Bei ihren Auftaktveranstaltungen in Lübeck und Kloster Seeon sparten Grüne und Christsoziale nicht mit Kritik am Gegner. Müssen sie sich später zusammenraufen?
Der Wahlkampf in Deutschland für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar ist in vollem Gange. Für die Auftaktveranstaltung der Grünen in der Lübecker Musik- und Kongresshalle am Montag standen die Leute Schlange, rund 1.200 Menschen nahmen teil, Außenministerin Annalena Baerbock und Kanzlerkandidat Robert Habeck waren die Hauptdarsteller auf der Bühne.
Sie hielten die Kernthemen der Partei hoch - Umwelt- und Klimaschutz, europäische Zusammenarbeit und soziale Gerechtigkeit. Von Steuersenkungen, wie sie der Konkurrenz vorschweben, wollte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck nichts wissen. Die Grünen wollen weiter auf ihrem Weg voranschreiten, Deutschland grüner zu machen, und Projekte für erneuerbare Energien vorantreiben.
Ein hemdsärmeliger Habeck trat in seiner Geburtsstadt Lübeck auf. Er griff die früheren Bundesregierungen unter der Führung der CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei, der CSU, an und machte sie für die aktuellen Probleme im Land verantwortlich. Zwar räumte Habeck ein, dass die gescheiterte Ampelkoalition eine Mitschuld trage, doch müsse die größere Schuld bei der Union gesucht werden.
"Die Investitionslücken, die wir sehen, das fehlende Geld in der Bildung, in den Brücken, in der Bahn, die sind nicht von der Regierungskoalition allein verursacht worden. Im Gegenteil, wir haben versucht, alles zu tun, um die Lücken zu schließen und zu beheben, aber die Situation ist schon lange, lange, lange vorher entstanden." Habeck kritisierte die Bilanz früherer CSU-Verkehrsminister wie Peter Ramsauer, Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt - die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands seien eine Folge ihrer Politik.
Habeck will sich stärker um die Themen kümmern, die den "normalen" Deutschen Sorgen bereiten, wie steigende Mieten. Deutschland solle wieder bezahlbar werden. Er warb für seine Partei als Partei der Lösungen und der Leidenschaft für die Verbesserung des Landes: "Die Realität wird sich nach dem Wahltag nicht ändern. Egal, welche Partei welche Stimmen bekommt, wir werden die gleiche Realität vorfinden. Es wird sich nicht ändern, dass die Menschen in Deutschland Angst um ihren Arbeitsplatz haben, dass die soziale Angst das Land wieder erfasst hat. Das sind reale Probleme, die nicht verschwinden werden, auch wenn sich die Regierungsmehrheit ändert. Deshalb müssen wir in diesem Wahlkampf Antworten geben, die diese und andere Probleme ernst nehmen und Antworten geben, die so groß sind wie die Probleme selbst."
Mit Blick auf die Führung der CDU/CSU in den Umfragen mit um die 30 Prozent ätzte der grüne Kanzlerkandidat: "Die Union tut so, als sei alles ganz einfach und als müssten starke Männer nur starke Aussagen machen, dann würden sich die Probleme schon lösen. Die Realität ist aber viel komplexer. Wir haben einen ganz wichtigen Weg eingeschlagen, es ist eine europäische Lösung und diese europäische Lösung muss umgesetzt werden. Das ist das, was die Migrationsbewegungen in Europa und dann auch in Deutschland ordnen und sortieren wird."
CSU-Winterklausur in Kloster Seeon vor winterlicher Kulisse
Die CSU hielt derweil ihre traditionelle Winterklausur in Kloster Seeon ab und startete vor winterlicher Kulisse in die heiße Phase des Wahlkampfes. Sie schlägt harte Töne vor allem in der Migrationspolitik an. Parteichef Markus Söder forderte nicht nur einen Regierungs-, sondern einen Politik- und Richtungswechsel - eine Wirtschaftswende, Bürokratieabbau, Steuersenkungen statt Bürgergeld und mehr Leistung. Er will die deutsche Wirtschaft ankurbeln, eine strengere Asylpolitik durchsetzen und die Investitionen in moderne Technologien und in den Rüstungssektor quantitativ und qualitativ steigern.
Die grüne Wirtschaftspolitik habe "kein grünes Wirtschaftswunder, sondern grüne Pleiten" gebracht: "Rezession, Depression, Inflation. Die Vorzeichen für die wirtschaftliche Lage sind insgesamt außerordentlich schwierig. Wenn der Wohlstand wackelt, wackelt auch die Demokratie. Insofern kommt es jetzt nicht darauf an, einen Regierungswechsel zu organisieren, sondern einen tatsächlichen Richtungs- und Politikwechsel herbeizuführen." Söder schloss eine Koalition mit den Grünen erneut aus. "Wir glauben nicht, dass die Grünen regierungsfähig sind."