftstätigkeit und Spin-off-Aktivitäten um rund
» Rückgang bei FTI-basierten Unternehmen 5 Prozentpunkte gegenüber 2020
gegenüber 2020 um 1 Prozentpunkt » Anstieg der Forschungsintensität insgesamt,
» Niveau von vor 2020 insgesamt noch nicht insbesondere im Bereich der forschungsbasierten
erreicht Unternehmen (plus 10 Prozentpunkte gegenüber 2020)
» Niveau des Wissens- und Technologietransfers
konstant bewertet, Rang 10 (von 21) im europäischen
Vergleich

3. 4.
Einzelindikator Technologie Einzelindikator Innovation
» Rückgänge, vor allem beim Subindikator » Neue Produkte/Dienstleistungen und geistiger
„Technologie über Branchenniveau“ (minus 7,2 Eigentumsschutz wieder ansteigend (plus 2,6 bzw.
Prozentpunkte gegenüber 2020) 2,7 Prozentpunkte gegenüber 2020)
» Insgesamt Rückgang technologiebasierter » Daraus resultierende Wettbewerbsvorteile können
Unternehmen (minus 6,6 Prozentpunkte), der Anteil jedoch weniger stark realisiert werden
technologieintensiver Unternehmen bleibt konstant » Die Innovationsintensität von jungen und etablierten
» Der Digitalisierungsgrad von Jungunternehmen ist Unternehmen steigt wieder an, erreicht aber noch
durchschnittlich im europäischen Vergleich (Rang 11 nicht das Niveau von vor 2020
von 20)

69
4.1
FTI-Intensität
Im Vergleich zu 2020 gibt es in Österreich insgesamt
wieder mehr FTI-intensive Unternehmen, dafür nimmt
die Zahl der FTI-basierten Unternehmen ab. Die FTI-
Intensitätsgrade von vor 2020 werden noch nicht er- FTI Definition
reicht und es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Seit 2014 erhebt GEM zur Analyse des Intensitäts-
FTI-Subindikatoren sowie den unterschiedlichen Phasen grades von Forschung, Entwicklung und Innova-
des Unternehmertums. tion (FTI) in der Gründungslandschaft Österreichs
Einzelindikatoren zu Forschung, Technologie und
Innovation. Diese sind in den folgenden Kapiteln
4.2-4.4 detaillierter beschrieben und basieren auf
GEM bietet seit 2014 einen detaillierteren Blick auf einer Definition aus dem Oslo und Frascati Manual
FTI-basierte und FTI-intensive Unternehmen in Öster- (OECD, 2015; OECD/Eurostat, 2018).
reichs Gründungslandschaft, um die Dynamik von
Forschung, Entwicklung und Innovation über die Zeit Aus den drei Einzelindikatoren wird ein FTI-In-
zu dokumentieren. Forschungsintensive, technologie- dikator aggregiert, wobei zwei unterschiedliche
führende und innovative Unternehmen treiben den Intensitäten betrachtet werden:
strukturellen Wandel, erhöhen die Wettbewerbsfähig-
keit des Landes, steigern die Produktivität, schaffen » FTI-basierte Unternehmen sind entweder
Arbeitsplätze und reagieren in der Regel flexibler auf forschungs-, technologie-, oder innovati-
volatile Rahmenbedingungen. onsbasiert;
» FTI-intensive Unternehmen sind die Sum-
Auch im Erhebungsjahr 2022 zeigt sich, dass FTI-inten- me der forschenden, technologieführenden
sive Unternehmen stärker neue Geschäftsmöglichkeiten und innovativen Nischenplayer und die
antizipieren: 50,3% dieser Unternehmen geben an, in Avantgarde der FTI-Unternehmen.
den kommenden sechs Monaten Gründungsmöglich-
Beide FTI-Intensitäten werden zudem für Jungun-
ternehmen und etablierte Unternehmen berechnet.

keiten in der Region zu erkennen (siehe Abbildung 44


links) – gegenüber nur 23,6% bei nicht FTI-intensiven
Unternehmen. Zudem steigen die Wachstumserwar-
tungen mit der FTI-Intensivität eines Unternehmens
deutlich an und sind um 12,5 Prozentpunkte höher als
bei den übrigen Unternehmen in der Stichprobe (siehe
Abbildung 44 rechts). Diese und weitere Indikatoren
– beispielsweise um 7% höhere Internationalisierungs-
raten (siehe Kapitel 1) – unterstreichen die Bedeutung
von Forschung, Technologie und Innovation für den
Standort.

In der letztmaligen Erhebung, unmittelbar während der


ersten Auswirkungen der Covid-19 Pandemie, ist die
FTI-Intensität in Österreich zurückgegangen, vor allem
die etablierten FTI-basierten Unternehmen waren über-
proportional betroffen (Friedl et al., 2021). Durch eine
sprunghafte Veränderung der exogenen Rahmenbedin-
gungen und einer daraus resultierenden Neubewertung
Abbildung 44: Wahrnehmen von von Wettbewerbsvorteilen und Innovationsgraden ging
neuen Geschäftsmöglichkeiten und in Österreich die FTI-Intensität über alle Phasen des
Wachstumserwartungen (Quelle: APS) Unternehmertums teilweise deutlich zurück.

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 70


Die GEM-Ergebnisse des Erhebungsjahres 2022 (siehe Abbildung 45)
ergeben nur in einzelnen Bereichen eine Verbesserung gegenüber den
Werten des Jahres 2020. Bei Jungunternehmen nimmt sowohl der Anteil
der FTI-basierten, als auch jener der FTI-intensiven Unternehmen ab (minus
2,6 bzw. 1,5 Prozentpunkte). Da Jungunternehmen ihre Geschäftsmodelle
stärker auf neuesten Forschungsergebnissen, Produkten/Dienstleistungen
und Technologien aufbauen als etablierte Unternehmen (siehe Kapitel
4.2-4.4), stehen sie auch verstärkt im Wettbewerb. Bei den etablierten
Unternehmen geht der Anteil FTI-basierter Unternehmen leicht zurück
(minus 1 Prozentpunkt), allerdings gibt es wieder mehr FTI-intensive
etablierte Unternehmen (plus 4,3 Prozentpunkte). In der Gesamtbe-
trachtung aller Unternehmen (junge und etablierte Unternehmen) führen
diese Entwicklungen zu einem leichten Rückgang bei den FTI-basierten
Unternehmen (minus 1 Prozentpunkt), aber zu einem Anstieg der FTI-in-
tensiven Unternehmen (plus 1,9 Prozentpunkte).

Abbildung 45: Übersicht FTI-Indikatoren


nach Phasen der unternehmerischen
Aktivität (Quelle: APS)

Auch im WIFO Wettbewerbsradar (Peneder et al.,


2022) ist Österreich im Jahr 2022 zuletzt knapp hinter
das obere Drittel der europäischen Vergleichsländer
zurückgefallen. Durchschnittlich gab es über alle 24 investieren. Der neue „FTI-Pakt“ der Bundesregierung
Indikatoren Rückgänge um 4,3 Prozentpunkte gegen- für die Periode 2024–2026 mit fünf Milliarden Euro
über 2021 (Anm.: einzelne Indikatoren sind nur für die Volumen – das ist eine Steigerung von 31% gegen-
Jahre 2020 und 2019 verfügbar). Im European Inno- über der Vorperiode und an den Schwerpunkten der
vation Scoreboard (Europäische Kommission, 2022a) FTI-Strategie 2030 ausgerichtet – ist hier ein Schritt
befindet sich Österreich weiterhin in der zweitstärksten in die richtige Richtung.
Gruppe der sogenannten „strong innovators“ (hinter
den „innovation leaders“), der Innovationsindikator für Eine nähere Analyse der einzelnen FTI-Indikatoren
Österreich nimmt aber langsamer als im europäischen der GEM-Erhebung bringt zusätzliche Aufschlüsse
Durchschnitt zu und deutet ebenso einen Verlust der und ergibt ein differenziertes Bild für die Bereiche
Wettbewerbsfähigkeit an. Aufgrund der Bedeutung der Forschung, Technologie und Innovation, auch für die
FTI-Intensität für den Standort und einer zu erwarten- unterschiedlichen Phasen des Unternehmertums. Daher
den weiteren Verschärfung des globalen Wettbewerbs werden in den folgenden drei Kapiteln diese Indikato-
ist es daher umso wichtiger, bei bestimmten Unterneh- ren separat betrachtet, um zielgerichtete Maßnahmen
men und Wirtschaftszweigen in die FTI-Intensität zu ableiten zu können.

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 71


4.2
Forschung und
Unternehmertum
Der Forschungsindikator zeigt als einziger der
FTI-Indikatoren eine erfreuliche Entwicklung,
besonders auf Forschung gestützte Geschäfts-
tätigkeit und Spin-off-Aktivitäten nehmen in
allen Phasen des Unternehmertums zu. Dies führt
insgesamt zu einem Anstieg der Forschungsin- Definition forschungsbasierte und
tensität, insbesondere im Bereich der forschungs- forschende Unternehmen
basierten Unternehmen. Das Niveau des Wis-
Drei Indikatoren werden zur Berechnung der
sens- und Technologietransfers bleibt hingegen
Forschungsintensität herangezogen:
konstant und liegt im europäischen Mittelfeld.
1. „Schafft F&E“: das Unternehmen produziert
neue Ergebnisse in Forschung & experimenteller
Entwicklung bzw. entwickelt neue wissenschaft-
liche Verfahren bzw. Methoden;
Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen und 2. „Auf F&E gestützt“: das Unternehmen stützt
ein erfolgreicher Wissens- und Technologietransfer seine Geschäftstätigkeit auf neue oder bisher
generieren die Basis für neue Wettbewerbsvorteile. Das ungenutzte Ergebnisse der Forschung & exper-
Erbringen von eigenständiger Forschungsleistung, die imentellen Entwicklung oder auf neue wissen-
auch in neue Produkt-Markt-Kombinationen übersetzt schaftliche Verfahren bzw. Methoden;
werden müssen (auf Basis von F&E-Anstrengungen) ist 3. „Spin-offs“: das Unternehmen ist direkt aus
für junge und etablierte Unternehmen gleichermaßen öffentlich finanzierten Forschungseinrichtun-
eine Herausforderung. Um diese Forschungsintensität gen, Universitäten und Fachhochschulen heraus
zu erfassen, setzt sich der GEM-Forschungsindikator gegründet, mit dem Ziel, zumindest einen Teil
mit drei Subindices auseinander (siehe Definition und des in akademischen Institutionen geschaffenen
Abbildung 46), die im Folgenden diskutiert werden. Wissens zu verwerten.

Bei der Schaffung neuer Ergebnisse in der Forschung Forschungsbasierte Unternehmen erfüllen eines
(„schafft F&E“) geben 16,6% der Jungunternehmen der drei Kriterien.
und 12,4% der etablierten Unternehmen an, diese im
Rahmen der üblichen/geplanten Geschäftstätigkeit Forschende Unternehmen erfüllen entweder das
zu generieren. Das ist ein minimaler Anstieg bei den erste und das zweite oder das erste und das dritte
Jungunternehmen gegenüber der letzten Erhebung im Kriterium.
Jahr 2020 (plus 0,3 Prozentpunkte) und ein größerer
Anstieg um 4,7 Prozentpunkte bei den etablierten Unter-
nehmen, bereits auf das Vorkrisenniveau (Vergleichs-
zeitraum 2014–2018).

Immerhin stützen 25,3% der Jungunternehmen im Aus Sicht der Expertinnen und Experten, welche im
Jahr 2022 ihre Geschäftstätigkeit auf neue oder bisher Rahmen der GEM-NES-Erhebung befragt werden,
ungenutzte Forschungsergebnisse oder Verfahren („auf gelingt allerdings der Transfer von Forschungs- und
F&E gestützt“). Bei diesem Indikator können sich sowohl Entwicklungsleistungen aus dem universitären Umfeld
etablierte als auch Jungunternehmen weiter steigern in die Wirtschaft im Jahr 2022 erneut nur mittelmäßig
(plus 6,2% bzw. 3,6% Prozentpunkte im Vergleich zu (siehe Abbildung 47). Konkret werden der Wissens- und
2020), auch gegenüber dem Vor-Covid-Vergleichszeit- Technologietransfer zwischen Forschung und Wirtschaft,
raum. Im Jahr 2022 haben darüber hinaus 13,2% aller das Angebot an Unterstützungsmaßnahmen sowie der
Jungunternehmen und 8,2% der etablierten Unter- Zugang bzw. die Verfügbarkeit von neuesten Techno-
nehmen mit dem Ziel gegründet, das in außeruniver- logien auf einer Skala von 1 bis 5 mit 2,7 leicht unter
sitären Forschungseinrichtungen, Universitäten oder der Skalenmitte bewertet. Auch im Vergleich mit den
Fachhochschulen geschaffene Wissen zu verwerten teilnehmenden europäischen Ländern liegt Österreich
(„Spin-Offs“). Auch bei diesem Einzelindikator gibt beim F&E-Transfer konstant im Mittelfeld auf Rang
es durchwegs erfreuliche Zuwächse gegenüber 2020 10. Dieses Ranking wird dieses Jahr von der Schweiz
und davor. angeführt (siehe Spotlight).

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 72


2022 2020 2014-2018 Δ2020 Δ2014–2018

Jungunternehmerinnen
16,6% 16,3% 22,3%
und Jungunternehmer

Einzelindikator Etablierte Unternehmerinnen


12,4% 7,7% 11,7%
„schafft F&E“ und Unternehmer

Alle 14,1% 11,3% 17,5%

Jungunternehmerinnen
25,3% 21,7% 22,7%
und Jungunternehmer

Einzelindikator „auf Etablierte Unternehmerinnen


16,4% 10,2% 13,0%
F&E gestützt“ und Unternehmer

Alle 20,3% 15,0% 18,9%

Jungunternehmerinnen
13,2% 8,9% 11,0%
und Jungunternehmer

Einzelindikator Etablierte Unternehmerinnen


8,2% 4,3% 5,7%
„Spin-Offs“ und Unternehmer

Alle 11,2% 6,1% 8,5%

Abbildung 46: Einzelindikatoren


für den Bereich „Forschung“ nach
Phasen der unternehmerischen
Aktivität (Quelle: APS)

Spotlight Schweiz

Das Nachbarland Schweiz bietet seinen Entrepreneuren besonders gute Rahmenbe-


dingungen und liegt bei den Indikatoren F&E-Transfer und finanzielles Umfeld auf
der Spitzenposition im europäischen Vergleich. Im Jahr 2022 lancierte beispiels-
weise die Innovationsagentur „Innosuisse“ eine Initiative zur Unterstützung von
wissenschaftsbasierten Innovationsprojekten mit hohem Marktpotenzial. Auch bei
der GEM-Gesamtbewertung des Ökosystems (siehe Kapitel 5.4) liegt die Schweiz
seit Jahren im internationalen Vergleich im vorderen Feld (derzeit auf Rang 8 von
51) und neun der zwölf Rahmenbedingungen haben sich seit der Pandemie sogar
verbessert. Das gute Gründungsklima spiegelt sich auch im European Innovation
Scoreboard (Europäische Kommission, 2022a) wider, wo die Schweiz derzeit an
erster Stelle liegt. Dazu kommt eine Inflationsrate, welche deutlich niedriger als
in anderen europäischen Ländern ist (etwa ein Drittel jener Österreichs) und eine
starke Währung, die günstigere Importe möglich macht. Die Rate der Jungunter-
nehmen (TEA) ist zwar gefallen, liegt aber über dem Niveau von Österreich (7,4%
vs. 6,8%) und auch die Rate der etablierten Unternehmen hat bereits wieder das
Vor-Covid-Niveau erreicht.
Prof. Rico Baldegger, PhD & Assoc.-Prof. Raphael Gaudart, School of Management
Fribourg (GEM Schweiz)

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 73


2022 2020 2012–2018 Europa DACH Spitzenreiter

Niveau des F&E-Transfers 2,7 2,8 2,8 10 3 Schweiz (3,5)


1 5

Abbildung 47: Einschätzung


der Expertinnen und Exper-
ten hinsichtlich F&E Transfer
Zusammengefasst führen die fast durchgängigen Zuwächse bei den drei (Quelle: NES)
Forschungsindikatoren zu einer erfreulichen Entwicklung der Forschungs-
intensität in Österreichs Unternehmenslandschaft (siehe Abbildung 48).
Bereits 37,4% der Jungunternehmen fallen demzufolge unter die Definition
„forschungsbasiert“ und 12,5% können darüber hinaus als „forschende“
(forschungsintensive) Jungunternehmen bezeichnet werden. Bei den etab-
lierten Unternehmen sind diese Anteile deutlich geringer (24,0% bzw.
9,0%), aber auch hier gibt es positive Entwicklungen gegenüber 2020,
allerdings wird hier das Vor-Covid-Niveau nicht erreicht.

Im Erhebungsjahr 2022 fallen insgesamt 30,4% aller in der Erhebung


erfassten Unternehmen (junge und etablierte Unternehmen) in die Kate-
gorie „forschungsbasiert“, zudem können 10,4% als „forschungsintensiv“
gesehen werden. Das sind deutliche Anstiege im Bereich forschungsbasierter
(plus 10 Prozentpunkte) und ein kleinerer Anstieg der forschungsinten-
siven Unternehmen um 1,8 Prozentpunkte. Auch im European Innovation
Scoreboard (Europäische Kommission, 2022a) kann Österreich in den
Unterkategorien geistiges Eigentum (Rang 1) und Forschungsquote (Rang
2 hinter Schweden) Spitzenpositionen belegen. Im Bericht zeigt sich aber
auch, dass Forschung oder eine Erfindung nicht per se zu einer Umsetzung
am Markt bzw. Innovationen führen. Daher bieten die folgenden beiden
Kapitel eine genauere Betrachtung der Innovations- und Technologiein-
dikatoren der GEM-FTI-Erhebung.

Abbildung 48: Anteil an forschungsbasierten und


forschenden Unternehmen nach Phasen der unter-
nehmerischen Aktivität (Quelle: APS)

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 74


4.3
Technologie und Unternehmertum
Neue Technologien sind unter Österreichs Jungun-
ternehmen stärker als bei den etablierten Unter-
nehmen verbreitet, die Nutzung von Technologi-
en über dem Branchenniveau nimmt jedoch ab.
Insgesamt geht der Anteil technologiebasierter
Unternehmen zurück, die technologieintensiven
halten sich konstant. Bei der Digitalisierung liegen Definition technologiebasierte und
Österreichs Jungunternehmen im europäischen technologieführende Unternehmen
Mittelfeld.
Drei Indikatoren werden zur Berechnung der Tech-
nologieintensität herangezogen:
1. „Technologie über Branchenniveau“: das
Unternehmen nutzt Technologie über Branchen-
Der technologische Fortschritt schafft Voraussetzungen niveau;
für Innovation und kann auch zu Kostenvorteilen führen, 2. „Neuheit der Technologie“: das Unternehmen
welche wiederum die Wettbewerbsfähigkeit steigern. verwendet Technologien oder Prozeduren, die
Österreich ist ein Land mit einer hohen Technologie­ in der Region, im Land oder der Welt neu sind;
intensität und etwa 30% der österreichischen Unter- 3. „Technologie- und wissensintensive Sektoren“:
nehmen sind in Hochtechnologie-Branchen tätig (WIFO, das Unternehmen ist in Sektoren tätig, die als
2018). Die Entwicklung der Technologie-Intensität wird Hochtech-, oder Mittelhochtechnologie bzw.
bei GEM über drei Subindices erfasst (siehe Definition wissensintensive Dienstleistungen einzustufen
und Abbildung 49): der erste Indikator erhebt, ob die sind.
von Unternehmen verwendeten Technologien „über
dem Branchenniveau” liegen. Im Erhebungszeitraum Technologiebasierte Unternehmen erfüllen eines
können 32,6% der österreichischen Unternehmen der drei Kriterien.
dieser Kategorie zugeordnet werden. Es zeigt sich
erneut, dass die Diffusion von neuen Technologien Technologieführende Unternehmen erfüllen
stärker unter Österreichs Jungunternehmen verbreitet entweder das erste und das zweite oder das erste
ist (37,5% nutzen Technologien über Branchenniveau), und das dritte Kriterium.
allerdings können besonders Jungunternehmen das hohe
Niveau von 2020 und der Vergleichsperiode 2014–2018
nicht halten: deren verwendete Technologien scheinen
stärkere Wettbewerbsverluste als jene der etablierten
Unternehmen zu haben.

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 75


2022 2020 2014-2018 Δ2020 Δ2014–2018

Jungunternehmerinnen
37,5% 47,0% 42,2%
und Jungunternehmer
Einzelindikator
Etablierte Unternehmerinnen
„Technologie über 28,8% 34,9% 37,4%
und Unternehmer
Branchenniveau“

Alle 32,6% 39,8% 39,3%

Jungunternehmerinnen
24,6% 27,3% 27,0%
und Jungunternehmer
Einzelindikator
Etablierte Unternehmerinnen
„Neuheit der 15,2% 9,7% 6,7%
und Unternehmer
Technologie“

Alle 18,9% 17,3% 18,6%

Jungunternehmerinnen
9,4% 9,1% 9,7%
und Jungunternehmer
Einzelindikator
„technologie- und Etablierte Unternehmerinnen
6,3% 8,6% 9,1%
wissensintensive und Unternehmer
Sektoren“
Alle 7,6% 8,6% 9,1%

Abbildung 49: Einzelindikatoren für den


Bereich „Technologie“ nach Phasen der
unternehmerischen Aktivität (Quelle: APS)

Des Weiteren geben 24,6% aller Jungunternehmen an,


für die Welt, das Land oder die Region neue Technolo-
gien und Prozesse einzusetzen („Neuheit der Technolo-
gie“) – wobei hier bei den jungen Unternehmen erneut
Rückgänge (minus 2,7 Prozentpunkte gegenüber 2020)
und bei den etablierten Unternehmen (allerdings auf Beim letzten Einzelindikator „technologie- und wissen-
einem deutlich niedrigerem Ausgangsniveau von 9,7%) sintensive Sektoren“ lassen sich nur kleinere Unterschiede
Zuwächse von 5,5 Prozentpunkten zu beobachten sind. zu den letzten Erhebungen ausmachen. Der Anteil an
Insgesamt nimmt für alle Unternehmen der Neuheits- Unternehmerinnen und Unternehmern, die in Branchen
grad der eingesetzten Technologie leicht zu und steigt tätig sind, in welchen verstärkt Hoch-, Mittel-Hochtech-
von 17,3% im Jahre 2020 auf 18,9% in der diesjährigen nologie oder wissensintensive Dienstleistungen eingesetzt
Erhebung (und damit sogar minimal über das über die werden, geht nur leicht zurück und ist vor allem dem
Jahre 2014–2018 errechnete durchschnittliche Vorkri- Rückgang bei den etablierten Unternehmen geschuldet.
senniveau von 18,6%). Bei den Jungunternehmen kann das Niveau bei diesem
Indikator gehalten werden.

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 76


Abbildung 50: Anteil an
technologie­basierten und
technologieführenden
Unternehmen nach Phasen
der unternehmerischen
Aktivität (Quelle: APS)

Aus der Kombination der drei Technologie-Subindika-


toren ergibt sich für das Jahr 2022 folgender Befund
für Technologie und Unternehmertum in Österreich
(siehe Abbildung 50): Der Anteil an technologiebasier-
ten Jungunternehmen liegt bei 54,7% und der Anteil
an technologieführenden Jungunternehmen beträgt
16,3%. Somit ergeben sich vor allem bei den techno-
logiebasierten Jungunternehmen stärkere Rückgänge
(minus 8,5 Prozentpunkte) gegenüber 2020, der Anteil
technologieintensiver Jungunternehmen geht nur leicht Im Bereich der Technologienutzung wird bei der inter-
zurück. Auch bei den etablierten Unternehmen gibt nationalen GEM-Erhebung zusätzlich der zukünftig
es ähnliche Veränderungen: 39,2% der etablierten geplante Einsatz von digitalen Technologien erhoben
Unternehmen können im Jahr 2022 als technologie- (siehe Abbildung 51). Hier geben 43,6% der österrei-
basiert bezeichnet werden, was einen Rückgang von chischen Jungunternehmen an, in den nächsten sechs
4,7 Prozentpunkten bedeutet, während der Anteil an Monaten intensiver digitale Lösungen für den Verkauf
technologieführenden, etablierten Unternehmen auf von Produkten oder Dienstleistungen einsetzen zu
10,6% steigt. Eine ähnliche Entwicklung ist auch für wollen. Das ist ein durchschnittlicher Wert im euro-
alle Unternehmen (etablierte und Jungunternehmen) päischen Vergleich mit Rang 11 von 20 teilnehmenden
zu beobachten. Es kommt zu Rückgängen im Bereich Ländern, der deutlich von UK angeführt wird. Dieses
der technologiebasierten Unternehmen, bei gleichblei- Ergebnis kann auch mit einer stärkeren Dienstleis-
benden Werten für technologieintensive Unternehmen. tungsorientierung zusammenhängen, da der Einsatz
Während sich also die Avantgarde der technologie- digitaler Technologien im produzierenden Gewerbe
führenden Unternehmen stabil entwickelt, scheint die anders zu bewerten ist. Bei den etablierten Unternehmen
Basis, also die technologiebasierten Unternehmen in schneidet Österreich – eventuell auch aus denselben
Österreich abzunehmen. Grund – schlechter ab, und befindet sich gemeinsam
mit Polen, Ungarn und der Schweiz am unteren Ende
der Rangordnung (GEM, 2023).

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 77


Abbildung 51: Geplante Nutzung von digitalen
Technologien im Unternehmen durch Jungun-
ternehmerinnen und Jungunternehmer in den
nächsten sechs Monaten (Quelle: APS)

Darüber hinaus scheint der Digitalisierungsschub im


Zuge der Pandemie in Österreich – abseits von Online-
meetings, Cloud Services und Remote Work (Statistik
Austria, 2022) – weniger stark ausgeprägt zu sein
(siehe Friedl et al., 2021) bzw. abzuklingen; ähnliche
Entwicklungen werden bereits in Deutschland im DAX
Digital Monitor (KPMG, 2022) beobachtet. Im Euro- kerung generell grundlegende digitale Kompetenzen
pean Innovation Scoreboard (Europäische Kommis- fehlen. Im Digitalisierungsindex (DESI; traditionell von
sion, 2022a) wird die Nutzung von Informations- und den skandinavischen Ländern angeführt, Europäische
Kommunikationstechnologie (IKT) für Österreich (und Kommission, 2022b) kann sich Österreich auf Rang 10
Frankreich) unterdurchschnittlich bewertet; der State der 27 EU-Mitgliedsstaaten halten, es bestehen aber
of European Tech Report (Atomico, 2022) kommt jedoch Herausforderungen beim IKT-Fachkräftemangel und
zu dem Schluss, dass 50% der europäischen Bevöl- der Konnektivität, hier insbesondere der Erschließung
des ländlichen Raumes mit Breitbandinternet (wobei
hier gerade in jüngster Vergangenheit deutlich inves-
tiert wurde). Der World Competitiveness Report (IMD,
2022a) diagnostiziert generellen Aufholbedarf beim
Digitalisierungsgrad der österreichischen Wirtschaft
und im World Digital Competitveness Ranking 2022
verliert Österreich zwei Plätze und liegt auf Rang 18
von 63 (IMD, 2022b).

Wie sich dieser durchschnittliche Befund der Technolo-


gieintensität (für Österreich, aber auch Europa generell)
auf die Innovationsintensität auswirkt, wird nun im
abschließenden FTI-Kapitel betrachtet.

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 78


4.4
Innovation und Unternehmertum
Der Innovationsgrad Österreichs Unternehmen nimmt
gegenüber 2020 leicht zu, erreicht aber nicht das
Vor-Pandemie-Niveau: trotz gesteigerter Entwicklung
neuer Produkt- und Dienstleistungen und verstärktem
geistigen Eigentumsschutz können weniger erfolgreich
Wettbewerbsvorteile realisiert werden. Auch die Intra-
preneurship-Aktivitäten sind rückläufig.
Definition innovationsbasierte
Unternehmen und innovative Nischenplayer

In volatilen Zeiten ist die Innovationsintensität auch Vier Indikatoren werden zur Berechnung der
ein Indikator dafür, wie schnell wirtschaftliche bezie- Innovationsintensität herangezogen:
hungsweise innovative Ökosysteme auf sich ändernde 1. „ neues Produkt: das Unternehmen bietet
Rahmenbedingungen reagieren können. Innovationen Produkte oder Dienstleistungen, die neu für die
können dabei Produkte, Dienstleistungen, Prozesse oder Welt, für Leute im Land oder in der Region sind;
Geschäftsmodelle sein (siehe OECD/Eurostat, 2018), sie 2. „Vorteile durch Produktinnovation“: das
schaffen Wettbewerbsvorteile und sind eine Vorausset- Unternehmen hat einen Wettbewerbsvorteil
zung für weiteres Unternehmenswachstum. durch veränderte Produkte, Dienstleistungen
oder Geschäftsmodelle;
Der Innovationsindikator von GEM setzt sich aus vier 3. „Vorteile durch Prozessinnovation“: das
Subindikatoren zusammen, die die Neuheit des Ange- Unternehmen hat einen Wettbewerbsvorteil
botes, den geplanten Schutz geistigen Eigentums durch neue oder veränderte Verfahren in der
und daraus resultierende Wettbewerbsvorteile durch Erstellung, Vermarktung oder Bereitstellung
Produkt- und Prozessinnovation erfassen (siehe Abbil- von Produkten und Dienstleistungen;
dung 52). Beim ersten Subindikator („neues Produkt“) 4. „geistige Eigentumsrechte“: das Unternehmen
geben 31,1% aller Jungunternehmen in Österreich im plant neue Produkte in den nächsten zwei
Jahr 2022 an, ein/e für die Welt, das Land oder die Jahren rechtlich schützen zu lassen.
Region neue/s Produkt oder Dienstleistung anzubieten.
Dieser Wert erreicht bei Jungunternehmen in etwa das Innovationsbasierte Unternehmen erfüllen eines
Niveau der letztmaligen Erhebung. Bei den etablier- der vier Kriterien.
ten Unternehmen steigt dieser Anteil relativ gesehen
stärker auf 16,7% an, allerdings auf einem deutlich Innovative Nischenplayer erfüllen das erste Krit-
geringeren Ausgangsniveau. Des Weiteren planen erium in Kombination mit entweder dem zweiten,
wieder mehr Unternehmen, diese neuen Produkte dritten oder vierten Kriterium.
oder Dienstleistungen in den nächsten zwei Jahren
beispielsweise durch Patente oder Gebrauchsmuster
rechtlich schützen zu lassen („geistige Eigentums-
rechte“). Vor allem Jungunternehmen wollen wieder
verstärkt Patentanmeldungen vornehmen. Hier gibt
es in der GEM-Erhebung einen Zustimmungsgrad von
20,4% (plus 6,1 Prozentpunkte gegenüber 2020). Da
dieser Wert bei den etablierten Unternehmen relativ
stabil bleibt (minus 0,7 Prozentpunkte; 6,7%), ergibt
sich für alle Unternehmen eine positive Entwicklung
in Bezug auf deren Initiativen zum Schutz geistigen
Eigentums (wie auch in der Patentamtsstatistik; Öster-
reichisches Patentamt, 2022), allerdings hat dieser
Subindikator die geringsten Zustimmungswerte aller
Innovations-Einzelindikatoren.

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 79


Bei der Produkt- und Prozessinnovation („Vorteile durch Unternehmen betroffen sind, wobei junge und etab-
Produktinnovation“ und „Vorteile durch Prozessinno- lierte Unternehmen in Österreich etwas stärker durch
vation“) sehen sich die Unternehmen im Jahr 2022 Produktinnovation (38,8% bzw. 36,2%) als durch
in einer schlechteren Wettbewerbsposition als 2020. Prozessinnovation (36,2% bzw. 28,8%) profitieren.
Anscheinend fällt es den österreichischen Unternehmen Jungunternehmen in Österreich setzen deutlich stärker
zusehends schwerer, im vollen Umfang potenzielle auf Angebotsportfolio in der Prozessinnovation als
Wettbewerbsvorteile zu realisieren, die durch veränderte etablierte Unternehmen. Anzumerken gilt, dass beide
Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle, aber Subindikatoren ein hohes Ausgangsniveau im Vergleich
auch neue oder veränderte Verfahren in der Erstellung, zu den anderen beiden Indikatoren „neues Produkt“
Vermarktung oder Bereitstellung von Produkten und und „geistige Eigentumsrechte“ haben.
Dienstleistungen entstehen sollten. Die GEM-Daten
zeigen weiters, dass sowohl junge als auch etablierte

2022 2020 2014-2018 Δ2020 Δ2014–2018

Jungunternehmerinnen
31,1% 30,9% 35,7%
und Jungunternehmer

Einzelindikator Etablierte Unternehmerinnen


16,7% 11,5% 15,3%
„neues Produkt“ und Unternehmer

Alle 22,7% 20,1% 30,1%

Jungunternehmerinnen
20,4% 14,3% 22,2%
und Jungunternehmer
Einzelindikator
Etablierte Unternehmerinnen
„geistige 6,7% 7,4% 9,5%
und Unternehmer
Eigentumsrechte“

Alle 12,8% 10,1% 16,3%

Jungunternehmerinnen
38,8% 41,5% 36,7%
und Jungunternehmer
Einzelindikator
Etablierte Unternehmerinnen
„Vorteile durch 32,6% 35,7% 33,4%
und Unternehmer
Produktinnovation“

Alle 35,2% 37,9% 34,7%

Jungunternehmerinnen
36,2% 41,0% 37,3%
und Jungunternehmer
Einzelindikator
Etablierte Unternehmerinnen
„Vorteile durch 28,8% 31,3% 25,2%
und Unternehmer
Prozessinnovation“

Alle 32,0% 36,3% 30,8%

Abbildung 52: Einzelindikatoren


für den Bereich „Innovation“
nach Phasen der unternehmeri-
schen Aktivität (Quelle: APS)

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 80


Aus der Kombination der vier Subindikatoren ergeben sich im Jahr 2022
leichte Zuwächse gegenüber 2020 bei den Anteilen innovations-basierter
und innovations-intensiver Unternehmen in Österreich (siehe Abbildung
53). Allerdings muss erwähnt werden, dass der Innovationsindikator im
Jahr 2020 die stärksten Rückgänge aller FTI-Indikatoren gegenüber dem
Vorkrisenniveau hatte und dieses Niveau derzeit bei weitem noch nicht
erreicht werden kann.

Beim Anteil innovationsbasierter Unternehmen gibt es im Erhebungsjahr


2022 sowohl bei den jungen (plus 2,8 Prozentpunkte) als auch bei den
etablierten Unternehmen (plus 5,3 Prozentpunkte) Zuwächse gegenüber
2020. Dies führt insgesamt zu einem Anstieg an innovationsbasierten
Unternehmen auf 55,4% (plus 4,6 Prozentpunkte). Diese Unternehmen
erfüllen zumindest eines der Kriterien „neues Produkt“, „Vorteile durch
Prozess- oder Produktinnovation“ oder „geistige Eigentumsrechte“ (siehe
Definition). Zusätzlich werden in der GEM-Erhebung mit Hilfe der Subin-
dikatoren innovative Nischenplayer identifiziert. Das sind Unternehmen,
die als erste einen gänzlich neuen Markt erschließen oder diesen erst
schaffen (durch neue Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle
oder Prozesse) und gleichzeitig einem geringen Wettbewerb ausgesetzt
sind. Auch hier gibt es Zuwächse gegenüber 2020, wobei dieser bei den
Jungunternehmen marginal ausfällt (plus 0,7 Prozentpunkte). Bei den
etablierten Unternehmen nimmt dieser Anteil – auf deutlich niedrigeren
Ausgangsniveau – um 4,8 Prozentpunkte zu. Insgesamt fallen im Jahr
2022 wieder 15,1% aller Unternehmen unter die Definition „innovative
Nischenplayer“.

Abbildung 53: Anteil an innovations­


basierten Unternehmen und innovativen
Nischenplayern nach Phasen der unter-
nehmerischen Aktivität (Quelle: APS)

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 81


Zusammengefasst zeigt sich, dass Österreichs Unter-
nehmen auf die sich ändernden Rahmenbedingungen
– wenn auch verhalten – reagieren, insbesondere durch
die Entwicklung neuer Produkte/Dienstleistungen und
entsprechendem Schutz des geistigen Eigentums. Dass
dies eine gute Voraussetzung ist, zeigt sich in der
um 13% höheren Überlebenswahrscheinlichkeit von
heimischen Startups mit entsprechendem geistigen
Eigentumsschutz (Berrer et al., 2021). Die daraus
resultierenden Wettbewerbsvorteile können allerdings
weniger stark realisiert werden. Dabei gilt zu beachten, Auch der Wettbewerbsradar des WIFO (Peneder et al.,
dass in dynamischen Zeiten auch der eigene Innovati- 2022) sieht in der jüngsten Bewertung die gesunkene
onsgrad und die Wettbewerbsfähigkeit durch exponen- heimische Wettbewerbsfähigkeit, wobei hier verstärkt
tiell wachsende Technologiedurchdringung, schnellere volkswirtschaftliche Indikatoren betrachtet werden. Im
Innovationsdiffusion und Adoptionszyklen in immer Global Innovation Index (WIPO, 2022) erreicht Österreich
kürzeren Abständen neu bewertet werden müssen in der 2022er-Erhebung einen durchschnittlichen Wert
(siehe dazu etwa Paunov & Planes-Satorra, 2019). von 50,2 Punkten. Das European Innovation Scoreboard
Geschwindigkeit wird zunehmend zum Schlüsselfaktor (Europäische Kommission, 2022a) sieht Österreich
und besonders Österreichs etablierte Unternehmen mit beim geistigen Eigentum auf einer Spitzenposition im
geringeren Werten bei allen Innovations-Subindikatoren europäischen Vergleich, insgesamt reicht es aber für
als Jungunternehmen scheinen hier Schwierigkeiten Österreich auch in diesem Benchmarking derzeit nur
zu haben, mit der globalen Konkurrenz mitzuhalten. für die zweitstärkste Gruppe. Österreichs Unternehmen
Die kleine Avantgarde an innovativen österreichi- scheint es daher nicht an Kreativität und Innovationskraft
schen Nischenplayern kann sich in diesem Wettbewerb zu mangeln, die entwickelten Innovationen führen aber
behaupten, die breitere Basis an Unternehmen scheint nicht zu Wettbewerbsvorteilen, sei es aus mangelnder
jedoch den Anschluss zu verlieren. Geschwindigkeit, fehlendem Produkt-Markt-Fit, einer
unzureichenden Analyse des Mitbewerbs oder fehlenden
Kapazitäten, um auf internationalen Märkten mithal-
ten zu können – hier scheint bei einigen Unternehmen
Potenzial liegen gelassen zu werden und zusätzliche
Unterstützungsmaßnahmen notwendig, um die Basis an
innovationsbasierten Unternehmen wieder zu stärken
(Initiativen im Bereich des geistigen Eigentumsschutzes
wie etwa die umfangreichen Services der aws oder des
Patentamtes scheinen hier besser zu funktionieren).

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 82


Zuletzt erfasst GEM auch das Niveau der unternehmerischen Aktivität
innerhalb etablierter Organisationen durch sogenannte „Intrapreneure“. Das
schwierige Umfeld scheint in Österreichs Unternehmen Aktivitäten abseits
des Kerngeschäfts zu belasten, Innovations- und Forschungsbudgets zu
drücken und die Rahmenbedingungen für Intrapreneure zu erschweren.
Im Erhebungszeitraum sind nur 3,6% der erwerbsfähigen Bevölkerung als
Intrapreneure in einer führenden Rolle in ihrem Unternehmen tätig (siehe
Abbildung 54). Das ergibt einen Rückgang von 0,6 Prozentpunkten im
Vergleich zu 2020 und liegt auch klar unter dem Vor-Covid-Durchschnitts-
wert. Auch nach Tätigkeiten als Intrapreneure (in nicht-führenden Rollen)
in den letzten drei Jahren gefragt, sinken die Zustimmungswerte 2022 um
0,9 Prozentpunkte auf 4,5% Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung in
Österreich. Gleichzeitig wäre dieses Humankapital gerade in Krisenzeiten
wichtig, um Unternehmen bottom-up beim Innovieren und der Realisie-
rung der diskutierten Wettbewerbsvorteile zu unterstützen. Intrapreneure
benötigen dafür jedoch spezifische Unterstützung, Ressourcen und Anreize
(Lackéus et al., 2020). Deutschland, mit bereits in der letzten GEM-Er-
hebung deutlich höherer Intrapreneurship-Intensität als Österreich, hat
hier weitere Akzente gesetzt und etwa die Rahmenbedingungen für die
Mitarbeitendenbeteiligung verbessert – eine auch in Österreich geforderte
Maßnahme.

2022 2020 2012-2018 Δ2020 Δ2012–2018

In führender Rolle als Intrapreneur


4,5% 5,4% 6,4%
aktiv in den letzten drei Jahren

Derzeit in führender Rolle als


3,6% 4,2% 5,2%
Intrapreneur aktiv

Abbildung 54: Intrapreneurship


in Österreich (Quelle: APS)

GEM Insight 4: Forschung, Technologie und Innovation (FTI) 83


05.
Umfeld
Das letzte Kapitel widmet sich den Rahmenbedingungen des
Gründungsökosystems in Österreich. Finanzierungsmöglichkeiten,
unternehmensbezogene Förderprogramme oder eine entsprechende
Infrastruktur sind wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches
Unternehmertum. GEM analysiert diese und weitere wesentliche
Rahmenbedingungen und nimmt zusätzlich eine Gesamtbewertung des
heimischen Unternehmensökosystems vor.

84
Zentrale Ergebnisse

» Die Gesamtbewertung des unternehmerischen » Das heimische Förderangebot zur Unterstützung


Ökosystems bescheinigt Österreich sowohl im junger Unternehmen wird als sehr positiv
europäischen als auch im internationalen Vergleich wahrgenommen und erreicht im internationalen
erneut einen Platz im Mittelfeld, mit wenig Vergleich Rang 1. Die unternehmensbezogene
Veränderung bei den einzelnen Rahmenbedingungen Regierungspolitik erhält durchschnittliche
zu den letztmaligen Erhebungen. Bewertungen.
» Das finanzielle Umfeld wird in Österreich » Die physische, Wirtschafts- und
durchschnittlich bewertet. Die sich verändernden Dienstleistungsinfrastruktur wird im europäischen
makroökonomischen Rahmenbedingungen Vergleich positiv bewertet, die interne
erschweren es den Unternehmen jedoch zunehmend, Marktdynamik unterdurchschnittlich.
an Finanzierungen zu kommen. Die informellen
Investitionen steigen.

Key Facts

1. 2.
Finanzierung Regierungspolitik und Förderprogramme
» Finanzielles Umfeld und Einfachheit der Finanzierung » Bei Förderungen Rang 1 im internationalen Vergleich
mit Rang 8 bzw. 10 (von 21) im europäischen Vergleich » Regierungspolitik zur Förderung von
durchschnittlich bewertet Unternehmertum mit Rang 9 bzw. 13 im europäischen
» Erschwerte Finanzierung durch makroökonomischen Vergleich durchschnittlich bewertet
Bedingungen in allen Unternehmensphasen, » 60% der Jungunternehmen nehmen öffentliche
insbesondere aber in der Early Stage Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch
» Der Anteil informeller Investorinnen und Investoren
(etwa durch Verwandte oder Bekannte) steigt auf 7,7%
an der erwerbsfähigen Bevölkerung an

3. 4.
Infrastruktur und Marktoffenheit Gesamtbewertung
» Physische Infrastruktur und interne Markthürden unternehmerisches Ökosystem
im europäischen Vergleich auf Rang 3 bzw. 4 » Für Österreich 4,8 von 10 möglichen Punkten
» Gute Bewertung der Wirtschafts- und » Rang 10 von 21 im europäischen Vergleich
Dienstleistungsinfrastruktur (Rang 7) » Rang 22 von 52 im internationalen Vergleich
» Niedriges Niveau bei interner Marktdynamik
(Rang 20)

85
5.1
Finanzierung
Das finanzielle Umfeld wird in Österreich durch- mittels Venture Capital (2,7) gesehen. Der Zugang zu
schnittlich bewertet, auch im europäischen Finanzierungen über den Kapitalmarkt (Börsengänge,
Vergleich. Die sich verändernden makroökonomi- IPOs etc.) stellt gemäß den befragten Expertinnen und
schen Bedingungen machen es den Unternehmen Experten weiterhin – trotz umgesetzter Maßnahmen
jedoch zunehmend schwieriger an Finanzierungen wie dem „direct market plus“ – die größte Herausfor-
zu kommen. Die informellen Investitionen nehmen derung dar (2,0 von 5 möglichen Punkten) und wird
leicht zu und kommen häufiger aus dem Verwand- schwieriger als im Jahr 2020 eingeschätzt.
ten- und Bekanntenkreis.
Die Einfachheit der Finanzierung wird in der diesjährigen
GEM-Erhebung zum ersten Mal erhoben und aus Exper-
tensicht ebenso durchschnittlich mit 2,9 eingeschätzt
(siehe Abbildung 55). Die Auswertung der einzelnen
GEM betrachtet das Thema Finanzierung aus mehreren Indikatoren zeigt, dass es für Unternehmen in Österreich
Perspektiven und erhebt unterschiedliche Indikatoren zu relativ gesehen am einfachsten ist, Startkapital für die
den finanziellen Rahmenbedingungen, der Einfachheit Gründungs- und Frühphasenfinanzierung zu erhalten
der Finanzierung und die Entwicklung der informellen (3,2), etwas leichter als in der darauffolgenden Wachs-
Investitionen aus Sicht der erwerbsfähigen Bevölkerung, tumsphase (2,9). Die Verfügbarkeit und Leistbarkeit
der Unternehmen sowie der Expertinnen und Experten. von Finanzdienstleistungen werden durchschnittlich
Das finanzielle Umfeld von neuen und wachsenden bewertet (3,0), ebenso wie die Einfachheit der Finanzie-
Unternehmen wird in Österreich im Jahr 2022 von den rung über Crowdfunding (3,0). Am herausforderndsten
befragten Expertinnen und Experten mit 3,0 exakt auf stellt sich 2022 die Fremdfinanzierung (etwa durch
der Skalenmitte bewertet (auf einer Skala von eins bis Bankdarlehen) dar und wird von den Expertinnen und
fünf Punkten; siehe Abbildung 55). Gegenüber dem Experten unterdurchschnittlich bewertet (2,4). Zusätz-
Vergleichsjahr 2020 stellt dies eine marginale Verbes- lich wird heuer in Österreich der Einfluss der schwieriger
serung von 0,1 Punkten dar. Leichte Steigerungen sind werdenden makroökonomischen Bedingungen (konkret
über die meisten Subindikatoren zu beobachten: Am genannt werden in der Fragestellung der russische
positivsten werden im Jahr 2022 die staatlichen Unter- Angriffskrieg und die Zinswende) auf das finanzielle
stützungen für neue und wachsende Unternehmen Umfeld erhoben: hier geben die Expertinnen und Exper-
(4,1) bewertet. Etwas positiver im Vergleich zu 2020 ten an, dass es dadurch schwieriger geworden ist, an
werden die Verfügbarkeit von Eigen- und Fremdkapital Finanzierungen zu kommen (Zustimmungsgrad von 3,3
für neue und wachsende Unternehmen sowie die Finan- auf einer Skala von 1 bis 5), wobei dies alle Phasen von
zierungen durch Crowdfunding und informelle Inves- Seed- bis Later-Stage betrifft, am stärksten derzeit
torinnen und Investoren (Privatpersonen) eingeschätzt jedoch die Early Stage-Phase.
(3,0). Unverändert im Vergleich zu 2020 und ebenso
durchschnittlich werden die Finanzierungsmöglichkei-
ten durch professionelle „Business Angels“ (3,0) und

2022 2020 2012–2018 Europa DACH Spitzenreiter

Finanzielles Umfeld 3,0 2,9 2,7 10 3 Schweiz (3,6)

Einfachheit der 2,9 – – 8 3 Schweiz (3,3)


Finanzierung

Abbildung 55: Einschätzung der


Expertinnen und Experten zum
finanziellen Umfeld und zur
Einfachheit der Finanzierung
(Quelle: NES)

GEM Insight 5: Umfeld 86


Spotlight Schweden
Was den Zugang zu informellem Investitions­
kapital anbelangt, so ist die Entwicklung in
Schweden in mehrfacher Hinsicht bemerkens-
Im europäischen Vergleich befindet sich Österreich bei
wert. Schweden befand sich zu Beginn des
beiden Indikatoren (finanzielles Umfeld und Einfachheit
Jahrhunderts ungefähr auf dem Niveau wie
der Finanzierung) im Mittelfeld. Österreich liegt auch
vergleichbare europäische Länder. In fast keinem
im World Competitiveness Ranking (IMD, 2022a) mit
anderen Land ist der Anteil an informellen Inves-
Rang 20 bei 63 teilnehmenden Ländern im besseren
torinnen und Investoren jedoch seitdem so stark
Mittelfeld. In der diesjährigen GEM-Erhebung löst die
gestiegen: von 2,8 Prozent im Jahr 2002 auf
Schweiz die Niederlande an der Spitze der Finanzie-
12,4% im Jahr 2021. Von allen 31 Ländern mit
rungs-Rankings ab und nimmt auch im aktuellen Global
hohem Einkommen, die an GEM teilnehmenden,
Competitiveness Report (IMD, 2022a) Spitzenpositionen
steht Schweden an vierter Stelle.
in Bezug auf das Finanzsystem ein.
Der Ausgangspunkt dieses Anstiegs kann wahr-
scheinlich mit der Abschaffung der Vermögens-
Nach dem europäischen Investmentrekordjahr 2021 (EY
steuer im Jahr 2007 in Verbindung gebracht
Europe, 2022) lässt sich das Jahr 2022 aus Investitions-
werden. Diese Steuer hat der Staatskasse nicht
und Finanzierungsperspektive in der Startup-Szene in
viel Geld eingebracht und war relativ teuer
zwei Hälften teilen: während die Investitionen etwa im
in der Verwaltung. Außerdem veranlasste sie
Tech-Startup-Bereich (insbesondere im Fintech-Be-
vermögende Privatpersonen dazu, ihr Geld in
reich) im ersten Halbjahr das gute Niveau von 2021
nicht besteuerte Anlagen zu investieren und
halten bzw. sogar übertreffen können, gehen diese
ihr Vermögen ins Ausland zu verlagern oder
im zweiten Halbjahr gleich um 42% im Vergleich zu
in einigen Fällen ganze Unternehmen aus dem
2021 zurück (Atomico, 2022). In dieser Studie geben
Land zu bringen. Die Steuerreform machte
zudem 82% der befragten europäischen Startups an,
es interessanter, in inländische Start-ups zu
in der jetzigen Situation Schwierigkeiten zu haben, an
investieren, was zu einem Anstieg des Anteils
Investitionen zu kommen. Auch die Finanzierung aus
an informellen Investorinnen und Investoren
der öffentlichen Hand ist rückläufig. Im europäischen
führte. Auf die Reform folgten vereinfachte
Vergleich wird in Österreich generell vergleichsweise
und verbesserte Vorschriften für Kapitalgesell-
wenig in Startups investiert, das Wiener Ökosystem
schaften und eine allgemeine Steuersenkung
kann allerdings zuletzt aufholen (Atomico, 2022; EY
im Zeitraum 2006–2010. Schließlich wurde
Austria, 2022). In Österreich ist der Gesamtwert der
2013 ein Beteiligungsfreibetrag eingeführt,
investierten Summen 2022 im Vergleich zum bisheri-
durch den 50% einer Investition von bis zu
gen Rekordjahr 2021 um 18% gesunken, im zweiten
1,3 Mio. SEK (ca. 117.000 Euro) vom Kapital-
Halbjahr gleich um 83%. Anzumerken ist dabei, dass
einkommen abgezogen werden können. Diese
die Anzahl der Finanzierungsrunden stieg, bei gleich-
Reformen kamen der zunehmenden Zahl von
zeitig abnehmenden Volumina (EY Austria, 2022).
Privatpersonen zugute, die in die Anfangsphase
Der Ausblick auf 2023 ist dennoch vorsichtig positiv:
von Unternehmen investieren, und haben die
bei Private-Equity-Investierenden scheinen sich die
Bedingungen für unternehmerische Aktivität
Investitionsbudgets wieder zu füllen (sogenanntes
in Schweden verbessert.
„dry powder“), da derzeit kaum attraktive Möglich-
Marcus Kardelo und Dr. Per Thulin, Swedish
keiten bestehen, diese anzulegen (S&P Global Market
Entrepreneurship Forum and KTH Royal Institute
Intelligence, 2022).
of Technology (GEM Schweden)

Die schwieriger werdende Situation bei der Einfachheit


der institutionellen Finanzierung (aufgrund höherer
Zinsen und Auflagen bei der Bankenfinanzierung,
Zurückhaltung bei den Risikokapitalgebenden etc.) lässt
den Anteil an informellen Investorinnen und Investoren
in Österreich weiter steigen: Im Jahr 2022 beträgt dieser
Anteil 7,7% der erwerbsfähigen Bevölkerung (siehe
Abbildung 56); das sind immerhin 2,5 Prozentpunkte
mehr als im Vergleichszeitraum 2012–2018. Im euro-
päischen Vergleich ist dieser Wert der siebend höchste
(führend ist Schweden; siehe Spotlight), allerdings liegt
Österreich in der DACH-Region bei den informellen
Investitionen hinter Deutschland und der Schweiz.

GEM Insight 5: Umfeld 87


Rang 2022

(20 Länder)
Europa DACH

7 3

Abbildung 56: Anteil informeller


Investorinnen und Investoren an
der erwerbsfähigen Bevölkerung
2022   2020   2012–2018 in Österreich (Quelle: APS)

Die österreichischen informellen Investorinnen und schen Business Angels, welcher im Jahr 2020 zwischen
Investoren sind im Jahr 2022 vor allem nahe Familien- 50.000 und 100.000 Euro beträgt (AAIA & AWS,
angehörige (mit 31,6% die größte Gruppe), Freundin/ 2021). Die Bedeutung informeller, alternativer Finan-
Freund bzw. Nachbarin/Nachbar (26,1%) und Fremde zierungsformen in der Wachstumsphase sollte daher
(23,3%) (siehe Abbildung 57). Der Median-Wert der aufgrund geringerer durchschnittlicher Investitionssum-
Finanzierungssummen dieser informellen Investitionen men nicht überschätzt werden, da diese vorwiegend in
liegt jedoch wie in den Jahren 2020 und 2018 bei nur der Pre-Seed, bestenfalls in der Seed-Phase Wirkung
5.000 Euro und unter den Werten der GEM-Erhebun- entfalten können. Hier ist auch die Politik gefordert,
gen vor 2018, was wahrscheinlich mit der steigenden entsprechende Steueranreize für weitere und größere
Beliebtheit der Schwarmfinanzierung/Mikrofinanzierung Investitionen in einem schwieriger werdenden Umfeld
zusammenhängt. Das zeigt auch der Vergleich mit zu schaffen (Atomico, 2022).
einem durchschnittlichen Investment eines österreichi-

2022 2020 2012-2018 Δ2020 Δ2012–2018

Nahe Familienangehörige 31,6% 31,5% 39,1%

Freundin/Freund oder
26,1% 18,6% 22,8%
Nachbarin/Nachbar

Fremde/Fremder 23,3% 30,1% 21,1%

Andere Familienangehörige 8,0% 6,3% 8,2%

Arbeitskollegin/Arbeitskollege 6,0% 4,0% 6,1%

Andere 4,9% 9,4% 2,7%

Abbildung 57: Beziehung der


informellen Investorinnen und
Investoren zu den Gründenden
(Quelle: APS)

GEM Insight 5: Umfeld 88


5.2
Regierungspolitik und
staatliche Förderprogramme
Während die Regierungspolitik in Bezug auf Unternehmer-
tum in Österreich durchschnittliche Bewertungen erhält,
wird das heimische Förderangebot zur Unterstützung jun-
ger Unternehmen als sehr positiv wahrgenommen. Bei den
spezifischen Förderprogrammen belegt Österreich sogar im Die Bewertung der einzelnen Subindikatoren zur
internationalen Vergleich den Spitzenrang. Rund 60% der Regierungspolitik ergibt folgenden Befund: Die Prio-
Unternehmen setzen sich mit öffentlichen Unterstützungs- risierung neuer und wachsender Unternehmen wird
maßnahmen auseinander, welche von Jungunternehmen durchschnittlich bewertet, wobei hier die Politik im
stärker genutzt werden als von etablierten. Erhebungsjahr 2022 auf lokaler und regionaler Ebene
(3,1 von 5 möglichen Punkten) besser als auf natio-
naler Ebene (2,8) abschneidet. Die Bevorzugung von
neuen Unternehmen durch die Regierungspolitik (etwa
Der Themenbereich „Regierungspolitik“ wird in der im Rahmen staatlicher Beschaffungspolitik) wird mit
GEM-Erhebung von den Expertinnen und Experten in einem Wert von 2,3 etwas negativer und unter dem
drei Teilbereichen bewertet: Die „allgemeine Regie- Skalenmittelpunkt eingeschätzt. Positiv bewertet
rungspolitik“ umfasst generelle Aspekte wie Steu- werden insbesondere die Angemessenheit der Kosten
ern, Bürokratie etc. Die „konkrete Regierungspolitik“ zur Anmeldung eines neuen Unternehmens (3,5) und
beinhaltet Aspekte bezüglich der Unterstützung und die Vorhersehbarkeit, Konsistenz und Planbarkeit der
Priorisierung von neuen und wachsenden Unterneh- Steuern und staatlicher Regulierungen (3,3), während
men. Der Bereich „Förderprogramme“ steht für die die Höhe der Steuern (2,1) weiterhin als größere Belas-
Verfügbarkeit und Qualität von Förderungen für neue tung empfunden wird (allerdings weniger stark als in
und wachsende Unternehmen. der Erhebung des Jahres 2020). Staatliche Bürokratie,
Regulierungen und Lizenzvorschriften (3,0) bereiten
Die allgemeine Regierungspolitik in Bezug auf Unterneh- neuen und wachsenden Unternehmen mittlerweile
mertum wird leicht unterdurchschnittlich auf der Skala deutlich weniger Schwierigkeiten als in den vergange-
von eins bis fünf Punkten bewertet (siehe Abbildung nen GEM-Erhebungen. Hier dürften die in den letzten
58), schneidet aber besser als bei den GEM-Erhebun- Jahren gesetzten Maßnahmen Wirkung entfalten (wie
gen 2012-2018 ab. Ebenso wird die unternehmens- etwa im FinTech-Bereich die FMA-Regulatory Sandbox
bezogene Regierungspolitik um die Skalenmitte (2,9) – ein Experimentierraum für Innovationen, um unter
eingeschätzt. Bei beiden Indikatoren liegt Österreich behördlicher Aufsicht Rechtssicherheit zu erlangen).
mit Rang 9 bzw. Rang 13 im Vergleich der 21 teilneh- Auch die Geschwindigkeit des Erhalts von notwendigen
menden europäischen Länder im Mittelfeld, welche Genehmigungen und Lizenzen für neue Unternehmen
von Frankreich bzw. der Schweiz mit einer Bewertung wird positiver bewertet, wenn auch weiterhin unter
von jeweils 3,5 angeführt werden. dem Skalenmittelpunkt (2,6).

2022 2020 2012–2018 Europa DACH Spitzenreiter

Allgemeine 2,7 2,9 2,5 9 3 Frankreich (3,5)


Regierungspolitik

Konkrete 2,9 2,8 2,7 13 3 Schweiz (3,5)


Regierungspolitik

Spezifische 3,9 3,6 3,6 1 1 Österreich


Förderprogramme

Abbildung 58: Einschätzung der Expert­


innen und Experten zu Regierungspolitik
und spezifischen Förderprogrammen
(Quelle: NES)

GEM Insight 5: Umfeld 89


che Beschaffungspolitik, Mitarbeitendenbeteiligung,
Diversitätsmaßnahmen, bürokratische Erleichterungen,
inländisches Arbeitsrecht, Börsen- und Kapitalmarkt­
reform, ein staatlicher Dach-Fond und Steueranreize
für Investitionen. Im World Competitiveness Ranking
Die Einschätzung zur Effektivität der Regierungs- (IMD, 2022a) werden die Regierungsmaßnahmen zur
maßnahmen, um die ökonomischen Auswirkungen Förderung der Wettbewerbsfähigkeit ebenso durch-
der Covid-19-Pandemie abzufedern, fällt in Österreich schnittlich bewertet und Österreich liegt auf Rang 34
differenziert aus: Es gibt bei den Unternehmen eine von 63 teilnehmenden Ländern.
breite Streuung bei den Zufriedenheits- bzw. Unzufrie-
denheitsgraden, wobei die etablierten Unternehmen mit Beim Themenbereich Förderprogramme hingegen liegt
den gesetzten Maßnahmen etwas zufriedener sind als Österreich mit einem Wert von 3,9 (von fünf möglichen
Jungunternehmen. Auch im europäischen Vergleich ist Punkten) sogar im internationalen Vergleich im Jahr
Österreich hier infolgedessen bei den etablierten Unter- 2022 an der Spitzenposition aller 51 an GEM teilneh-
nehmen mit Rang 12 (von 20) etwas besser platziert menden Länder. Besonders positiv und noch höher als
als bei den jungen Unternehmen (Rang 14). 2020 werden in Österreich die angemessene Anzahl
staatlicher Förderprogramme für neue und wachsende
Im „State of European Tech Report 2022“ (Atomico, 2022) Firmen (4,2) und für Technologie- und Gründerzentren
erhält Österreichs Startup-Politik ein durchwachsenes (4,1) sowie Inkubator-Einrichtungen (4,0) als effektive
Zeugnis, lediglich die Kategorien staatliche Anschub- Unterstützung für neue und wachsende Unternehmen
finanzierung (etwa Eigenkapital, Zuschüsse, Darle- bewertet. Klar positiver als 2020 werden das Spektrum
hen) sowie Immigration Reform/Visa (hier wurde die an Förderprogrammen und die Verfügbarkeit von Bera-
Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte im Oktober 2022 tungsdienstleistungen bei einer einzigen Einrichtung
umgesetzt) werden als aktiv bearbeitetes Feld hervor- (3,8; plus 0,7 Punkte) eingeschätzt. Ebenso gibt es im
gehoben. Weitere notwendige Reformen werden in dem Erhebungsjahr eine positivere Evaluierung der Wirk-
Report in den folgenden Bereichen verlangt: staatli- samkeit der staatlichen Förderprogramme (3,8), der
Kompetenzen des Personals öffentlicher Einrichtungen
zur Unterstützung neuer und wachsender Unternehmen
(3,8) und des Zuganges zu Unterstützung (3,5).

Abbildung 59: Notwendige Bereiche für bessere


und zielgerichtete Unterstützung für Gründende
in Österreich (Quelle: APS)

GEM Insight 5: Umfeld 90


Abbildung 60: Auseinandersetzen
mit öffentlichen Unterstützungs­
angeboten und Intensität der
Nutzung von Unterstützungsleis-
tungen (Quelle: APS)

Zudem werden in der österreichischen GEM 2022/23-Erhebung alle teil-


nehmenden Unternehmen zur Effektivität und Nutzung von öffentlichen
(nicht auf Covid-19 bezogenen) Unterstützungsangeboten befragt. Eine
bessere und zielgerichtete Unterstützung wird hier insbesondere bei
Förderungen, dem Zugang zu Eigen- und Fremdkapital sowie im Bereich
der Aus- und Weiterbildung gefordert (siehe Abbildung 59). Dieser Befund
ist eine interessante Ergänzung zur Experteneinschätzung der Förder-
programme. So werden diese zwar sehr positiv bewertet, es scheint aber
noch weiteres Unterstützungspotenzial für die Inanspruchnahme der
Förderungen zu geben, da diese nicht alle Unternehmen erreichen: knapp
60% der Unternehmen geben an, sich mit öffentlichen Unterstützungsan-
geboten auseinandergesetzt zu haben (siehe Abbildung 60). Hier gibt es
zwar kaum Unterschiede zwischen jungen und etablierten Unternehmen,
aber zwischen den Geschlechtern (siehe dazu auch Kapitel 3.2). Bei der
Inanspruchnahme geben ebenso rund 60% der jungen Unternehmen an,
öffentliche Unterstützungsangebote auch tatsächlich zu nützen (von
sehr intensiv bis zu kaum), bei den etablierten Unternehmen sind das mit
48,6% deutlich weniger. Das Förderangebot scheint also Jungunternehmen
besser anzusprechen, wobei es insgesamt noch Verbesserungspotenzial
bei der Bekanntmachung der Unterstützungsangebote gibt: 40% haben
sich nicht einmal mit dem Angebot auseinandergesetzt.

GEM Insight 5: Umfeld 91


5.3
Infrastruktur und
interne Marktoffenheit
Positive Bewertungen der physischen, der Wirtschafts- und
Dienstleistungsinfrastruktur und niedrige Markthürden in
Österreich führen zu Spitzenplatzierungen im europäischen
Vergleich. Die interne Marktdynamik wird konstant, aber
unterdurchschnittlich eingeschätzt.

Ein gesundes Gründungsökosystem baut auf einer Die „Wirtschafts- und Dienstleistungsinfrastruktur“
funktionierenden technischen, digitalen und sozialen umfasst den Zugang österreichischer Unternehmen
Infrastruktur auf. Die „physischen Infrastruktur“ wird zu zuliefernden Betrieben, Beratungsleistungen sowie
bei GEM über den Zugang (inklusive Kosten) für neue Rechts- und Bankdienstleistungen. Dieser Indikator
Unternehmen zu Leistungen der Versorgungsbetriebe wird von den Expertinnen und Experten in Österreich
(Gas, Wasser, Strom), Entsorgungsbetriebe, Straßen und im Jahr 2022 positiv bewertet (3,6 von 5,0 Punkten),
Verkehr sowie Kommunikationsmöglichkeiten (Telefon, was einen Zuwachs von 0,3 Punkten gegenüber 2020
Internet etc.) erhoben. Dieser Teil der Infrastruktur wird und Rang 7 im europäischen Vergleich bedeutet. Bei
von den befragten Expertinnen und Experten auch im der genaueren Betrachtung der einzelnen Teilbereiche
Jahr 2022 erneut sehr positiv für den Standort Österreich der Wirtschafts- und Dienstleistungsinfrastruktur wird
bewertet (4,1 von 5,0 Punkten; siehe Abbildung 61). insbesondere die Verfügbarkeit von Beratungen in
Insbesondere der Zugang zu Kommunikationsmöglich- rechtlichen Angelegenheiten und Fragen der Buchhal-
keiten funktioniert. Wenig überraschend – in Anbetracht tung, Bilanzierung sowie rechtliche bzw. steuerliche
der Preisentwicklungen bei Energie- und Mietkosten – Grundlagen als positiv erachtet. Am niedrigsten – aber
wird die Leistbarkeit von Versorgungsleistungen wie Gas, ebenso über der Skalenmitte – werden die Kosten für
Wasser und Strom sowie die Verfügbarkeit von leistbaren Beratung, Subunternehmen und zuliefernde Betriebe
Büroflächen und Produktionsräumen negativer als noch bewertet. Die hohe Qualität des Angebots und die gute
im Jahr 2020 bewertet. Im Vergleich der teilnehmenden Verfügbarkeit eben dieser Leistungen ist mit entspre-
europäischen Länder befindet sich Österreich bei der chenden Kosten verbunden, welche zusätzlich durch
Bewertung der „physischen Infrastruktur“ insgesamt die Inflation getrieben werden.
auf dem dritten Rang und knapp hinter Spitzenreiter
Schweiz. Auch im World Competitiveness Ranking (IMD,
2022a; Schweiz führt hier auch beim Infrastruktur-In-
dikator) hat Österreich unter allen Indikatoren bei der
Infrastruktur die besten Ergebnisse und verbessert sich
auf Rang 10 von 63 teilnehmenden Ländern. Allerdings
wird die Basisinfrastruktur deutlich besser bewertet als
die technische Infrastruktur.

GEM Insight 5: Umfeld 92


2022 2020 2012–2018 Europa DACH Spitzenreiter

Physische Infrastruktur 4,1 4,2 4,3 3 2 Schweiz (4,2)

Wirtschafts- und 3,6 3,3 3,5 7 3 Lettland (3,9)


Dienstleistungsinfrastruktur

Interne Markthürden 3,2 3,3 3,3 4 2 Niederlande (3,7)

Interne Marktdynamik 2,4 2,7 2,6 20 3 Lettland (4,0)

Abbildung 61: Einschätzung der Expert­


innen und Experten zur physischen sowie
Wirtschafts- und Dienstleistungsinfra-
struktur und zur internen Markt­offenheit
in Österreich (Quelle: NES)
Die „internen Markthürden“ – etwa aufgrund der
Existenz von Kartellen oder Hemmnissen bzw. Kosten
des Markteintritts – schätzen die Expertinnen und
Experten weiterhin relativ nieder in Österreich ein (siehe
Abbildung 61): im europäischen Vergleich ist das der
viertniedrigste Wert, in den Niederlande werden diese
Markthürden am niedrigsten eingeschätzt.

Die „interne Marktdynamik“ umfasst Veränderungen


in den Konsumenten- als auch Unternehmensmärk-
ten. Diese wird für Österreich weiterhin unterdurch-
schnittlich bewertet (2,4 von 5,0 Punkten). Das ist
im europäischen Vergleich zwar ein sehr niedriger
Wert (vorletzter Rang), allerdings ist bei diesem Indi-
kator eine hohe Bewertung nicht per se positiv, da
damit dynamische („dramatische“) Veränderungen
im Binnenmarkt einhergehen. Gerade in Krisenzeiten
sind Faktoren wie Stabilität und Planbarkeit für Unter-
nehmen wichtig, welche in einer richtigen Balance mit
der Dynamik von Märkten stehen sollten. Der World
Competitiveness Report (IMD, 2022a) zieht hier weitere
Faktoren hinzu und attestiert Österreichs Wirtschaft
im internationalen Vergleich mit Platz 18 von 63 eine
insgesamt gesunde Dynamik und Effizienz.

GEM Insight 5: Umfeld 93


5.4
Spotlight Litauen
Gesamtbewertung des Erneut wird Litauens unternehmerisches Ökosys-
tem positiv bewertet und liegt im globalen
unternehmerischen Umfelds NECI-Vergleich bereits auf Rang 6. Aufgrund der
geringen Größe des Landes und dem Status als
einkommensschwächeres Land ist dies bemer-
Die Gesamtbewertung des unternehmerischen kenswert. Die Mehrheit der Entrepreneure in
Ökosystems in Österreich bescheinigt Österreich Litauen ist exportorientiert und 40% haben
sowohl im europäischen als auch im internationalen Kundinnen/Kunden außerhalb des Landes. Die
Vergleich einen Platz im Mittelfeld. Positiv ­gesehen wachstumsstärksten Sektoren Litauens sind
hält sich das Ökosystem trotz der schwierigen 2022 das verarbeitende Gewerbe, Kunst und
Unterhaltung sowie freiberufliche und wissen-
und volatilen Rahmenbedingungen stabil, negativ
schaftliche Dienstleistungen. Ein weiterer Fokus
betrachtet verhält es sich veränderungsresistent
liegt auf der digitalen Transformation: drei von
gegenüber altbekannten Schwächen.
fünf Entrepreneuren setzen zunehmend auf
digitale Technologie beim Verkauf. Die Reaktion
des Landes auf die Pandemie wurde am posi-
Ein funktionierendes unternehmerisches Ökosystem tivsten unter den an GEM teilnehmenden Länder
stellt Entrepreneuren Ressourcen und Unterstützung in bewertet, obwohl Litauen auch die wirtschaft-
unterschiedlichen Dimensionen bereit, um erfolgreich lichen Auswirkungen des russischen Angriffs-
zu sein. Dazu gehören etwa Finanzierung, politische krieges in der Ukraine zu spüren bekommt.
Maßnahmen, Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung, Dennoch sind die Aussichten für die Schaffung
Netzwerke, Normen und Einstellungen oder Märkte. von Arbeitsplätzen vielversprechend: ein Viertel
Ein erfolgreiches Zusammenspiel von Institutionen, der neuen Unternehmen geht davon aus, dass
Unternehmen, Regulierungsbehörden und Einzelper- sie innerhalb von fünf Jahren sechs oder mehr
sonen trägt dazu bei, Unternehmensgründungen zu Personen zusätzlich beschäftigen werden. Dazu
fördern und Unternehmen zu helfen, ihre Geschäfts- kommt eine hohe Bewertung der soziokulturellen
ideen erfolgreich umzusetzen. Dadurch werden neue Normen, welche zur Attraktivität des Standortes
Arbeitsplätze geschaffen und Wachstum generiert, für Unternehmertum beitragen.
Prof. Dr. Saule Maciukaite-Zviniene, Vilnius Uni-
versity Business School, GEM Litauen

Abbildung 62: Bewertung der zwölf NES-Rah-


menbedingungen durch Expertinnen und Exper-
ten (Quelle: NES)

GEM Insight 5: Umfeld 94


Abbildung 63: National Entrepre-
neurship Content Index (NECI) im
sowie die Wirtschaft eines Landes gestärkt. Letzt- europäischen Vergleich (Quelle: NES)

lich stehen diese Ökosysteme auch in Konkurrenz


zueinander, beispielweise um Talente, Unternehmen
oder Kapital. GEM misst und vergleicht den Zustand
der unternehmerischen Ökosysteme eines Landes
daher über zwölf einzelne Rahmenbedingungen, die unter dem Skalenmittelpunkt. Das bedeutet sowohl im
diese Dimensionen abdecken und die Standorte somit europäischen (Rang 10 von 21) als auch im internatio-
vergleichbar machen. nalen Vergleich (Rang 22 von 52) Durchschnitt. Dass die
Schaffung guter Rahmenbedingungen mit volkswirt-
Das unternehmerische Umfeld in Österreich wird im schaftlichen Faktoren wie etwa dem Einkommensniveau
Beobachtungszeitraum 2022 gemäß Einschätzung gewissermaßen zusammenhängen, überrascht nicht. Der
der Expertinnen und Experten stabil mit nur wenig positive Zusammenhang zwischen Einkommensniveau
Veränderung zu den früheren Erhebungen bewertet und NECI-Indikatoren ist aber bei weitem nicht linear
(siehe Abbildung 62). Die schon existierenden Stärken (GEM, 2023) – es gibt mehrere einkommensschwächere
wie Förderprogramme, physische Infrastruktur oder Länder, die ein positives Umfeld für Gründungen und
Wirtschafts- und Dienstleistungsinfrastruktur können Wachstum neuer Unternehmen schaffen, sowie eine
beibehalten werden; alle diese Rahmenbedingungen Reihe von Volkswirtschaften mit hohem Einkommens-
werden positiv über dem Skalenmittelpunkt bewertet. niveau, deren unternehmerisches Umfeld viel besser
Die seit Jahren identifizierten Schwächen wie unter- sein könnte und sollte. Innerhalb Europas liegen zwar
nehmerische Aus- und Weiterbildung oder soziokul- erneut die Niederlande mit einem NECI-Wert von 5,9
turelle Normen bleiben bestehen und werden auch im an erster Stelle, das deutlich einkommensschwächere
Erhebungsjahr 2022 negativ gesehen (Anmerkung: der Litauen folgt aber knapp dahinter auf Rang 2 und
niedrige Wert bei der internen Marktdynamik muss liegt auch im internationalen Vergleich auf Rang 6
nicht zwingend als negativ bewertet werden, siehe dazu (siehe Spotlight). Einkommensstarke Länder wie auch
Kapitel 5.3). Bei einer Vielzahl an Indikatoren – etwa Österreich hätten einen Vorteil, Rahmenbedingungen
Regierungspolitik, finanzielles Umfeld, F&E-Transfer wie Bildung und Ausbildung, Infrastruktur oder Finan-
oder Offenheit des Marktes – schneidet Österreich nur zierung bereitzustellen, dass dies aber alleine nicht
durchschnittlich ab. ausreicht, belegt die diesjährige GEM-Erhebung aufs
Neue. So belegt Österreich etwa im Startup-Bereich
Zu diesem Ergebnis kommt auch die Berechnung des beim Ausgründen in andere Länder die – eher weni-
National Entrepreneurship Context Index („NECI“; ger erfreuliche – Spitzenposition (Atomico, 2022). Es
siehe Abbildung 63) – hier wird aus der Bewertung werden daher im Folgenden einzelne Handlungsfelder
der einzelnen Rahmenbedingungen ein Gesamtindi- zur Stärkung des heimischen Ökosystems basierend
kator errechnet. Österreich befindet sich mit einem auf den aus den Ergebnissen abgeleiteten Hypothesen
NECI-Wert von 4,8 bei 10 möglichen Punkten knapp diskutiert.

GEM Insight 5: Umfeld 95


GEM-Trendbarometer
und Handlungsempfehlungen
Aus dem Befund des GEM22/23 und der Analyse der nun seit 10 Jahren
in regelmäßigen Abständen erhobenen Daten ergeben sich einige klar
positive und negative Entwicklungen in Bezug auf das Unternehmer-
tum in Österreich. Nachfolgend werden, aufbauend auf den Untersu-
chungen, handlungsrelevante Empfehlungen für die Bereiche soziokul-
turelle Normen, Entrepreneurship Education, Female Entrepreneurship,
Finanzierung sowie zum Gründungsökosystem selbst abgeleitet.

GEM-Trendbarometer Österreich

Erfreulich
↑ Einige Schlüsselindikatoren wieder auf bzw. über
Vor-Pandemie-Niveau
Zu diesen zählen: Rate der etablierten Unternehmen
(Unternehmen inkl. Startups länger als 3,5 Jahre aktiv),
wahrgenommene Gründungsmöglichkeiten; zudem lie-
gen die Unternehmensausstiege stabil auf Vor-Pande-
mie-Niveau, die Gründungsraten haben sich in den von
den Auswirkungen der Pandemie besonders betroffenen
Bundesländern (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark)
erholt.

↑ Bei einzelnen Indikatoren befindet sich Österreich im


europäischen Spitzenfeld
Zu diesen zählen: Förderungen (Rang 1), physische
Infrastruktur (Rang 3), positive Berichterstattung (Rang
4), Rate der etablierten Unternehmen (Rang 5), Image
des Unternehmertums (Rang 6), geringe Angst vorm
Scheitern (Rang 6), wahrgenommene Gründungskom-
petenzen (Rang 7) sowie wahrgenommene Gründungs-
möglichkeiten (Rang 7).

↑ Langfristige, positive Entwicklung einzelner Indikato-


ren im 10-Jahresvergleich
Nachhaltige Anstiege bei wahrgenommenen Grün-
dungskompetenzen, Image des Unternehmertums,
wahrgenommene Medienberichterstattung, Anteil
informeller Investorinnen und Investoren sowie leichte
Abnahme bei der Angst vor dem unternehmerischen
Scheitern – das ist insofern bemerkenswert, da Ein-
stellungen und Normen sich in der Regel nur langsam
verändern und diese Veränderungen in einem heraus-
fordernden Umfeld stattgefunden haben.

GEM Insight 5: Umfeld 96


Erfreulich, aber… Verbesserungsbedarf

↓ Gründungsökosystem stabil, aber teils ↓ Wachsende Lücke zwischen wahrgenommenen
veränderungsresistent Gründungsmöglichkeiten und konkreten
Die Bewertung der Rahmenbedingungen, wie Gründungsabsichten
beispielsweise das finanzielle Umfeld oder die Nur 8,5% der erwerbsfähigen Bevölkerung gibt
Infrastruktur, zeigt eine gewisse Resilienz, aber an, in den nächsten drei Jahren ein Unternehmen
auch Veränderungsresistenz gegenüber altbe- gründen zu wollen, obwohl knapp 50% Grün-
kannten Schwächen (beispielsweise Entrepre- dungsmöglichkeiten sehen. Diese Disparität ist
neurship Education); durchschnittliche Ergebnis- in Österreich verglichen mit anderen europäi-
se bei einzelnen Rahmenbedingungen, auch im schen und internationalen Ländern besonders
europäischen und internationalen Vergleich. stark ausgeprägt. Zusätzlich liegen die konkre-
ten Gründungsabsichten derzeit deutlich unter

↓ Anteil der Jungunternehmerinnen steigt, dem Vor-Pandemie-Niveau.
es gibt aber noch viel zu tun
Anstieg auf 44,8% Jungunternehmerinnen, ↓ Weiterhin zu wenig Entrepreneurship Education
jedoch Abnahme des Frauenanteils bei den eta- Erneut eine unterdurchschnittliche Bewertung
blierten sowie bei den FTI-intensiven Unterneh- erhält hierzulande die Entrepreneurship Educa-
men; noch immer sind knapp 30% der Grün- tion, insbesondere in der Primär- und Sekun-
dungsteams rein männlich. Frauen in Österreich darstufe und der unternehmerischen Aus- und
haben mehr Angst vor dem unternehmerischen Weiterbildung im Berufsbildungsbereich. Anzu-
Scheitern, eine deutlich niedrigere eigene Kom- merken gilt, dass dieses Thema lt. GEM-Daten
petenzeinschätzung, sehen weniger Gründungs- eine europaweite Herausforderung darstellt (mit
möglichkeiten und gründen eher aus Notwen- wenigen Ausnahmen) und die österreichische
digkeitsmotiven im Vergleich zu Männern. Bevölkerung im Gegensatz dazu ihre Grün-
dungskompetenzen im Vergleich zu früheren

↓ Die unternehmerische Aktivität erholt sich, Erhebungen zunehmend besser einschätzt.
jedoch zum Teil nur langsam
Zahlreiche Schlüsselindikatoren (z.B. Rate der ↓ Soziokulturelle Normen nur sehr langsam
Jungunternehmen, Schwierigkeit der Unterneh- gründungsfördernd
mensgründung, Beschäftigungs- und Wachs- Die soziokulturellen Normen in Bezug auf das
tumserwartungen, Internationalisierung, FTI- Unternehmertum in Österreich werden – wie in
Intensität etc.) entwickeln sich positiv, jedoch vielen europäischen Ländern – von den Exper-
langsamer als in vergleichbaren europäischen tinnen und Experten weiterhin negativ bewertet,
Ländern und erreichen noch nicht das Vor-Pan- wobei sich auch hier aus Sicht der Bevölkerung
demie-Niveau. Die FTI-Auswertungen deuten ein Wandel andeutet: In Bezug auf Image und
trotz steigender F&E-Anstrengungen einen Risikoverhalten werden die vorherrschenden
potenziell möglichen (relativen) Wettbewerbs- Normen seit 2018 kontinuierlich unternehmens-
verlust für Österreichs Entrepreneure an. freundlicher wahrgenommen.

GEM Insight 5: Umfeld 97


Handlungsfelder
und -empfehlungen

Die Analysen verdeutlichen insbesondere eine einge-


bremste Dynamik der unternehmerischen Aktivität in
Österreich im frühphasigen Bereich (bei den Vorgrün-
dungen und Gründungsabsichten, weniger bei den Anzumerken gilt zusätzlich, dass Unternehmensgrün-
etablierten Unternehmen), obwohl gleichzeitig wieder dungen bei einer steigenden Nachfrage am Arbeitsmarkt
verstärkt Gründungsmöglichkeiten wahrgenommen (Arbeitskräftemangel) fast immer rückläufig sind. Quali-
werden. Auffallend ist dabei eine in Österreich besonders fizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen
stark ausgeprägte Disparität zwischen wahrgenomme- zahlreiche Optionen offen, Verdienst- und Aufstiegs-
nen Möglichkeiten und konkreten Gründungsabsichten. möglichkeiten oder Selbstverwirklichung werden immer
Diese kann – neben den derzeit unsicheren makroöko- mehr auch in der nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit
nomischen Rahmenbedingungen; siehe Einleitungs­ ermöglicht (trotz rückläufiger Intrapreneurship-Aktivität
kapitel) – auf zahlreiche Ursachen zurückzuführen sein: in Österreich; siehe Kapitel 4.4). Dennoch empfiehlt
es sich, diese Kluft zu verringern und das vorhandene
» die fehlende Notwendigkeit, den Weg in die Potenzial an Gründungsmöglichkeiten stärker zu nutzen
Selbstständigkeit zu suchen (siehe Kapitel 2.1), – zumal junge Unternehmen ein zentraler Treiber des
» eine weiterhin vorherrschende Angst vor dem strukturellen Wandels sind und somit eine wichtige
unternehmerischen Scheitern (in Österreich Determinante der Wettbewerbsfähigkeit.
allerdings leicht sinkend – siehe Kapitel 2.4 bzw.
Trendbarometer), Aus der Analyse der Daten und der Befragung der Exper-
» eine schwierige Vereinbarkeit mit dem Privat- tinnen und Experten lassen sich zu diesen Entwicklungen
und Familienleben (insbesondere fehlende Handlungsempfehlungen in fünf Bereichen ableiten:
Kinderbetreuung; besonders von Frauen nachge-
fragt – siehe Kapitel 3.2)
» die eigene Unsicherheit über die Wettbewerbsfä-
higkeit (siehe Kapitel 4.4),
» fehlende Finanzierungsmöglichkeiten/Ressour-
cen (siehe Kapitel 5.1), fehlender Zugang zu
Eigen- und Fremdkapital (siehe Kapitel 5.2),
» fehlende bzw. mangelhafte Unterstützungsan-
gebote, etwa im Bereich Aus- und Weiterbildung
nachgefragt (wobei die Förderungsmöglichkeiten
in Österreich generell positiv bewertet werden –
siehe Kapitel 5.2), u.v.m.

GEM Insight 5: Umfeld 98


#1
Soziokulturelle Normen:
ein Wandel erscheint möglich, muss jedoch proaktiv unterstützt werden

Während die befragten Expertinnen und Experten die » eine weitere Enttabuisierung des Scheiterns
vorherrschenden soziokulturellen Normen für Gründen (durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen,
(das ist beispielsweise die landesweite Kultur zur Förde- Mentoring, Netzwerke, Veranstaltungen, offene
rung von Kreativität, Innovativität, Selbstständigkeit, Kommunikation, Role Models und positive Bei-
Autonomie und Eigeninitiative oder die Förderung der spiele etc.);
Übernahme unternehmerischen Risikos) hierzulande
weiterhin negativ einschätzen, setzt aus Sicht der » die Eröffnung von weiteren, informellen Mög-
österreichischen Bevölkerung in den letzten Jahren ein lichkeiten der Kompetenzaneignung (neben der
Wandel ein, und diese werden trotz eines schwierigen Entrepreneurship Education im formellen Bil-
Umfelds unternehmensfreundlicher wahrgenommen. dungssystem – siehe nächstes Handlungsfeld),
Diesen, durch die GEM-Erhebung dokumentierten, Trend etwa über Mentoringprogramme, job shadowing
gilt es breiter zu kommunizieren, zu verstärken und die (z.B. Entrepreneure bei der täglichen Arbeit
öffentliche Meinung dahingehend zu sensibilisieren. begleiten zum Kennenlernen der Möglichkeiten
Dass sich vorherrschende Einstellungen und Normen und Herausforderungen des Unternehmertums),
ändern können, haben andere europäische Länder wie Sandboxes zum Testen von Innovationen in ge-
die Niederlande, die baltischen und skandinavischen schützten Umgebungen etc.
Länder, aber auch die Schweiz demonstriert (siehe
Kapitel 2.4). Die GEM-Erhebungen in diesen Ländern In Bezug auf das Image des Unternehmertums in Öster-
zeigen allerdings auch, dass so ein Wandel nur langsam reich merken die Expertinnen und Experten zusätzlich
vonstattengeht. Gerade in Österreich wäre – aufgrund an, dass die Zeit des extremen Skalierens und schnel-
der zuvor beschriebenen Kluft – eine unternehmens- len Wachstums vorbei zu sein scheint. Im Zuge des
freundlichere landesweite Kultur und ein entsprechen- sich verändernden Umfelds setzen Investorinnen und
des Klima wichtig, welche Gründungsabsichten und Investoren wie Venture Capitalists oder Business Angels
den intrinsischen Drang zur Unternehmensgründung wieder stärker auf Profitabilität und Nachhaltigkeit.
bestärken, statt zu bremsen. Deren Investitionsvergaben richten sich nach neuen
Kriterien aus und werden risikoaverser. Unternehmen
Die befragten Expertinnen und Experten weisen in wiederum sind zudem in Bezug auf deren Image gefor-
diesem Zusammenhang auf ein Bündel von Maßnahmen dert, ihre Produkte/Services sozialgerecht und umwelt-
hin, welche zum Teil schon bestehen und funktionie- verträglich zu entwickeln und auch die persönlichen
ren, teilweise auf- bzw. ausgebaut werden müssen. Werte entsprechend – und glaubhaft – auszurichten.
Das sind u.a. Jungunternehmen scheinen hier im Vorsprung zu sein
(siehe Kapitel 2.2), und das kann zum Vorteil werden
» die verstärkte Kommunikation dieses angespro- – bei allen Stakeholdern, inklusive den Arbeitskräften
chenen Wandels (inklusive der Botschaft, dass (so sind eine hohe Mitarbeitendenzufriedenheit und
ein Wandel dauert, aber möglich ist) entlang attraktive Arbeitsbedingungen wichtig, um dem Fach-
der Quintupel-Helix, d.h., Kommunikation auf kräftemangel zu begegnen).
der politischen, unternehmerischen, medialen,
Bildungs- und vor allem der individuellen Ebene; Es ist klar, dass die Veränderung von soziokulturellen
auf individueller Ebene sollen vor allem die Normen wie beispielsweise eine stärkere Förderung
Potenziale und Vorteile des Unternehmertums von Kreativität, Innovativität und Eigeninitiative durch
(für ein besseres Verständnis und eine positivere die landesweite Kultur ein langfristiger Prozess ist, der
Einstellung gegenüber Gründungen) dargestellt durch eine kontinuierliche und koordinierte Anstrengung
werden; Menschen mit Vorbildwirkung (so- von Regierung, Unternehmen, Medien und Gesellschaft
genannte Role Models) und öffentliche Aus- unterstützt werden muss – die GEM-Daten deuten
zeichnungen helfen in der Kommunikation und auf eine potenziell mögliche Trendumkehr hin und
Netzwerke sollten hierfür erweitert werden; diese Dynamik gilt es anzuerkennen und proaktiv zu
verstärken.

GEM Insight 5: Umfeld 99


#2
Entrepreneurship Education:
der Schlüssel, um Potenziale zu entfalten

Ohne verstärkter Anstrengungen im Bereich Bildung Neben flexibleren und rascheren Reformen/Anpas-
wird es nicht gelingen, die unternehmerische Aktivität sungsmöglichkeiten für Lehrpläne benötigt es laut
zu steigern, dieser Befund ist eindeutig (siehe Kapitel Expertinnen und Experten hierzulande
3.3). Welches Potenzial hierzulande ungenützt bleibt,
lässt die unterdurchschnittliche Bewertung der Entre- » noch mehr praktische und experimentelle Ele-
preneurship Education in Österreich vermuten, insbe- mente im Unterricht (projekt-basiertes Lernen,
sondere im Schul- und Berufsbildungsbereich (siehe bereits in der Ausbildung „ins Tun kommen“) und
Kapitel 3.4). Andere Länder wie die Niederlande haben moderne/zukunftsgerichtete Lehrinhalte, hier
vorgezeigt, dass die Förderung der unternehmerischen u.a. auch eine stärkere Verankerung der SDGs
Bildung über Reformen/nationale Programme funktio- und deren Potenziale und Notwendigkeit für
nieren kann – es ist allerdings ein längerfristiger Prozess Innovation (noch immer zu wenig bekannt; siehe
(gestartet wurde hier bereits 2008), welcher dafür Kapitel 2.2);
nachhaltig erfolgreich nachwirkt. Im österreichischen
Schulsystem wurden erste Schritte gesetzt und die » eine stärkere Ausrichtung der Lernziele auf die
Finanz- und Wirtschaftsbildung in den neuen Lehrplänen Entwicklung von Gründungsabsichten und des
für Volks- und Mittelschulen sowie AHS-Unterstufen entsprechenden Mindsets, dies muss aber auch
stärker verankert. Zusätzlich wurden Initiativen wie eine entsprechende Unterstützung, Förderung
die „Landkarte der Aktionen“ zur Entrepreneurship und Wertschätzung für Lehrpersonen in der Um-
Education oder die Entrepreneurship Week gestartet. setzung dieser Forderungen beinhalten;

» vermehrt Projekte mit externen Institutionen


(Unternehmen und Intermediäre) und noch mehr
Entrepreneure mit Praxiserfahrung als Gastleh-
rende sowie eine weitere Verbreitung von beste-
henden und funktionierenden Formaten (etwa
die Junior Companies oder die Youth Entrepre-
neurship Woche, Jugend Innovativ).

Diese Forderungen lassen sich weitgehend auf den


Berufsbildungsbereich übertragen, welcher von den
Expertinnen und Experten als weiteres Handlungsfeld
gesehen wird. Der Hochschulbereich erhält mittlerweile
eine bessere Bewertung in der GEM-Erhebung. Für
diesen wird insbesondere eine stärkere interdisziplinäre,
hochschulübergreifende Zusammenarbeit eingefor-
dert. Die verbesserte Bewertung der Entrepreneurship
Education im Hochschulbereich zeigt zudem, dass eine
Veränderung möglich ist – hier gilt es, Initiativen wie
Spin-off Fellowships oder First Inkubator Programme
fortzuführen – und die gestarteten Reformen in allen
Aus- und Weiterbildungsbereichen konsequent und
ohne Verzögerung umzusetzen.

GEM Insight 5: Umfeld 100


#3
Female Entrepreneurship:
eine Nachschärfung ist erforderlich

Der Frauenanteil in Österreichs Jungunternehmen Auch in diesem Bereich gibt es positive Tendenzen und
entwickelt sich auf den ersten Blick erfreulich, sinkt Initiativen (Female Founders, Frau in der Wirtschaft,
allerdings deutlich mit zunehmender FTI-Intensität. Felin – Female Leaders Initiative, female factor etc.)
Zudem korreliert der Frauenanteil negativ mit der in Österreich, welche noch zusätzlich verstärkt und
Größe des Unternehmens (siehe Kapitel 3.2). Darüber komplementiert werden sollten. Die befragten Expert­
hinaus sind Gründungsteams noch immer klar männlich innen und Experten fordern auf Basis dieser Ergebnisse
dominiert, und es gibt in einzelnen Bereichen erhebliche
Unterschiede zwischen Frauen und Männern, u.a. bei » eine Verbesserung der familienfördernden Struk-
den wahrgenommenen eigenen Gründungskompeten- turen (etwa mehr Sicherheiten für Frauen mit
zen oder im Risikoverhalten. Die GEM-Daten zeigen klaren, transparenten Richtlinien fürs Gründen
darüber hinaus, dass Frauen mit Gründungsabsichten im Bereich des Mutterschutzes, verbindliche
deutlich häufiger Unterstützung in der Familienbe- Karenzzeiten, Zeit für die Familie, quantitativ
treuung benötigen würden (was auch auf ein weiterhin und qualitativ verbesserte Kinderbetreuungs-
bestehendes, unausgewogenes Rollenverständnis in angebote etc.) und ein verstärktes Hinterfragen
der Familienbetreuung schließen lässt, zudem fehlt es und Aufbrechen von klassischen Rollenbildern
schlicht an den notwendigen, vor allem ganztägigen sowie Erarbeitung und Kommunikation dieser
Betreuungsangeboten, insbesondere im ländlichen Strukturen mit und über Female Role Models wie
Raum). Das bestehende Förderangebot nutzen Frauen beispielsweise die Female Entrepreneurs beim
generell weniger stark als Männer (siehe Kapitel 3.2 und Gründungspreis PHÖNIX;
5.2). Weiters sind die konkreten Gründungsabsichten von
Frauen – wie bereits in den letzten GEM-Erhebungen » einen verbesserten Zugang zu Ressourcen und
dokumentiert – deutlich niedriger als jene von Männern. finanziellen Mitteln für Gründerinnen (ähnlich
Frauen priorisieren dafür stärker sozial verträgliche und dem „Investing in Women Code“ im Vereinig-
umweltgerechte Unternehmensziele. ten Königreich, siehe Kapitel 3.2) und gezielte
Förderprogramme mit finanziellen Incentives für
gemischte oder weibliche Gründungsteams;

» eine Veränderung in der Investitionslandschaft


für mehr Investorinnen; hierfür braucht es mehr
Wissen über Asset-Klasse, Steueranreize für
direkte Startup-Beteiligungen und VC-Invest-
ments (Freibeträge, Verlustvorrechnung), Female
Role Models und Netzwerkarbeit.

Nicht nur in Bezug auf die bestehende Kluft zwischen


wahrgenommenen Gründungsmöglichkeiten und konkre-
ten Absichten wäre es für den Wirtschaftsstandort
Österreich wichtig, mehr weibliche Gründerinnen in
der Unternehmenslandschaft zu haben. Eine inklusi-
vere und diversere Wirtschaft hat größeres Potenzial,
einzigartige Perspektiven zu schaffen und Innovatio-
nen hervorzubringen, um einen drohenden Rückgang
der Wettbewerbsfähigkeit von Österreichs Unterneh-
men abzuwenden (siehe Kapitel 4.4). Zudem wäre
eine weitere Schwerpunktsetzung betreffend Female
Entrepreneurship eine interessante Option zur Profil-
schärfung des Gründungsökosystems (siehe dazu auch
Handlungsfeld 5).

GEM Insight 5: Umfeld 101


#4
Finanzierung:
Stärkung auch von informellen Investorinnen und Investoren

Das finanzielle Umfeld wird in Österreich durchschnitt- Die GEM-Ergebnisse stützen aus diesem Grund insbe-
lich bewertet, auch im europäischen Vergleich. Die sich sondere
verändernden makroökonomischen Rahmenbedingungen
und derzeit schwierige konjunkturelle Lage in Zeiten » die bestehende Forderung nach einem Betei-
von gerade überstandener Covid-Pandemie und des ligungsfreibetrag für Investitionen in Jung­
Ukraine-Konflikts (mit Folgen wie Teuerung, Infla- unternehmen (neben weiteren bestehenden
tion, hohe Energiepreise) machen es den Unternehmen Forderungen wie Mitarbeitendenbeteiligung,
allerdings zunehmend schwieriger, an Finanzierungen neue Rechtsform, Maßnahmen zur Stärkung des
zu kommen (siehe Kapitel 5.1). Die GEM-Daten zeigen Eigenkapitals von Startups und KMUs, Stärkung
zudem in diesem Zusammenhang, dass die Bereitschaft des vorbörslichen Kapitalmarkts).
in Österreich, als informelle Investorin/informeller
Investor (etwa Freunde, Bekannte, Familie, aber auch Um das Potenzial von Mikroinvestments durch infor-
Crowdfunding) in Unternehmen zu investieren, in den melle Investitionen in Österreich noch besser aus­
letzten Jahren zunimmt. Die Bedeutung informeller zuschöpfen, wären laut befragten Expertinnen und
Investitionen sollte zwar aufgrund geringer durch- Experten zusätzlich begleitende Maßnahmen wichtig,
schnittlicher Finanzierungssummen (verglichen mit um Unternehmertum und Investieren in (Jung-)Unter-
dem durchschnittlichen Investment eines österrei- nehmen in der öffentlichen Wahrnehmung attraktiver
chischen Business Angels) für die Wachstumsphase zu machen. Diese stehen mit den Handlungsfeldern 1
nicht überschätzt werden, kann aber durchaus in der bis 3 in Einklang:
Pre-Seed bzw. Seed-Phase Wirkung entfalten. Das ist
insofern wichtig, da laut den befragten Expertinnen » Maßnahmen zur Verbesserung der soziokultu-
und Experten es auch im Early-Stage-Bereich im Zuge rellen Normen und Image/Status des Unterneh-
der Entwicklungen im Jahr 2022 schwieriger geworden mertums und eine stärker verankerte Entrepre-
ist, an Finanzierungen zu kommen. In Anbetracht der neurship Education und Finanzbildung in den
bestehenden großen Lücke zwischen wahrgenommenen Bildungs-, Aus- und Weiterbildungssystemen,
Gründungsmöglichkeiten und konkreten Absichten wäre
gerade jetzt jede zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit » eine ausgewogenere Geschlechterverteilung in
in der Pre-Seed-Phase wichtig. der Investitionslandschaft (Anmerkung: auch
bei den informellen Investitionen besteht lt.
GEM-Erhebung ein großer, geschlechtsspezifi-
scher Unterschied, der Anteil informeller Inves-
toren ist um 60% höher als jener von informel-
len Investorinnen).

Andere Länder wie Schweden (siehe Kapitel 5.1) haben


vorgezeigt, dass der Anteil der informellen Investorinnen
und Investoren durch Steuerreformen und entsprechende
Anreize deutlich gesteigert werden kann und diese
eine zusätzliche, attraktive Finanzierungsvariante für
Jungunternehmen darstellen.

GEM Insight 5: Umfeld 102


#5
Das Gründungsökosystem Österreich:
Schwerpunkte setzen und eine strategische Ausrichtung
des Maßnahmenportfolios sicherstellen

Erneut erhält das heimische unternehmerische Ökosys- und das Potenzial von Gründenden mit unter-
tem im internationalen und europäischen Vergleich schiedlichem Hintergrund besser zu nutzen (das
der GEM-Erhebung nur eine durchschnittliche Bewer- beginnt bereits bei einfachen Maßnahmen wie
tung. Es gibt einzelne Ausreißer nach oben (etwa bei der Abbau sprachlicher Barrieren oder Förderung
Bewertung der Förderungen oder der Infrastruktur), von Diversität);
bei einer Vielzahl an GEM-Indikatoren (wie etwa den
finanziellen Rahmenbedingungen, dem Niveau des » die Stärkung bereits vorhandener Stärken (intel-
F&E Transfers, dem Digitalisierungsgrad u.v.m.) liegt ligente Spezialisierung): besonders die Verfüg-
Österreich jedoch nur im Mittelfeld. Neben bereits barkeit und Qualität von staatlichen Förderpro-
geforderten und notwendigen Reformen (z.B. eine grammen für neue und wachsende Unternehmen
Umsetzung der FlexKap als neue Rechtsform für Startups erhalten im internationalen GEM-Vergleich eine
entsprechend den Forderungen der Startup-Community, Spitzenbewertung, dennoch gibt es – auch durch
Erleichterungen für internationale Investitionen, Steuer­ geänderte Rahmenbedingungen – noch weite-
erleichterungen/Lohnnebenkostensenkung, weitere res Potenzial zur Nachschärfung: einerseits auf
Anreize für Investitionen wie z.B. die Ausweitung des der Inputseite werden zusätzliche Unterstüt-
Investitionsfreibetrages oder die Verbesserung der zungsleistungen beim Zugang zu Eigen- und
steuerlichen Verlustrechnung, eine vereinfachte/schnel- Fremdkapital sowie im Bereich der Aus- und
lere Gründung, Startup Visum, Gründungsstipendien, Weiterbildung von den Unternehmen nachge-
Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel etc.) machen fragt, zudem scheint das Förderangebot männli-
die GEM-Analysen deutlich, dass erkennbare Akzente che Gründer besser anzusprechen (siehe Kapitel
und Schwerpunktsetzungen für den Gründungsstandort 5.2). Zum anderen identifizieren die GEM-Ana-
Österreich hilfreich wären. Eine stärkere Positionierung lysen Verbesserungspotenzial beim Output und
könnte gemäß Expertinnen und Experten durch unter- Wirkung der Förderungen (hier im Bereich der
schiedliche Maßnahmen unterstützt werden: Forschungsförderung, siehe Kapitel 4.2-4.4). Da
es darüber hinaus laut Expertinnen und Experten
» durch Schwerpunktsetzung, in unterschiedlichen im Zuge stark belasteter öffentlicher Budgets
Dimensionen: die österreichische FTI-Strategie immer schwieriger wird, das breitgefächerte För-
2030 mit dem operativen FTI-Pakt 2024–2026 dern von Unternehmertum aufrechtzuerhalten,
für innovative Unternehmen (siehe Kapitel bedarf es auch hier Schwerpunktsetzungen, im
4.1 und 4.4) könnte hier als Ausgangsposition Einklang mit einer Innovations- und Standort-
für eine inhaltliche Schwerpunktsetzung auch strategie.
für Entrepreneure und Unternehmen gene-
rell dienen. Eine weitere Dimension könnte ein » eine engere Vernetzung und Zusammenarbeit
Exportfokus sein. Um die Internationalisierung zwischen Unternehmen, Bildungs- und For-
wieder zur Stärke des heimischen Ökosystems schungseinrichtungen sowie staatlichen Institu-
zu machen (die Internationalisierungsgrade der tionen: Österreich ist ein vergleichsweise kleines
heimischen Jungunternehmen steigen wieder, Gründungsökosystem mit dem starken Ballungs-
erreichen allerdings noch nicht das Vor-Pan- zentrum Wien – ein überschaubares Ökosystem
demie-Niveau; siehe Kapitel 1.4), bedarf es kann auch als Vorteil genutzt werden bei der
weiterer gezielter Unterstützungsmaßnahmen Vernetzung, dem Austausch und der Zusammen-
beispielsweise durch Mentoring-Programme, die arbeit zwischen unterschiedlichen Institutionen
Bereitstellung von Netzwerken und Kontakten und Individuen;
in ausländischen Märkten oder ein Ausbau der
Internationalisierungsoffensiven wie etwa go-in- Die GEM-Erhebungen in anderen europäischen Ländern
ternational mit der Born Global Academy zur (etwa Niederlande, Frankreich, UK, Luxemburg oder
Erschließung neuer, attraktiver Zielmärkte. Eine die baltischen Staaten) zeigen, dass eine aktive und
weitere Möglichkeit wäre ein Fokus auf Diversi- langfristige, strategisch ausgerichtete Standortpolitik
tät und Inklusion (siehe dazu auch Handlungsfeld zu einer Attraktivierung des Ökosystems führt und
3): in Deutschland etwa trugen insbesondere entscheidend ist, da nationale und regionale Grün-
Gründungspersonen mit Migrationshintergrund dungsökosysteme in immer stärkerer Konkurrenz zuei-
zu einem Anstieg der Rate der Jungunterneh- nanderstehen, beispielweise um Talente, Unternehmen
men bei (siehe Kapitel 1.1); Österreich könnte oder Kapital.
hier Akzente setzen, um die Innovationskraft

GEM Insight 5: Umfeld 103


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105
106
Danksagung
Wir möchten an dieser Stelle allen danken, die Österreich die Teilnahme
am Global Entrepreneurship Monitor 2022/2023 ermöglicht und das GEM
Austria Team bei der Realisierung des gesamten Projektes sowie der
Verwirklichung dieser Publikation unterstützt haben.

Partnerinnen und Partner, Fördergeberinnen und Fördergeber sowie


Sponsorinnen und Sponsoren für die finanzielle Unterstützung zur Reali-
sierung der Studie:

Insbesondere folgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren bei der


Durchführung des Projekts behilflich und haben bei der Interpretation
der Ergebnisse und der Erstellung des Reports maßgeblich unterstützt:
Sabine Matzinger, Stefan Henseler, Sascha Ruhland, Alexander Moser,
Clara Girstmair, Michael Penz, Julia Bader, Karl Schiller, Matthias Bischof,
Carina Feichtinger und Werner Müller.

Desweiteren bedanken wir uns herzlich bei


» dem Team der GERA und im Speziellen Aileen Ionescu-Somers,
Jonathan Francis Carmona, Niels Bosma, Alicia Coduras, Aurea
Almanso und Kevin Anselmo für die kompetente Unterstützung in
der Projektumsetzung,
» dem Market Institut und Stefan Anzinger für die professionelle
Durchführung der APS und Unterstützung in methodischen Fragen,
» Andrea Malek-Rappitsch von Malanda-Buchdesign für kreative
Gestaltung und Layout des Reports,
» allen Expertinnen und Experten sowie Organisationen, die sich die
Zeit genommen haben, die NES-Befragung zu beantworten und
Ergebnisse zu kommentieren, um Handlungsempfehlungen abzu-
leiten,
» sowie allen Unternehmerinnen und Unternehmern und Personen,
die sich die Zeit genommen haben, die APS-Umfrage zu beant-
worten.
ISBN 978-3-903-31818-2

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