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Nach den Erfahrungen des Krieges und des Sterbens, dürfte der '''Wunsch zu überleben''' das dominierende Motiv für eine Fahnenflucht gewesen sein. [[Ludwig Baumann (Wehrmachtsdeserteur)|Ludwig Baumann]] beschreibt in seinen Lebenserinnerungen das Motiv des jungen Soldaten für die Flucht aus Bordeaux in die damals noch unbesetzten Gebiete Frankreichs: „Die Wahrheit ist: Ich wollte nicht töten. Und ich wollte leben.“<ref>{{Literatur |Autor=[[Ludwig Baumann (Wehrmachtsdeserteur)|Ludwig Baumann]] |Titel=Niemals gegen das Gewissen: Plädoyer des letzten Wehrmachtsdeserteurs |Verlag=Herder |Ort=Freiburg |Datum=2014 |ISBN=978-3-451-30984-7 |Seiten=8}}</ref>.
 
'''Traumatischen Schlüsselerlebnissen''' als Auslöser von Fahnenflucht sind fast nur in amerikanischen und englischen biografischen Darstellungen zu finden. Die Verfestigung traumatischer Erlebnisse ist seit 1980, nach dem [[Vietnamkrieg]], unter dem Begriff [[Posttraumatische Belastungsstörung]] (PTSD) als psychiatrische Erkrankung anerkannt. Symptome, wie das „Kriegszittern“ oder das englische „shell shock“ im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] sind deutliche Zeichen einer schweren PTSD. Nach Kriegsende schätzten britische Stellen, dass von dieser Symptomatik ca. 80.000 Soldaten betroffen waren<ref>{{Literatur | Autor=Peter Riedesser und Axel Verderber | Titel=Maschinengewehre hinter der Front - Zur Geschichte der deutschen Militärpsychiatrie | Auflage=4 | Verlag=Mabuse-Verlag | Ort=Frankfurt am Main | Datum=2016 | ISBN=9783935964524}}</ref>. Die eigentlich kranken Soldaten wurden als willensschwache „Psychopathen“ und als charakterlich minderwertig behandelt. Deutsche Psychiater gingen sogar so weit, diese „Kriegsneurosen“ als ein Delikt der „Wehrkraftzersetzung“ einzustufen, das nach der Kriegssonderstrafordnung<ref>{{Literatur | Titel=KSSVO: Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz (KriegssonderstrafrechtsverodnungKriegssonderstrafrechtsverordnung) | Sammelwerk=Deutsches Reichsgesetzblatt | Band=1939, Teil I | Nummer=147 | Datum=1938 | Seiten=1455 – 1457}}</ref> von 1938 mit dem Tod zu ahnden war. Berücksichtigt man die umfangreiche amerikanische und israelische militärpsychologische Forschung<ref>{{Literatur |Autor=Charles W. Hoge, Jennifer L. Auchterlonie, Charles S. Milliken |Titel=Mental Health Problems, Use of Mental Health Services, and Attrition From Military Service After Returning From Deployment to Iraq or Afghanistan | Sammelwerk=JAMA |Band=295(9) |Datum=2006 |Seiten=1023-1032 |DOI=10.1001/jama.295.9.1023}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Sebastian Junger |Titel=TRIBE: Das verlorene Wissen um Gemeinschaft und Menschlichkeit |Verlag=Karl Blessing |Ort=München|Datum=2017 |ISBN=978-3896675873}}</ref> zum Thema PTSD in Kampfhandlungen, so ist es hochwahrscheinlich, dass Traumata auch eine Ursache für Fahnenflucht an der Front waren. In den erhaltenen Prozessakten finden sich gemäß dem damals fehlenden Wissen über die Krankheit PTSD kaum Hinweise auf diese Motivgruppe. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass von den zum Tode verurteilten Deserteuren in vielen Armeen ein nicht geringer Teil nach heutiger Kenntnis an einer schweren PTSD litt.
 
== Denkmale für Deserteure ==
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[[Datei:Gedenkstein an die Marinesoldaten Fritz Wehrmann, Alfred Gail und Martin Schilling (Norgaardholz 2016), Bild 03.jpg|mini|hochkant|Gedenkstein für Fritz Wehrmann, Alfred Gail und Martin Schilling in Norgaardholz]]
* In [[Steinberg (Schleswig)|Norgaardholz]] wurde 1997 auf Beschluss des Kreistags Schleswig-Holstein ein Denkmal an der Geltinger Bucht errichtet, das an die Hinrichtung der drei Matrosen [[Fritz Wehrmann (Matrose)|Fritz Wehrmann]], Martin Schilling und Alfred Gail am 10. Mai, also nach der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|Bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]], erinnert<ref>Peter Richter, Norbert Haase: Denkmäler ohne Helden, 2019, S.&nbsp;123–126</ref>.
* Im Januar 1998 wurde in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs ein ein Gedenkstein zur Erinnerung an den [[Pazifist]]en und [[Widerstandskämpfer]] [[Hermann Stöhr]] aufgestellt und der Platz nach ihm benannt. Stöhr war 1939 zwei Einberufungsbefehlen nicht nachgekommen, wurde wegen [[Wehrkraftzersetzung]] zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 21. Juni 1940 im [[Gedenkstätte Plötzensee|Strafgefängnis Berlin-Plötzensee]] durch [[Enthauptung]] vollstreckt.
* In [[Ingolstadt]] entstand 1998 die [[Luitpoldpark (Ingolstadt)#Mahn- und Gedenkstätte|Mahn- und Gedenkstätte im Luitpoldpark und im Auwald]], zu der das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus gehört, das aus blauen Stelen mit Photographien von Opfern des Nationalsozialismus in Ingolstadt besteht. Am Auwaldsee, wo zwischen August 1944 und April 1945 63 Todesurteile gegen Wehrmachtsangehörige vollstreckt wurden, erinnert eine Stele an den fahnenflüchtigen Soldaten Johann Pommer<ref>Peter Richter, Norbert Haase: Denkmäler ohne Helden, 2019, S.&nbsp;139–141</ref>.
* Seit 1998 gibt es auch in [[Bernau bei Berlin]] ein [[Deserteurdenkmal (Bernau bei Berlin)|Deserteurdenkmal]], das an die [[Pazifismus|pazifistische]] Haltung vieler Deserteure erinnert.<ref>[http://www.offenehuette.de/denk.htm Deserteurdenkmal] in [[Bernau]].</ref>
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* In Hamburg schuf die Künstlerin Andrea Peschel 1991 als Reaktion auf den [[Zweiter Golfkrieg|ersten Irakkrieg]] ein ''Mahnmal für Frieden und Gewaltlosigkeit'' und stellte es neben dem [[Gedenkstein für die Erhebung Schleswig-Holsteins (Blankenese)]] am Mühlenberger Weg auf. Es zeigte einen aufspringenden Soldaten in Uniform mit Helm, der sein Gewehr über dem Knie zerbricht. Es wurde allgemein als Deserteursdenkmal bezeichnet. Schon nach wenigen Tagen wurde die Plastik umgestürzt, Gesicht und Hände zerstört. Am 12. März 1991 wurde im Beisein von Presse und Ortsvorsteher eine stabilere Fassung des Denkmals aus Stahl und Gießharz mit Stahlverankerung im Boden aufgestellt, aber schon sechs Tage später mit schwerer Technik aus dem Boden gerissen. Auf eine Reparatur durch die Künstlerin folgten in den Folgejahren immer wieder Beschädigungen. Ein Spendenaufruf 1999 für eine neue, stabilere Plastik erbrachte nicht die erforderliche Summe. Im Jahr 2000 erkannte das Bezirksamt Altona das Mahnmal als offizielles Denkmal an. Doch im April 2005 verschwand es im Zuge von Bauarbeiten gänzlich<ref>Peter Richter, Norbert Haase: Denkmäler ohne Helden, 2019, S.&nbsp;118–121</ref>.
* Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Hamburg-Höltigbaum wurde am 5. September 2003 eine Gedenktafel angebracht mit dem Text: ''Auf den Schießständen des Übungsplatzes wurden beginnend mit dem Jahr 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mindestens 330 Wehrmachtsangehörige hingerichtet. / Die Todesurteile fällten Kriegsgerichte der Wehrmacht in Hamburg, Fahnenflucht oder Wehrkraftzersetzung waren zumeist die Gründe. / Aus den Soldaten der umliegenden Kasernen bildete man die Hinrichtungskommandos. Kurz vor Kriegsende, am 28. April 1945, fand die letzte Exekution statt.''<ref>{{Internetquelle |url=https://gedenkstaetten-in-hamburg.de/gedenkstaetten/zeige/gedenkstaette-schiessplatz-hoeltigbaum |titel=Gedenkstätte Schießplatz Höltingbaum |hrsg=Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen |abruf=2022-08-15}}</ref>
* Am 20. Juli 2009 wurde im Hamburg der erste Stolperstein für einen Wehrmachtsdeserteur verlegt. Der Stein auf der WaldörferWalddörfer Str. 347 erinnert an Kurt Oldenburg, der 1941 in Bordeaux zusammen mit seinem Freund Kurt Baumann desertiert war. Eine Zollstreife griff beide auf, ein Kriegsgericht in Hamburg verurteilte sie 1942 zum Tode. Die Strafe wurde in 12 Jahre Zuchthaus umgewandelt, beide kamen in ein Bewährungsbataillon. Beim Einsatz an der Ostfront kam Oldenburg ums Leben. 2016 wurde in Wandsbek eine Straße nach Kurt Oldenburg benannt<ref>Peter Richter, Norbert Haase: Denkmäler ohne Helden, 2019, S.&nbsp;156–157</ref>.
* In [[Hamburg]] gibt es am Stephansplatz seit November 2015 nach jahrelangem Streit ein von Volker Lang geschaffenes [[Deserteurdenkmal (Hamburg)|Deserteurdenkmal]]. Ludwig Baumann war bei der Einweihung ebenso anwesend wie Bürgermeister [[Olaf Scholz]].<ref>Volker Stahl: '',Hamburg hat umgedacht'. Die Hansestadt hat nun ein Deserteur-Denkmal – es ehrt die Opfer der NS-Militärjustiz.'' In: neues deutschland vom 26. November 2015, S.&nbsp;14.</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.hamburger-wochenblatt.de/barmbek/lokales/das-denkmal-fuer-deserteure-kommt-d2881.html |text=''Das Denkmal für Deserteure kommt''. |wayback=20160228154428}} Hamburger Wochenblatt; abgerufen am 29. Dezember 2012.</ref>
* In [[Ulm]] stand das 1989 geschaffene Denkmal lange Jahre auf Privatgrund, weil der Gemeinderat die öffentliche Aufstellung ablehnte. Seit dem 19. November 2005 steht die von Hannah Stütz-Mentzel geschaffene Skulptur in der Nähe der historischen Hinrichtungsstätte in Ulm.<ref>{{Webarchiv |url=http://hatlie.de/history/sitesofmemory/ulmdeserters.html |text=Deserteurdenkmal in Ulm |wayback=20070313181726}}</ref>